9692/J XXIV. GP

Eingelangt am 03.11.2011
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler,

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl

betreffend unverständliche Einschränkung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsauftrages in der Causa Kampusch

 

Eine Sachverhaltsdarstellung in der Causa Kampusch des verstorbenen Sonderermittlers in der Causa Kampusch, Oberst Franz Kröll, vom 22.10.2008 beinhaltete hinreichend schwere Verdachtsgründe hinsichtlich allfälliger Tathandlungen gemäß § 206 StGB (schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen), § 207 StGB (sexueller Missbrauch von Unmündigen) und § 207a StGB (pornografische Darstellung Minderjähriger), wobei in diesem Bericht vier Verdächtige namentlich genannt wurden und eine Verdachtslage gegen unbekannte Täter beschrieben wurde; (von den vier namentlich genannten Verdächtigen war sodann aufgrund der Ergebnisse der Rufdatenerfassung und der hierauf erfolgten Nachprüfung eine Person wegen der offenkundig fehlenden Verdachtslage auszuscheiden).

 

Diese Sachverhaltsdarstellung des SOKO-Ermittlers Kröll wurde mit den ihr angeschlossenen Beilagen mit Schreiben vom 24.10.2008 vom Kabinettschef des Bundesministeriums für Inneres, Franz Lang, zu GZ: 100954/13-KBM/08, an Ihr Ministerium zu Handen des damaligen Kabinettschefs Dr. Albin Dearing unter Bezugnahme auf die Vereinbarungen aus einer Besprechung der beiden genannten Ministerien vom 08.10.2008 mit dem Ersuchen um Auftragserteilung übermittelt.

 

Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 07.11.2008, GZ 502 St 64/08f, unterfertigt vom Sachbearbeiter Staatsanwalt Mag. Hans-Peter Kronawetter, wurde dem Bundeskriminalamt, zu Handen Mag. Erich Zwettler, das übermittelte Aktenkonvolut zurückgestellt, mit dem Ersuchen, gegen die genannten verdächtigen Personen lediglich "zweckdienliche Erkundigungen" einzuholen, und dies auch nur hinsichtlich des mit der geringsten Strafe bedrohten und mit der kürzesten Verjährungszeit versehenen Tatbestandes gemäß § 207a StGB!

 

Die wesentlich dramatischeren Verdachtslagen zu den §§ 206 und 207 StGB wurden einfach "unter den Tisch gekehrt" bzw. ignoriert. Auch hinsichtlich des verdächtigen Personenkreises erfolgte eine unverständliche Einschränkung bloß auf die namentlich genannten vier Personen, ohne den Auftrag, auch gegen unbekannte Täter zu ermitteln, wie dies in der Sachverhaltsdarstellung des Oberst Kröll angeregt wurde.

 

Vor diesem Hintergrund ist eine Presseaussendung des ÖVP-Justizsprechers Mag. Heribert Donnerbauer vom 26.02.2008 interessant, worin dem damaligen Kabinettschef der seinerzeitigen Justizministerin Dr. Maria Berger, Dr. Albin Dearing, vorgeworfen wird, in einem Telefongespräch mit dem damaligen Leiter der Evaluierungskommission, Adamovich, schon damals versucht zu haben, auf die Tätigkeit der Evaluierungskommission bremsend Einfluss zu nehmen.

 

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher an die Frau Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

Anfrage

1. Warum wurde der Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 07.11.2008 an das Bundeskriminalamt lediglich auf "zweckdienliche Erkundigungen" eingeschränkt und warum wurde kein Auftrag zur förmlichen Einvernahme der Verdächtigen erteilt?

2. Warum wurde im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 07.11.2008 der Kreis der Verdächtigen auf die namentlich genannten Personen eingeschränkt und warum wurde nicht auch ein Ermittlungsauftrag hinsichtlich allfälliger unbekannter Täter erteilt?

3. Warum wurde im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 07.11.2008 der "Erkundigungs"-Auftrag lediglich auf das Delikt des § 207a StGB eingeschränkt, obwohl sich ein zumindest aufzuklärender Anfangsverdacht des Bundeskriminalamtes auch hinsichtlich der wesentlich schwereren Delikte der §§ 206 und 207 StGB aus der SOKO-Sachverhaltsdarstellung des Innenministeriums ergibt?


4. Warum wurde der in der SOKO- Sachverhaltsdarstellung des Innenministeriums namentlich genannte Verdächtige Ernst H. bis heute immer noch nicht förmlich zu den Verdachtslagen gem. §§ 206 und 207 StGB einvernommen?

5. Warum wurden die weiteren namentlich genannten Tatverdächtigen Elisabeth G. und Peter B. bis heute zu den Verdachtslagen der Delikte der §§ 206 und 207 StGB noch nicht einvernommen?

6. Wurde vom Kabinettschef Dr. Dearing oder von anderen Vertretern Ihres Ministeriums auf den merkwürdig eingeschränkten "Erkundigungs"-Auftrag des zuständigen Staatsanwaltes der Staatsanwaltschaft Wien vom 07.11.2008 bremsend eingewirkt?

7. Natascha Kampusch wurde nach ihrem öffentlichen Auftauchen sofort vom "Weißen Ring" betreut. Der genannte Kabinettschef Dr. Dearing war mit einem weiteren Kabinettsmitglied des damaligen Ministerkabinetts Dr. Berger, Dr. Oliver S., wie Dr. Dearing BSA-Mitglied, im Vorstand des "Weißen Ringes" tätig. Gibt es Erkenntnisse, wonach diese Nahebeziehung zum "Weißen Ring" einen Einfluss auf die bremsenden Bemühungen des Dr. Dearing hatte?

8. Gibt es Erkenntnisse, welche anderen Gründe Dr. Dearing veranlassten, bremsend auf die Tätigkeit der Evaluierungskommission einzuwirken?