8277/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.04.2011
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Österreichische Staatsdruckerei: Wo Staat draufsteht, sollte eigentlich auch Staat drinnen sein!

 

Bezugnehmend auf die schriftliche Anfrage 8181/J (XXIV. GP) der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Vergabe von Aufträgen durch das BMI unter BM Dr. Ernst Strasser sowie unter seinen NachfolgerInnen an Unternehmen mit denen Dr. Ernst Strasser nach Ablauf seiner Ministertätigkeit eine direkte oder indirekte Geschäftsverbindung einging“ ergeben sich zum einen zusätzliche interessante Fragen rund um die Österreichische Staatsdruckerei, die dringend einer Klärung bedürfen, aber auch darüberhinausgehende Fragen, welche Ministerien welchen Firmen, die im Zusammenhang mit BM a. D. Dr. Ernst Strasser stehen, Aufträge in welcher Höhe erteilt haben.

 

Folgendes führt die Anfrage 8181/J des Abgeordneten Dr. Jarolim zur Österreichischen Staatsdruckerei aus:

 

„Die Österreichische Staatsdruckerei GmbH wurde im Jahre 2000 zu 100% an ein privates Konsortium verkauft. Im Geschäftsjahr 2009/10 machte dieses Unternehmen einen Umsatz von 41,51 Mio. EUR wovon auf das Inland 38,50 Mio. EUR und auf das Ausland 3,00 Mio. EUR entfielen. Der überwiegende Teil der Umsätze entfallen auf die Lieferung von Sicherheitsdokumenten, die auf Basis langfristiger Lieferverträge erfolgen.

 

Seit Beginn des Jahres 2000 wurde die Österreichische Staatsdruckerei GmbH vom BMI mit der Erbringung von sogenannten „Integratorleistungen“ in Verbindung mit der Einführung des neuen Sicherheitspasses und von Ausweisen im Scheckkartenformat (Führerscheine, Personalausweise etc.) beauftragt. Dies erfolgt jeweils nach folgendem Schema: Das BMI vergibt einen langfristigen Auftrag für das jeweilige Produkt ohne Ausschreibung an die Österreichische Staatsdruckerei GmbH, diese wiederum gibt die Aufträge kurzfristig mit einer hohen Gewinnspanne an andere Unternehmen im In- und Ausland weiter. Die Österreichische Staatsdruckerei könnte diese Aufträge gar nicht selbst ausführen, da sie weder über eine ausreichende Kapazität aufgrund von langjährigen unterdurchschnittlichen Investitionen in Technische Anlagen und Maschinen, noch über die entsprechenden Lizenzen für wichtige Sicherheitsfeatures verfügt.

 

Rahmenvereinbarungen für die Produktion von Ausweisdokumenten wurden von der Staatsdruckerei unter anderem mit den beiden Deutschen Firmen Gieseke & Devirent GmbH und Gemalto GmbH sowie mit der Schweizer Firma Trüb AG abgeschlossen.

 

Die Stückkosten für Reisepässe oder für andere Ausweise sind dadurch für die Republik Österreich mindestens doppelt so hoch wie für andere vergleichbare Staaten.

 

Weiters wurde die Österreichische Staatsdruckerei GmbH seit dem Jahr 2000 ohne Ausschreibung vom BMI mit Herstellung von einfachen Druckereiprodukten wie diversen Antragsformularen, Erklärungsblättern, Informationsblättern und eines Internet Portals beauftragt. Darüber hinaus wurden Aufträge über Fotokleber für Führerscheine, Änderungsvignetten, Drucksorten für Volksbegehren, die Europawahl und Zivildienstausweise sowie die Erbringung von Biometrieberatungsleistungen ohne Ausschreibung erteilt.

 

Das BMI beruft sich bei der ausschreibungslosen Auftragsvergabe an die Staatsdruckerei auf das Staatsdruckereigesetz. Dieses Verwaltungsorganisationsgesetz, das noch aus der Zeit stammte als die Staatsdruckerei ein Teil der Bundesverwaltung war, wurde nie formell aufgehoben. Nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung ist es aber materiell nicht mehr in Kraft. Aufgrund des Staatsdruckereigesetzes führt die Staatsdruckerei auch das Bundeswappen, das sonst nur öffentlichen Organisationen vorbehalten ist. Auch wurde dem Unternehmen nach der Privatisierung gestattet weiterhin den Namen Staatsdruckerei zu führen. Staatsdruckerei ist ein internationaler gebräuchlicher Fachbegriff für Sicherheitsdruckereien im Staatlichen Eigentum. Auch führt die  Gewerkschaft Öffentlicher Dienst auf ihrer Homepage die Staatsdruckerei als Öffentliches Unternehmen.

 

Dies alles dient dazu in der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken es handle sich bei der Staatsdruckerei um ein Öffentliches Unternehmen im Eigentum der Republik, dem diese Privilegierung zustünde.

 

Im Beirat genannten Aufsichtsrat der Österreichischen Staatsdruckerei GmbH war der ehemalige Kabinettschef unter BM Dr. Ernst Strasser Christoph Ulmer. Dr. Ernst Strasser folgte ihm in dieser Position. Dr. Ernst Strasser hat auch einen Beratervertrag mit diesem Unternehmen. Thomas Zach, der von 2001 bis 2002 im Bundesministerium für Inneres im Kabinett des Bundesministers Strasser war, wurde ab 2003 bei der Österreichischen Staatsdruckerei beschäftigt. Heute ist er Vorstand der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG und Geschäftsführer der Österreichischen Staatsdruckerei GmbH.“

 

Die ausschreibungslose Auftragsvergabe scheint im Übrigen die Europäische Kommission auf den Plan gerufen zu haben, EU-Kommissar Michel Barnier soll angeblich die Einleitung eines Vetragsverletzungsverfahrens prüfen. Abgesehen aber von der fragwürdigen Motivation des SPÖ-Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, die zitierte Anfrage zu stellen, und den Fragen, die sich bzgl. der Vergabe von Aufträgen an die Österreichische Staatsdruckerei und andere Firmen mit Naheverhältnis zu BM a.D. Dr. Ernst Strasser durch diverse Ministerien – im speziellen durch das Innenministerium – ergeben, stellt sich die Frage, wie die Österreichische Staatsdruckerei bei der Akquise von Aufträgen neben der Republik Österreich agiert hat und wohl immer noch agiert.

 

So ist der Versuch der Österreichischen Staatsdruckerei, die – wie erwähnt – den Anschein erweckt, ein öffentliches Unternehmen der Republik zu sein, den Auftrag des Staates Rumänien zu erlangen, für ebendiesen Reisepässe zu drucken, gründlich schief gegangen – und das auf gar unrühmliche Weise, wurde man seitens Rumänien aus dem Vergabeverfahren angeblich ausgeschlossen, weil die Bewerbung behauptlich von vorgetäuschten Tatsachen beschönigt worden sein soll. So sollen beispielsweise zwei der vier für die Bewerbung notwendigen Zertifikate u.a. von der Firma Siemens „ausgeliehen“ worden sein, behauptlich soll auch die Bilanz der Österreichischen Staatsdruckerei durch den Besitz von zum Zeitpunkt der Bewerbung bereits wertlosen, veralteten Passrohlingen beschönigt worden sein.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Inneres nachstehende

 

Anfrage:

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen Aktivitäten der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG in Bezug auf Auftragsausschreibungen in Rumänien bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche?

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen Aktivitäten des BM a.D. Dr. Ernst Strasser im Sinne der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG im Zusammenhang mit Auftragsausschreibungen in Rumänien bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche?

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen Aktivitäten der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG in Bezug auf Auftragsausschreibungen in Montenegro bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche?

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen Aktivitäten des BM a.D. Dr. Ernst Strasser im Sinne der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG im Zusammenhang mit Auftragsausschreibungen in Montenegro bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche?

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen Aktivitäten der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG in Bezug auf Auftragsausschreibungen in anderen Ländern bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche?

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen Aktivitäten des BM a.D. Dr. Ernst Strasser im Sinne der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG im Zusammenhang mit Auftragsausschreibungen in anderen Ländern bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche?

 

  1. Haben Ihr Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordnete Stellen Aktivitäten der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG oder des BM a.D. Dr. Ernst Strasser im Sinne der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG im Zusammenhang mit Auftragsausschreibungen in anderen Ländern als der Republik Österreich in irgendeiner Form unterstützt?

 

    1. Wenn ja, wie genau?

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen die näheren Umstände der Bewerbung der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG für Aufträge seitens des Staates Rumänien bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche konkreten Umstände sind das?

 

  1. Sind Ihnen, Ihrem Ressort oder Ihrem Ressort nachgeordneten Stellen Interventionen bei EU-Kommissar Michel Barnier oder andere Aktivitäten durch BM a.D. Dr. Ernst Strasser in seiner Funktion als Mitglied des Europäischen Parlaments oder auch als Privatperson im Sinne der Österreichischen Staatsdruckerei Holding AG im Zusammenhang mit Auftragsausschreibungen und entsprechenden Ermittlungen der Europäischen Kommission gegen die Republik bekannt?

 

    1. Wenn ja, welche?