7597/J XXIV. GP

Eingelangt am 04.02.2011
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend nach wie vor fehlende Regelungen im Bereich der Eisenbahnsicherheit

 

 

Im Eisenbahnbereich bleibt das BMVIT leider vielfach die Bearbeitung und erst recht die Erledigung brennender und seit langem bekannter Probleme schuldig. Es stört anscheinend weder die führende Bahn-Beamtenschaft noch das Kabinett, wenn neben der laufenden Publikation aufwendiger und umfangreicher eisenbahngeschichtlicher Wälzer a la „100 Jahre Lokalbahn Retz-Drosendorf“ für die tatsächlichen Aufgaben nicht mehr genug zeitliche und personelle Ressourcen zu verbleiben scheinen.

Ob es sich bei diesen Wälzern samt ihren bemerkenswerten Finanzierungs- und Absatzwegen um Freundschaftsdienste handelt oder lediglich um prokrastinative Ersatzhandlungen wird gesondert zu klären sein.

Selbst wenn neben historischen Wälzern und dergleichen aber ausnahmsweise zu fachspezifischen Themen publiziert wird, z.B. im September 2009 zu dringendem Regelungsbedarf bei Fragen der Eisenbahnsicherheit, bleiben die dabei aus dem BMVIT selbst aufgezeigten dringend nötigen Regelungsschritte wie schon zuvor so auch weiterhin unerledigt, man beschränkt sich auf Ankündigungen und taktische Manöver.

 

Beispielsweise wurde zwecks weniger Zuständigkeits-Chaos im Eisenbahnbereich bereits im Jahr 2002 (!) vom BMVIT ein Entwurf für eine „Hauptbahnerklärungs-Verordnung“ zur Begutachtung ausgesandt. Dieser enthielt viele Mängel, die im Zuge der Begutachtung ausführlich erörtert wurden. Im Anschluss an diese Begutachtung war dennoch bis heute keinerlei weitere Aktivität des BMVIT zur nötigen Verbesserung des Entwurfes erkennbar.

Zuletzt musste 2008 der Rechnungshof im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen die seitens des BMVIT nach wie vor ungelöste Frage der Hauptbahnen aufwerfen (Rechnungshofbericht Bund 2008/1 „Sicherheit auf Nebenbahnen“, Jänner 2008). Die seit 2001 bis heute ersatzweise herangezogenen Hochleistungsstreckenverordnungen sind allesamt mit Ausnahme einer kleinen „Novellierung“ älter als die Notwendigkeit der Hauptbahnerklärungs-Verordnung gemäß Deregulierungsgesetz 2001! Der Versuch von beteiligter BMVIT-Seite, die uralten „Hochleistungsstrecken-Verordnungen“ als Ersatz der fehlenden Verordnung auszugeben, musste vom Rechnungshof im Bericht Bund 2008/1 als Scheinargumentation richtig gestellt werden und wird vom BMVIT hoffentlich nicht weiter fortgesetzt.

 

Ähnliche Regelungsdefizite sind - ohne Anspruch auf Vollständigkeit – beispielsweise bei der Anschlussbahnverordnung, den Ausbildungsverordnungen, der Novelle zur Eisenbahnbau- und Betriebsverordnung und nach wie vor bei der Eisenbahnkreuzungsverordnung (zuletzt vor 23 Jahren aktualisiert) zu beklagen.


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.    Bis wann wird endlich wie vom Rechnungshof Anfang 2008 gefordert ein brauchbarer Entwurf für eine „Hauptbahnerklärungs-Verordnung“ zur Begutachtung ausgesandt?

 

2.    ExpertInnen, darunter auch MitarbeiterInnen des BMVIT, haben in den vergangenen Jahren mehrmals öffentlich und in Publikationen die Notwendigkeit einer „Verordnung über den Bau und Betrieb von Anschlussbahnen“ (Anschlussbahnverordnung) gefordert, da dieser Bereich seit Jahren als „rechtsfreier Raum“ erkannt wurde. So hat am 17.9.2009 der Leiter der Obersten Eisenbahnbehörde im BMVIT, SC Dr. Gürtlich, in seinem Beitrag zum „Österreichischen Verkehrsrechtstag 2009“ die Dringlichkeit dieser Verordnung betont. Dem Vernehmen nach liegt bereits seit mehr als 2 Jahren ein außerhalb des BMVIT erstellter, daher weitgehend abgestimmter Entwurf vor, der jedoch als „Reserve-Erfolg“ zwischengeparkt wird. Dem Vernehmen nach will man mit dessen Hilfe im Falle besonders schlechter Presse ganz spontan einen kleinen Ablenkungs-Erfolg hervorzaubern können.

 

Bis wann wird endlich der offenbar bereits seit langem fertig vorliegende Entwurf für eine Anschlussbahnverordnung zur Begutachtung ausgesandt?

 

3.    Am Verkehrsrechtstag am 17.9.2009 hat der Leiter der Obersten Eisenbahnbehörde im BMVIT weiters auch die Notwendigkeit der Ausbildungsverordnungen (Lehrberufe, sicherheitsrelevante Ausbildungen, FH-Ausbildung) betont.

 

Bis wann werden endlich die so lange angekündigten Entwürfe für Ausbildungsverordnungen zur Begutachtung ausgesandt?

 

4.    Zwischen 1999 und 2009 wurden mehrere, in Fachkreisen einhellig als unbrauchbar erkannte Entwürfe für eine Neufassung der Eisenbahnkreuzungsverordnung (EKVO) zur Begutachtung versandt. Stein des Anstoßes war anfangs die Abwehrhaltung des BMVIT den berechtigten Anliegen behinderter Menschen gegenüber; dem Vernehmen nach mussten sich Organisationen behinderter Menschen sogar bis zum Bundeskanzler durchkämpfen, um im BMVIT überhaupt Gehör zu finden. Beim letzten, besonders holprigen Entwurf von 2009 schien die Linie darin zu bestehen, einerseits den ÖBB in Form hoher EK-Kosten Ausreden für das Stilllegen von Neben-/Regionalbahnstrecken zu liefern, und andererseits die spezialisierten Anbieter der elektrotechnischen Industrie durch massive Aufträge für größtenteils nicht erforderliche Sicherungsanlagen zu fördern. Mit dem missglückten Entwurf für eine neue EKVO (GZ 265.000/0004-IV/SCH2 vom 21.9.2009) wären Ländern und Gemeinden Milliardenkosten zugemutet worden.

 

Bis wann wird hinsichtlich der erforderlichen Neuausarbeitung einer zeitgemäßen EKVO nach dem missglückten Anlauf von 2009 endlich mit Eisenbahnunternehmen, Gemeindebund, Städtebund und Länder-Stellen ein neuer Entwurf abgestimmt?

 

5.    Mit welchen konkreten anderen Organisationen (Organisationen von Menschen mit Behinderungen, Natur- und Umweltschutz-Organisationen, Verkehrs-Organisationen) wurde von Ihnen im Lauf des Jahr 2010 im Zusammenhang mit der Reparatur des gescheiterten EKVO-Entwurfes ein neuer Entwurf abgestimmt?

 

6.    Über ein Jahr ist seit dem Begutachtungsverfahren zum gescheiterten letzten Entwurf für eine neue EKVO vergangen.

 

Bis wann wird endlich ein brauchbarer Entwurf für eine neue Eisenbahnkreuzungsverordnung zur Begutachtung ausgesandt?


7.    Der Rechnungshof muss bei so gut wie jedem Entwurf im Eisenbahnbereich die fehlende Einhaltung des Bundeshaushaltsgesetzes kritisieren und einmahnen.

 

Werden Sie bei dem zu erwartenden EKVO-Entwurf endlich – in diesem Zusammenhang erstmals – auch die Bestimmungen des Bundeshaushaltsgesetzes einhalten, wonach entstehende Kosten zu ermitteln und zu bewerten sind?

 

8.    Am Verkehrsrechtstag 2009 hat der Leiter der Obersten Eisenbahnbehörde im BMVIT auch die Novelle zur Eisenbahnbau- und Betriebsordnung, nämlich die seit langem angekündigte, sicherheitsrelevante und nach wie vor fehlende Erweiterung des Betriebs-Teils, angekündigt. Auch hier musste das BMVIT das Fehlen der erforderlichen Regelungen zugeben (Beitrag Gürtlich, Verkehrsrechtstag 17.9.2009).

 

Bis wann wird endlich ein Entwurf für die fehlenden Regelungen zur Eisenbahnbau- und Betriebsordnung zur Begutachtung ausgesandt?

 

9.    Bis wann wird die Schienenfahrzeug-Lärmzulässigkeitsverordnung (SCHLV) endlich an das geltende Gemeinschaftsrecht angepasst?

 

10.  Die Eisenbahnverordnung 2003 enthält einige Widersprüche zum geltenden Gemeinschaftsrecht.

 

Bis wann wird die Eisenbahnverordnung 2003 endlich an das geltende Gemeinschaftsrecht angepasst?

 

11.  Werden Sie in Zukunft generell mehr Aufmerksamkeit auf die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Eisenbahn lenken, etwa darauf, EU-Richtlinien rechtzeitig, vollständig und richtig umzusetzen?

 

12.  In den letzten Jahren hat das BMVIT viele Bahn-Zuständigkeiten anderen Stellen weitergegeben: Fast die gesamte Sachverständigentätigkeit der Amtssachverständigen des BMVIT an benannte Stellen u. dgl., alle Verfahren für ca. 2000 Anschlussbahnen an die Bezirksverwaltungsbehörden, alle Verfahren für Nebenbahnen und Straßenbahnen an die Länder, die Unfalluntersuchung an das Bundesamt für Verkehr, die Regulierung des Netzzuganges und die Wettbewerbsaufsicht an SCG/SCK, das Führen fast aller Register und Statistiken an die SCHIG, usw. Im Bereich des Eisenbahnrechts beschränkt sich die Tätigkeit des BMVIT somit weitgehend auf die (dennoch nur selten fristgerechte) Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, was jüngst zB bei der Verordnung (EG) Nr. 352/2009 vom 24. April 2009 (CSM) für die Evaluierung und Bewertung von Risiken besonders einfach war. Diese Verordnung ist direkt geltendes Gemeinschaftsrecht und erfordert seitens des BMVIT keine legistischen Umsetzungsmaßnahmen. Diese Verordnung der EU zeigt die seit langem bekannte Richtung der Union auf, die nationale Einzelmaßnahmen immer mehr in Frage stellt. Das BMVIT hat im Eisenbahnbereich nur noch einen Bruchteil der Aufgaben, die es noch vor wenigen Jahren hatte. Trotzdem ist der Personalstand des BMVIT im Eisenbahnbereich fast gleich geblieben, und durch die zahllosen vom BMVIT zusätzlich geschaffenen Gebilde (SCHIG usw. ...) wurde die Zahl der mit der Eisenbahnaufsicht befassten Personen innerhalb weniger Jahre vervielfacht.

 

Können Sie ausschließen, dass die teilweise schon seit Jahrzehnten drängenden, auch vom Rechnungshof eingemahnten und von Ihrem Behördenleiter am Verkehrsrechtstag 2009 angekündigten Verordnungen (Eisenbahnkreuzungsverordnung, Anschlussbahnverordnung, Ausbildungsverordnungen, Novelle zur Eisenbahnbau- und Betriebsverordnung, etc.) vom BMVIT nur als eine Art „Arbeitsvorrat“ zurückgehalten werden, um eine ansonsten logische Anpassung des Personalstandes im BMVIT-Eisenbahnbereich zu vermeiden?


13.  Neben offenen Punkten der Richtlinie 2004/49 ist die Nicht-Umsetzung der Richtlinie 2008/110 zur Eisenbahnsicherheit bemerkenswert. Steckt hinter der laufenden Nicht- bzw. Zu-spät-Umsetzung eine bewusste Strategie (zB "wir im BMVIT wissen es besser"), gibt es seitens Ihrer Zuständigen andere Ausreden, oder wird die Umsetzung sicherheitsrelevanter EU-Vorgaben von Ihren Zuständigen einfach nicht so wichtig genommen?

 

14.  Wie viele Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich im Bereich Eisenbahn laufen zur Zeit?

 

15.  Welche EU-Richtlinien im Bereich Eisenbahn sind innerhalb der nächsten 24 Monate innerstaatlich umzusetzen?

 

16.  Werden Sie a) bei diesen endlich für fristgerechte Umsetzungen sorgen, b) bei den bereits „überfälligen“ EU-Regelungen wenigstens jetzt für umgehende Umsetzungen sorgen?