6396/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.09.2010
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Anfrage

 

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend mögliche Unvereinbarkeiten bei Aufsichtsratsmitgliedern im ÖIAG-Bereich

 

 

In den letzten Jahren gerieten wiederholt Aufsichtsratsmitglieder in staatlichen oder staatsnahen Unternehmen wegen Interessenskonflikten bis hin zu klaren Unvereinbarkeiten in öffentliche Kritik. Zumeist, weil sie trotz ansehnlicher Entschädigungen für die Aufsichtsratstätigkeit neben dieser auch Aufträge derselben Unternehmen in ihren „Brotberufen“ angenommen hatten. Manche – wie etwa der von ÖVP-Seite bei den ÖBB in Stellung gebrachte Aufsichtsrat Fredmund Malik - mussten nach Bekanntwerden ihr Mandat zurücklegen, manche konnten – wie etwa der von ÖVP-Seite bei ÖBB und ASFINAG in Stellung gebrachte Aufsichtsrat Eduard Saxinger - mit einem Blitz-Rückzug von Mandat und angepeiltem „Nebengeschäft“ absehbare Schwierigkeiten gerade noch eindämmen, manche – wie der unter ÖVP/FPÖ-Zeiten zu Aufsichtsratsehren gelangte Ex-Minister Dieter Böhmdorfer - wählten die Flucht nach vorne und forderten nach öffentlicher Kritik und Beendigung des eigenen Beratervertrags die Offenlegung aller ÖBB-Beraterkosten. An problematischen Kombinationen ist „Aufsicht beim Unternehmen X durch Berater des Unternehmens X“ ebenso wie „Aufsicht beim Unternehmen X durch Lieferanten des Unternehmens X“ verbreitet.

 

Zahlreiche folgenlos gebliebene Fälle aus den letzten Jahren und nun erneut mehrere aktuelle Fälle zeigen, dass die in Österreichs staatsnahem Bereich in Sachen Corporate Governance angelegten Maßstäbe im Vergleich etwa zur Schweiz oder Deutschland generell extrem großzügig sind. In vielen in Österreich ohne Konsequenzen gebliebenen Fällen wäre in den Nachbarstaaten alles andere als ein sofortiger Rückzug der Betreffenden völlig undenkbar, weitere gerichtliche Konsequenzen nicht ausgeschlossen. In Österreich hingegen herrscht im Filz des proporzgeprägten staatsnahen Bereichs eine völlige Unkultur, was Unvereinbarkeiten betrifft. Dass manches zwar (gerade noch) legal, aber eben trotzdem völlig daneben und unhaltbar ist, wenn Steuergeld und öffentliches Eigentum im Spiel sind, scheint ab gewissen Einkommens- und „Eingebundenheits“-Klassen tendenziell aus dem Blickfeld zu geraten.

 

Wie bei den proporzgefärbten Großunternehmen im Verantwortungsbereich des BMVIT gehören derartige Zustände auch im zum Finanzminister ressortierenden ÖIAG-Bereich zum normalen Alltag.


Im ÖIAG-Bereich werden jährlich ansehnlich zweistellige Millionen-Euro-Beträge für Berater ausgegeben. Bereits seit Jahren und auch weit abseits der Parteipolitik - zB aus Streubesitz-Aktionärskreisen - wurde in diesem Zusammenhang etwa Kritik an der Telekom- und Post-Aufsichtsrätin Dr. Edith Hlawati von der Wiener Wirtschaftskanzlei CHSH laut. Dr. Hlawati ist bei der Telekom Austria AG seit 2001 Aufsichtsrätin und derzeit Stellvertreterin von Aufsichtsratsvorsitzendem und ÖIAG-Chef Michaelis, weiters seit 2007 auch Aufsichtsrätin der Post AG. Zusätzlich ist sie bzw. ihre Kanzlei aber auch Auftragnehmerin sowohl der Telekom Austria AG als auch der Post AG als auch der ÖIAG. Medienberichten zufolge überstieg das jährliche Auftragsvolumen für CHSH/Dr.Hlawati allein seitens der Telekom teilweise die Mio-Euro-Schwelle (zB nach starkem Anstieg im Jahr 2007), auch für 2009 wurden etwa 0,5 Mio Euro bestätigt. Insgesamt werden für CHSH/Dr.Hlawati bei Telekom, Post und ÖIAG Jahres-Auftragssummen in Höhe von mehreren Mio Euro kolportiert. Dr.Hlawati soll Medienberichten zufolge auch maßgeblich die Pläne für die Aufteilung der Telekom Austria in getrennt abverkaufbare Teilunternehmen vorbereitet haben.

 

Kleinaktionärs-Vertreter Wilhelm Rasinger fasste das Problem u.a. schon bei der Telekom-Hauptversammlung 2008 im Mai 2008 folgendermaßen zusammen: „Ich schätze Ihre Expertise sehr und ich weiß, dass Sie für die ÖIAG und Doktor Michaelis unverzichtbar sind, aber Sie sollten sich entscheiden, Frau Doktor“.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Wie hoch waren die Ausgaben für a) Beratung, b) rechtliche Beratung bei der Telekom Austria AG in den Jahren 2000 bis 2009 jeweils jährlich?

2.    Wie hoch war in den Jahren 2000 bis 2009 jeweils jährlich der finanzielle Gesamtumfang aller Beratungs-Beziehungen zwischen der Telekom Austria AG und der Kanzlei CHSH bzw den einzelnen CHSH-Partnern?

3.    Wie hoch waren die Ausgaben für a) Beratung, b) rechtliche Beratung bei der Telekom Austria AG im Jahr 2010 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage?

4.    Wie hoch war im Jahr 2010 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage der finanzielle Gesamtumfang aller Beratungs-Beziehungen zwischen der Telekom Austria AG und der Kanzlei CHSH bzw den einzelnen CHSH-PartnerInnen?

5.    Waren unter den in Frage 1 bis 4 angesprochenen Telekom-Beratungsaufträgen Pauschal-Beauftragungen nach dem Muster der kritisierten Verträge der ÖBB mit der Kanzlei Lansky? Wenn ja, welche und mit welchen Bezugszeiträumen?

6.    Welchen Titel und Inhalt hatten die in Frage 1 bis 4 angesprochenen Beratungsaufträge?

7.    Sind aus anderen Titeln in den angesprochenen Zeiträumen Zahlungen der Telekom an die Kanzlei CHSH bzw. einzelne CHSH-PartnerInnen erfolgt, wenn ja wofür und in welcher Höhe?

8.    Wie hoch waren die Ausgaben für a) Beratung, b) rechtliche Beratung bei der Post AG in den Jahren 2000 bis 2009 jeweils jährlich?

9.    Wie hoch war in den Jahren 2000 bis 2009 jeweils jährlich der finanzielle Gesamtumfang aller Beratungs-Beziehungen zwischen der Post AG und der Kanzlei CHSH bzw den einzelnen CHSH-Partnern?

10.  Wie hoch waren die Ausgaben für a) Beratung, b) rechtliche Beratung bei der Post AG im Jahr 2010 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage?

11.  Wie hoch war im Jahr 2010 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage der finanzielle Gesamtumfang aller Beratungs-Beziehungen zwischen der Post AG und der Kanzlei CHSH bzw den einzelnen CHSH-Partnern?


12.  Waren unter den in Frage 8 bis 11 angesprochenen Post-Beratungsaufträgen Pauschal-Beauftragungen nach dem Muster der kritisierten Verträge der ÖBB mit der Kanzlei Lansky? Wenn ja, welche und mit welchen Bezugszeiträumen?

13.  Welchen Titel und Inhalt hatten die in Frage 8 bis 11 angesprochenen Beratungsaufträge?

14.  Sind aus anderen Titeln in den angesprochenen Zeiträumen Zahlungen der Post an die Kanzlei CHSH bzw. einzelne CHSH-PartnerInnen erfolgt, wenn ja wofür und in welcher Höhe?

15.  Wie hoch waren die Ausgaben für a) Beratung, b) rechtliche Beratung bei der ÖIAG in den Jahren 2000 bis 2009 jeweils jährlich?

16.  Wie hoch war in den Jahren 2000 bis 2009 jeweils jährlich der finanzielle Gesamtumfang aller Beratungs-Beziehungen zwischen der ÖIAG und der Kanzlei CHSH bzw den einzelnen CHSH-Partnern?

17.  Wie hoch waren die Ausgaben für a) Beratung, b) rechtliche Beratung bei der ÖI AG im Jahr 2010 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage?

18.  Wie hoch war im Jahr 2010 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage der finanzielle Gesamtumfang aller Beratungs-Beziehungen zwischen der ÖIAG und der Kanzlei CHSH bzw den einzelnen CHSH-Partnern?

19.  Waren unter den in Frage 15 bis 18 angesprochenen ÖIAG-Beratungsaufträgen Pauschal-Beauftragungen nach dem Muster der kritisierten Verträge der ÖBB mit der Kanzlei Lansky? Wenn ja, welche und mit welchen Bezugszeiträumen?

20.  Welchen Titel und Inhalt hatten die in Frage 15 bis 18 angesprochenen Beratungsaufträge?

21.  Sind aus anderen Titeln in den angesprochenen Zeiträumen Zahlungen der ÖIAG an die Kanzlei CHSH bzw. einzelne CHSH-PartnerInnen erfolgt, wenn ja wofür und in welcher Höhe?

22.  Wie stehen Sie zu einer Verschärfung der einschlägigen Regeln in Österreich, zB zu einem ausnahmslosen Verbot von Aufträgen und gleichzeitigen Aufsichtsratsfunktionen incl. Cool-Down-Phase nach einer Aufsichtsratsfunktion und incl. Einbeziehung von Mutter-Tochter-Unternehmens-Beziehungen wie zwischen ÖIAG einerseits und Telekom bzw. Post andererseits?