7804/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.03.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Ursula Haubner, Gerald Grosz, Mag. Stadler

Kollegin und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend menschenrechtswidrige Vertragsuntreue der Republik Österreich, Teil 2

 

 

 

Mit Anfrage der Abgeordneten Haubner, Grosz betreffend menschenrechtswidrige Vertragsuntreue der Republik Österreich, 6655/J, wurde die Causa von DI. Dr. Wilhelm P., der sich seit über vier Jahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) um Durchführung eines bereits abgeschlossenen unwiderruflichen Vergleichs mit der Republik Österreich, in dieser Angelegenheit vertreten durch das Bundesministerium für Justiz, sowie um seine strafrechtliche Rehabilitierung bemüht, releviert. Diese Anfrage wurde seitens der Bundesministerin für Justiz mit Anfragebeantwortung vom 20.12.2010, 6580/AB, grosso modo beantwortet, bei näherem Studium dieser Beantwortung ist jedoch festzustellen, dass es scheint, als ob die Anfrage nicht nur teilweise unrichtig beantwortet wurde, sondern auch dass einige der Fragen überhaupt unbeantwortet geblieben sind.

Wahrheitswidrige Beantwortung

Die Gesamtbeantwortung der Anfrage 6655/J steht im Widerspruch zu einer Stellungnahme des Bundes­ministeriums für Justiz vom 23.2.2009, Zl. BMJ-F2.1476/0002-IV 1/2009, an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption zum Akt 1 St 120/09h, Strafsache gegen Dr. Franz P. und Dr. Stefan B. je wegen § 302 Abs.1 StGB.

Diese Stellungnahme des BMJ vom 23.2.2009 wurde vom damaligen Verdächtigen Dr. Stefan B. in eigener Sache bearbeitet und unter anderem von den Leitern des Ministersekretariats Mag. Birgit B. und Kabinetts-Chef Mag. Georg K. der FBM Dr. Bandion-Ortner vor Abfertigung genehmigt.

In dieser Stellungnahme wird zwar das Zustandekommen des Vergleiches ebenfalls in Abrede gestellt, gleichzeitig jedoch festgestellt:

„Es mag dahin gestellt bleiben, ob alle E-Mails der Ministerkabinette mit hinreichender Deutlichkeit klar gemacht haben, dass zwar Vergleichsverhandlungen stattgefunden haben, diese jedoch nicht zu einem verbindlichen Abschluss gekommen sind.“

Damit wird nach Ansicht der unterzeichneten Abgeordneten seitens des Bundesministeriums für Justiz die Tatsache, dass Vergleichsverhandlungen stattgefunden haben und eMail-Beweise für einen Abschluss des Vergleiches vorliegen, sehr wohl anerkannt. In der Anfragebeantwortung 6580/AB der FBM für Justiz wird im Gegensatz dazu jedoch behauptet:

Zu 4 bis 6:

Vergleichverhandlungen zwischen Beamten des Bundesministeriums für Justiz und dem Beschwerdeführer haben nicht stattgefunden.“


Zu 11 und 12:

Es spricht nichts dafür, dass das Sekretariat der damaligen Bundesministerin Mag. Karin Gastinger vom Abschluss eines Vergleiches ausgegangen ist.“

Dieser Ansicht steht auch ein Beschluss des EGMR vom 17.11.2006 entgegen, welcher vom Bundesministerium für Justiz seinerzeit widerspruchslos zustimmend zur Kenntnis genommen wurde; in dem genannten Beschluss teilte der EuGH mit, dass das Beschwerdeverfahren Nr.43508/98 von DI.Dr.P. gegen die Republik Österreich aufgrund eines am 26.9.2006 abgeschlossenen Vergleiches abgestrichen wird. Weiters ein eMail an den Kabinettchef der Justizministerin a.D. Mag. Gastinger vom 25.9.2006, in welchem mitgeteilt wird, dass das Finanzministerium dem Justizministerium die für den ggstdl. Vergleich erforderlichen Mittel idH von € 95.483.707,76 bereitstellt. Zuletzt ein eMail an den Kabinettchef des Finanzministers a.D. Mag. Grasser vom selben Tage des Inhalts, dass das Justizministerium dem Vergleich mit DI Dr. P. zugestimmt hat.

Alle Urkunden, die den Abschluß des Vergleiches vom 26./27.9.2006 beweisen, lagen ursprünglich im Ministerbüro von Frau BMJ Mag.Gastinger auf; deren Aussage nach wurden alle Urkunden im Ministerbüro archiviert. Bei der akribischen Genauigkeit hinsichtlich der Transparenz in der Ressortführung, die die unterzeichneten Abgeordneten doch wohl zu Recht sowohl jeweils amtierenden Minister(inne)n wie auch dem Justizressort selbst unterstellen dürfen, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass alle diese Unterlagen weder aktenmässig erfasst wurden noch nicht aufbewahrt worden sind.

 

Ab Jänner 2007 trat FBMJ Dr. Berger ihr Amt an. Nachdem Beamte des BMJ gegenüber dem Beschwerdeführer behaupteten, dass kein Vergleichsabschluß vorliegt bzw. vom BMJ auch keine Vergleichsverhandlungen mit diesem stattgefunden haben, hat der Beschwerdeführer Kopien aller bezughabenden Urkunden zu Handen FBMJ Dr.Berger dem Justizressort neuerlich vorgelegt. Bei der akribischen Genauigkeit hinsichtlich der Transparenz in der Ressortführung, die die unterzeichneten Abgeordneten doch wohl zu Recht sowohl jeweils amtierenden Minister(inne)n wie auch dem Justizressort selbst unterstellen dürfen, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass alle diese Unterlagen weder aktenmässig erfasst wurden noch nicht aufbewahrt worden sind.

 

Gleiches gilt hinsichtlich der Zuverfügungstellung der Unterlagen für die seit Jänner 2009 amtierende derzeitige FBMJ Dr. Bandion-Ortner. Auch sie wurde schriftlich vom Beschwerdeführer über den Vergleich informiert, und es wurden ihr auch die entsprechenden Unterlagen in Kopie vorgelegt. Die amtierende Justizministerin wurde weiters auch schriftlich gebeten, jene Personen, welche am Vergleichsabschluss mitgewirkt haben, als Zeugen einzuvernehmen, um die Behauptungen des Beschwerdeführers zu verifizieren.

Keiner der angebotenen Beweise wurde jedoch bisher seitens FBMJ Dr.Bandion-Ortner erhoben. Es wurde bis dato auch keiner der erbetenen Zeugen einvernommen - im Gegenteil: Wie der Anfragebeantwortung 6580/AB zu entnehmen ist, werden offensichtlich wahrheitswidrig sowohl die Vergleichsverhandlungen, als auch der Vergleichsabschluss überhaupt geleugnet.

Im Bundesministerium für Justiz scheinen im bezughabenden Akt, G.Z. BMJ-F2.1476/0002-IV 1/2009, welcher vom 26. Jänner 2009 bis zum 23. 2. 2009 bearbeitet wurde, Angaben über folgende, möglicherweise ebenfalls bezughabende Akten auf: BMJ-F2.1476/0003-IV 1/2005, BMJ-F2.1476/0004-IV 1/2006, BMJ-F2.1476/0003-IV 1/2006, BMJ-F2.1476/0005-IV 1/2006, BMJ-F2.1476/0001-IV 1/2009, BMJ-F2.1476/0001-IV 1/2005, BMJ-4001959/0001-IV 1/2009

Dieser Akt wurde u.a. folgenden Bearbeitern vorgelegt:

Bearbeitung Mag.Barbara G.-F., Leiterin BMJ –IV 1 (Straf- u. Gnadensachen Abt.1)

Bearbeitung Dr.Stefan B., Sachbearbeiter, BMJ-IV 1 (Straf- u. Gnadensachen Abt.1)

Vor Genehmigung Dr.Monika Z., Leiterin BMJ-III 1 (Verwaltungs- u. Personalsektion Abt.1)

Vor Genehmigung Dr.Martin A., Leiter BMJ-I 9 (Zivilrechtssektion Abt. 9)

Vor Genehmigung Dr.Franz M., Leiter BMJ-I (Zivilrechtssektion)

Vor Genehmigung Mag.Engelbert T., Leiter BMeiA-1.7 (Menschenrechte/Humanitäres VR)

Vor Genehmigung Genehmigerin Dr.Brigitte O., BKA-V (Verfassungsdienst)

Vor Abfertigung bearbeitet durch Dr.Wolfgang F., Leiter BMJ-Pr (Präsidialsektion),

EB zu Kenntnis (vA = vor Abfertigung) Dr.Franz P., Leiter BMJ-IV (Straf- u. Gnadensachen)

vA Mag.Birgit B., Leiterin BMJ-BM Sekr (Ministersekretariat)

vA Mag.Georg K., Leiter BMJ-BM Sekr (Ministersekretariat)

 


Es wurden somit Beamte in drei Abteilungen des BMJ, sowie die Präsidialsektion und die Leiter des Ministerbüros von Frau BMJ Bandion-Ortner befasst. Zudem wurden sowohl das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten als auch das Bundeskanzleramt eingebunden.

Diesem Akt beigeschlossen sind sowohl die Kopien jener Urkunden, die den Vergleichsabschluß beweisen, wie auch der Beschluß des EGMR vom 16.11.2006 zu BNr.43508/98, dass das Verfahren aufgrund des Vergleiches abgestrichen wurde.

Die amtierende Justizministerin verfügt daher bereits seit Amtsantritt im Jänner 2009 über alle Urkunden, zumindest in Kopie.

Sämtliche genannten Urkunden erliegen auch im Akt BNr.43508/98 des EGMR und könnten jederzeit von der Justizministerin eingesehen werden.

 

Unbeantwortete Punkte der Anfrage 6655/J:

1.       Die Antwort auf die Frage 2. (Wurde dem Bundesministerium für Justiz in dem diesem Verfahren vorgelagerten Beschwerdeverfahren Nr. 43508/98 ein Vergleichsvorschlag vorgelegt, wenn ja, wann und vom wem?), blieb die Frau Bundesministerin schlichtweg schuldig. Sie wich unter Hinweis darauf, dass sie für Vorgänge, welche vor ihrer Amtszeit liegen, nur aufgrund der im BMJ verfügbaren Aktenbestände Stellung nehmen könne, auf eine Schilderung von Vorlagen des Beschwerdeführers an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie auf Vorlagen dieses Gerichtshofes an (vermutlich) das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, aus. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer dem Justizressort am 20.6.2005 einen Vergleichsvorschlag übermittelt hat, wird dabei ignoriert.

2.       Die Antwort auf die Frage 3. (Welchen Inhalt hatte dieser Vergleichsvorschlag gegebenenfalls?) windet sich ebenfalls weit an der Fragestellung vorbei.

3.       Eine Beantwortung der Frage 5. (Wurden seitens des BMJ mit der Zustimmung zum ggstdl. Vergleichsvorschlag Bedingungen verknüpft, wenn ja, von wem und welche?) ist ebenfalls unterblieben, da, wie bereits ausgeführt, unrichtigerweise behauptet wird, dass keine Vergleichsverhandlungen stattgefunden hätten. Die Bedingung zur Zustimmung war, wie aus den dä. „verfügbaren Aktenbeständen“ ersichtlich sein sollte, die Einstellung aller beim EuGH anhängigen Beschwerdeverfahren von DI.Dr.P. gegen die Republik Österreich. Diese Bedingung wurde nachweislich sowohl vom Finanzministerium, als auch vom Justizministerium gestellt.

4.       Ebenfalls unterblieben ist, eine Beantwortung zu Frage 6 (Wurden die Vergleichsverhandlungen mit dem Beschwerdeführer abgeschlossen, wenn ja, von wem, wann und mit welchem Ergebnis?) bzw. fiel diese verkürzt aus. In ihrer Antwort hat die Justizministerin den Ablauf des Vergleichsabschlusses zwar im wesentlichen richtig wiedergegeben, jedoch – im Gegensatz zu vorliegenden schriftlichen und mündlichen Beweisen – als „reine Behauptung“ des Beschwerdeführers dargestellt. Außerdem wird der Verzicht des Beschwerdeführers gegenüber der Republik Österreich nur mit dem Betrag von € 1,578.325,11 angegeben und der im Vergleichsvorschlag vom 20.6.2005 vorgeschlagene Verzicht von € 257.289,654,48 nicht erwähnt.

5.       Die Beantwortung der Frage 11 (Wann werden Sie insbesondere dem Ersuchen des Beschwerdeführers nachkommen und die Einvernahme der am Vergleichsabschluss mitwirkenden Amtswalter als Zeugen für einen allenfalls vorliegenden unwiderruflichen rechtskräftigen Vergleichsabschluss in die Wege leiten, sowie die vom Beschwerdeführer hiefür angebotenen Beweismittel erheben?) steht in keinem Zusammenhang mit der Frage selbst. Die Beantwortung kann nur als wahrheits- und bzw. aktenwidrig bezeichnet werden, es sei denn, dass die „verfügbaren Aktenbestände“ des Ressorts zwischenzeitlich vorsätzlich um jene verkürzt wurden, welche dem Beschwerdeführer in Kopie vorliegen.

Im Bemühen, das Vertrauen aller Rechtsunterworfenen in die Vertragstreue der Republik im Allgemeinen und in die Unabhängigkeit der Justiz (wie auch des Justizressorts) im Speziellen wieder her zu stellen, stellen die unterfertigten Abgeordneten sohin an die Bundesministerin für Justiz folgende


Anfrage

 

1.    Im Lichte der einleitenden Ausführungen stellt sich grundsätzlich die Frage, wie im Justizressort mit den elektronisch erfassten Dokumenten bzw. eMails, aber auch sonstigen schriftlichen Unterlagen bzw. aktenmässigen Erledigungen im Allgemeinen, insbesondere jedoch von Amtsvorgängern der amtierenden Justizministerin, respektive der Kabinettsmitarbeiter der p.t. Amtsvorgänger verfahren wird: Welche Kenntnisse haben Sie über den Verbleib der elektronisch erfassten Dokumente bzw. eMails, aber auch sonstigen schriftlichen Unterlagen bzw. aktenmässigen Erledigungen von Ihren beiden Amtsvorgängerinnen sowie deren Kabinettsmitarbeitern, insbesondere den jeweiligen Chefs des Kabinetts?

2.    Welche konkreten Akten Ihres Ressorts wurden zur Beantwortung der Anfrage 6655/J herangezogen? Bitte nennen Sie die jeweiligen Geschäftszahlen, das Genehmigungsdatum und die aus dem Amtsvortrag ersichtlichen, eingebundenen Stellen und Amtswalter Ihres Hauses bzw, der von Ihnen eingebundenen Ressorts.

3.    Welche Kenntnisse haben Sie vom derzeitigen Verbleib der do. GZ.:
BMJ-F2.1476/0002-IV 1/2009, BMJ-F2.1476/0003-IV 1/2005, BMJ-F2.1476/0004-IV 1/2006, BMJ-F2.1476/0003-IV 1/2006, BMJ-F2.1476/0005-IV 1/2006, BMJ-F2.1476/0001-IV 1/2009, BMJ-F2.1476/0001-IV 1/2005, BMJ-4001959/0001-IV 1/2009?

4.    Welche Kenntnisse haben Sie vom Inhalt der Stellungnahme Ihres Hauses vom 23. Februar 2009, Zl. BMJ-F2.1476/0002-IV 1/2009, an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption zum Akt 1 St 120/09h, Strafsache gegen Dr. Franz P. und Dr. Stefan B. je wegen § 302 Abs.1 StGB?

5.    Entspricht es den Tatsachen, dass diese Stellungnahme des BMJ vom 23.2.2009 vom damaligen Verdächtigen Dr. Stefan B. in eigener Sache bearbeitet und unter anderem von den Leitern Ihres Ministersekretariats Mag. Birgit B. und Kabinetts-Chef Mag. Georg K. vor Abfertigung genehmigt wurde?

6.    Welche Kenntnisse haben Sie über den Beschluss des EGMR vom 16. November 2006 zu BNr. 43508/98?

7.    Ist Ihnen bekannt, dass dieser Beschluss dahingehend lautet, dass das ggstdl. Verfahren aufgrund eines Vergleiches abgestrichen wurde?

8.    Wenn nein, wann werden Sie sich über den Inhalt dieses Beschlusses informieren (lassen)?

9.    Weshalb wehren Sie sich dagegen, die von DI Dr. P. erbetenen Beweise zu erheben, und die am Vergleichsabschluss mitwirkenden Amtswalter als Zeugen einzuvernehmen bzw. die vom Beschwerdeführer für den Nachweis eines vorliegenden rechtskräftigen Vergleichsabschlusses angebotenen Beweismittel zu würdigen?

10. Was ist mit den schriftlich im Justizressort jeweils zu Handen Ihrer Amtsvorgängerin Dr. Berger bzw. zu Ihren Handen eingelaufenen Schriftstücken, die die Richtigkeit der behaupteten Angaben des DI Dr. P. bestätigen und belegen, ab dem Zeitpunkt der Übernahme durch die Einlaufstelle Ihres Hauses geschehen?

 

Wien, am 1. März 2011