1791/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.04.2009
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ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Graf, DDr. Königshofer

und Kollegen

 

an den Finanzminister  der Republik Österreich

 

 

betreffend „Finanzskandal EZB“.

 

Seit dem 1. Jänner 1999 ist Österreich Mitglied der Europäischen Währungsunion. Mit dieser Mitgliedschaft war die Notwendigkeit verbunden, die nationalen Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht anzupassen. 

So ist in § 1 Nationalbankgesetz 1984 (NBG)  geregelt, dass die Rechtsverhältnisse der Österreichischen Nationalbank (OeNB) durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag), das Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB/EZB-Statut) sowie durch das NBG geregelt werden.

In den Satzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) ist im Artikel 44 (2) der Fall geregelt, wenn die EZB einen Verlust erwirtschaftet, dass eben dieser - nach einem Beschluss des EZB–Rates – durch die, auf die nationalen Zentralbanken auszuschüttenden, monetären Einkünfte ausgeglichen werden kann. Ebenso können die Verluste nach oben genannter Regelung aus dem allgemeinen Reservefonds der EZB beglichen werden. Dieser Reservefonds wird gemäß Beschluss der EZB vom 16. November 2000, kundgemacht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 336 vom 30.12.2000, wiederum durch die nationalen Zentralbanken bedient.

 

Die zentralen  Regelungen hinsichtlich der Finanzgebarung  der EZB finden sich, neben den erwähnten Stellen, in den Artikeln 28 und 30 der Satzungen der EZB, wo das Kapital der EZB beschrieben ist sowie der Vorgang der Übertragung von Währungsreserven an die EZB geregelt ist.

Darüber hinaus ist in diesen genannten Normen die Möglichkeit begründet, dass die EZB, von jeder weisungsgebundenen nationalen Zentralbank,  die Einzahlung weiterer Währungsreserven fordern kann.

 

All diese Vorgänge sind vor dem Hintergrund der absoluten Weisungsfreiheit der EZB und ihrer Beschlussorgane seitens den Organen der Gemeinschaft, der nationalen Regierungen oder anderer Stellen welche im Artikel 108 des EG-Vertrags geregelt ist, zu beurteilen.

 

Eines der Geschäftsfelder der EZB entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem Problemfall und unübersehbaren Finanzsumpf, nämlich die so genannten Refinanzierungsgeschäfte.

 

Bei Refinanzierungsgeschäften wird Banken für eine bestimmte Laufzeit von der EZB Geld gegen Übertragung von Sicherheiten geliehen. Wenn die Laufzeit vorüber ist, so haben die Banken den geliehenen Betrag plus Zinsen zurückzuzahlen, gegen Rückstellung der Sicherheiten.

 

Problematisch wurden diese Refinanzierungsgeschäfte jedoch durch die so genannte Finanz- und Bankenkrise, da insolvente Banken ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der EZB nicht mehr nachkommen können. Ebenso ist es krisenbedingt, dass die hinterlegten Sicherungen (meist Wertpapiere) nicht den Wert haben, mit dem sie von der EZB bewertet wurden und werden.   

 

Das Geschäft mit der Investmentbank Lehmann Brothers muss hier als ein prominentes Beispiel für ein „geplatztes Refinanzierungsgeschäft“ angeführt werden.

 

Wie hoch diese Verluste derzeit sind, kann auch von Experten nicht seriös abgeschätzt werden, da sie erst nach dem Verkauf von etwaigen Sicherungspapieren beziffert werden können.

 

In Expertenkreisen wird jedoch vermutet, dass die offenen Forderungen aus den Refinanzierungsgeschäften die 50 Milliarden-Eurogrenze bereits deutlich überschritten haben.

 

Wie im einleitenden Teil beschrieben, werden diese Verluste direkt oder indirekt auf die Mitgliedsstaaten abgewälzt. Dies geschieht über einen in den Satzungen der EZB geregelten Aufteilungsschlüssel, bei dem Österreich mit Stand 1 Jänner 2009 mit 1,9417 % bewertet ist.

 

Im Zusammenhang mit dem Aufteilungsschlüssel in der Bilanz 2008 wird das von Österreich eingezahlte Kapital mit € 116.128.992,- angegeben. Nach einer „Anpassung“ mit Stichtag 1. Jänner 2009 wird das von Österreich eingezahlte Kapital lediglich mit € 111.854.587,- angegeben. Somit um € 4.274.405,- weniger.

 

Aus Expertenkreisen dringt in letzter Zeit das Gerücht, dass sich die EZB am Finanzmarkt „verspekuliert“ hat. Rechtlich ist in Artikel 18 der EZB-Satzungen geregelt, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken zur Erreichung der Ziele des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) auch auf den Märkten tätig werden und Forderungen und börsennotierte Wertpapiere kaufen und verkaufen können.

 

So sollen zum Beispiel bei so genannten Island-Anleihen Verluste in exorbitanter Höhe entstanden sein. Diese Verluste sollen das gesamte System der EZB derart gefährdet haben, dass unter anderem in einer „Nacht und Nebelaktion“ Geld von der  ohnedies schlecht dastehenden OeNB nachgeschossen werden musste, um ein Zusammenbrechen des ESZB zu verhindern.


Diese Belastungen sollen laut Expertenmeinungen auch dazu geführt haben, dass die Mittel für die Nationalstiftung für Forschung gänzlich gestrichen wurden. Dies stellt ein weiteres Problem für den bereits angeschlagenen Forschungsplatz Österreich dar.

 

Ein weiterer Aspekt der EZB-Bilanz 2008 ist das Grundgehalt des österreichischen Direktoriumsmitglieds der EZB, Frau Dr. Gertrude Tumpel-Gugerell, welches in der Bilanz 2008 mit € 251.280,- ohne Zulagen angeführt ist.

Wenn man die gesamten Zulagen der Direktoriumsmitglieder durch die Zahl eben dieser dividiert, kommt man auf einen Betrag von € 100.087,-.

 

Überschlagsweise ergibt sich für Frau Dr. Tumpel-Gugerell – der Gattin des AK Präsidenten - ein monatliches Gehalt von € 29.280,- was das Gehalt des Bundespräsidenten deutlich übersteigt.

Doch auch wenn die Amtszeit von Frau Dr. Tumpel-Gugerell - die im BAWAG-Skandal rund um den in U-Haft sitzenden Helmut Elsner traurige Berühmtheit erlangt hat - im Jahre 2011 zu Ende geht, muss man sich um Ihre Einkünfte keine Sorgen machen, da sie durch die großzügige Gewährung von Übergangsgeldern  für einen bestimmten Zeitraum – so steht es kryptisch in den Erläuterungen der EZB-Bilanz 2008 – bedacht wird.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Finanzminister folgende

 

Anfrage:

 

 

  1. Wie hoch sind die Zahlungen - aufgelistet nach Geschäftsjahren - die durch die OeNB in den allgemeinen Reservefonds der EZB geflossen sind?
  2. In welcher Höhe wurden  Währungsreserven – aufgelistet nach Geschäftsjahren – an die EZB übertragen?
  3. In welcher Höhe wurden  Goldreserven – aufgelistet nach Geschäftsjahren – an die EZB übertragen?
  4. Wann wurden OeNB Mitarbeiter oder Organe über etwaige Verluste der EZB aus Refinanzierungsgeschäften informiert?
  5. Wie hoch sind die Verluste der EZB aus Refinanzierungsgeschäften – aufgelistet nach Geschäftsjahren – ?
  6. Gibt es noch andere Verluste und/oder Wertberichtigungen der EZB aufgelistet nach Geschäftsjahren?
  7. In welcher Höhe wurden Zahlungen der OeNB an die EZB zur Abdeckung von Verlusten aus Refinanzierungsgeschäften – aufgelistet nach Geschäftsjahren – geleistet?
  8. In welcher Höhe wurden Zahlungen der OeNB an die EZB zur Abdeckung von  allgemeinen Verlusten – aufgelistet nach Geschäftsjahren – geleistet?
  9. Wie hoch sind die Verluste der OeNB aus Refinanzierungsgeschäften – aufgelistet nach Geschäftsjahren –?
  10. Wie hoch sind die Verluste der EZB aus Refinanzierungsgeschäfte mit der Investmentbank Lehmann Brothers – aufgelistet nach Geschäftsjahren –?
  11. Wann wurden OeNB Mitarbeiter oder Organe über etwaige Verluste der EZB aus Spekulationen (so genannte Offenmarkt- und Kreditgeschäfte) informiert?
  12. Wie hoch sind die Verluste der EZB aus Spekulationen (so genannte Offenmarkt- und Kreditgeschäfte)?
  13. Wie hoch sind die Verluste der EZB aus Spekulationen im Zusammenhang mit so genannten Island-Anleihen?
  14. Wie hoch sind die Verluste der OeNB aus Spekulationen – aufgelistet nach Geschäftsjahren –?
  15. Wie oft wurde von der so genannten „Nachschusspflicht“ der OeNB an die EZB Gebrauch gemacht?
  16. In welcher Höhe wurden von der OeNB Nachschüsse an die EZB geleistet – aufgelistet nach Geschäftsjahren-?
  17. Waren die EZB Verluste ursächlich für die Streichung der Mittel der Nationalstiftung für Forschung?
  18. Wenn nein, warum wurden die Mittel für die Nationalstiftung für Forschung gestrichen?
  19. Wie viele Österreicher sind derzeit bei der EZB beschäftigt?
  20. In welchen Funktionen sind Österreicher bei der EZB beschäftigt - Auflistung unter Angabe des Namen und der Funktion -?
  21.  Wie hoch ist das genaue monatliche Gehalt der Frau Dr. Tumpel-Gugerell, inklusive Zulagen?
  22. Wie hoch ist die Besteuerung des Gehalts der Frau Dr. Tumpel-Gugerell?