Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 115

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Es gibt noch eine zweite Begründung, warum es Sinn macht, Barroso morgen nicht zu nominieren, eine demokratiepolitische. Und da gibt es schon Unterstützung von vielen Seiten. Ich habe gerade heute auch gehört, dass Parlamentspräsident Pöttering von Seiten der Europäischen Volkspartei nicht mehr der Überzeugung ist, dass Barroso am 15. Juli im Europaparlament tatsächlich eine Mehrheit haben wird und dass er das vo­raussichtlich morgen dem Rat auch mitteilen wird.

Das heißt, die zweite Forderung von grüner Seite ist eine Verschiebung auf Herbst, wenn klar ist, ob der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt – was ich sehr hoffe.

Wenn das wirklich gelingt, dann kann ich nur sagen, dass die Initiative, die die gestärk­ten Grünen im Europa-Parlament mit Daniel Cohn-Bendit ergriffen haben, tatsächlich etwas für eine stärkere Europapolitik in diesem Europa bringen wird. (Beifall bei den Grünen.)

In dieser Anfrage sind aber auch noch andere Punkte enthalten, die wir von Ihnen wis­sen wollen, nämlich unter anderem die Frage, wie es mit dem oder der nächsten öster­reichischen KommissarIn ausschaut.

Herr Bundeskanzler, Sie haben ja schon darauf verzichtet, dass die Sozialdemokraten sagen, wen sie als KommissarIn haben wollen. (Abg. Huber:  möchtet wahrschein­lich ihr Grünen!) Unsere Forderung ist immer noch, dass es ein Hearing im Nationalrat geben muss.

Die Frage an Sie ist: Sind Sie bereit, gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner mehrere Personen vorzuschlagen, die sich dann auch einem Hearing im Nationalrat stellen? Sind Sie bereit dazu? Und sind Sie bereit dazu, dass das vielleicht nicht nur Vertreter und Vertreterinnen der Volkspartei sind, sondern auch andere Personen, vielleicht auch Persönlichkeiten, Europäerinnen und Europäer, die nicht unbedingt einer Partei nahestehen? Das wäre sinnvoll! (Beifall bei den Grünen.)

Mein Appell an Sie mit dieser Anfrage ist also: Sagen Sie morgen Nein zu Barroso! Nehmen Sie Ihre eigene Forderung nach einem sozialeren Europa ernst! Verschieben Sie die Debatte und dann auch die Entscheidung in den Herbst, wenn klar ist, dass es den Lissabon-Vertrag gibt. Geben Sie diesem europäischen Projekt, das ein ökologi­sches, soziales und demokratisches ist, wirklich eine Chance – und die gibt es nur oh­ne Barroso! (Beifall bei den Grünen.)

15.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundes­kanzler Faymann zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschrei­ten. – Bitte.

 


15.21.51

Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Präsident! Werter Herr Kollege! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte zuerst zu der personellen Frage hinsicht­lich Barroso Stellung nehmen, obwohl ich persönlich davon überzeugt bin, dass wir als Bundesregierung – und auch ich als Bundeskanzler nicht daran gemessen werden, ob wir in der Europäischen Union zur Vertretung der Interessen Österreichs personelle Fragen in den Vordergrund stellen, sondern wir werden daran gemessen, ob wir euro­paweit in der Lage sind, Finanzmärkte in Ordnung zu bringen, diese in Zukunft massiv zu kontrollieren, Konsequenzen aus der Wirtschaftskrise zu ziehen, die Wirtschaft in Schwung zu bringen und auf der anderen Seite dem sozialen Ausgleich den nötigen Stellenwert zu geben.

Mit verzettelten Diskussionen um Personen werden wir das auch symbolisch nicht er­reichen, sondern wir werden erreichen, dass die Leute glauben, wir streiten über Per­sonen lieber als über Inhalte. Daher möchte ich festhalten, dass meine persönliche


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