7719/J XXIV. GP
Eingelangt am 21.02.2011
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „StPO-Novelle: Strafprozeß und Privatbeteiligung – Entwicklung 2010“
Mit der AB 4440/XXIV.GP vom 8.04.2010 wurden die Fragen des Fragestellers Abg. Mag. Johann Maier zur gleichlautenden Anfrage beantwortet.
Opfer einer Straftat sind nach § 67 Strafprozessreformgesetz (StPRG) berechtigt, im Strafverfahren Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens oder eine Entschädigung vom Beschuldigten zu verlangen. Dafür ist eine Erklärung bei der Kriminalpolizei bzw. bei der Staatsanwaltschaft einzubringen oder nach Einbringen der Anklage bei Gericht (Privatbeteiligungsanschluss).
Diese Privatbeteiligtenanschlüsse sind aber im Jahr 2009 entgegen jeder vernünftigen rechtspolitischen Einschätzung weiter zurückgegangen, gleiches gilt für die Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche im Strafverfahren. Es gab im Jahr 2009 den seit Jahren niedrigsten Stand bei den Privatbeteiligtenanschlüssen in Strafverfahren, sogar weniger wie vor der Strafprozeßreform.
Durch diese zusätzlichen Zivilverfahren wird aber die Justiz enorm belastet. Dies widerspricht auch den Zielsetzungen der StPO-Reform, mit diesen Regelungen zur Privatbeteiligung Opfer von Straftaten rascher einen Schadenersatz zu ermöglichen und die Verfahrensrechte Privatbeteiligter zu stärken (siehe insbesondere § 67 Abs. 6 StPO) sowie die Justiz zu entlasten.
Gerade bei einer großen Anzahl von Geschädigten, in denen für alle oder einen
Großteil der Geschädigten mehr oder weniger der gleiche Sachverhalt gilt und nur
geringfügige Präzisierungen ergänzend für eine zivilrechtliche Beurteilung
ausreichen, ist ein Privatbeteiligtenanschluss und einer gerichtlichen Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche sinnvoll. In solchen gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich gesehen nicht unbedenklichen Fällen sollte wie auch in anderen europäischen Staaten eine wesentliche „Verfahrenskonzentration" im Strafverfahren erfolgen.
Dies gilt besonders bei Anleger-Betrügereien, hier ist ein Privatbeteiligtenanschluss äußert sinnvoll. Das Konsumentenschutzministerium (BMASK) verwies mehrfach auf diese sinnvolle Möglichkeit eines Privatbeteiligtenanschlusses nach derartigen Straftaten.
Das BMASK hat u.a. angesichts des Konkurses des AvW-Imperiums den Verein für Konsumenteninformation (VKI) beauftragt, Sachverhaltsdarstellungen von geschädigten Anlegern zu sammeln und für diese einen Anschluss als Privatbeteiligte im anhängigen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zu erklären. Privatbeteiligtenanschlüsse wurden auch in anderen Strafverfahren gegen Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen erklärt.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Wie viele geschädigte Personen haben sich im Jahr 2010 einem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen?
2. In wie vielen Fällen kam es in diesem Jahr zu einem rechtskräftigen (Teil)-Zuspruch?
3. Welche Ersatz- oder Entschädigungsbeiträge wurden in diesem Jahr zugesprochen?
4. Wie viele geschädigte Personen haben sich im Jahr 2010 einem Strafverfahren als Privatbeteiligte nach § 67 StPRG angeschlossen (Aufschlüsselung auf Bezirks- und Landesgerichte)?
5. In wie vielen Fällen kam es mit Abschluss dieser Strafverfahren mit Urteil zu einem (Teil-) Zuspruch (Aufschlüsselung auf Bezirks- und Landesgerichte)?
6. Welche Ersatz- oder Entschädigungsbeträge wurden 2010 zugesprochen?
7. Wie viele geschädigte Personen (Privatbeteiligte) wurden 2010 zur Durchsetzung von Ersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen (Aufschlüsselung auf Bezirks- und Landesgerichte)?
8. Wie viele geschädigte Anleger haben sich im Jahr 2010 einem Strafverfahren als Privatbeteiligte nach § 67 StPRG angeschlossen (Aufschlüsselung auf Bezirks- und Landesgerichte)?
9. In wie vielen Fällen kam es nach Abschluss von Strafverfahren mit Urteil zu einem (Teil-) Zuspruch (Aufschlüsselung auf Bezirks- und Landesgerichte)?
10. Welche Ersatz- bzw. Entschädigungsbeträge wurden im Jahr 2010 geschädigten Anlegern zugesprochen?
11. Wie viele geschädigte Anleger wurden 2010 auf den Zivilrechtsweg verwiesen (Aufschlüsselung auf Bezirks- und Landesgerichte)?
12. Wie oft wurde 2010 zwischen Privatbeteiligte und Beschuldigte im Rahmen eines gerichtlichen Hauptverfahrens ein Vergleich geschlossen (§ 69 Abs. 2 StPRG)?
13. Wie viele geschädigte Anleger haben 2010 selbst oder über den VKI im Zuge von Strafverfahren gegen verdächtige Personen aus dem Bankenbereich oder von Finanzdienstleistungsunternehmen (z.B. Immofinanz / Constantia, AvW, AWD) bis 31.12.2010 einen Privatbeteiligtenanschluss erklärt (Aufschlüsselung auf Verfahren)?
14. Wie beurteilen Sie aktuell die mit dem Strafprozessreformgesetz normierte Verbesserung der Position von Geschädigten in einem Strafverfahren, insbesondere bei den Verfahrensrechten?
15.
Hat das
Justizressort bereits rechtspolitisch geprüft, inwiefern durch die
Einführung einer neuen Strafart, einer sogenannten
„Wiedergutmachungsstrafe“, die Aussichten von Opfern, in den
dafür in Frage kommenden Fällen schon auf Grund des Strafprozesses
Schadenersatz zu erlangen, erhöht und das österreichische
Sanktionenrecht um eine – auch unter Tätergesichtspunkten –
konstruktive Strafe bereichert werden könnte (siehe Dr. Lyane Sautner,
Überlegungen zur Einführung einer Wiedergutmachungsstrafe in das
österr. Strafrecht, JBL 2010, Heft 6)?
Wenn ja, zu welchen Schlußfolgerungen ist das Ressort gelangt?
16. Kommen aus Sicht des Ressorts Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte ihrer Mandukationspflicht hinsichtlich eines Privatbeteiligtenanschlusses im Ermittlungs- bzw. Strafverfahren nach (siehe dazu § 70 StPO)?
17.
„Vergessen“ aus Sicht des Ressorts
RechtsanwältInnen ihre KlientInnen darauf aufmerksam zu machen, einen
PB-Anschluss zu erklären?
Oder wird von RA gezielt der Zivilrechtsweg empfohlen, weil dann
„einschlägige Fachrichter“ als Zivilrechtsexperten und keine
„bloßen Strafrichter“ über privatrechtliche
Ansprüche entscheiden?
18.
Haben Zurückweisungen nach § 67 Abs. 4
Abs. 5 StPO in den letzten Jahren zugenommen?
In wie vielen Fällen kam es seit 2008 zur Zurückweisung von
Privatbeteiligtenanschlüssen?
19. Wie wurde durch die Staatsanwaltschaften oder die Gerichte, die Zurückweisung eines Privatbeteiligtenanschlusses – damit die Verweisung auf den Zivilrechtsweg – nach der neuen Rechtslage in den meisten Fällen begründet?
20. Kann aus § 67 Abs. 5 StPO eine – im Interesse der Verfahrensökonomie und der Vermeidung unnötiger Prozeßkosten bestehende – Verpflichtung zu möglichst frühzeitiger Zurückweisung unzulässiger Privatbeteiligtenanschlüsse abgeleitet werden?
21. Warum entziehen sich aus Sicht des Ressorts Gerichte und RichterInnen zunehmend der gesetzlichen Verpflichtung über privatrechtliche Ansprüche im Strafverfahren durch Urteil zu entscheiden?
22. Kann der Rückgang der Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche in Strafverfahren mit einer Zunahme diversioneller Maßnahmen erklärt werden (Argument Rechtsanwälte)?
23. In wie vielen Fällen wurden seit 2008 Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen, weil der/die Angeklagte freigesprochen wurde (Aufschlüsselung auf Jahre)?
24.
Soll es im
Zuge der angekündigten Evaluierung der Strafprozessreform zu
diesbezüglichen
Veränderungen
bei den Opferrechten etc. kommen?
Wenn ja, worin
sollen diese liegen?
25. Ist aus Sicht des Ressorts eine Neuformulierung der Bestimmungen über Opfer und Privatbeteiligte in der StPO erforderlich (§§ 67 ff. StPO sowie § 366 StPO)?