8308/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.04.2011
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ANFRAGE

der Abgeordneten Windbüchler-Souschill, Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung

 

betreffend MedAustron in Wiener Neustadt (Niederösterreich)

 

 

Am 16. März 2011 wurde der Grundstein für die Errichtung von MedAustron, einem Zentrum für Krebsforschung und Krebsbehandlung in Wiener Neustadt, gelegt. Das hunderte Millionen Euro teure Großprojekt, finanziert durch Stadt, Land und Bund, sieht eine ambulante Behandlung von KrebspatientInnen sowie die Forschung mit Ionenstrahlen vor. Die Wirkung des Strahls entfaltet sich zum Großteil an dessen eingestelltem Endpunkt. Damit gelingt es, das Gewebe vor dem Tumor mit weitaus geringerer Energie zu durchstrahlen, als das bei herkömmlichen Bestrahlungstherapien der Fall ist. Aufgrund der damit verbundenen Nebenwirkungen ist dies von Vorteil für PatientInnen. Mit einem dreidimensionalen Scanning-System lassen sich alle Punkte in einem lokalisierten Tumor millimetergenau bestrahlen, berichtet das Magazin Format in seiner Ausgabe vom 11.3.2011[1].


Weiters wird berichtet, dass laut medizinischer Leiterin Romana Mayer die bisherigen Studien Erfolge bei Primärtumoren ohne Metastasierung zeigen würden, die sich in der Nähe strahlensensibler Organe befinden. Auch solle wegen der Nebenwirkungsarmut die Bestrahlung vor allem auch bei krebskranken Kindern gut geeignet sein. Die therapeutischen Ergebnisse von Krebserkrankungen sollen durch die Ionentherapie verbessert werden, wie etwa bei Bindegewebs- und Knochenkrebs sowie bei Lungentumoren, sagt Dietmar Georg, Leiter der Abteilung Medizinische Strahlenphysik an der MedUni Wien und Mitglied des medizinischen Beiratsausschusses von MedAustron in eben dieser Ausgabe des Magazins.

Äußerst zeitnahe zum Errichtungsstart von MedAustron hat der Rechnungshof (RH) in seiner Reihe Bund 2011/2[2]  zum
Ziel einer Beurteilung der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Errichtung von MedAustron, der Einbettung in die Gesundheits– und Krankenanstaltenplanung, der Finanzplanung sowie des Projektmanagements von MedAustron zu erreichen, seinen Bericht veröffentlicht. In den einleitenden Worten auf der Homepage des Rechnungshofes werden die vorgesehenen Errichtungskosten, der Worst Case und die weiteren Finanzierungskosten bis zum Jahr 2046 in einer Höhe von insgesamt rund 500 Millionen Euro genannt: Die vorgesehenen Kosten für die Errichtung laut Businessplan vom Jänner 2010 betragen rund 186 Millionen Euro, im Worst Case bis


zu rund 223 Millionen Euro, die Finanzierungskosten bis zum Jahr 2046 weitere bis zu rund 274 Millionen Euro. Die Errichtungskosten sind der Höhe nach nicht limitiert.

 

Davon wird ein erheblicher Teil durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung getragen. Anlässlich des Festaktes zur Grundsteinlegung sprachen Sie von einer „Strahlkraft nach Mittel- und Osteuropa“. Der niederösterreichische Landeshauptmann sprach zusammengefasst davon, dass MedAustron kein Allheilmittel sein kann, aber ein Symbol der Hoffnung.

 

Die Wiener Zeitung[3] macht auch auf die groben Mängel im Risikomanagement aufmerksam: Der Businessplan beruht großteils auf Schätzungen, die Abgeltung der Therapiekosten ist ebenso unklar wie die Zahl der PatientInnen. Trotz Bundeszuschüssen von 118 Millionen Euro besteht sowohl bei der Errichtung als auch beim Betrieb ein erhebliches finanzielles Risiko. Völlig ungeklärt ist auch noch die Abgeltung der PatientInnenbehandlungen durch die Sozialversicherungsträger.

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

  1. Der Rechungshof berichtet, dass der Bund, das Land Niederösterreich und die Stadt Wiener Neustadt vereinbarten, in den Jahren 2005 und 2006 für MedAustron Zuschüsse von höchstens 118 Millionen Euro durch den Bund (BMWF), 3,70 Millionen Euro durch das Land Niederösterreich und 3,95 Millionen Euro durch die Stadt Wiener Neustadt (inklusive Grundstück) zu gewähren. Wie viele finanzielle Mittel, unter welchen Titeln Ihres Budgets und wohin genau (KontoeigentümerIn, AntragstellerInnen) sind zur Grundsteinlegung am 16. März 2011 von Seiten Ihres Ressorts schon in das Projekt „MedAustron“ geflossen und wofür genau? Bitte um detaillierte Aufschlüsselung.

 

  1. Wird das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung die anfallenden Betriebskosten in der Höhe von rund 23 Millionen Euro pro Jahr, errechnet durch die MedAustron GmbH (EBG), zur Gänze übernehmen? Wenn ja, ab welchem Jahr? Wenn nein, wieso wurde dies kolportiert?

 

  1. Wie hoch sind die von Ihnen geschätzten Gesamtkosten für den Endausbau? Wie hoch sind die von Ihnen geschätzten jährlichen Kosten für den laufenden Betrieb?

 

  1. Wurde durch Studien eruiert, wie sich die zu erwartenden Kosten (Errichtung und laufender Betrieb) jeweils zwischen dem gesundheitspolitischen und dem Forschungssektor nachvollziehbar aufschlüsseln lassen? Wenn ja, bitte um detaillierte Aufschlüsselung. Wenn nein: Warum nicht?

  1. Wenn die Strahlentherapien wohl vornehmlich unter Tag terminisiert werden, wann und in welchem zeitlichen Ausmaß sollen hier Forschungsprojekte abgewickelt werden?

 

  1. Der RH erklärt weiters, dass die nichtklinische Forschung auf dem Gebiet der Experimentalphysik von ExpertInnen durchaus kritisch betrachtet wird, da die durch MedAustron eröffneten Forschungsmöglichkeiten im Bereich der Experimentalphysik keinen Schwerpunkt der österreichischen Forschungslandschaft bilden. Wird Ihr Ressort zur sinnvollen Nutzung des Forschungsangebotes von MedAustron die erforderlichen Forschungsnachfragen- und –infrastrukturen fördern, um das Projekt zu rechtfertigen? Sehen Sie den Standort „auf der grünen Wiese“ - ohne Anbindung an ein universitäres Zentrum – als Schwachstelle?

 

  1. Für die Errichtung von MedAustron wurden Aufträge an mehrere Unternehmen vergeben, obwohl es keine Erfahrung bei der Koordinierung und dem Vermeiden von Schnittstellenproblemen gibt. Bei vergleichbaren Einrichtungen im Ausland hat das zur um Jahre verspäteten Inbetriebnahme der Anlagen geführt. In der Projektorganisation bestand bei der RH Prüfung keine Projektverantwortung für die nichtklinische Forschung und auch für die medizinischen Bestrahlungsanlagen. Ist Ihnen dieser Umstand bekannt? Welche Schritte werden von Ihrer Seite des eingeleitet, damit hier eine Projekt- und Koordinierungsstelle installiert wird?

 

  1. Der RH warnt auch vor dem hohen Risiko bei technischen Mängeln, für deren Behebung bei MedAustron die Fachkompetenz fehle. Wie gedenken Sie, dieses Risiko zu minimieren?

 

  1. Ein Plan dafür, die notwendigen WissenschafterInnen und MedizinerInnen für den Vollbetrieb ans MedAustron zu holen, fehlt[4]. Wissen Sie von diesem Umstand? Werden Sie diesbezüglich aktiv werden? Was gedenken Sie, hier zu unternehmen?

 

  1. Die PEG MedAustron wurde im Februar 2005 als Projektentwicklungsgesellschaft (PEG MedAustron GmbH) gegründet[5]. Da die ursprüngliche Aufgabe, private Investoren zu finden, scheiterte, erhielt sie als neue Aufgabe, den Bereich der nichtklinischen Forschung zu planen, zu organisieren und für dessen Nutzung seitens öffentlicher und privater Forschungsinstitutionen zu sorgen. Halten Sie es für gerechtfertigt, diesen wichtigen Bereich an eine Gesellschaft ohne entsprechende Erfahrung zu delegieren?

 

 

 

 



[1] http://www.format.at/articles/1111/525/291574/in-wiener-neustadt-oesterreichs-krebsforschungszentrum

[2] http://www.rechnungshof.gv.at/berichte/ansicht/detail/medaustron-1.html

[3] Printausgabe vom Freitag, 11. Februar 2011: MedAustron steht unter Beschuss

[4] APA0255 5 CI 0519 XI/WI 

[5] http://www.medaustron-research.at/