8211/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.04.2011
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ANFRAGE

des Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend der strafrechtlichen Verfolgung von Korruption seit Einführung des Korruptionsstrafrechtsaufweichungsgesetzes“

 

Bis zum Sommer 2009 verfügte Österreich über ein strenges und effektives Korruptionsstrafrecht. Das diesbezügliche Jammern der Lobbyisten und Anfütterer blieben nicht unerhört. Die Strafbestimmungen wurden durch das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009 (BGBl. I Nr. 98/2009 in Kraft seit 1.9.2009) bis zur Unkenntlichkeit entschärft. Heute ist das Korruptionsstrafrecht teilweise totes Recht:

 

·                "Anfüttern" ist nunmehr erlaubt. Voraussetzung: Es wird kein konkretes Amtsgeschäft in Aussicht gestellt.
So kann etwa ein Bauunternehmer Zuwendungen an die Gemeinde oder an bestimmte Politiker leisten, solange ihm dafür nicht ein konkreter Vorteil versprochen wird oder zumindest, solange man das nicht nachweisen kann.
Der Nachweis, dass ein Amtsträger einen Vorteil mit dem Vorsatz angenommen hat, zukünftig pflichtwidrige Handlungen zu begehen, wird hier nur in den seltensten Fällen gelingen.

·                Die reine Klimapflege ist - unabhängig von der Höhe – nicht strafbar.
Nicht nur die Einladung von Amtsträgern zu den Salzburger Festspielen, sondern auch die Einladung zur Bärenjagd nach Alaska ist straflos.

·                Umgekehrt ist auch ein Amtsträger, der einen Vorteil (zB Geld oder Essenseinladungen) zur Anbahnung eines pflichtgemäßen Amtsgeschäfts annimmt oder sich versprechen lässt, gänzlich straflos. Strafbar ist er nur, wenn er den Vorteil aktiv fordert.


·                Darüber hinaus haben in Österreich bestechliche Abgeordnete gar keine Sanktionen zu befürchten. Das hat auch die Affäre Strasser wieder gezeigt. Wäre Strasser Nationalratsabgeordneter würden seinen Dreistigkeiten keinerlei strafrechtliche Konsequenzen folgen. Hintergrund ist der, dass seit der Entschärfung der Korruptionsbestimmungen im österreichischen Strafgesetzbuch die Abgeordneten immer dann von der Strafbarkeit ausgenommen sind, wenn es um Vorteilsannahme im Zusammenhang mit einer pflichtgemäßen Vornahme eines Amtsgeschäftes geht (zB Einbringen von Anfragen oder Anträgen). Bei der pflichtwidrigen Vornahme von Amtsgeschäften unterliegen die Abgeordneten zwar dem Strafgesetzbuch, jedoch besteht die einzige Pflicht der Abgeordneten in der Sitzungsteilnahme. Dieser Zynismus führt dazu, dass Abgeordnete im Ergebnis stets straffrei ausgehen.

·                Ausgenommen von diversen Strafrechtsbestimmungen für Amtsträger sind mittlerweile auch staatsnahe Unternehmen: Das betrifft zB Post, ÖBB, ASFINAG, ORF, die öffentlich-rechtlichen Kammern und zum Teil öffentliche Spitäler. Da gerade bei staatsnahen Unternehmen besonders viel Geld verwaltet wird, wäre die Anwendbarkeit des Korruptionsstrafrechtes hier von besonderer Wichtigkeit.

 

Mit diesem "Korruptionsstrafrechtsaufweichungsgesetz" (ehem. BMJ-Sektionschef Wolgang Bogensberger) wurde der Korruption in Österreich wieder Tür und Tor geöffnet. Eine effektive Strafverfolgung scheint jedenfalls auf Basis dieser Gesetze kaum denkbar.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.         Zu wie vielen Strafanzeigen nach dem zweiundzwanzigsten Abschnitt des Strafgesetzbuchs kam es im Zeitraum vom 1. September 2009 – 31. März 2011?

2.         Wie viele Strafanzeigen wurden - gegliedert nach einzelnen Delikten - in diesem Zeitraum zurückgelegt (Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?


3.         Wie viele dieser Verfahren wurden - gegliedert nach einzelnen Delikten - in diesem Zeitraum eingestellt (Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?

4.         In wie vielen Fällen wurden - gegliedert nach einzelnen Delikten - in diesem Zeitraum die diversionsrechtlichen Bestimmungen angewandt (Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?

5.         In wie vielen Fällen wurde - gegliedert nach einzelnen Delikten - in diesem Zeitraum von den Staatsanwaltschaften eine Anklage eingebracht (Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?

6.         Zu wie vielen rechtskräftigen Verurteilungen nach dem zweiundzwanzigsten Abschnitt des Strafgesetzbuchs (gegliedert nach einzelnen Delikten) kam es in diesem Zeitraum (Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?

7.         Welche Strafen wurden - gegliedert nach einzelnen Delikten - konkret ausgesprochen (jeweils Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?

8.         Wie viele Verfahren gegliedert nach Delikten waren mit 31.03.2011 noch nicht rechtskräftig entschieden (Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?

9.         Welche Probleme werden seitens des Ressorts bei der strafrechtlichen Verfolgung dieser Delikte gesehen?