9725/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.11.2011
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Grosz,

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend die selbstständigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlung im Falle des Grazer „Betrugsskandals“ rund um die Fahrscheinkontrollen der Firma Securitas

 

Bereits im September kündigte sich in Graz ein großangelegter „Betrugsskandal“ an. Nun werden 31 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Securitas - welche für die Grazer Verkehrsbetriebe die Fahrscheinkontrollen durchführten - verdächtigt, in betrügerischer Absicht das Verkehrsunternehmen der Stadt Graz mit Vorsatz jahrelang geschädigt zu haben.

 

Konkret berichtet die Kleine Zeitung bereits im September 2011 von Unregelmäßigkeiten bei von der Firma Securitas im Auftrag der Graz Holding durchgeführten Fahrscheinkontrollen. So sollen Verwandte von Kontrollmitarbeiterin im großen Stil mit „gekennzeichneten“, aber ungültigen Fahrtickets versorgt worden sein. Inhaber solcher Tickets wurden bei Fahrscheinkontrollen „verschont“.

 

Exemplarisch dürfen nachstehend einige Zeitungsartikel genannt werden:

 

 

 

Kleine Zeitung" vom 28.09.2011                             Seite: 24

Ressort: Bundesland

 

Steiermark

 

Kontrolleure kontrollierten zu wenig

 

Fünf Fahrscheinkontrolleure der Graz Linien mussten gehen, weil sie nur „schlampige“ Arbeit leisteten. Schwarzfahrer wurden nicht angehalten. Jetzt werden auch die anderen 26 Kontrolleure geprüft.

 

HELMUT BAST

 

Die Schwarzfahrer wird es gefreut haben. Allzu locker und gemütlich legten nämlich zuletzt zumindest fünf Fahrscheinkontrolleure der Firma Securitas das Aufspüren von Schwarzfahrern in Bus und Bim der Graz Linien an. Das Sicherheitsunternehmen Securitas kontrolliert für die Graz Linien, aber auch für den Steirischen Verkehrsverbund und den ÖBB-Postbus die Fahrgäste.


Bei einer internen Revision der Graz Linien und auch der Securitas sei man draufgekommen, dass diese fünf Kontrolleure ihren Job nicht ernst genug genommen haben, so heißt es aus der Holding Graz, zu der die Graz Linien gehören. Von den fünf Mitarbeitern hat man sich bereits getrennt, bestätigt auch Martin Wiesinger, Geschäftsführer von Securitas. „Die Mitarbeiter kontrollierten einfach nicht in der Qualität“, so Wiesinger. Es gebe zwar keine Kopfquote, bezogen auf die Fahrgastfrequenz hätten die betroffenen Kontrolleure aber einfach zu wenig abgeliefert. Bei einer Kontrolle sei man dann draufgekommen, dass sie „äußerst schlampig kontrolliert haben“, so Wiesinger. Zudem habe die „Präsenz vor Ort überhaupt nicht gestimmt“.

 

„Großer Schaden“

 

Der Schaden aus den entgangenen Einkünften durch die nicht angehaltenen Schwarzfahrer wird weder von der Holding Graz noch von Securitas genauer beziffert. Wiesinger spricht jedoch zumindest von „einem großen Schaden“. Das Sicherheitsunternehmen habe aber sofort reagiert und den Ausfall übernommen. Auch bei den restlichen 26 Kontrolleuren schaut man nun genau hin, ob sie ihre Kontrollaufgaben auch in ausreichendem Ausmaß wahrnehmen.

 

Gerüchte, wonach es auch zu anderen finanziellen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Fahrscheinkontrolle gekommen sei, dementiert Wiesinger jedoch.

 

 

 

 

"Kleine Zeitung" vom 08.11.2011                             Seite: 22

Ressort: Graz Zentrum

 

Skandal um Kontrollore

 

Kontrollore und ihre Familien waren selbst Schwarzfahrer in Bus und Bim: Nun müssen alle 31 Kontrollore gehen. Ruf nach Vertragskündigung mit Überwachungsfirma Securitas wird laut.

 

HELMUT BAST, THOMAS ROSSACHER

 

Schon im September berichtete die Kleine Zeitung erstmals von Unregelmäßigkeiten bei den Fahrscheinkontrolloren der Firma Securitas: Sie sollen Verwandte in großem Stil mit ungültigen, aber „gekennzeichneten“ Tickets versorgt haben – die Kollegen im Dienst wussten Bescheid, sie verschonten bei Kontrollen diese „Fahrgäste“.

 

Nun weitet sich der Skandal um die Prüforgane, die für die Graz Linien tätig sind, aus. Bis Ende November, so Securitas-Chef Martin Wiesinger, müssen nun alle 31 Kontrollore gehen: „Von 20 haben wir uns bereits getrennt, weil sie mitgetan haben, die anderen haben davon gewusst und uns nicht darüber informiert. Sie werden woanders eingesetzt.“ Diese Trennungen „waren sozial sauber“. Man baue nun ein völlig neues Team auf.

 

Aussagen von gekündigten Kontrolloren, wonach auch „Verwandte der mittleren Securitas-Führungsebene unkontrolliert gefahren sind“, dementiert Wiesinger: „Das schließe ich aus.“ Doch ein Ex-Kontrollor meint zur Kleinen Zeitung: „Das System hat es schon immer gegeben und war allen, auch oben, bekannt.“

 

Der Fall lässt auch im Rathaus die Alarmglocken läuten. „Das hat eine Dimension erreicht, die dringend in der nächsten Aufsichtsratssitzung besprochen werden muss“, grollt Vize-Bürgermeisterin Lisa Rücker (Grüne). Man habe sie im September informiert, dass „da etwas nicht in Ordnung ist“. Aber die Ausmaße waren ihr nicht bekannt. Nun ortet Rücker, die mit Stadtchef Siegfried Nagl (ÖVP) den Vorsitz im Holding-Aufsichtsrat führt, einen „Misstrauensbruch. Die Qualität der Kontrolle muss infrage gestellt werden – und auch das Management“, stellt Rücker klar. Sie empfindet es als „einfach unfair“, sollten Freunde und Familie von Kontrolloren tatsächlich ungestraft als Schwarzfahrer unterwegs gewesen sein.

 

Vertragsausstieg?

 

Dazu wollte sich der Holding-Vorstand gestern persönlich nicht äußern. Man richtete aus, dank Innenrevision über die Vorgänge voll informiert gewesen zu sein. Eine vorzeitige Auflösung des Vertrags mit der Securitas sei derzeit kein Thema. Das Personal wäre ja ausgetauscht und der Schaden beglichen worden. Im Rathaus ist von einem sechsstelligen Euro-Betrag die Rede.

 

 Keinesfalls zur Tagesordnung übergehen will Gewerkschaftsboss Horst Schachner: „Notfalls muss man Konsequenzen ziehen, der Firma den Vertrag entziehen und es wie früher selber machen.“ Holding-Graz-Vorstand Wolfgang Malik müsse reagieren, er habe ja die Securitas einst geholt und sei dafür verantwortlich.

 

Dem Verkehrsverbund wiederum sind Missstände bisher nicht gemeldet worden, hieß es gestern. Für die Verbundlinie kontrolliert die Securitas ja ein paar Stadt- und Regionalbuslinien: Im Vorjahr wurden 1155 Schwarzfahrer ertappt, abzüglich erfolgreicher Einsprüche wurden 2,1 Prozent aller Fahrgäste bestraft.

 

 

Tageszeitung Kurier vom 9. November 2011

 

Graz: Korrupte Kontrollore in Bim und Tram

 

Familie, Verwandte und Freunde von Kontrollorganen fuhren gratis. Deren Uralt-Tickets waren gekennzeichnet.


Das System war simpel, aber äußerst effektiv. Kontrollore bei den Grazer Verkehrsbetrieben (GVB) kennzeichneten Fahrscheine mit ihren Dienstnummern oder farbigen Punkten. Familienangehörige, Verwandte und Freunde konnten so gratis fahren. Die Kollegen sahen über das Ablaufdatum hinweg, gewarnt durch die Ticketmarkierung. Bei einem mageren Stundenlohn von 8,72 Euro brutto sollte wenigstens für die Familien etwas herausschauen. Und so manches Kontrollorgan fuhr angeblich in der Freizeit selbst auch gratis.

Neues Personal

Ein krasser Fall von Korruption beschäftigt derzeit die Holding Graz, die 2003 die Kontrolltätigkeit an die Privatfirma Securitas ausgelagert hat. Alle 31 Bediensteten müssen nach Auskunft von Firmenchef Martin Wiesinger gehen oder werden anderswo eingesetzt. Laut Gewerkschaftsboss Horst Schachner sollen längst nicht alle im korrupten System tätig gewesen sein. Er werde auf soziale Verträglichkeit achten.

Im Aufsichtsrat der Holding ist nun Feuer am Dach. Deren Chef, Bürgermeister Siegfried Nagl, lässt Holding-Vorstand Wolfgang Malik die Suppe allein auslöffeln. Malik bekundete, für eine Vertragsauflösung mit der Securitas bestehe kein Anlass, das Problem sei bereinigt. Die Firma ist dick im Geschäft, kontrolliert für die Holding auch den Flughafen Graz.

 


Hoher Schaden

Kolportiert wird bei den GVB ein sechsstelliger Schadensbetrag, der von der Securitas zu begleichen war. Rund 800.000 Fahrgäste werden pro Jahr kontrolliert, im Schnitt fünf Prozent davon beanstandet.

ÖGB-Chef Schachner, zugleich Betriebsratsvorsitzender der Holding Graz, tobt: Vorstandchef Malik habe diesen Dienst gegen seinen Widerstand ausgelagert. "Früher hat das unser Personal sehr korrekt gemacht. Notfalls muss man den Vertrag mit der Securitas kündigen." Doch rechtlich fehlt die Handhabe. Die Firma hat 2010 gerade erst eine Vertragsverlängerung bis 2015 bekommen.

Der Zweitbieter, die Parkraumservice-Gesellschaft, gehört der Stadt. Sie verlor, weil sie um einen Euro pro Arbeitsstunde höher lag - wäre nun aber eine Option.

 

 

"Österreich" vom 09.11.2011                                  Seite 16

Ressort: Steiermark

 

Steiermark

 

Ticket-Skandal bei Grazer Bus &Bim

 

Firma wirft 31 Kontrollore aus * Vertrag mit Fremdfirma wackelt

 

Über Jahre hinweg sollen Kontrollore einer Fremdfirma und ihre Angehörigen selbst Schwarzfahrer in Bus und Bim gewesen sein.

 

Graz. Große Aufregung herrscht im Grazer Rathaus und im Konzernsitz der Graz Linien, nachdem sich ein Skandal rund um die Ticketkontrollen in den Grazer Öffis ausweitet: Insgesamt 31 Kontrollore sollen selbst Schwarzfahrer gewesen sein beziehungsweise ihren Angehörigen gefälschte Fahrkarten verschafft haben.

 

Die Firma Securitas, die die Kontrollen im Auftrag der Graz Linien durchgeführt hat, hat sich von den Mitarbeitern getrennt und den Schaden gegenüber den Graz Linien wieder gutgemacht. "Deshalb haben wir auch keine Anzeige erstattet, weil tätige Reue geübt wurde", heißt es bei den Graz-Linien.

 

Unklar war gestern allerdings noch, welche dienstrechtlichen und allenfalls strafrechtlichen Konsequenzen Securitas gegenüber den Ex-Mitarbeitern setzen wird.

 

Politiker wollen das Thema im Aufsichtsrat

 

Vorerst halten die Graz Linien -wie es heißt -am Vertrag mit Securitas fest. Man habe allerdings dafür gesorgt, dass die verdächtigen Mitarbeiter nicht länger in den Grazer Öffis zum Einsatz kommen.

 

Da die Ausgliederung der Kontrolle sich "als Fehlschlag erwiesen" habe, fordert nunmehr KPÖ-Stadträtin Elke Kahr, dass die Kontrolle nicht länger durch "Privatsheriffs" durchgeführt werden soll. Thema wird ein möglicher Vertragsausstieg auch in der nächsten Aufsichtsratssitzung, wie die grüne Vizebürgermeisterin Lisa Rücker ankündigt. Unterstützung bekommt sie von Betriebsratschef Horst Schachner: "Notfalls müssen wir selber kontrollieren."

 


Die „außergerichtliche Einigung“, wie von der Holding Graz und der Firma Securitas im Alleingang durchgeführt, ändert nichts daran, dass der Sachverhalt trotzdem von Amtswegen zu verfolgen ist. Befremdlich ist, dass die Staatsanwaltschaft Graz und die Korruptionsstaatsanwaltschaft von sich aus nicht tätig geworden sind.

Am 9. November. 2011 brachte daher der Anfragesteller eine diesbezügliche Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Graz ein.

In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz die nachstehende

 

Anfrage:

 

1.       Sind Ihnen bzw. Ihrem Ressort die seit September 2011 in den Medien – welche Ihr Kabinett bzw. Ihr Ressort mehrfach abonniert hat – beschriebenen Sachverhalte rund um den Skandal bei den Grazer Linien im Zusammenhang mit Fahrscheinkontrollen bekannt? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht?

2.       Sind der Staatsanwaltschaft Graz die seit September 2011 in den Medien – welche die Grazer Justizbehörden mehrfach abonniert haben – beschriebenen Sachverhalte rund um den Skandal bei den Grazer Linien im Zusammenhang mit Fahrscheinkontrollen bekannt? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht?

3.       Hat die Staatsanwaltschaft Graz oder die Korruptionsstaatsanwaltschaft im beschriebenen Fall Ermittlungen aufgenommen? Wenn ja, seit wann konkret? Wenn nein, warum nicht?

4.       Warum hat die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren von Amts wegen bereits im September bzw. im Oktober eingeleitet?

5.       Ist Ihnen die am 9. November 2011 bei der Staatsanwaltschaft Graz vom Anfragesteller eingebrachte und via APA-OTS 0129 vom 9.11.2011 um 11.28 Uhr medial kundgemachte Anzeige bekannt?

6.       Hat die Staatsanwaltschaft aufgrund dieser unter Frage 5 genannten Anzeige Ermittlungsschritte gesetzt? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

7.       Welchem Staatsanwalt wurde die unter Frage 5 genannte Anzeige zugeteilt?

8.       Handelt es sich bei etwaigen Ermittlungen rund um diese Anzeige um einen sogenannten berichtspflichtigen Akt? Wenn ja, welchen Bericht haben Sie bereits erhalten?

9.       Wie werden Sie ein angemessenes und korrektes Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Graz im gegenständlichen Fall sicherstellen?