8312/J XXIV. GP
Eingelangt am 19.04.2011
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ANFRAGE
des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung
betreffend Wissenschaft an Unis als „Halbtagsjob“
Aus der im Sommer 2010 veröffentlichten Studie „Nutzen und Effekte der Grundlagenforschung[1]“ von Joanneum Research geht u.a. hervor, dass sich die Beschäftigtenstruktur an Österreichs Universitäten in Richtung ‚Teilzeitarbeit’ verschiebt. Wissenschaft wird somit an Unis zunehmend zum Halbtagsjob[2].
Dies wurde nicht nur vom FWF in seinem Info Magazin[3] aufgenommen, sondern auch von der Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt kritisiert, die eine „Industrialisierung[4]“ der wissenschaftlichen Arbeit ortet. Sie belegt dies u.a. damit, dass durch das massive Anwachsen der Zahl der nur befristet zu besetzenden Stellen für ForscherInnen im Bereich Doktorat und frühe Postdocs eine „neue akademische ArbeiterInnenschicht“ gebildet wurde.
Laut den Recherchen von Joanneum Research ist an den österreichischen Universitäten die Zahl der beschäftigten Personen zwischen 2005 und 2009 um 23 % auf knapp 50.000 gestiegen, die Zahl der arbeitszeitbereinigten Arbeitsplätze (sog. Vollzeitäquivalente) stieg um 17 % auf 34.000. Die Zahl der ProfessorInnenenstellen ist allerdings annähernd konstant geblieben. Ein Gutteil der Beschäftigtenzunahme ist der Ausweitung der Zahl der ‚Drittmittelbeschäftigten’ zuzuschreiben, deren Wachstum bei 44 % (VZÄ) bzw. 61 % (Kopfzahl) lag. Gleichzeitig zeigt sich ein deutlicher Trend zur universitären „Halbtagsbeschäftigung“ im Mittelbau ("Assistenten") durch die unterschiedlich hohen Wachstumsraten von Kopfzahl und VZÄ: Rein statistisch teilen sich bereits 2,2 Personen eine Stelle.
Aufgefallen ist auch, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der über Projektmittel drittfinanzierten MitarbeiterInnen überdurchschnittlich angestiegen ist. Deren Zahl betrug 2005 knapp 5.800 Personen (4.800 VZÄ), 2009 waren es bereits 9.300 Personen (6.900 VZÄ). Vereinfacht formuliert bedeutet dies für die Studienautoren, "dass die Lehre zunehmend an (formal) „Halbtagsbeschäftigte“ delegiert wird, während die wissenschaftliche (Projekt-)Forschung durch eine stark wachsende Zahl an Vollzeitbeschäftigten, aber zeitlich befristet rekrutierten „Drittmittelbeschäftigten“ erfolgt.
Das Phänomen "Wissenschaft als Halbtagsjob" ist nicht nur verschiedenen BetriebsrätInnen, sondern auch dem Chef der IG Lektoren, Claus Tieber, bekannt, vor allem auch bei den nach neuem Uni-Kollektivvertrag eingerichteten Stellen für "Senior Lecturers", wo wissenschaftliche Mitarbeiter vor allem für die Lehre eingesetzt werden. Diese würden vor allem halbtags eingerichtet, so Tieber im Gespräch mit der APA[5]. "Es ist die Tendenz, vorhandene Personalbudgets aufzuteilen und Teilzeitbeschäftigte anzustellen." Es gebe aber auch viele Projektmitarbeiter, die nur halbtags bezahlt, aber ganztags arbeiten würden. "Es ist ja nicht so in der Wissenschaft, dass man dann nach 20 Stunden aufhört", so Tieber. Der wissenschaftliche Nachwuchs würde auch über die Möglichkeiten, selbst zu einem Projekt zu kommen, zu wenig aufgeklärt und mitunter fehlinformiert.
Laut FWF Präsidenten Christoph Kratky[6] soll „wer forscht, auch einen ordentlichen Lebensunterhalt haben können, ohne nebenbei im Supermarkt arbeiten zu müssen. Allerdings arbeiten erfolgreiche WissenschafterInnen auch nicht 40, sondern 80 Stunden, halbtags ist keine Option.“
Im Jahr 2007 investierte Österreich 1,182 Mrd. € in die Grundlagenforschung; das ist ein Anteil von 0,44 % am BIP. Damit befindet sich Österreich in einem „mittleren“ Bereich der OECD-Länder. Ihr Amtsvorgänger Johannes Hahn plante, wie noch 2008 in Alpbach präsentiert, „3,2,1 – take off“ in Richtung einer Frontrunner Position Österreichs[7], mit Investitionen von 1% in die Grundlagenforschung bis 2020, neuen Karrierewegen, Frauenförderung, Zuwanderung, Budgettransparenz, Ausbau von Personenförderung und Exzellenz, Verbesserung der Rahmenbedingungen an Universitäten sowie das Leben einer „Kultur der Konsequenz“.
Wir befürchten, dass es zu langfristigen Schäden aufgrund dieser bedenklichen Entwicklungen kommen wird, die Weitergabe von Wissen nicht mehr gewährleistet werden kann und damit auch die Motivation von JungakademikerInnen, in die Wissenschaft einzusteigen, weiter sinken wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
Österreich Gesamt (21 Universitäten) |
2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
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Gesamtpersonal |
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[2] APA0244 5 II 0466 CI/X Di, 15.Feb 2011
[4] Expertin ortet wachsende Industrialisierung wissenschaftlicher Arbeit, Utl.: Wissenschaftsforscherin Felt: Neue akademische Arbeiterschicht ohne Perspektive gebildet - Zeit zum Nachdenken als Luxus. APA0324 2011-02-18 bzw. ZUK0116 5 FI 0398
[5] APA0244 5 II 0466 CI/X Di, 15.Feb 2011
[6] Forschung als Halbtagsjob - FWF-Chef: Kein systematisches Problem, Utl.: Kratky: "Halbtags ist in der Wissenschaft keine Option" APA0255 5 II 0684 XI/CI bzw. APA0244/15.02 Di, 15.Feb 2011
[7]http://www.bmwf.gv.at/fileadmin/user_upload/forschung/forschungsdialog/ZUKUNFTSbotschaften_des_FORSCHUNGSministers_0808bmwf.pdf