8307/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.04.2011
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Windbüchler-Souschill, Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend MedAustron in Wiener Neustadt (Niederösterreich)

 

 

Am 16. März 2011 wurde der Grundstein für die Errichtung von MedAustron, einem Zentrum für Krebsforschung und Krebsbehandlung in Wiener Neustadt, gelegt. Das hunderte Millionen Euro teure Großprojekt, finanziert durch Stadt, Land und Bund, sieht eine ambulante Behandlung von KrebspatientInnen und die Forschung mit Ionenstrahlen vor. Die Charakteristik des Strahls, der bei MedAustron erzeugt wird „soll nicht das ganze Gewebe durchdringen, sondern ist der Länge nach bis zu 27 Zentimeter einstellbar, sodass jeder Punkt des Körpers erreicht werden kann. Die Wirkung des Strahls entfaltet sich zum Großteil an dessen eingestelltem Endpunkt. Damit gelingt es, das Gewebe vor dem Tumor mit weitaus geringerer Energie zu durchstrahlen, als das bei herkömmlichen Bestrahlungstherapien der Fall ist. Mit einem dreidimensionalen Scanning-System lassen sich alle Punkte in einem lokalisierten Tumor millimetergenau bestrahlen“, berichtet das Magazin Format in seiner Ausgabe vom 11.3.2011[1].


Weiters wird berichtet, dass laut medizinischer Leiterin Romana Mayer die bisherigen Studien Erfolge bei Primärtumoren ohne Metastasierung zeigen würden, die sich in der Nähe strahlensensibler Organe befinden. Auch solle wegen der Nebenwirkungsarmut die Bestrahlung vor allem auch bei krebskranken Kindern gut geeignet sein. Die therapeutischen Ergebnisse von Krebserkrankungen sollen durch die Ionentherapie verbessert werden, wie etwa bei Bindegewebs- und Knochenkrebs sowie bei Lungentumoren, sagt Dietmar Georg, Leiter der Abteilung Medizinische Strahlenphysik an der MedUni Wien und Mitglied des medizinischen Beiratsausschusses von MedAustron in eben dieser Ausgabe des Magazins.

Äußerst zeitnahe zum Errichtungsstart von MedAustron hat der Rechnungshof (RH) in seiner Reihe Bund 2011/2[2]  zum
Ziel einer Beurteilung der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Errichtung von MedAustron, der Einbettung in die Gesundheits– und Krankenanstaltenplanung, der Finanzplanung sowie des Projektmanagements von MedAustron zu erreichen, seinen Bericht veröffentlicht. In den einleitenden Worten auf der Homepage des Rechnungshofes werden die vorgesehenen Errichtungskosten, der Worst Case und die weiteren Finanzierungskosten bis zum Jahr 2046 in einer Höhe von insgesamt rund 500 Millionen Euro genannt: Die vorgesehenen Kosten für die Errichtung laut Businessplan vom Jänner 2010 betragen rund 186 Millionen Euro, im Worst Case bis zu rund 223 Millionen Euro, die Finanzierungskosten bis zum Jahr 2046 weitere bis zu rund 274 Millionen Euro. Die Errichtungskosten sind der Höhe nach nicht limitiert.

 

Davon wird ein erheblicher Teil durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung getragen. Anlässlich des Festaktes zur Grundsteinlegung sprachen Bundesministerin Karl von einer „Strahlkraft nach Mittel- und Osteuropa“. Der niederösterreichische Landeshauptmann sprach zusammengefasst davon, dass MedAustron kein Allheilmittel sein kann, aber ein Symbol der Hoffnung.

 

Die Wiener Zeitung[3] macht auch auf die groben Mängel im Risikomanagement aufmerksam: Der Businessplan beruht großteils auf Schätzungen, die Abgeltung der Therapiekosten ist ebenso unklar wie die Zahl der PatientInnen. Trotz Bundeszuschüssen von 118 Millionen Euro besteht sowohl bei der Errichtung als auch beim Betrieb ein erhebliches finanzielles Risiko. Völlig ungeklärt ist auch noch die Abgeltung der PatientInnenbehandlungen durch die Sozialversicherungsträger.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

  1. Die geplante Patientenfrequenz basierte auf einer Hochrechnung aus dem Jahr 2002. Eine aktuellere Erhebung mit realistischeren Ergebnissen fehlte dem Rechnungshof. Er moniert, dass sich alle Berechnungen für den Betrieb auf das PatiententInnenaufkommen von 1.200 Personen aus dem Jahr 2002 jährlich stützen. Wieso gibt es keine aktuellere Studie? In welchen Ländern gibt es nach Ihrem Kenntnisstand vergleichbare Einrichtungen? Aus welchen Ländern werden nach Ihren Schätzungen PatientInnen zur Behandlung nach Wiener Neustadt kommen? Wie viele PatientInnen werden nach Ihrem Ermessen aus dem Ausland anreisen, wieviele aus den einzelnen Bundesländern?

 

  1. Welche Tumorerkrankungen genau werden behandelt werden können? Welche Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen genau werden behandelt werden können? Wie viele dieser aufgezählten Tumorerkrankungen werden pro Jahr in Österreich diagnostiziert?

 

  1. Wenn das Behandlungs- und Forschungszentrum „eine Strahlkraft nach Mittel- und Osteuropa“ mit einem PatientInnenaufkommen von 1.200 Personen darstellt, wieso gibt es bis dato keinen Plan etwaiger Unterkunftsmöglichkeiten, Hotels und Pensionen rund um MedAustron? Wo sollen WissenschafterInnen, PatientInnen zur ambulanten Behandlung und deren Angehörige unterkommen? Wie handhaben es vergleichbare Einrichtungen im Ausland Ihres Wissens nach?

  1. Die Geschäftsführung von „MedAustron“ plante zwar die Aufnahme der PatientInnenbehandlung für 2014, ein Antrag zur Aufnahme in den Österreichischen Strukturplan Gesundheit – und somit die Zusage oder Absage - fehlte jedoch dem Rechnungshof bei seiner Prüfung. Wann wird dies passieren? Welche Folgen hat die Einrichtung zu erwarten, wenn „MedAustron“ nicht in den Strukturplan Gesundheit aufgenommen wird?

 

  1. Gemäß § 131b Abs. 2 ASVG ist für ambulante Tumorbehandlungen durch Bestrahlung mit Protonen und/oder Kohlenstoffionen ein Zuschuss festzusetzen. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vertrat laut Rechnungshofbericht die Auffassung, dass Leistungen der Krebsbehandlung durch Hadronenbestrahlung bei MedAustron mit der Zahlung der Pauschalbeträge nach § 148 Z 3 ASVG bereits abgegolten seien. Eine Grundlage der Finanzierung von MedAustron ist die Abgeltung der Kosten der PatientInnenenbehandlung durch die Sozialversicherungsträger. Die Ermittlung und die Festsetzung der Höhe des Behandlungskostenzuschusses fehlten dem Rechnungshof bei seiner Begutachtung. Woran liegt das? Was werden Sie dafür tun, damit diese Rechnungen aufgestellt werden können? Welcher finanzielle Aufwand wird sich pro PatientIn ergeben?

 

  1. Wie hoch sind die von Ihnen geschätzten Gesamtkosten für den Endausbau? Wie hoch sind die von Ihnen geschätzten jährlichen Kosten für den laufenden Betrieb?

 

  1. Wie wird die voraussichtliche Kostenaufteilung zwischen den gesundheits- und forschungsbezogenen Budgets sein? Ist hier eine nachvollziehbare und adäquate Kostenteilung zu erwarten?

 

  1. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Abgeltung der Therapiekosten und der PatientInnenbehandlungen geklärt werden? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, warum nicht?

 



[1] http://www.format.at/articles/1111/525/291574/in-wiener-neustadt-oesterreichs-krebsforschungszentrum

[2] http://www.rechnungshof.gv.at/berichte/ansicht/detail/medaustron-1.html

[3] Printausgabe vom Freitag, 11. Februar 2011: MedAustron steht unter Beschuss