4801/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.03.2010
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Walser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin  für Unterricht, Kunst und Kultur

 

betreffend Bestellung eines/einer Landesschulinspektors /-inspektorin für allgemeinbildende Pflichtschulen laut Ausschreibung des Landesschulrates in Vorarlberg, Zahl 800000.11/0050-LSR/2009

 

Aufgabe der LandesschulinspektorInnen ist es nicht nur, den ordnungsgemäßen Ablauf des Unterrichts in den Schulen und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zu kontrollieren. Ihre wesentliche Aufgabe liegt in der Weiterentwicklung der Pädagogik, der Implementierung neuer Methoden, der Evaluierung von Versuchen und der Verbesserung des Unterrichts an allen in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Schulen. Aus diesem Grund dürfen nur die besten BewerberInnen zum Zuge kommen, PädagogInnen, die sowohl Weitblick als auch Erfahrung hinsichtlich neuer pädagogischer Konzepte mitbringen und sich mit hohem Engagement für die Weiterentwicklung der Schulen einsetzen. Nachdem die notwendigen Entwicklungen standes- und parteipolitischen Interessen widersprechen darf die Bestellung von LandesschulinspektorInnen keinesfalls politisch geprägt sein, sondern muss nach streng objektiven Kriterien erfolgen. Trotz mehrfacher Versuche, das Bestellungsverfahren zu objektivieren, scheint es nach wie vor Schwierigkeiten zu geben, die tatsächlich bestgeeigneten Personen zu bestellen.

 

In Vorarlberg kam die Stelle eines Landesschulinspektors/ einer Landesschulinspektorin zur Ausschreibung. Die Objektivierungskommission hat im Zuge des Bestellungsverfahrens festgestellt, dass die beiden erstgereihten BewerberInnen, Frau Karin Engstler und Herr Wolfgang Rothmund, unterschiedlich, aber gleich qualifiziert sind.

 

Herr Rothmund wurde dann vom Personalberater Ebner gegenüber dem Kollegium als stabilisierend und Frau Engstler als jemand charakterisiert, der kreativ und organisationsbegabt ist.

 

Die berufsbiographischen Daten von Bezirksschulinspektorin Karin Engstler sprechen für sich. Sie verfügt über ein sehr umfangreiches Fachwissen in den Bereichen Integration in der Sekundarstufe, offene Lernformen sowie alternative Formen der Beurteilung und hat eine umfassende einschlägige pädagogische Publikationstätigkeit vorzuweisen. Frau Engstler war sehr erfolgreich als Lehrerin und Schulleiterin, sie ist Bezirksschulinspektorin und hat in all diesen Funktionen auch im Zusammenhang mit der Neuen Mittelschule maßgeblich zur Unterrichtsentwicklung im Bereich Individualisierung, Differenzierung, Öffnung usw. beigetragen. Sie zeichnete sich über all die Jahre vor allem dadurch aus, dass sie als Pionierin und Vorkämpferin reformpädagogische Ansätze ins Regelschulwesen implementierte und sich in beeindruckender Weise für die Weiterentwicklung des Schulwesens engagierte.

 

Die Personalentscheidung für Herrn Rothmund ist deshalb so unverständlich, weil Herr Landesrat Siegi Stemer in öffentlichen Debatten und unter Bezugnahme auf das Konzept der Vorarlberger Mittelschule ständig betont, dass es nicht um Strukturfragen gehe, sondern neue pädagogische Konzepte – wie individuelle Lernförderung und andere neue Lehr- und Lernformen – im Mittelpunkt der Weiterentwicklungen stehen und man sich an diesen orientieren soll. Bezirksschulinspektorin Karin Engstler steht als Person genau für diese notwendigen Weiterentwicklungen.

 

In den Medien („Vorarlberger Nachrichten“ vom 8. und 9. März 2010, ORF Vorarlberg vom 7. und 8. März 2010) wurde intensiv über diese Personalentscheidung berichtet. Wie in ähnlich gelagerten Fällen in anderen Bundesländern wurde dabei auf mögliche parteipolitische Interessen verwiesen. Das schadet dem Ruf des Schulwesens enorm. Zuletzt haben wir in diesem Zusammenhang in einer Anfrage auf die Ausschreibung der Stelle eines Direktors/einer Direktorin an der HTBLA, BHAK, BHAS Wien 3 Ungargasse, (Schulzentrum Ungargasse) verwiesen.

 

Diese Anfrage richtet sich nicht gegen die Person des Herrn Bezirksschulinspektors Rothmund. Es geht um die Eignung für eine Schlüsselstelle des Vorarlberger Schulwesens in Zeiten des Umbruchs. Eines aber muss festgehalten werden: Herr Rothmund hat als Vorsitzender der Personalvertretung der APS-LehrerInnen vor allem standespolitische Interessen vertreten, war und ist der reform-skeptischen bis reform-feindlichen Linie einer Bundesministerin Elisabeth Gehrer oder des Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) Fritz Neugebauer zuzuordnen.

 

Diese Personalentscheidung widerspricht diametral den sonstigen Bekundungen von Landesrat Siegi Stemer über eine „neue Pädagogik“ und die Weiterentwicklung der Schule. Sie ist ein Schlag ins Gesicht aller Pädagogen und Pädagoginnen in Vorarlberg, die sich im Zuge der Vorarlberger Mittelschule engagiert an der Weiterentwicklung der Schule beteiligen!

 

Zum zweiten muss festgehalten werden, dass es - angesichts einer durchschnittlichen Frauenquote in Führungsfunktionen von knapp 10% - als Affront gegenüber Frauen generell empfunden werden muss, wenn bei gleicher Qualifikation dem Mann der Vortritt gewährt wird.

 

In diesem Zusammenhang wird auf die Evaluation des Landesfrauenfördergesetzes aus dem Jahr 2007 (Seite 29, 30) hingewiesen. Hier wird festgestellt, dass sich der Anteil der Frauen in der Führung von Volksschulen auf knapp 50% wohl gesteigert hat, bei einem Lehrerinnenanteil von 89% ist das aber nicht verwunderlich. Zudem werden – bei einem Frauenanteil von 60% - nur 6% der Hauptschulen von Frauen geleitet. Dieser Anteil ist im Vergleich zu früheren Untersuchungen sogar leicht gesunken.

 

Wir wiederholen abschließend, dass uns und vielen an Schulreformen interessierten Menschen diese Entscheidung aus den angeführten Gründen vollkommen unverständlich ist. Das ist eine richtungweisende Personalentscheidung. Es stellt sich die Frage, ob wir den Weg des Bewahrens und Beharrens gehen oder den Weg frei machen für notwendige Reformen und die Weiterentwicklung der Schule.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Wie stehen Sie dazu, dass bei der Bestellung eines Landesschulinspektors/ einer Landesschulinspektorin eine gleich qualifizierte Frau, die für die jetzt anstehenden, notwendigen Reformen steht, an die zweite Stelle gereiht wurde?

 

2. Wie beurteilen Sie die Feststellung der Objektivierungskommission, dass die beiden erstgereihten BewerberInnen, Frau Karin Engstler und Herr Wolfgang Rothmund, unterschiedlich, aber gleich qualifiziert sind?

 

3. Wie beurteilen Sie die Feststellung des Personalberaters Ebner gegenüber dem Kollegium, dass Herr Rothmund als stabilisierend und Frau Engstler als jemand charakterisiert wird, der kreativ und organisationsbegabt ist? Welche Auswirkungen sollte das aus Ihrer Sicht auf die Besetzung dieser zentralen Stelle im Vorarlberger Schulwesen haben?

 

4. Sind Sie wie Landesrat Siegi Stemer der Meinung, dass für die Weiterentwicklung der Schule eine „neue Pädagogik“ notwendig ist?

a     Wenn nein, warum nicht?

b     Wenn ja, welche Auswirkungen hat das auf die hier bevorstehende          Personalentscheidung?

 

5. Sind Sie bereit, die Bewerbungsunterlagen einer kritischen Prüfung zu unterziehen und den Reihungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrats für Vorarlberg umzustoßen?

 

6. Wie können Sie sicherstellen, dass in Zukunft bei gleicher Qualifikation Frauen bei Bestellungsverfahren vorgezogen werden, bis die Hälfte der Leitungsposten weiblich besetzt ist?

 

7. Welche Möglichkeiten haben Sie, die Frauenförderung im Schulbereich voranzutreiben?

 

8. Halten Sie angesichts der beschriebenen Umstände die Erstellung sachlich nachvollziehbarer Reihungsvorschläge für eine objektive Postenvergabe im Einflussbereich der Landesschulräte bzw. des Stadtschulrates für gewährleistet?