Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll187. Sitzung / Seite 144

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jemand gar nichts zustande bringt, sagt man: Du bist ja blind. Wenn jemand blind auf einem Auge ist, dann ist er nicht offen für gesellschaftliche Veränderungen. Wenn die Diskussion dann um blinde Richter geht, spitzen sich die Vorbehalte und Ängste zu. Da heißt es, blinde Menschen können sich kein objektives Bild von der Realität machen und ein Lokalaugenschein ist nicht möglich. Es ist aber so, dass es in Deutschland 60 blinde Richter gibt. In Österreich gibt es keinen blinden Richter.

Wir haben im Herbst ins Parlament einen blinden Richter aus Deutschland eingeladen: Uwe Boysen. Er hat berichtet, wie er seinen Berufsalltag mit technischen Hilfsmitteln, mit einem Scanner, mit einem Vorleseprogramm, mit einer Braille-Zeile und mit der Unterstützung von Assistenzleistungen meistert. So macht er auch persönliche Einvernahmen, fällt Urteile. Er hat eine mehrjährige Berufserfahrung und sagt, dass er sich ein objektiveres Bild machen kann, weil er sich nicht von visuellen Eindrücken beeinflussen lässt. Seine Ohren sind teilweise seine Augen, denn er merkt, wenn jemand unruhig am Stuhl hin und her wetzt oder mit den Fingern trommelt. Das sind Zeichen, die für ihn wichtig sind. Also es ist möglich.

Wir haben 2006 das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz beschlossen und die kör­perliche Eignung für den Richterberuf gestrichen, und damit hätte es möglich sein sollen. Aber bisher gibt es in Österreich, wie gesagt, keinen blinden Richter. Und deshalb begrüße ich es sehr, dass jetzt im Zuge der Reform der Verwaltungs­gerichts­barkeit ein Pilotprojekt für blinde Richter gestartet wird. Ich möchte dazu einen Ent­schließungsantrag einbringen. – Da ich selbst sehbehindert bin, kann ich ihn nicht selbst vorlesen, aber meine persönliche Assistentin Linda wird das für mich machen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Franz-Josef Huainigg, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pilotprojekt für Verwaltungsrichter mit Sehbehinderung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen eines Pilotprojektes in einem ersten Schritt die notwendigen rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit blinde und stark sehbehinderte Personen am Bundesverwaltungs­gericht und am Bundesfinanzgericht auch den Richterberuf ausüben können. Das Pilotprojekt soll begleitend evaluiert werden, um generelle Rahmenbedingungen für blinde Richter zu schaffen.“

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Ich glaube, dass sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit besonders für dieses Pilotprojekt eignet, da der Lokalaugenschein nicht im Vordergrund steht und jetzt auch Richter gesucht werden. Es gibt eine Stellenausschreibung von 80 Richtern, und ich möchte auch besonders Menschen mit Sehbehinderungen, blinde Juristen ermutigen, sich zu bewerben. Justitia urteilt mit verbundenen Augen, fällt so faire Urteile, und ich hoffe, dass das auch so in Österreich möglich sein wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

 


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