Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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73. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 8. Juli 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

73. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode                  Donnerstag, 8. Juli 2010

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 8. Juli 2010: 13.00 – 17.12 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Gesetzesantrag des Bundesrates vom 6. Mai 2010 betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissa­bon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem beson­dere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle), so­wie über den

Antrag 978/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 1115/A der Abgeordneten Dr. Martin Strutz, Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volks­befra­gung gemäß Art. 49b B-VG über die Umsetzung der von der Bundesregierung geplanten Beteiligung am europäischen Finanzhilfspaket für Griechenland

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1107/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesver­fas­sungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezüge­gesetz geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1171/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und Pensionen der Obersten Organe des Bundes und sonstiger Funktionäre (Bezügegesetz) geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1186/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden


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6. Punkt: Bericht über den Antrag 1193/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einfrieren der Politikergehälter und Senkung der Politikerpensionen alter Art um zumindest 10 Prozent

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Richter- und Staats­anwaltschaftsdienstgesetz geändert werden

9. Punkt: Übereinkommen des Europarates über die Vermeidung von Staatenlosigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge

10. Punkt: Bericht über den Antrag 44/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag

11. Punkt: Bericht über den Antrag 49/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kollaudierung des tschechischen AKW Temelίn

12. Punkt: Bericht über den Antrag 50/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Fertigstellung der AKW-Blöcke 3 und 4 im slowakischen Mochovce

13. Punkt: Bericht über den Antrag 162/A(E) der Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Neubau eines Reaktors in Krško

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 11

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Gesetzesantrag des Bundesrates (691 d.B.) vom 6. Mai 2010 betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Be­stim­mungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mit­glieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleit­novel­le), sowie über den

Antrag 978/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung


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des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundes­verfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geän­dert werden (Lissabon-Begleitnovelle) (827 d.B.) ............................................................................................... 14

2. Punkt: Bericht des Hauptausschusses über den Antrag 1115/A der Abgeord­neten Dr. Martin Strutz, Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Art. 49b B-VG über die Umsetzung der von der Bundesregierung geplanten Beteiligung am europäischen Finanz­hilfs­paket für Griechenland (787 d.B.) ............................................................................................ 14

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ..... 14

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 16

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 17

Fritz Neugebauer .................................................................................................... ..... 18

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 20

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ..... 22

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 25

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ..... 27

Mag. Silvia Fuhrmann ............................................................................................ ..... 28

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ..... 29

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 30

Bundesminister Dr. Michael Spindelegger ......................................................... ..... 36

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ..... 37

Mag. Wilhelm Molterer ........................................................................................... ..... 39

Wolfgang Katzian .................................................................................................... ..... 40

Annahme des Gesetzentwurfes in 827 d.B. .................................................................. 42

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 787 d.B. ....................................................... 42

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1107/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden (828 d.B.) .......... 42

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1171/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und Pensionen der Obers­ten Organe des Bundes und sonstiger Funktionäre (Bezügegesetz) geändert wird (829 d.B.) ........................................................................................................................ 43

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1186/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden (830 d.B.)     ............................................................................................................................... 43

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1193/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einfrieren der


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Politikergehälter und Senkung der Politikerpensionen alter Art um zumindest 10 Prozent (831 d.B.) ....................................................................... 43

Redner/Rednerinnen:

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 43

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 45

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ..... 47

Mag. Wilhelm Molterer ........................................................................................... ..... 49

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ..... 50

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................ ..... 52

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 828, 829 und 831 d.B. ............................ 53

Annahme des Gesetzentwurfes in 830 d.B. .................................................................. 54

7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (750 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz geändert wird (832 d.B.) ........................................................ 54

Redner/Rednerinnen:

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher ............................................................................... ..... 54

Johann Singer ......................................................................................................... ..... 55

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 55

8. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (781 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (833 d.B.)                       56

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ......................................................................................................  56, 64

Otto Pendl ................................................................................................................ ..... 57

Ernest Windholz ...................................................................................................... ..... 58

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ..... 60

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ..... 61

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 62

Angela Lueger ......................................................................................................... ..... 63

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 64

9. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (683 d.B.): Übereinkommen des Europarates über die Vermeidung von Staatenlosigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge (834 d.B.) ........................................................................................... 65

Redner/Rednerinnen:

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ..... 65

Mag. Gisela Wurm .................................................................................................. ..... 66

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 67

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 68

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 69

Marianne Hagenhofer ............................................................................................. ..... 70

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................... 71

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Z 3 B-VG ....................................... 71

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 44/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag (835 d.B.) .................................................................................... 71

11. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 49/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kol­laudierung des tschechischen AKW Temelίn (836 d.B.)     ............................................................................................................................... 71

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 50/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Fertigstellung der AKW-Blöcke 3 und 4 im slowakischen Mochovce (837 d.B.) ............................................................................... 71

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 162/A(E) der Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Neubau eines Reaktors in Krško (838 d.B.)   ............................................................................................................................... 71

Redner/Rednerinnen:

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 71

Erwin Hornek .......................................................................................................... ..... 73

Mag. Christiane Brunner ....................................................................................... ..... 74

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ..... 76

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 77

Petra Bayr ................................................................................................................ ..... 78

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ..... 79

Hannes Weninger ................................................................................................... ..... 80

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ..... 81

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................ ..... 83

Harald Jannach ....................................................................................................... ..... 84

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ..... 85

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 835 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Fortsetzung der österreichischen Anti-Atom-Politik (E 111) .......................................... 86

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 836, 837 und 838 d.B. ............................ 86

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage ...................................................................................................... 11

865: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit

Bericht ........................................................................................................................... 12

III-162: Stenographisches Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „Konflikten konstruktiv begegnen – Aktuelle Herausforderungen im Familienrecht (Obsorge und Unterhalt)“

Anträge der Abgeordneten

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nationaler Aktionsplan Bewegung (1227/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Nationaler Aktionsplan Bewegung (1228/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Herauslösung von Bewe­gungs­erziehung und Sport aus der Schulautonomie (1229/A)(E)


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Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Generationengerechtigkeits-No­vel­le) (1230/A)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung Stunden­kontingent für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (1231/A)(E)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entfall des Pensions­siche­rungs­beitrages bis zur Höhe der ASVG-Höchstpension (1232/A)(E)

Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stan­dardisierte Produktinformation (Klipp-und-Klar-Informationen) für alle Versicherungs­kunden“ (1233/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend fehlende ausreichende Regelungen für die Anrechnung beruflicher Qualifikationen von SchülerInnen im Lehrlingsausbildungssystem (6017/J)

Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Entwicklung der bedingten Entlassungen im Lichte des Haftentlastungs­pakets (6018/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung in Graz (6019/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Graz-Umgebung (6020/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Deutschlandsberg (6021/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Feldbach (6022/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Hartberg (6023/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Leibnitz (6024/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Knittelfeld (6025/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Fürstenfeld (6026/J)


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Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Judenburg (6027/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Murau (6028/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Mürzzuschlag (6029/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Radkersburg (6030/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Voitsberg (6031/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Bruck an der Mur (6032/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Leoben (6033/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Liezen (6034/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Kriminalitätsentwicklung im Bezirk Weiz (6035/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ölförderung in der Tiefsee durch die OMV (6036/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Aktivitäten des Künstler-Sozialversiche­rungs­fonds (6037/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend 138-PS-Feuerstuhl als Hauptpreis eines BMVIT-Verkehrssicherheits(!)wettbewerbs (6038/J)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nebentätigkeit von Finanzbeamten (6039/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend wirksame Maßnahmen gegen die Unfallursache und Verkehrssicherheits-Belastung „Handy am Steuer“ (6040/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Reformpoolprojekte (6041/J)

Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Datenlage zu Waffenhandel (6042/J)

Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Datenlage zu Waffenhandel (6043/J)

Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend NAP Gleichstellung (6044/J)

Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend NAP Gleichstellung (6045/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Malversationen bei der Finanzierung eines so dargestellten Kunst- und Bauprojektes „Kunstpark Wien“ (6046/J)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Humanitäre Hilfe, Auslands­katastrophenfonds und Haiti-Hilfe (6047/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Abkommen über Datenübermittlungen an US-Behörden (6048/J)


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Erich Tadler, Dr. Martin Strutz, Josef Jury, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft betreffend klimaaktiv.at/tour (6049/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die illegale Veröffentlichung von Bildern über das Internet durch den Google-Konzern (6050/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auftragsvergabe seit dem 1. September 2009 in der Sektion V (6051/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verhandlungsmandat Liegenschaft Finanzamt Josefstadt und Strozzi-Park (6052/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend kolportierte unprofessionelle Parteilichkeit von Beamten im Bereich des BMUKK (Stadtschulrat Wien) (6053/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend einen Zeitrahmen des BMUKK bis zur Vorlage eines Ministerialentwurfs betreffend die finanzielle Gleichstellung von Schulen in freier Trägerschaft mit öffentlichen Schulen und konfessionellen Privatschulen (6054/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend kolportierte Ungleichbehandlung verschiedener Schulen in freier Trägerschaft (6055/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Visum-Ärger für Antragsteller am Beispiel der Republik Südafrika – ein nachhaltiger Schaden für den österreichi­schen Tourismus (6056/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Gesundheit betreffend Anerkennung als Contergan-Opfer (6057/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­minis­terin für Inneres betreffend EGPAC 2010 (6058/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betref­fend die österreichische Verhandlungsposition betreffend Walfang (6059/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend den Anstieg der Zahl von Ausgleichszulagen für EU-Bürger ohne österreichische Staatsbürgerschaft (6060/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die illegale Veröffentlichung von Bildern über das Internet durch den Google-Konzern (6061/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die illegale Veröffentlichung von Bildern über das Internet durch den Google-Konzern (6062/J)


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Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend OGH-Urteil 200-Stück-Regelung (6063/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zweiklassengesellschaft in der Abgaben- und Steuerpolitik des Bundes­minis­teriums für Finanzen (6064/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend rechtsstaatliches Verfahren und TabMG 1996 (6065/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern in Verwaltungsverfahren (6066/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Solidaritäts- und Strukturfonds für Trafikanten (6067/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen in der Causa BUWOG, Anstiftung zum Bruch des Amtsge­heim­nisses und Amtsmissbrauch (6068/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Ermittlungen in der Causa BUWOG, Anstiftung zum Bruch des Amtsge­heim­nisses und Amtsmissbrauch (6069/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (5203/AB zu 5270/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen (5206/AB zu 5278/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen (5207/AB zu 5284/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (5208/AB zu 5279/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Heide­marie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen (5209/AB zu 5281/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen (5210/AB zu 5290/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen (5211/AB zu 5335/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen (5212/AB zu 5442/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen (5213/AB zu 5273/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen (5214/AB zu 5295/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen (5215/AB zu 5296/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen (5216/AB zu 5300/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abge­ord­neten Maximilian Linder, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen (5217/AB zu 5277/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (5218/AB zu 5286/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (5219/AB zu 5287/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­ge­­ordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen (5220/AB zu 5276/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen (5221/AB zu 5288/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen (5222/AB zu 5293/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (5223/AB zu 5289/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen (5224/AB zu 5301/J)

der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (5225/AB zu 5473/J)

 


 


 


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13.00.29Beginn der Sitzung: 13 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neugebauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Donabauer, Großruck, Ing. Hofer, Neubauer, Öllinger, Windbüchler-Souschill und Dr. Spadiut.

13.00.46Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­ge­gen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 5203/AB und 5206/AB bis 5225/AB.

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit (865 d.B.),

Antrag 1207/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend jährliche Valorisierung des Pflegegeldes,

Antrag 1208/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbindung der durch Contergan geschädigten Menschen in das öster­reichische Sozialentschädigungsrecht in Form einer monatlichen Rentenzahlung;

Außenpolitischer Ausschuss:

Antrag 1213/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Reduktion des Personalstandes bei der Austria Development Agency (ADA);

Budgetausschuss:

Bundesgesetz über die grenzüberschreitende Verschmelzung der Neusiedler Seebahn GmbH als übernehmende Gesellschaft mit der NSB Bahn Fertövidéki Helyi Érdekü Vasút Korlátolt Felelösségü Társaság (NSB Bahn Neusiedler Seebahn Gesellschaft mit beschränkter Haftung) als übertragende Gesellschaft und betreffend die Einbringung der Anteilsrechte an der Fertövideki Helyi Erdekü Vasut Zartkoruen Mukodo Reszvenytarsasag (Neusiedler Seebahn Aktiengesellschaft) in die Neusiedler Seebahn GmbH (NSB-G) (808 d.B.);


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Familienausschuss:

Antrag 1198/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortsetzung des Bundeszuschusses zum Ausbau der Kinderbetreuung,

Antrag 1203/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines „Papamonats“,

Antrag 1205/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anpassung der Regelungen zur SchülerInnenfreifahrt an heutige familiäre Alltagserfordernisse;

Finanzausschuss:

Antrag 1220/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Trennung von Bankgeschäften;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 1209/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Verbot von Bisphenol A in Gebrauchsgegenstände für Kinder von 0-3 Jahren,

Antrag 1215/A(E) der Abgeordneten Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Verbot des Verkaufs exotischer Tiere bei Messen,

Antrag 1216/A(E) der Abgeordneten Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Schaffung einer Sachkundeverordnung für die Haltung exotischer Tiere;

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag 1218/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit den Sozialpartnern hinsichtlich der Verbesserung der Einkommenssituation von Frauen;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 1199/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft geändert wird,

Antrag 1200/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bleiberecht für Kinder und Jugendliche,

Antrag 1223/A(E) der Abgeordneten Leopold Mayerhofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtzeitige Vorlage des Sicherheitsberichts;

Justizausschuss:

Antrag 1202/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Opfer der anti-homosexuellen Sonder­strafgesetze amnestiert, rehabilitiert und entschädigt werden (Amnestie-, Rehabilitie­rungs- und Entschädigungsgesetz AREG),

Stenographisches Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „Konflikten konstruktiv begegnen – Aktuelle Herausforderungen im Familienrecht (Obsorge und Unterhalt)“ (III-162 d.B.);

Kulturausschuss:

Antrag 1201/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinos auf dem Land und das digitale Zeitalter;


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Landesverteidigungsausschuss:

Antrag 1225/A(E) der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen betref­fend sofortige Auflösung der SIVBEG;

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 1197/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betref­fend verlässliche Finanzierung der GAP nach 2013;

Umweltausschuss:

Antrag 1210/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Maßnahmen gegen Kunststoffverpackungen,

Antrag 1211/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Bedarfsprüfung von Müllverbrennungsanlagen,

Antrag 1212/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Umsetzung der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes V82/01 vom 08.10.2002 für den Erhalt und den Ausbau von Verpackungs-Mehrwegsystemen;

Unterrichtsausschuss:

Antrag 1206/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Curriculum für HörbehindertenpädagogInnen,

Antrag 1217/A(E) der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Elternbefragung von IFES;

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Antrag 1204/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Gewerbeordnung zum Schutz von AnrainerInnen von gastgewerblichen Betrieben,

Antrag 1224/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufhebung der Zwangszugehörigkeit gemeinnütziger Wohnbaugenos­senschaften zu nach Art 1 § 5 (2) WGG definierten Revisionsverbänden.

*****

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 3 bis 6 sowie 10 bis 13 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Gemäß § 57 Abs. 3 Ziffer 2 der Geschäftsordnung schlage ich nach Beratung in der Präsidialkonferenz folgende Gestaltung und Dauer der Debatte zur gesamten Tages­ordnung vor: SPÖ und ÖVP je 56 Minuten, FPÖ 50 Minuten, Grüne 44 Minuten, BZÖ 42 Minuten, Redezeit von Regierungsmitgliedern insgesamt 30 Minuten.

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 vor, die Redezeit jedes Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.


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Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich für diese Vorschläge aus­sprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

13.01.591. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Gesetzesantrag des Bundesrates (691 d.B.) vom 6. Mai 2010 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Euro­päischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahl­be­hörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle), sowie über den

Antrag 978/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundes­ver­fassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle) (827 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Hauptausschusses über den Antrag 1115/A der Abgeordneten Dr. Martin Strutz, Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen auf Durch­führung einer Volksbefragung gemäß Art. 49b B-VG über die Umsetzung der von der Bundesregierung geplanten Beteiligung am europäischen Finanzhilfspaket für Griechenland (787 d.B.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile, begrüße ich sehr herzlich den neuen Präsidenten des Bundesrates Martin Preineder, der am 1. Juli sein Amt übernommen hat, hier auf der Galerie. Es handelt sich heute ja auch um Materien des Bundesrates. (Allgemeiner Beifall.)

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stefan. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. – Bitte.

 


13.03.23

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es geht um die Umsetzung des Lissabon-Vertrages, und es ist ja kein Geheimnis, dass wir diesen abgelehnt haben und der Meinung waren, Österreich sollte da nicht mitmachen und sollte dem nicht zustimmen.

Wir haben uns dagegen ausgesprochen und sind nach wie vor der Ansicht, dass dieser Weg der falsche ist, weil dadurch die Bundesstaatlichkeit festgeschrieben wird, ein Weg, den wir immer abgelehnt haben, weil nach wie vor eine Organisation besteht, die man nicht als demokratisch bezeichnen kann, ein Parlament, das nicht das Recht hat, Gesetzesinitiativen zu ergreifen. All diese Punkte zusammen ergeben hier eine klare


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Ablehnung. Wir sind der Meinung, dass wir uns der Europäischen Union nicht derart ausliefern dürfen, wenn da solche Strukturen bestehen.

Aus dem heraus ist einmal zu verstehen, dass wir grundsätzlich auch gegen die Art und Weise sind, wie jetzt hier die Umsetzung erfolgt. Denn wenn es schon den Lissa­bon-Vertrag in dieser Form gibt und wenn diese Kritik von uns besteht, dann meinen wir, dass die Umsetzung innerstaatlich in der maximal entscheidenden Form erfolgen müsste. Das ist nicht geschehen.

Zu den einzelnen Punkten: Die Subsidiaritätsrüge beziehungsweise -klage ist eine Farce. Das haben wir bereits festgestellt. Das ist im Wesentlichen eine Arbeitsbe­schaffung für die Parlamente, denn es ist ja kaum zu erwarten, dass ein Drittel aller Parlamente eine Rüge oder gar 55 Prozent dann einen Widerspruch einlegen. Nur unter diesen Voraussetzungen muss die Kommission überhaupt reagieren. Hier sieht man schon, es werden zwar die Parlamente in Bewegung gesetzt und es wird ihnen das Gefühl gegeben, in einen demokratischen Prozess eingebunden zu sein, aber in Wirklichkeit wird dabei nichts herausschauen. Dies ist also eine Farce, eine Arbeits­beschaffung, aber es wird groß erzählt, wir sind jetzt in der Demokratie angelangt und wir können uns demokratisch beteiligen. – Wir wissen, es ist nicht so.

Auch die Umsetzung hinsichtlich dessen, wie Länderinteressen in Österreich vertreten werden, ist unserer Meinung nach nicht der richtige Weg. Es ist ja der Bundesrat jenes Institut, das hier auftritt. Wir sind aber der Meinung, dass die Länder selbst viel besser die Länderinteressen vertreten. Wir wissen ganz genau, wie der Bundesrat letztendlich abstimmt, nämlich nach Parteiinteressen, dass auch dort die Parteien dann genauso wie im Nationalrat im Wesentlichen nach Bundesinteressen Entscheidungen treffen. Daher wäre es besser, es hätten die Landtage die Möglichkeit gehabt – mehrere zusammen, aber immerhin –, die Länderinteressen zu vertreten und gemeinsam aufzutreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiteres Problem ist die Brückenklausel, also die Möglichkeit, vom Einstim­migkeitserfordernis auf Ebene der Europäischen Union abzugehen und zu einer Mehrstimmigkeit zu kommen. Bei einer derartigen Einschränkung auch jetzt wiederum der österreichischen Staatlichkeit, die ja hier nicht mehr die Möglichkeit hat, dann dem entsprechenden Punkt wirklich zu widersprechen, sind wir der Meinung, dass eine Volksabstimmung der richtige Weg wäre und nicht eine Abstimmung im Parlament. Auch das ein Kritikpunkt, weshalb wir hier nicht mitgehen wollen.

Und letztendlich der mangelnde Beitrag und die geringe Möglichkeit des Parlaments, bei der Ernennung von Positionen auf europäischer Ebene mitzuwirken: Da haben wir gefordert, dass bei einem Mitglied des Europäischen Rechnungshofes alle Parteien, die im Hauptausschuss vertreten sind, zumindest ein Nominierungsrecht haben sollen, damit auch die Rechte der anderen Parteien gewährleistet sind und nicht die Regierung wieder nur ernennt und nominiert.

Auch das ist ein Punkt, wo Demokratie gefragt wäre, wo man schon auf unterster Ebene beginnen sollte. Wenn man es von unten so durchzieht, dann wird die Demokratie immer dünner und die Repräsentation der Bevölkerung in Wirklichkeit immer unbedeutender. All das ist Ausdruck dieses Lissabon-Vertrages und damit auch der Umsetzung, und das lehnen wir ab. (Beifall bei der FPÖ.)


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13.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Cap. Ich stelle die Uhr, wie gewünscht, auf 6 Minuten. – Bitte.

 


13.08.09

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich habe den Ausführungen meines Vorredners sehr genau zugehört. Es kommt natürlich darauf an, wie man mit diesen neuen Möglichkeiten umgeht. Es soll keine Beschäftigungstherapie sein, sondern es ist der Versuch, dass die nationalen Parlamente in einer Vernetzung die Information untereinander verbessern, mehr zusammenzuarbeiten, dass jetzt nicht das Europaparlament als das Oberparlament der nationalen Parlamente misszu­verstehen ist, sondern es soll hier versucht werden, dass die nationalen Parlamente in den Gesetzgebungsprozess auf europäischer Ebene besser eingebunden werden.

Da gliedert sich auch ein in die Initiative, dass es europäische Bürgerinitiativen auf plebiszitärer Ebene geben soll, die aber dann vom Ergebnis entweder über die Kommission in einem Vorschlag – das ist noch gar nicht wirklich ausdiskutiert und liegt noch gar nicht auf dem Tisch –, aber dann allfällig über das Europaparlament in einen möglichen Gesetzgebungsprozess Eingang finden kann. – Das ist die zweite Ebene.

Weiters gibt es eben die Ebene der Rügen und der Klagen, wenn es zu Kompetenz­überschreitungen kommt, wo die nationalen Parlamente dann einen Prozess in Gang setzen können, der am Ende des Tages mit einer Rüge endet oder allfällig sogar mit einer Klage, wenn das entsprechende Quorum dabei erfüllt ist.

Davon unberührt sind ohnehin die Mitwirkungsrechte des Parlaments in EU-Ange­legenheiten, wo die Möglichkeit besteht, dass das zuständige Mitglied der Bundes­regierung ein Mandat für die Verhandlungen in Brüssel bekommt.

Also wir bemühen uns hier, dass der Teil der Arbeit im Gesamtgesetzgebungsprozess, nämlich jener auf nationaler Ebene, verbessert wird, dass die nationalen Parlamente mehr Möglichkeiten haben und dass die nationalen Parlamente endlich damit begin­nen, sich untereinander abzustimmen und ein besseres Informationsnetz aufzubauen.

Das finde ich sehr positiv, vor allem – und da verstehe ich jetzt den Standpunkt der Freiheitlichen nicht – als das eine Stärkung der nationalen Parlamente ist. Ich habe immer geglaubt, dass die Freiheitlichen das eigentlich wollen. Jetzt wollen sie das nicht. Es gibt noch Redner, die sich vielleicht dazu konkreter äußern können.

Das Ganze soll aber noch einen Aspekt haben: Wir möchten per Jahresende noch ein Informationsgesetz beschließen, das ebenfalls den Zugang zu Informationen in der Europäischen Union zum Gesetzgebungsprozess verbessern und stärken will.

Und jetzt zum allerwichtigsten Punkt dabei: Sie wissen ja, es gibt ein Einstimmig­keitsprinzip. Wenn sich das Einstimmigkeitsprinzip innerhalb der Europäischen Union zu einer qualifizierten Mehrheit wandeln soll, dann muss es natürlich einen Prozess im Rahmen des österreichischen Parlaments geben, wo das einer eingehenden Beratung unter­zogen wird und wo vor einer solchen Beschlussfassung auf europäischer Ebene hier eine Information sein muss, wobei erst dann das österreichische Regierungs­mitglied mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet im Rat eine allfällige Zustimmung geben kann. Also auch da haben wir einen Aspekt eingebaut, der es möglich macht, dass das nationale Parlament sehr, sehr starke Rechte hat und somit eine sehr, sehr starke Position einnehmen kann.

Daher muss ich resümierend sagen, dass wir – und da möchte ich mich bei den Parteien bedanken, die hier im Haus mit verhandelt haben; ich meine, dass wir davon ausgehen können, dass das mit einer sehr guten Mehrheit hier auch beschlossen wird; dies ist eine Materie, die ein qualifiziertes Quorum braucht – sehr gute Verhandlungen geführt haben, womit die Chance gegeben ist, die Position der nationalen Parlamente zu verbessern.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 17

Ansonsten hoffe ich – und das sei noch hinzugefügt –, dass sowohl der Prozess der Demokratisierung innerhalb der Europäischen Union weitergeht als auch der Prozess, dass man zu Regeln kommt, damit durch eine wirklich effiziente Finanzmarktkontrolle gewährleistet ist, dass sich eine derartige Finanzkrise nicht wiederholt. Das sieht zwar momentan nicht so aus, aber wir müssen uns bemühen, dass das am Ende die Beschlusslage auf europäischer Ebene wird. Es ist zwar global nicht möglich gewesen, aber dann soll es auf EU-Ebene sein. Genauso die Einführung der Transaktionssteuer und viele andere Punkte, die so wichtig sind, dass sie zumindest im Großraum der Europäischen Union beschlossen werden.

In diesem Gesamtkonzept gibt es, wie ich meine, die Möglichkeit, diesen Einfluss auf der Ebene des Rates, des Europaparlaments, der Kommission und der neuen plebis­zitären Elemente auszuüben. Wenn es etwa eine europäische Bürgerinitiative für eine Transaktionssteuer gäbe, dann könnte beispielsweise auch das Bewusstsein geschaf­fen werden, ebenso die notwendige Unterstützung und der entsprechende Druck, um das im Endeffekt auch durchzusetzen.

Dann, so denke ich, kann man auch die Distanz, die es in der Bevölkerung gegenüber der Europäischen Union gibt, etwas verringern und die Identifikation erhöhen. Aber dazu müssen alle Akteure einen Beitrag leisten und auch zur Kenntnis nehmen, dass, wenn es Kritik gegeben hat, diese in vielen Fällen durchaus berechtigt war. Wir versuchen, mit diesen neuen Beschlüssen, Grundlagen und Strukturen die rechtliche Basis dafür zu schaffen, dass wir uns als nationales Parlament stärker einbringen können. Das wird auch Auswirkungen auf die Politik haben. Und daher hoffe ich, dass das heute die von uns erhoffte große Mehrheit bekommen wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun kommt Herr Abgeordneter Dr. Hübner zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 4 Minuten. – Bitte.

 


13.14.21

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Da Herr Kollege Cap gleich gefragt hat, warum wir eigentlich gegen die Stärkung der nationalen Parlamente sind, obwohl wir das immer befürworten, will ich ihm die Antwort nicht vorenthalten.

Wir sind natürlich nicht gegen eine Stärkung der nationalen Parlamente, aber wir sind gegen eine – auf gut Wienerisch ausgedrückt – Augenauswischerei. Das heißt, wir sind gegen Kompetenzen, die keine Kompetenzen sind, sondern dazu führen, dass die Parlamente beschäftigt werden und das Gefühl bekommen, eine Wichtigkeit zu haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Kern dieser Scheinkompetenz, wie es Kollege Stefan schon so trefflich formuliert hat, ist die sogenannte Subsidiaritätsprüfung. Das ist der Inbegriff einer Augen­auswischerei, aber einer teuren Augenauswischerei. Subsidiaritätsprüfungen werden in allen 27 Mitgliedsländern durchgeführt. In den Parlamenten werden überall eigene Apparate und Organe geschaffen, überall entsteht ein erheblicher Aufwand, weil ja eine riesige Zahl von Gesetzen zur Subsidiaritätsprüfung kommt. Und was bedeutet Subsidiaritätsprüfung? – Dies bedeutet, dass die Parlamente einen Leserbrief nach Brüssel schreiben können.

Selbst wenn alle 27 Parlamente, was ja fast ausgeschlossen ist, einen negativen Leserbrief schreiben und meinen, in diesem Fall sei die Subsidiarität verletzt, wissen Sie, was dann passiert? – Dann muss der Akt, also das Gesetzesvorhaben, noch einmal an die Kommission zurückgestellt werden, und die entscheidet dann, ob sie auf


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 18

dem Gesetzesvorhaben beharrt oder nicht. Wenn sie darauf beharrt, dann geht es seinen Weg.

Eine solche „Kompetenz“ wollen wir in den nationalen Parlamenten nicht, denn ehrlich gesagt, liebe Kollegen, zum Leserbriefeschreiben sind wir für die Öffentlichkeit zu teuer. Und ich glaube, damit hat sich das wesentliche Argument zur Subsidiaritäts­prüfung unsererseits erledigt.

An sonstigen Kompetenzen oder an sonstigen Veranlassungen für die Verfassungs­änderung gibt es wenig, denn das, was jetzt noch hineinkommt, das Prozedere für die Mandatserteilung an Regierungsvertreter für den Rat, gibt es ja alles schon. Das wird nur ein bisschen modifiziert. Aber da gibt es ja keinen Rechteausbau.

Zusammengefasst: Wir haben hier eine Verfassungsänderung für nichts, wir dürfen leere Luft dreschen, dürfen den Wählern, den Leuten, die uns finanzieren, das Gefühl vermitteln, wir tun etwas, tun aber in Wirklichkeit nichts.

Deshalb unsererseits zu diesem Vorschlag ein klares Nein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Zweiter Präsident Neugebauer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


13.17.08

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hübner, ich gebe dir in einem recht: Ich wäre mir für das Schreiben von Leserbriefen auch zu schade, mir wäre die Zeit zu kostbar. Da sind andere wesentlich berufener, wie die Zeitgeschichte gezeigt hat. (Heiterkeit.) Aber ich glaube, dass wir in einem übereinstimmen können: dass demokratische Willensbildung aufwendig ist, natürlich auch auf europäischer Ebene. Was wir hier, um einander zu verständigen, ob unter­schiedliche Meinungen bestehen, an Papier produzieren, ist ja auch nicht wenig. Und dass sich das natürlich auf der europäischen Ebene potenziert, ist selbstverständlich.

Ich verstehe die Grundhaltung, wenn eine Fraktion gegen Europa ist, viele Vorbehalte hat, dass sie nicht zustimmen kann, dass sie sagt, mit dem fange ich auch nichts an, aber ich schätze zum Beispiel deine Teilhabe an den Besuchen, die wir den Parla­menten der Nachbarländer abgestattet haben, die wir im Rahmen der COSAC-Sitzungen machen, und dein Einbringen außerordentlich positiv – kritisch, keine Frage, aber durchaus positiv. Und ich glaube, dass aus dieser Grundhaltung heraus das, was wir heute beschließen, ein ganz wichtiger weiterer Schritt für eine neuartige Rolle der nationalen Parlamente ist.

Die Gründerväter – damals waren es ausschließlich Väter – haben ja bei der Gründung schon vor Jahrzehnten ausgeführt, dass Europa nicht an einem Tag entstehen wird können. Es ist also kein fertiges Produkt – und es gilt, daran weiter­zuarbeiten. Ich denke, das, was hier an subsidiärer Möglichkeit gegeben ist, mag ohne Zweifel ein wenig umständlich sein. Aber wenn die Subsidiaritätsrüge – jetzt verein­fache ich – entstehende Gesetze, Willensbildungen der Kommission verhindern kann, wenn durch die Subsidiaritätsklage bereits Beschlossenes, wenn auch etwas um­ständlich, zugegebenermaßen, zu Fall gebracht werden kann, dann, so meine ich, haben Nationalrat und Bundesrat eine ganz neue, wichtige Aufgabe, die ich nicht mit einer billigen Beschäftigungspolitik gleichsetzen möchte. Das ist, glaube ich, nicht die Verantwortung, die wir Österreicherinnen und Österreicher gegenüber Europa haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)


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Es geht um besonders starke Mitwirkungsrechte für das Parlament, etwa die Anwen­dung der Brückenklausel, dort, wo Einstimmigkeit nicht weiter gefordert ist, immerhin eine qualifizierte Mehrheit vorzusehen, mit zwei Dritteln. Das ist auch eine wesentliche Stärkung der Mitwirkung der nationalen Parlamente. Wir haben hier – da haben vier Fraktionen sehr intensiv miteinander verhandelt – sehr positiv verhandelt, wofür ich mich bedanken möchte.

Der heutige Schritt ist ein wichtiger Schritt, aber wir haben uns ja auch darauf verständigt, das Informationsgesetz, dass wir sozusagen in der Pipeline haben, bis Jahresende entsprechend auszuformulieren, wo die Informationspflicht der Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Parlament in EU-Fragen wesentlich stärker determiniert wird – eine Intensivierung dieser Berichtspflicht und auch in schriftlicher Form. Dazu wird es natürlich den Aufbau einer EU-Datenbank geben müssen, keine Frage, bei der Fülle des Materials, sehr benutzerfreundlich. Und die bisher schon sehr qualifizierten Vorbringen und Einbegleitungen der Ministerien werden zusätzlich entsprechend an Substanz gewinnen können.

Wir werden weiters – diesbezüglich sind wir auch einer Meinung – in der Geschäfts­ordnung einiges ändern und festschreiben. Es werden sich nicht nur der EU-Unterausschuss, der Hauptausschuss oder auch das Plenum mit diesen Fragen be­schäftigen, sondern die Themen Europas werden explizit auch in den Fachaus­schüssen zu diskutieren sein. Da gibt es etwa mit der Aktuellen Aussprache ganz konkrete Vorstellungen, wie wir diese europäischen Initiativen hier im Hause disku­tieren werden.

Sitzungsdichte ist ohne Zweifel angesagt. Wir haben uns im EU-Unterausschuss schon darauf verständigt und bis Jahresende einen permanenten Sitzungskalender einge­richtet, um der Fülle der Herausforderungen begegnen zu können.

Kollege Hübner, bei bilateralen Besuchen – ich erinnere mich an Budapest, Prag, Pressburg, Laibach – wurde der Wunsch der Parlamente dieser Länder nach Kooperation an uns herangetragen, weil wir schon einigermaßen Vorerfahrung haben. Wir haben viele Dinge, die wir jetzt in Gesetzesform gießen, aber auch künftig in der Geschäftsordnung unterbringen wollen, zwar nicht im rechtsfreien Raum, aber im guten Einverständnis im Wesentlichen schon gehandhabt und Erfahrungen damit gemacht.

Erst kürzlich hat wieder der ungarische Botschafter gefragt: Wie macht ihr das in Österreich, ihr habt offensichtlich schon wesentlich mehr Erfahrung?! – Also auch die Nachbarn sind interessiert an Kooperationen, die auch Klubobmann Cap heute schon ausgeführt hat.

Die Frau Präsidentin hat heute in ihrer Rede anlässlich der Angelobung des Herrn Bundespräsidenten darauf hingewiesen, dass das, was wir heute unter diesen Tagesordnungspunkten beschließen werden, die EU demokratischer macht. Das stimmt, aber nicht nur das, denn die subsidiäre Teilhabe der nationalen Parlamente bringt zusätzlich die Chance, Europa und seine Themen für die Menschen erlebbarer zu machen.

Wir, die wir uns dazu bekennen, wollen das auch wahrnehmen – und das ist heute ein wichtiger Schritt dazu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 20

13.23.44

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Ich danke Herrn Neugebauer für seine sachliche Information darüber, was wir heute hier be­schließen. Dadurch kann ich meine Ausführungen in den sozusagen technisch-juristischen Fragen sehr kurz halten.

Zu Beginn meiner Rede möchte ich betonen, dass ich das für eine ziemlich elegante Umsetzung des Lissabon-Vertrages in die nationalen Gesetze, in die Verfassungs­gesetzgebung halte. Unser besonderer Dank dafür gebührt den betroffenen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern, ReferentInnen der Klubs beziehungsweise der Parlamentsdirektion. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Ich sage das auch deswegen, weil mich die Materie sehr interessiert hat, ich aber auch sehr dankbar dafür war, dass ich das Verhandeln der juristischen Feinheiten an andere delegieren konnte. Auf unserer Seite – ich möchte, dass das einmal im Protokoll steht – waren das in erster Linie Frau Dr. Marlies Meyer und Herr Dr. Peter Steyrer, aber pars pro toto, das Gleiche gilt für alle anderen, die daran mitgearbeitet haben.

Ich habe seinerzeit, als ich in Berlin war, zum ersten Mal ein gewisses Gefühl dafür entwickelt, dass Mathematiker, wenn sie einen Beweis führen, es nicht nur für wichtig halten, dass er richtig ist, sondern dass er auch gewisse ästhetische, elegante Facetten aufweist. Und insofern glaube ich behaupten zu können, durch die inzwischen langjährige Erfahrung hier im Parlament, dass das auch auf diesen Text zutrifft, dass er nicht irgendwie zusammengeschustert ist, sondern wohl überlegt und sehr durchdacht.

Es fehlt mir jetzt die Zeit, auf die Vorgeschichte des Ganzen einzugehen, aber eines sollte man noch ergänzend betonen zu dem, was Herr Neugebauer gesagt hat, oder noch einmal betonen: Es geht da um Rechte des Parlaments! Ich finde, es ist geradezu ein emanzipatorischer Akt des Parlaments, des Nationalrates und des Bundesrates, den wir vor uns haben, der sich auch in einer Kleinigkeit äußert, wenn Sie so wollen, die ich aber symbolisch für sehr wichtig halte: Zum ersten Mal – meines Wissens zum ersten Mal – wird es dem Parlament, dem Nationalrat ermöglicht, eine Mitteilung direkt an europäische Organe zu richten. Direkt! Ich habe es oft peinlich vermisst, dass wir hier im Parlament – nennen wir es so – keine Resolutionen fassen können, denn der Antrag lautet immer: der Bundeskanzler wird aufgefordert, die Bundesregierung wird aufgefordert. Diese Sachen werden sozusagen immer über die Bundesregierung vermittelt. – Da nicht! Da kann der Nationalrat direkt dem Europäischen Parlament, der Kommission oder dem Rat seine Meinung, seine Auffassung über eine bestimmte Problemlage mitteilen.

Zweitens, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, ein bisschen wundert es mich schon – nein, es wundert mich nicht, aber ich darf Sie daran erinnern: Es gibt eine heikle Bestimmung in diesem Lissabon-Vertrag, auf die Sie unermüdlich hingewiesen haben, die Brückenklausel beziehungsweise die Passerelle-Bestimmungen, die Mög­lichkeit, durch Beschlüsse des Europäischen Rates den Vertrag weiterzuentwickeln. Und dem muss ein Pendant auf nationaler Ebene gegenüberstehen: Vetorechte des Parlaments, Genehmigungsvorbehalte des Parlaments. Genau das wird da geregelt, und das lehnen Sie durch Ihre pauschale Ablehnung ab. (Abg. Strache: Wo gibt es ein Vetorecht?)

Es kann ja sein, dass diese Bestimmungen in der Praxis keine große Bedeutung haben werden ... (Abg. Strache: Es gibt kein Vetorecht!) – Natürlich gibt es ein Vetorecht. (Abg. Strache: Wo?) Wenn Sie das nicht wissen, dann haben Sie das, was wir heute hier beschließen, nicht gelesen. (Abg. Strache: Wo?) Das wundert mich ja nicht. (Abg. Strache: Zitieren Sie daraus! Wo?) – Artikel 23i Absatz 2 enthält zum Beispiel ein


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Vetorecht, das weiß ich ja auswendig. (Abg. Strache: Das ist gar nicht wahr! Das stimmt ja nicht! Da haben Sie den Vertrag nicht gelesen! Das ist unsinnig!)

Aber Sie haben sich gestern nicht ausgekannt, Sie werden sich auch heute nicht auskennen, und Sie werden aus den falschen Motiven dagegen stimmen. Ich gebe das ja auf! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn wir, wie wir zumindest unter den Klubs ins Auge gefasst haben, das Infor­mationsgesetz im Laufe des Herbstes beschließen und später oder gleichzeitig über die Geschäftsordnung des Nationalrates verhandeln, dann wird diese Phase der Umsetzung des Lissabon-Vertrages vorläufig – ich sage: vorläufig – abgeschlossen sein. Warum vorläufig? – Es ist doch offenkundig, dass die Notwendigkeit der Zusam­menarbeit zwischen Brüssel und Wien enorm zugenommen hat, dass die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen einerseits und den nationalen Institutionen, Regierung und Parlament, andererseits in atembe­raubendem Tempo zugenommen hat.

Im Kontrast dazu stellen wir europaweit eine gewisse – wie soll ich sagen? – Reform­müdigkeit, Vertragsänderungsmüdigkeit fest, nach den endlosen Querelen über den Konventsentwurf bis zum Lissabon-Vertrag und so weiter. Es gibt also eine gewisse Unlust, über weitere Vertragsänderungen auch nur nachzudenken.

Aber, meine Damen und Herren, seit dem Herbst 2008 und aufgrund dessen, was seither passiert ist, ist diese Auffassung völlig obsolet. Das muss man einfach realis­tisch sehen und darf nicht die Augen davor verschließen: die Bankenkrise damals, die Finanzmarktkrise, die drohende Weltwirtschaftskrise, die Maßnahmen auf nationaler Seite gegen die drohende oder tatsächlich eingetretene Rezession, zuletzt Griechen­land und die „Souveränitätskrise“ – zwischen Anführungszeichen – in ihrer doppelten Bedeutung, nämlich das Misstrauen gegenüber staatlichen Schuldnern als Souveräni­täts­krise, aber gleichzeitig wird im Zusammenhang mit der europäischen Währungs­union eine Lebenslüge, wenn Sie so wollen, ein fauler Kompromiss jedenfalls, aufge­deckt, nämlich die Illusion, dass man eine gemeinsame Währung haben kann, aber alle Souveränitätsrechte beibehält. Das wird hier ad absurdum geführt.

Nach knapp eineinhalb Jahren Krise steht fest: So werden wir nicht weitermachen können, meine Damen und Herren! Wir müssen Abschied nehmen von diesen Tabus, von dieser – ich nenne es ganz bewusst so – Lebenslüge: dass man volle Souveräni­tätsrechte aufrechterhalten und eine gemeinsame Währung haben kann.

Die Europäische Zentralbank hat sich in diesen Krisen sehr bewährt. Ich habe schon das eine oder andere Detail zu kritisieren, aber im Großen und Ganzen hat sie sich bewährt. Aber das allein genügt nicht, das wurde uns drastisch vor Augen geführt von den, wenn Sie so wollen, mitleidlosen Finanzmärkten und deren Reaktion auf die Män­gel der europäischen Position.

Wir können uns auf freiwillige Koordination, auf freiwillige Kooperation im Rahmen einer Währungsunion, im Rahmen der Europäischen Union nicht verlassen.

Ganz ungeschminkt gesagt: Wir stehen vor der Alternative: aus Blindheit, Trägheit, Schlamperei ein Auseinanderbrechen der Union und der Währungsunion passiv hinzunehmen – diese Möglichkeit ist keine Phantasie, sondern ist real – oder aber die nächsten Schritte zu den Vereinigten Staaten von Europa zu machen. Ich weiß schon, dass das derzeit eine Minderheitsposition ist. Große Mehrheiten sind nicht zufrieden mit den Verhältnissen und machen sich nicht klar, vor welcher Alternative wir hier stehen. Aber man muss einmal mit der Werbung für diese Vision beginnen, und das tue ich hiemit: Entweder wir lassen aus Schlamperei ein Auseinanderbrechen dieses großartigen Gefüges zu oder wir machen die nächsten Schritte zu den


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Vereinigten Staaten von Europa! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sehe das gar nicht so sehr ideologisch, sondern ökonomisch, meine Damen und Herren. Und mein Appell richtet sich insbesondere auch an die Kollegen vom BZÖ: Angesichts der Tatsache, wie die wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb der Union zugenommen haben, ist es höchst an der Zeit, an der weiteren politischen Ver­flechtung der Union zu arbeiten. Aus den letzten eineinhalb Jahren gibt es eine Fülle von Beispielen, die zeigen, wie schnell und wie stark – das war auch mir nicht klar – sich die wirtschaftliche Verflochtenheit entwickelt hat und dass wir auf der europäischen politischen Ebene keine entsprechenden Instrumentarien haben.

Überlegen Sie sich einmal das Absurde: Ein Mitarbeiter des Kabinetts eines Klein­staates, in diesem Fall Ungarns, macht eine unbedachte Äußerung, nämlich dass Ungarn so zu sehen ist wie Griechenland, und binnen Minuten, ich übertreibe nur wenig, schießt der Spread, also die Zinsdifferenz, für österreichische Anleihen in die Höhe! – Es fehlt mir jetzt die Zeit, das auszubreiten. Das war eine Kettenreaktion durchaus nicht unüberlegter Reaktionen seitens der Finanzmärkte. So weit ist es gekommen, dass wir hier in Österreich durch eine, wie ich meine, völlig irrelevante Bemerkung nicht einmal eines Ministers eines Nachbarstaates derart betroffen sind.

Dieser Spuk hat nur wenige Tage gedauert – dieser Spuk! –, aber andere Dinge halten an. Und wenn wir uns nicht darüber unterhalten – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt beginnend –, wie diese zukünftige politische Verflechtung der Union aussehen soll, dann, so glaube ich, riskieren wir aus Schlamperei, dass das auseinanderbricht, was wir über 50 Jahre aufgebaut haben. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

13.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu Wort. – Bitte.

 


13.33.53

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der heutige Gesetzesantrag geht auf eine Initiative des Bundesrates zurück, wozu ich dem Bundesrat gratuliere. Denn da hat er wirklich im letzten Moment die Chance erkannt, an einer Kompetenzerweiterung mitzuwirken und dem Bundesrat damit zusätzliche Aufgaben zu verschaffen und damit die Existenz dieses Organs der Bundesgesetzgebung zumindest in einem Bereich auszuweiten.

Das, was wir heute debattieren und beschließen werden, ist – und das ist, glaube ich, bisher noch nicht so richtig durchgesickert – die größte B-VG-Novelle, und zwar nach dem Gehalt und der Bedeutung, der Zweiten Republik. Das geht heute nach der Feierstunde aufgrund der Angelobung des Herrn Bundespräsidenten ein bisschen unter, aber es ist dies die größte B-VG-Novelle der Zweiten Republik!

Zum Aspekt der Beteiligung an der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik der Europäischen Union wird mein Kollege Scheibner Stellung nehmen, ich möchte mich auf die drei anderen Schwerpunkte dieser Novelle konzentrieren.

Zunächst aber halte ich fest, Frau Präsidentin, dass sich die beiden bisherigen Redner der Pleiten-, Pech- und Pannenfraktion FPÖ als Kontraredner gemeldet hatten. Das heißt aber noch nicht, dass sie deswegen auch kontra abstimmen werden. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist ein gewisser Missbrauch in der Redereihung, den man weiter beobachten muss.


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Mag. Harald Stefan (F), Dr. Johannes Hübner (F), beide Male F wie falsche Ab­stimmung, F wie falsches Applaudieren – das haben wir heute gesehen, die erste Reihe der F-Fraktion applaudiert, wenn der Herr Bundespräsident Zensuren austeilt, was die Kärntner Topographiefrage anlangt – und dann noch F wie falsches Argumen­tieren, das haben wir ja jetzt erlebt.

Man kann manches am Lissabon-Vertrag kritisieren – ich gehöre auch zu den Kritikern des Lissabon-Vertrages –, aber genau die Punkte, die wir heute beschließen, sind im Vergleich zum Status quo jedenfalls eine Verbesserung. Es ist einfach absurd. Egal, wie man zum Lissabon-Vertrag steht, im Verhältnis zum Status quo, was die Mitwirkungsrechte und die Rechte dieses Parlamentes anlangt, ist diese Begleit­novelle, unabhängig vom Lissabon-Vertrag einmal betrachtet, jedenfalls eine Verbes­serung, meine Damen und Herren. Daher sind die Argumente falsch, die heute geliefert wurden. (Beifall bei BZÖ und ÖVP.)

Erster Schwerpunkt dieser Novelle ist – das hat Kollege Van der Bellen schon anklingen lassen –, dass das Parlament zum ersten Mal – und das ist eine neue Entwicklung im Verhältnis der Staatsgewalten zueinander, deswegen sage ich, eine der bedeutendsten Novellen dieser Zweiten Republik – Organ der Außenpolitik wird; selbständiges Organ der Außenpolitik, denn noch gehört die EU-Politik zur Außen­politik. Deswegen sitzt ja auch der Herr Außenminister heute hier.

Selbständiges Organ der Außenpolitik waren wir bisher nicht oder nur eingegrenzt, nämlich in Wirklichkeit auf eine außenpolitisch intendierte, heute vom Herrn Bundes­präsidenten thematisierte, aber im Grunde innenpolitische Frage, nämlich dann, wenn der Hauptausschuss des Nationalrates etwa an der Frage der Umsetzung der Staatsverträge von Saint Germain und Wien mitwirken soll.

Nun sage ich hier an dieser Stelle, weil es meiner Ansicht nach auch wirklich notwendig ist, das heute zu korrigieren: Wenn der Herr Bundespräsident in seiner Angelobungsrede der Kärntner Landespolitik etwas ausrichtet, ist das sein gutes Recht, aber er liegt falsch. Denn – meine Damen und Herren, ich habe es extra mitgebracht für jene, die es nicht glauben – die Topographieverordnung-Kärnten, BGBl. II Nr. 245/2006, regelt Folgendes ganz klar – da ist von keiner Kärntner Landesregierung und von keinem Kärntner Landeshauptmann und schon gar nicht vom Applaus des Herrn Strache die Rede –:

„Auf Grund des § 2 Abs. 1 Z 2 und des § 12 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes“ – dann kommt die Nummer des Bundesgesetzblattes; damit eindeutig keine Kärntner Landes­vorschrift – „in der Fassung der Kundmachung“ – Bundesgesetzblatt Nummer sowie­so – „wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates verordnet:“ – und dann kommen all die zweisprachigen Ortsbezeichnungen, bezogen auf Bezirke. Wenn Sie möchten, kann ich alle vorlesen, Deutsch und Slowenisch; es ist mir nur die Redezeit zu schade dafür.

Wo ist da die Zuständigkeit der Kärntner Landespolitik? Wenn man sich nicht traut, gegen die Kärntner Landespolitik eine Topographieverordnung zu regeln, dann sollte man sich nicht in Oberlehrermentalität hinstellen und der Kärntner Landespolitik von der Rostra aus etwas ausrichten, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Das ist nicht das, was wir uns von einem Bundespräsidenten erwartet haben. Wenn er schon wenige Minuten vorher einen Eid auf die Verfassung und auf die Gesetze dieses Landes ablegt, dann soll er nicht nachher so tun, als kenne er diese Gesetze nicht. Denn – noch einmal! – von der Kärntner Landespolitik und von der Kärntner Landesregierung ist in diesen Regelungen mit keiner Silbe die Rede. Der Herr Bundespräsident hat aber so getan, als wäre das nur Sache der Kärntner – und Herr Strache und Herr Kickl haben dazu applaudiert!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 24

Meine Damen und Herren, es ist ausschließlich Sache der Bundespolitik, nämlich der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates, was sich in Kärnten auf den Ortstafeln befindet. Wenn man den Mumm dazu ... (Abg. Kopf: Das Einvernehmen wäre schon gescheit!) – Bitte, noch einmal, das ist alles der Politik vorbehalten, aber nicht dem Herrn Bundespräsidenten, der dort oben den Verfas­sungs­dozenten gespielt hat. Das ist schlicht und einfach falsch, meine Damen und Herren! Das möchte ich an dieser Stelle sagen. (Beifall beim BZÖ.)

Das heißt, die erste große Änderung dieser Novelle ist, dass wir mit der Subsi­diaritätsklage und mit der Subsidiaritätsrüge eigene Organzuständigkeit im Rahmen der Außenpolitik bekommen. Und das ist etwas, das den Herrn Außenminister sicher freuen wird, denn jetzt hat er ein zweites Organ, das in der Außenpolitik mitwirkt. – Man sieht Ihnen, Herr Minister, die Freude buchstäblich an.

Zweiter Punkt: Das ist die bereits genannte Passerelle- oder Brückenklausel. Meine Damen und Herren, diese ist von noch größerem Interesse, denn sie beschreitet überhaupt verfassungsrechtliches und diplomatisches Neuland. Da wird nämlich etwas gemacht, wovon ich gespannt bin, wie sich das auswirken wird.

Erstens bedeutet das, dass das Parlament jetzt in eine Art dynamischen Ratifizie­rungsprozess eingebunden ist. Das heißt, es wird eine neue Form einer dynamischen Ratifizierung geben, nicht im Nachhinein, sondern – und das ist die zweite Qualitäts­steigerung – im Vorhinein bereits.

Das heißt, wenn jetzt eine Änderung des Vertragsrechtes stattfindet, dann haben wir zunächst schon antizipativ in dynamischer Form mitzuwirken, wir haben an der Frage der Festlegung des Prozedere durch diese Passerelle-Klausel mitzuwirken und wir haben die Möglichkeit, wenn es ein Ratifizierungsverfahren erforderlich macht, auch danach noch einmal im üblichen, seit Jahrhunderten bekannten Ratifizierungsprozess als Parlament mitzuwirken.

Meine Damen und Herren! Wenn das keine Erweiterung ist, wenn man darin nicht erkennt, dass das eine Stärkung des Parlamentes ist, dann weiß ich nicht, in welchem Bereich, in welchen Ausschüssen ich teilgenommen habe.

Meine Damen und Herren, noch einmal: Bei aller Skepsis zum Lissabon-Vertrag, aber das, was hier stattfindet, ist jedenfalls im Interesse des Parlamentes. (Beifall beim BZÖ.) Meine Damen und Herren von der FPÖ-Fraktion, es gibt eben nichts, das nur gut ist oder nur schlecht ist. (Abg. Mag. Stefan: Außer die katholische Kirche!) – Selbst dort gibt es Fehler! Ja, ja, aber da bist du der Allerletzte, der berufen ist, dazu Stellung zu nehmen, denn da kennst du dich überhaupt nicht aus! (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ sowie Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Also, nächste Pleite, Pech und Panne! Man kann sich auch mit einem Zwischenruf sagenhaft blamieren, Herr Kollege Stefan – nicht nur mit einem Abstimmungsvorgang, wie du ihn gestern als Ordner zu verantworten hattest.

Meine Damen und Herren, noch ein letzter Punkt: Das ist mir ein Anliegen, weil ich es gestern Abend nicht mehr geschafft habe, den Debattenbeitrag des Kollegen Zinggl zu bekommen. Die Frau Präsidentin wird mir nachsehen, wenn ich das jetzt im Zuge der Verfassungsdebatte auch noch kurz anschneide.

Kollege Zinggl hat gestern bezogen auf Kollegin Cortolezis-Schlager Folgendes aus­geführt:

„Wenn Kollegin Cortolezis-Schlager im Ausschuss sagt, dass die Bevölkerung seitens der Bürgerinitiativen“ – da geht es um den Augarten – „falsch informiert wird, weil die Volksanwaltschaft keine Verfahrensmängel festgestellt hat, dann kann ich nur


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korrigieren. Sie informiert die Bevölkerung und auch das Parlament falsch, denn“ – und jetzt kommt die zentrale Passage – „ich habe heute noch mit Volksanwältin Stoisits telefoniert. Es wurden sehr wohl sehr viele Verfahrensmängel festgestellt.“ – Ende des Zitats, wortwörtlich.

Dann geht er hinaus und korrigiert etwas, was ich nie behauptet habe – das habe ich ihm genau vorgeworfen –: Zinggl bezieht sich auf einmal auf eine ORF-Sendung.

Meine Damen und Herren, in Wahrheit – und ich benutze die Verfassungsdebatte auch dazu, das aufzuzeigen – ist es unmöglich, wenn der Bürger sich nicht darauf ver­lassen kann, dass ein Organ dieser Verfassung, das zur Betreuung seiner Miss­standsvorbringen berufen ist, sich nicht mit der früheren Fraktion dieses Volksanwaltes oder dieser Volksanwältin kurzschließt.

Meine Damen und Herren, ich wiederhole noch einmal: Ich habe aus keiner Fraktion so viele Vorwürfe bekommen, dass ich angeblich meine Tätigkeit parteiisch ausgeübt hätte, was nicht der Fall ist. Die Zahlen sprechen dagegen und halten jedem Vergleich stand.

Aber wenn man sich schon zum Arbiter elegantiarum macht, dann sollte man solche Dinge nicht machen. So etwas gibt es von mir nicht. Ich habe mit keiner Fraktion – am allerwenigsten mit meiner eigenen Fraktion! – jemals Beschwerdevorbringen der Bürger erörtert. (Beifall beim BZÖ.)

Ich betone noch einmal: Die Verfassung schreibt in Art. 148c Abs. 2 vor, dass der Volksanwalt/die Volksanwältin in dem Ausmaß die Amtsverschwiegenheit zu wahren haben, wie das Organ sie zu wahren hat, das geprüft wird. (Zwischenruf des Abg. Dr. Zinggl.) – Bitte? Das ist dann der Fall – die Frau Ministerin hat das gestern gesagt –, wenn die Denkmalschutzbehörde der Amtsverschwiegenheit unterliegt, die Frau Volksanwältin auch der Amtsverschwiegenheit unterliegt, aber der Herr Zinggl kann mit ihr telefonieren, und die Amtsverschwiegenheit spielt schon keine Rolle mehr, meine Damen und Herren! So spielt sich das nicht ab! (Beifall beim BZÖ.)

Wir werden das daher noch einmal im Volksanwaltschaftsausschuss erörtern, denn das werden wir sicher nicht einreißen lassen, dass sich Volksanwälte in unserem Land zu Organen von Parteien machen. (Beifall beim BZÖ.)

13.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Staatssekretär Dr. Oster­mayer. – Bitte.

 


13.44.30

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Da das Gesetz, über das jetzt debattiert und das dann hoffentlich beschlossen wird, vom Parlament ausgegangen ist, nämlich vom Bundesrat und von mehreren Klubs des Nationalrates, bleibt mir hier eigentlich nur zu danken und zu gratulieren.

Jeder, der das Gesetz liest, und jede, die das Gesetz liest, muss erkennen, dass es sich um eine Ausweitung der Rechte des Parlaments handelt. Die Details wurden ja schon von mehreren Vorrednern erwähnt: Subsidiaritätsrüge, Subsidiaritätsklage, Passerelle-Klausel, aber auch die Ausweitung der Mitwirkungsbefugnisse von Nationalrat und Bundesrat, wenn Eigenmittelbeschlüsse in der EU geändert werden, also insbesondere die Einführung der Zweidrittelmehrheit, wenn quasi neue Steuern geschaffen werden würden. Es ist auch erwähnt worden, dass ein EU-Informa­tionsgesetz bis zum Jahresende erstellt werden soll.


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Insgesamt führt es dazu, dass einerseits die Regierung mehr Berichtspflichten, sozusagen Informationsregeln bekommt, andererseits das Parlament auch direkte Regeln in Relation zur Europäischen Union bekommt.

Zwei Punkte möchte ich noch erwähnen. Das eine ist die Beschlussfassung über die Ausweitung der Sitze im Europäischen Parlament. Es gab eine Regierungskonferenz am 23. Juni 2010, in der das beschlossen wurde. Das muss jetzt noch in allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Der Wunsch ist, dass das bis Jahresende erfolgt. Das bedeutet auch für Österreich zwei zusätzliche Sitze im Europäischen Parlament.

Ein weiterer Punkt, der wesentlich für mehr Demokratie in Europa ist – Klubobmann Cap hat es schon erwähnt –, ist die Schaffung der Umsetzungsbestimmungen für die Europäische Bürgerinitiative.

Da gibt es einen Vorschlag, der in den nächsten Tagen im Europäischen Parlament diskutiert werden wird und der hoffentlich auch rasch in Kraft tritt, weil es ja schon – wie bekannt ist – erste Ideen für eine Europäische Bürgerinitiative mit dem Ziel gibt, dass die Bürger und Bürgerinnen Europas mehr in den Prozess der Europäischen Union eingebunden werden und daher auch mehr Verständnis und hoffentlich mehr Akzeptanz für die Europäischen Union dadurch hervorgerufen werden kann.

Zum Kollegen Stadler möchte ich aber doch auch etwas sagen. Es ist nicht meine Aufgabe, den Herrn Bundespräsidenten zu interpretieren, aber aufgrund vieler Gespräche weiß ich natürlich, dass der Bundespräsident ein großer und genauer Kenner erstens der österreichischen Bundesverfassung und zweitens auch der Regeln hier im Nationalrat ist. (Abg. Scheibner: Wer ist zuständig für die Ortstafeln, Herr Staatssekretär?) – Ich bin mitten drin, das auszuführen. Haben Sie kurz Geduld! Ich werde darauf eingehen. Danke.

Der Bundespräsident weiß natürlich, dass für die Topographieverordnung die öster­reichische Bundesregierung zuständig ist. (Beifall des Abg. Huber.) Das hat er niemals in Abrede gestellt. (Abg. Mag. Stadler: Aber auch nicht gesagt!) Es geht sogar darüber hinaus: Würde man eine Verfassungsbestimmung machen, würde man das verfassungsrechtlich regeln wollen, wäre – das weiß er natürlich – das Parlament zuständig und eine Zweidrittelmehrheit notwendig. (Abg. Ing. Westenthaler: Die die SPÖ verhindert hat!)

Aber unbestritten ist doch auch, dass es von seiner Haltung her das Bestreben gibt, dieses Thema – ich sage dazu – endlich in möglichst breitem Konsens zu regeln, unter Einbindung der Volksgruppen, der Bevölkerung, der Bürgermeister, aber natürlich auch der verschiedenen Parteien und in der Landesregierung und im Landtag vertretenen Parteien in Kärnten. Das ist ein legitimes Ziel, unabhängig davon, dass die Bundesregierung dafür zuständig ist, die entsprechende Verordnung zu erlassen.

Dass es insgesamt aber auch eine Kompetenz der Landesregierung und der Behörden in Kärnten für die Umsetzung einer Topographieverordnung (Abg. Mag. Stadler: Die gibt es nicht! – Abg. Scheibner: Wenn es keine Verordnung gibt, braucht er auch nichts umsetzen!) und für die Umsetzung dessen gibt, was der Verfassungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen – in der einen sehr richtungsweisenden, sehr gründ­lichen, sehr ausführlichen Entscheidung aus dem Jahr 2001, aber auch in allen Ent­scheidungen, die danach getroffen wurden – festgestellt hat, ist, so glaube ich, un­strittig.

Wer Zweifel daran hat, der möge bitte diese Entscheidungen, die es ja im Internet herunterzuladen gibt, nachlesen. Dann ist klar, dass es auch eine Zuständigkeit – nicht


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eine gesetzgebende, aber eine exekutive Zuständigkeit – des Landes Kärnten gibt. (Abg. Ing. Westenthaler: Eine Appellzuständigkeit!) – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


13.49.53

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zunächst möchte ich an die Spitze meiner Ausführungen stellen: Es handelt sich sicherlich um die größte parlamentsinitiierte Verfassungsänderung – ich habe versucht, das nachzulesen, und würde sogar sagen –, zumindest eine der größten, wenn nicht die größte Verfassungsänderung seit 1920, die vom Parlament selbst eingeleitet wurde.

Das heißt aber, dass wir lediglich auf jene Ressourcen zurückgegriffen haben, die wir selbst in den Klubs haben. Da geht es nicht um Beamten-Apparate wie in den Ministerien, sondern das sind einzelne Mitarbeiter, die hiefür hervorragende Arbeit geleistet haben. Ich darf mich diesem Dank, den bereits Herr Abgeordneter Van der Bellen diesen MitarbeiterInnen ausgesprochen hat, anschließen. Da wurde wirklich hervorragende Arbeit geleistet. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen.)

Hervorzuheben ist also diese – neue – Rolle des Selbstverständnisses des Parla­ments, derart große Gesetzesvorhaben selbst in die Hand zu nehmen und so auch zur Stärkung des Parlaments beizutragen.

Man kann den Vertrag von Lissabon durchaus kritisch sehen, aber man muss schon sagen: Es ist doch bei keinem Vertrag so, dass alles schlecht ist. Wenn wir davon sprechen, dass uns neue Möglichkeiten im Rahmen der Gesetzgebung der Euro­päischen Union eingeräumt werden und wenn dann gerade Sie von der FPÖ, die immer für eine Stärkung der nationalen Parlamente eintreten, das aber ablehnen, dann, muss ich sagen, kann ich das eigentlich nicht mehr verstehen.

Ich verstehe die Position des BZÖ, die sagen: Grundsätzlich sind wir gegen den Vertrag von Lissabon, aber dieser Punkt ist positiv, weil er eben die nationalen Parla­mente stärkt! – Man sollte doch auch das eigene Selbstverständnis als Parlament wahrnehmen. Daher: Wenn wir Rechte zugesprochen bekommen, dann müssen wir sie auch ausüben.

Ich meine, dass die Umsetzung dieser Rechte hier hervorragend gelungen ist, weil eben in § 23f festgelegt wird, dass mit der Wahrnehmung der Rechte aus dem Vertrag von Lissabon Nationalrat und Bundesrat für zuständig erklärt werden.

Das ist ein neues Selbstbewusstsein dieses Hauses. Das ist ein neuer wesentlicher Schritt in Bezug auf die Gewaltenteilung in unserem Land, eine maximale Aufwertung, die es noch nie in dieser Form gegeben hat.

Das kann natürlich ein erster Schritt sein, aber von unserem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein her sollte es das eben schon sein. Anführen möchte ich jetzt ganz wesentliche Schritte: Die Subsidiaritätsrüge kann sowohl vom Nationalrat als auch vom Bundesrat mit einfacher Mehrheit wahrgenommen werden. Und da wir dies­bezüglich viele Gesetzesvorhaben erwarten, die es zu prüfen gilt, kann das an den Hauptausschuss des Nationalrates weitergeleitet werden; ebenso an einen neu zu wählenden Ausschuss des Bundesrates.

Bei der Subsidiaritätsklage einer schon beschlossenen Gesetzesvorlage kann sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat mit einfacher Mehrheit sein Veto dagegen einlegen. Der Bundesrat ist jedoch eingeschränkt auf jene Teile, die die Vollziehung


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oder die Gesetzgebung der Länder beeinträchtigen würden. Auch das ist vom System her richtig und meiner Meinung nach ein guter Schritt in die richtige Richtung, nämlich die nationalen Parlamente verstärkt in das Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union einzubinden.

Aber der wichtigste Schritt ist zweifelsohne die sogenannte Passerelle-Klausel, dass man nämlich, bevor man auf europäischer Ebene vom Einstimmigkeitsprinzip abgeht, dem Minister einen Beschluss des Nationalrates und des Bundesrates – mit einer Zweidrittelmehrheit – mitgibt, sodass er davon abgehen kann oder eben nicht abgehen kann. Wenn es diese Zweidrittelmehrheit nicht gibt, dann kann er eben nicht davon abgehen. Dabei geht es um einen ganz wesentlichen Schritt im Machtverhältnis zwischen Exekutive – sprich: Bundesregierung – und Legislative – sprich: Parlament –, nämlich da eine Wechselwirkung zu erzeugen und über Zweidrittelmehrheits-Beschlüsse eine Bindung des Ministers zu erreichen. Also eine wesentliche neue Qualität und auch ein neues Selbstbewusstsein des Parlaments in Bezug auf die Gewaltenteilung.

Uns ist, wie ich meine, die Umsetzung des Vertrages von Lissabon auf parlamen­tarischer Ebene sehr gut gelungen – und ich bin stolz darauf, dass wir eine der wesentlichsten Änderungen der Bundesverfassung auf Gesetzesinitiative des Parla­ments gemacht haben. Ich meine, dass diese Vorgangsweise zu einem neuen Selbstverständnis dieses Hauses führen wird und bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die wirklich konstruktiv an der Ausarbeitung dieses Gesetzesvorhabens mitgearbeitet haben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

13.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhrmann. – Bitte.

 


13.55.29

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Was der Einzelne und die kleinere Gemeinschaft aus eigenen Kräften vollbringen kann, soll nicht von einer größeren Gemeinschaft abgenommen werden. Das besagt das Subsidiaritätsprinzip.

Deshalb finde ich es überaus wichtig, dass die nationalen Parlamente nun auch die Möglichkeit haben werden, die Gesetzgebung auf europäischer Ebene direkt zu überprüfen und, wenn es notwendig ist, auch die Notbremse zu ziehen.

Wie schon angesprochen kommt es zu einer Aufwertung des Bundesrates bezie­hungsweise zu einer Gleichstellung von National- und Bundesrat, was die Subsi­diaritätsklage betrifft, aber auch den Informationsfluss sowie die Stellungnahmen.

Sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat beziehungsweise die dafür zuständigen Ausschüsse haben zukünftig die Möglichkeit, gegen Richtlinienentwürfe oder andere Gesetzgebungsinitiativen der Europäischen Kommission Einspruch zu erheben.

Ich möchte nicht nur hervorheben, dass sowohl Nationalrat als auch Bundesrat die Möglichkeit haben, Einspruch auf gesetzgebendem Wege zu erheben, sondern viel­mehr möchte ich auch in den Vordergrund rücken, dass auch die Bürgerin/der Bürger in Zukunft die Möglichkeit haben werden, mittels Bürgerbegehren gestalterisch tätig zu werden, um Anliegen und bestimmte Thematiken von der Europäischen Kommission einzufordern.

Wenn wir – besonders dann, wenn es um Wahlen zum Europaparlament geht – darüber diskutieren, wie wir Politikverdrossenheit verhindern beziehungsweise das Demokratiebewusstsein stärken können, und letztendlich das Ziel erreichen wollen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen, vor allem auch bei den Wahlen zum Europaparlament,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 29

wird es notwendig sein, in Zukunft nicht nur Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeit zur Partizipation zu geben, sondern auch Transparenz zu schaffen und viel stärker die europäische Identität in den Vordergrund zu rücken. Die europäische Identität kann nur dann gestärkt werden, wenn jeder Einzelne das Gefühl hat, tatsächlich vom EU-Parlament vertreten zu werden.

Es ist aber auch im Sinne Österreichs, dass die Sitze im Europäischen Parlament zu­gunsten kleinerer Mitgliedstaaten verändert werden. Das heißt, Österreich wird zukünftig mit 19 Abgeordneten anstatt mit 17 vertreten sein. Auch das halte ich im Sinne der Transparenz sowie im Sinne der Vertretung in Europa für positiv.

Noch etwas, was in der heutigen Debatte noch nicht erwähnt wurde: In der Verfassung wurde verankert, dass es auch zu einem jährlichen Bericht der Ministerien über das Arbeits- und Legislativprogramm der Kommission kommen soll. Das war zwar bis jetzt schon gängige Praxis, aber ich denke, im Sinne einer guten Zusammenarbeit ver­schiedener Ebenen und auch der Durchlässigkeit der Themen ist es wichtig, bereits im Vorfeld zu wissen, was die Vorhaben auf europäischer Ebene sind.

Wichtige Gesetzesmaterien, wichtige Themen – wenn ich gerade an das Interesse und die Betroffenheit von jungen Menschen denke, so zum Beispiel beim Thema Ausbildung –, die Demographie, aber auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Gesundheit betreffen also nicht nur mehr die nationale Ebene; viele der Materien sind auch nicht mehr nur auf nationaler Ebene zu lösen. Es bedarf nun einmal einer guten Zusammenarbeit aller Ebenen: von der Gemeinde bis hin zum Europaparlament.

Ich denke, dass das Hohe Haus heute die Chance nützen soll, das als Heraus­forderung zu sehen und möchte daher abschließend auch den Appell an uns alle richten, auch da unserer Aufgabe und Pflicht nachzukommen, Europa mit Leben zu erfüllen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


13.59.32

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Grüne freuen uns natürlich besonders, dass es heute gelingt, diese Verfassungsnovelle hier im Haus zu beraten und darüber abzustimmen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil es ja vor über einem halben Jahr, im November 2009, noch nicht so ausgesehen hat, als würden wir uns dazu gemeinsam durchringen können.

Ich möchte aber auch nicht länger darauf herumreiten und kann mich nur jenen VorrednerInnen anschließen, die hier vor allem den MitarbeiterInnen der Fraktionen gedankt haben – auch unseren MitarbeiterInnen, aber auch den MitarbeiterInnen der anderen Fraktionen –, die hier wirklich hervorragende Arbeit geleistet haben, sowohl im Verhandlungsprozess als auch dann in der konkreten juristischen Ausführung. Und als Juristin kann ich zwischen Gesetzen und Gesetzen unterscheiden. Kollege Van der Bellen hat es, glaube ich, am treffendsten formuliert, indem er auch hier heute schon gesagt hat, das ist wirklich ein elegantes Gesetz. – Danke daher noch einmal an alle MitarbeiterInnen, aber auch an die KollegInnen Abgeordneten, die sich daran beteiligt haben!

Was bringen uns jetzt diese Novelle und die Regelungen, die noch folgen werden und über die ja auch schon Einvernehmen hergestellt wurde, nämlich ein Informations­gesetz und eine etwaige Geschäftsordnungsänderung? Was bringt das uns Fachabgeordneten, also jenen Abgeordneten, die nicht unbedingt immer und ständig


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 30

im Kern mit Europaangelegenheiten befasst sind, die nicht im EU-Hauptausschuss oder -Unterausschuss sitzen?

Da ist sicher die Möglichkeit hervorzuheben, dass eben EU-Angelegenheiten in den Fachausschüssen beraten werden. Ein erster Schritt ist ja diesbezüglich schon vor längerer Zeit gesetzt worden, indem die Berichte der Regierungsmitglieder über das Jahresprogramm der Kommission schon seit längerer Zeit in den Fachausschüssen beraten werden. Was jetzt aber verstärkt hinzukommt und ermöglicht wird, ist, dass es mehr Möglichkeiten der Fachabgeordneten, und vor allem auch einer Minderheit in den Ausschüssen, geben wird, diese Berichte auch einer Debatte im Plenum zuzuführen.

Darüber hinaus – das ist ja auch schon detailgetreu von einigen Vorrednern berichtet worden – ist eben hier die Frage neu zu regeln und geregelt worden, wie denn jetzt diese Informationspflicht seitens der Regierungsmitglieder gegenüber dem Parlament ausgestaltet werden wird. Und es ist eben nicht nur so, dass das Parlament so rechtzeitig informiert werden muss, dass der EU-Hauptausschuss auch rechtzeitig und sozusagen sinnvoll eine Stellungnahme abgeben und von seinem Stellungnahmerecht Gebrauch machen kann, sondern es ist vor allem auch vorgesehen, dass wir hier im Parlament wirklich über alle wichtigen Vorhaben informiert werden. Das heißt, es wird so gut wie ausgeschlossen sein, dass wichtige Vorhaben, die durchaus die nationalen Gesetze berühren, dann „am Parlament vorbei“ stattfinden und wir davon nichts mitbekommen.

Ein wesentliches Kernstück ist natürlich das Informationsgesetz, wo es auch darum gehen wird, die Informationen, die aus der EU kommen, in eine Datenbank einzu­speisen und in dieser Datenbank eine Strukturierung zu schaffen, die es dann auch möglich macht, sie einerseits für die parlamentarische Anwendung sinnvoll zu gebrauchen – das heißt, hier soll dann eine Systematisierung nach Mitwirkungsrechten und Themen stattfinden, und nicht so, wie es jetzt passiert, nach chronologischem Ein­langen –, aber – und das ist, denke ich, auch ein wesentlicher Schritt, wenn es um die Frage geht, wie denn Europa und europäische Angelegenheiten in der Bevölkerung wahrgenommen werden – es soll diese EU-Datenbank auch nach und nach so aufbereitet sein, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich ist, aber nicht nur zugänglich ist, sondern auch verständlich ist.

Das heißt, es wird an uns, dem Parlament, liegen, die Themen, die da drinnen liegen, so aufzubereiten, dass sie dann nicht nur für uns ParlamentarierInnen verständlich sind, sondern auch für alle, die sich für diese Angelegenheiten interessieren.

In diesem Sinne haben wir einige Arbeit geleistet. Es liegt aber auch noch Arbeit vor uns. Wir werden uns damit beschäftigen im Rahmen des Informationsgesetzes, wir werden damit befasst sein im Rahmen einer Debatte über eine Geschäftsordnungs­änderung. Und zuallerletzt noch einmal ein ausdrücklicher Dank an all jene, die hier intensiv mitgewirkt haben! (Beifall bei den Grünen.)

14.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. – Bitte.

 


14.04.34

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Ostermayer, es ist schon einzigartig, dass der Herr Bundespräsident mit einer Rede heute bei seiner Angelobung Ihrer Interpretation bedarf. Nur ist die Interpretation nicht authentisch, denn der Herr Bundespräsident hat mit keinem Wort diese Kompetenz des Bundes, der Bundesregierung, meinetwegen auch dieses Parlaments, wenn man eine verfassungsgesetzliche Regelung haben


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möchte (Abg. Mag. Stadler: Der Hauptausschuss ist zuständig!) – der Haupt­ausschuss –, erwähnt, sondern er hat ausschließlich Kärnten, den Kärntner Landes­hauptmann aufgefordert, sich hier einer Lösung nicht weiter zu verweigern. Und das ist doch sicherlich nicht gerechtfertigt, noch dazu bei so einem würdigen Akt! (Beifall beim BZÖ.)

Da hätte man das, wenn einem diese Angelegenheit so wichtig ist, schon umfassend beleuchten müssen. Da keimt schon der Verdacht auf, dass es hier parteipolitische Motivationen gegeben hat, denn in anderen wichtigen Bereichen, etwa der Verfas­sungsreform oder der Verwaltungsreform (Abg. Mag. Stadler: Budgetvorlage!) oder auch was die verfassungskonforme Budgetbehandlung anlangt, haben wir derartige klare, ins Detail gehende Aussagen leider vermisst.

Und, Herr Staatssekretär, noch ein Wort, denn – und da gibt es Zeitzeugen: den Herrn Klubobmann Cap, den Herrn damaligen Klubobmann Molterer und auch mich – es war hier im Hohen Haus in einem Besprechungssaal, wo wir gerungen haben um eine Einigung in der Ortstafelfrage, und es war Ihre Fraktion, die letztlich einen Konsens in dieser Frage verhindert hat. – Also hier schon auch historisch bei der Wahrheit bleiben! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Umsetzung des Lissabon-Vertrages. Es ist natürlich schon interessant – auch noch ein Satz zur freiheitlichen Fraktion –: Es ist schon richtig, wenn man gewisse Punkte und Grundsätze hat, wo man sagt: Den Lissabon-Vertrag lehnen wir ab! Vielleicht wissen wir nicht ganz genau, was drinnensteht, aber wir lehnen das ab! – Aber wenn in diesem Lissabon-Vertrag, den man ablehnt, doch einige, wenngleich vielleicht wenige Punkte sind, die positiv sind, die mehr Rechte auch für uns hier im Parlament darstellen, und wenn man dann sagt: Nein, aber „Lissabon-Vertrag“, das ist wie ein Pawlow’scher Reflex (Abg. Mag. Stadler: „Nie wieder Urlaub in Lissabon!“ – Abg. Grosz: „Auch Griechenland ist gestrichen!“), da zieht sich alles zusammen, das lehnen wir ab, also auch das Positive wollen wir nicht, und deshalb sind wir gegen die Umsetzung dieses Positiven hier im Hohen Haus!, dann ist das auch eine Art, wie man Politik machen kann. Überraschend ist es nicht nach den Ereignissen der letzten Tage.

Eine der positiven Bestimmungen im Lissabon-Vertrag bezüglich der Sicherheitspolitik ist zumindest eine abgeminderte Form – in der Verfassung war es noch stärker verankert – einer Beistandsgarantie und einer Solidaritätsklausel. Da verstehe ich manchmal die Diskussion hier in Österreich nicht, wo man das zwar als Bundes­regierung hier beschließt – Sie haben es hier im Parlament auch ratifiziert –, aber dann, wenn es in die konkrete Diskussion geht: Beistandsgarantie, das heißt, wir müssen auch solidarisch sein, wenn Mitglieder der Europäischen Union militärisch oder sonst wie gefährdet sind!, trotzdem sagt: Nein, damit wollen wir nichts zu tun haben, das wollen wir auch der Bevölkerung nicht erklären, denn wir tun ja so, als ob sich an unserer Neutralität nichts geändert hätte! – Damit arbeiten ja manche in diesem Land seit vielen Jahren schon mehr oder weniger erfolgreich, aber sehr konsequent, dass man sagt: Wir sind seit 1955 ein dauernd neutraler Staat, daran hat sich nichts geän­dert! – Das passt natürlich dann nicht ganz, wenn man erklären soll, warum man eine Solidaritätsbestimmung oder Beistandsgarantie umsetzen muss.

Ich bin sehr dafür, und das sollte man auch einmal offensiv argumentieren: Es ist ein Positivum! – Wenn man die schlechte EU-Stimmung beklagt, dann muss man eben auch diese positiven Effekte offensiv vertreten: dass es für uns positiv ist, wenn auch wir die Garantie der anderen, von 26 anderen europäischen Staaten haben, dass wir, wenn uns jemand bedroht – wann auch immer und wie auch immer –, diese Beistands­garantie haben. Nur so können wir ja etwa auch effizient und kostensparend unsere Landesverteidigung reorganisieren, indem wir diese Beistandsgarantie im Bereich der militärischen Landesverteidigung ernst nehmen und auch annehmen. – Das ist ein


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ganz wichtiger Punkt in diesem Bereich, und der wird jetzt auch in der österreichischen Bundesverfassung umgesetzt.

Wenn man sich das aber ansieht, dann ist interessant, wie man das umsetzt. Das ist dann schon ein bisschen merkwürdig, denn man vertritt den Standpunkt – und da habe ich jetzt noch im Ohr, was der Verteidigungsminister, selbst auch der Herr Bundes­präsident einmal in einer Ansprache gesagt hat –: Ja, die Neutralität ist uns wichtig, und Auslandseinsätze nur, wenn es ein UNO-Mandat gibt, und dann auch nur in einer sehr abgeminderten Form – auf jeden Fall keine neutralitätsgefährdenden Einsätze! – Gut. Da bin ich davon ausgegangen, dass man die seit 1999 geltende Verfassungslage ändern wird, denn was steht in diesem damaligen Artikel 23f? – Hier wird es möglich, dass Österreich in „Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedens­schaffender Maßnahmen“ einbezogen wird.

„Kampfeinsätze ... einschließlich friedensschaffender Maßnahmen“ – ich glaube, man braucht kein Völkerrechtler zu sein, um zu wissen, dass dieser Artikel 23f mit dem Status der dauernden Neutralität unvereinbar ist. Das hat auch Professor Mayer in seinem Kommentar geschrieben, dass mit dieser Bestimmung das Neutralitätsgesetz weitgehend materiell derogiert, also dieses Gesetz aufgehoben worden ist.

Das gilt seit 1. Jänner 1999. Seit damals versuchen manche Politiker – vor allem der SPÖ, aber auch andere; jetzt kommt diesbezüglich ja wieder so eine Renaissance – so zu tun, als ob sich an unserem Status der Neutralität nichts geändert hätte und ein UNO-Mandat eine Bedingung für Auslandseinsätze wäre. – In dieser Bundesverfas­sung hingegen: Kein Wort von einem UNO-Mandat!

Dann habe ich sehr darauf gewartet, was denn da jetzt kommt mit dieser Novelle. Jetzt heißt der Artikel nicht mehr 23f, sondern 23j, und der diesbezügliche Antrag ist interes­santerweise auch noch ein Antrag Cap, Kopf und Van der Bellen – das ist auch interessant. Da habe ich mir gedacht, da wird es aber jetzt ganz interessant und da wird alles Mögliche drinnen sein, aber jedenfalls keine Kampfeinsätze zur Friedens­schaffung. Was aber steht drinnen? – Wortidentisch wieder die Möglichkeit, dass Öster­reich – mit den Stimmen und aufgrund des Antrags auch der Grünen – in Kampfeinsätzen zur Friedensschaffung mitwirkt. Von einem UNO-Mandat keine Rede!

Da habe ich mir gedacht: Aha, aber irgendetwas passt da nicht ganz, denn wo ist denn da der politische Kompromiss? – Der ist auch drinnen, nämlich mit einem Halbsatz, dass die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen einzuhalten sind. Darauf wird verwiesen.

Es ist legistisch schon einmal schlecht, dass man einen Verfassungstext mit einem Kommentar, mit einer Erläuterung vermischt, aber das war anscheinend Ihr Kom­promiss. Nur: Dieser Verweis sagt überhaupt nichts, denn jedes Mitgliedsland der Vereinten Nationen – unabhängig davon, ob dieses jetzt NATO-Mitglied, EU-Mitglied oder -Nichtmitglied ist – ist an die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen gebunden. Das hat mit einem UNO-Mandat überhaupt nichts zu tun, meine Damen und Herren.

Ich kritisiere nicht, dass Sie das nicht hineingeschrieben haben. Das wäre auch ein Unsinn, denn: Solange die Vereinten Nationen noch so strukturiert sind, dass ein Land wie China auch einen humanitären Einsatz mit einem Veto im Sicherheitsrat verhindern kann, so lange darf man in eine Verfassung die Bedingung eines UNO-Mandats für derartige Einsätze nicht hineinschreiben. (Beifall beim BZÖ sowie der Abg. Dr. Plassnik.)

Also ich unterstütze das, aber ich kritisiere, dass höchste Repräsentanten dieses Staates und der Bundesregierung nach wie vor so tun, als wäre es anders, nach wie


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vor etwas vorgeben – UNO-Mandat, Neutralität –, obwohl sie dann bei der Gesetz­gebung wieder genau das Gegenteil tun. Ich darf nicht sagen, man belügt hier die Bevölkerung – überhaupt keine Frage, das würde ich hier nicht behaupten –, aber es ist ganz einfach nicht die Wahrheit, was man der Bevölkerung da präsentiert. Und das ist schade, weil man damit sehr viel an Offensivkraft wegnimmt.

Dann ist auch noch ein interessanter Verweis in den Erläuterungen zur Solidaritäts­klausel und zur Beistandsgarantie, denn das heißt ja auch wieder, Herr Kollege Van der Bellen, was Sie hier in Ihren Antrag hineinschreiben:

„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates schulden die anderen Mitgliedstaaten im Einklang mit ... der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung.“

Gut. Und dann schreibt man aber, damit irgendwie die Neutralität wieder hineinkommt: Österreich kann selbstverständlich im Einzelfall entscheiden, „ob und auf welche Weise Unterstützung geleistet wird“.

„Ob und auf welche Weise“! – Jetzt bitte doch noch einmal Völkerrechtslehrbücher zur Hand zu nehmen und dort nachzulesen, was an Vorleistungspflichten für einen dauernd neutralen Staat darin steht: Da ist eine grundsätzliche Bedingung, dass er jedenfalls immer zur Kenntnis bringen muss, dass er sich niemals – egal, unter welchen Umständen – an einem bewaffneten Konflikt aufseiten einer der Streitparteien beteiligen wird.

Sie bringen hier eine Entscheidungsmöglichkeit im Einzelfall. Das entspricht einem bündnisfreien Staat – jedes Land, das nicht irgendwo verpflichtet ist, einzugreifen, kann für sich selbst entscheiden, ob es an einem militärischen Konflikt teilnimmt oder nicht –, aber widerspricht den Grundsätzen des Völkerrechts für einen dauernd neutralen Staat.

Ich sage hier noch einmal: Ich bin sehr froh, dass wir hier auch solidarisch sein können. Ich bin auch sehr dafür, dass wir das entsprechend einsetzen. Ich bin aber auch sehr dafür, dass wir uns da in der Öffentlichkeit nicht hinter irgendwelchen Plattitüden verstecken, dass wir die Bevölkerung auch nicht hinters Licht führen. – Ich kann mich gut erinnern, ich bin einmal in einer SPÖ-Sektion in Meidling zu einer Diskussion eingeladen gewesen und habe das dort genau so gesagt. Die haben gesagt: Das stimmt nicht, Sie sagen uns da die Unwahrheit! Dann habe ich ihnen den Verfassungstext vorgelesen. Dann sind sie draufgekommen, dass nicht ich die Unwahrheit gesagt habe, sondern die, die ihnen das anders dargestellt haben. Und das ist falsch, meine Damen und Herren.

Wenn wir die Unterstützung der Bevölkerung haben wollen, auch für die Europäische Union und für ihre Instrumentarien, dann muss man ihr die Wahrheit sagen. Dann muss man die Wahrheit sagen, dass die dauernde Neutralität mit dem EU-Beitritt un­verein­bar gewesen ist, dass die dauernde Neutralität mit der erwähnten Verfas­sungsnovelle 1998 unvereinbar gewesen ist und selbstverständlich auch mit dem Lissabon-Vertrag unvereinbar ist.

Aber: Die Neutralität, die wir 1955 eingenommen haben, ist eine Antwort auf die völkerrechtlichen Probleme des Jahres 1955 gewesen. Wir brauchen jetzt andere Mechanismen, und das ist die Solidarität im Rahmen der Europäischen Union, das ist die gemeinsame Konfliktbewältigung und auch die entsprechende gemeinsame Aufgabenteilung. Und das, was wir hier einbringen, ist ein kleiner Teil gegenüber dem, was wir an Sicherheit von den anderen Staaten mitbekommen können.

Ich glaube, dass dieser Kompromiss, den man da geschlossen hat, anscheinend so wichtig war, dass man andere Dinge, die wirkliche Probleme sind, nicht beachtet hat


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und nicht eingebracht hat, etwa Kompetenzprobleme und auch Abwicklungsprobleme mit dem Bundes-Verfassungsgesetz auf der einen Seite und dem KSE-BVG auf der anderen Seite, weil man die Solidaritätsklausel, die Ständige Strukturierte Zusam­menarbeit und die Beistandsgarantie und auch die Mitwirkungsmöglichkeiten der einzelnen Bundesminister bei diesen Beschlüssen nicht entsprechend mit bedacht hat.

Wir wollen das besser regeln und bringen deshalb einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Mag. Stadler ein, der auch verteilt wird – ich bringe ihn hiemit offiziell ein –, dass der Artikel 23j, wie ich es jetzt erläutert habe, neu gefasst werden soll.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, an das Europabewusstsein der Bevölkerung zu appellieren, und es ist auch wichtig, die Vorteile zu präsentieren. Dann sollte man sich aber nicht aus parteipolitischen Gründen der Wahrheit verschließen. Dann könnte man wirklich sehr, sehr Positives für die Europastimmung und das Europabewusstsein in Österreich bewirken. (Beifall beim BZÖ sowie der Abg. Dr. Plassnik.)

14.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der rechtmäßig und ordentlich eingebrachte Abänderungsantrag wurde, wie Herr Abgeordneter Scheibner schon erwähnt hat, in seinen Kernpunkten erläutert und wird gemäß § 53 Abs. 4 GOG verteilt werden. Dieser Abänderungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen

zu TOP 1 (Bericht des Verfassungsausschusses (827 der Beilagen) über den Geset­zesantrag des Bundesrates (691 der Beilagen) vom 6. Mai 2010 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundes­wahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle))

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 Z.5 lautet Art. 23j wie folgt:

„Artikel 23j. (1) Österreich wirkt an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf Grund des Titels V Kapitel 1 und 2 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon mit. Darüber hinaus wirkt Österreich an der Solidaritätsklausel auf Grund des Titels VII Artikel 222 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon mit. Dies schließt insbesondere die Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art. 42 und 43 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon, an der Unterstützung nach Artikel 222 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon sowie an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden. Auf Beschlüsse des Europäischen Rates über eine gemeinsame Verteidigung ist Art. 50 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden.


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(2) Für Beschlüsse im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf Grund des Titels V Kapitel 2 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon gilt Art. 23e Abs. 3 sinngemäß.

(3) Bei Beschlüssen über die Einleitung einer Mission oder von unterstützenden Maßnahmen nach den Artikeln 42 und 43 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon, zur Unterstützung nach Artikel 222 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon, sowie bei Beschlüssen gemäß Art. 42 Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon betreffend die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik ist das Stimmrecht im Einvernehmen zwischen dem Bundeskanzler, dem für auswärtige Angelegenheiten zuständigen Bundesminister sowie den in der Sache zuständigen Bundesministern auszuüben.

(4) Eine Zustimmung zu Maßnahmen gemäß Abs. 3 darf, wenn der zu fassende Beschluss eine Verpflichtung Österreichs zur Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen bewirken würde, nur unter dem Vorbehalt gegeben werden, dass es diesbezüglich noch der Durchführung des für die Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen in das Ausland verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens bedarf. Die Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen zu den Zwecken des Abs. 1 ist grundsätzlich zulässig. Die näheren Bestimmungen dazu regelt ein eigenes Bundesgesetz.““

Erläuterungen

Der vorliegende Abänderungsantrag soll jene Bereiche im Kontext der Mitwirkung Österreichs an den sicherheitspolitisch relevanten Neuerungen des Vertrages von Lissabon eindeutig festlegen, die durch den Ausschussbericht offen bzw. unzureichend geregelt sind.

Diese ergeben sich insbesondere durch die nicht einheitliche Begriffsverwendung im Bundes-Verfassungsgesetz und im Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), die sog. „dynamische Verweisung“ im KSE-BVG sowie den materiell neuen Aufgaben und Anwendungsbereichen des Vertrages von Lissabon, die über den bisherigen Rechtsbestand weit hinausgehen. Dies betrifft insbesondere die sog. „Soli­daritätsklausel“ (Artikel 222 VAE), die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (Artikel 42 Abs. 6 EUV) und die „Beistandsgarantie“ (Artikel 42 Abs. 7 EUV). Aus der Zusammenschau der bestehenden Bestimmungen im KSE-BVG und durch die vorgeschlagenen Formulierungen des angesprochenen Ausschussberichtes, wäre eine Mitwirkung Österreichs daran nicht eindeutig zulässig gewesen bzw. für die Solidaritätsklausel jedenfalls unzulässig gewesen. Die dem KSE-BVG und seinen Erläuterungen zugrunde liegenden Überlegungen, die sich in dessen Begrifflichkeit ausdrücken, hätte eine Vielzahl von Entsendungen zum Zwecke der angeführten Bestimmungen nicht zugelassen bzw. die Mitwirkung Österreichischer Organe an den Prozessen in Institutionen der Europäischen Union nicht erlaubt. Dies widerspricht der Eingangsklausel des ersten Satzes des vorgeschlagenen Artikel 23j Abs. 1 und war daher in den folgenden Aufzählungen entsprechend anzupassen.

Selbst wenn man den Standpunkt vertritt, dass Österreich innerhalb der EU den Status eines völkerrechtlich „neutralen Staates“ innehat, was nach eindeutiger Interpretation aller namhaften Verfassungs- und Völkerrechtler seit dem Beitritt Österreichs zu Euro­päischen Union 1995 nicht mehr der Fall ist sondern wir seither als „allianzfreier Staat“


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zu betrachten sind (siehe Entschließung des Nationalrates vom 12. Dezember 2001, III-87 d.B./XXI. GP), so wird in Anwendung des Artikel 42 Abs. 7 EUV dennoch die Frage zu stellen sein, wie sich Österreich im Anlassfall verhält. Sollte es sich dabei um eine Situation handeln, in der die Republik Österreich den Standpunkt vertritt, dass dieser im Sinne der Erwägungen die solidarische Unterstützung aus freien Stücken (und nicht als Verpflichtung) gebietet, so soll es auf verfassungsrechtlicher Grundlage möglich sein, dies zu tun und darüber hinaus auch Einheiten und Einzelpersonen zu entsenden. Dies wäre aus dem Text des Abänderungsantrags im Ausschussbericht in Verbindung mit dem Rechtsbestand des KSE-BVG nicht zulässig gewesen. Nachdem die sog. „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ nicht nur im Hinblick auf Missionen nach Artikel 43 Abs. 1 EUV gesehen werden muss, sondern durch das Protokoll Nr. 10 des Vertrages von Lissabon ausdrücklich auch für „Verteidigungsfähigkeiten“ gilt, ist die verfassungsrechtliche Möglichkeit zur Mitwirkung Österreichs daran ebenfalls eindeutig zu regeln, was durch den vorgeschlagenen Abänderungsantrag zum Aus­schuss­bericht ebenfalls eindeutig durch dessen Formulierung klar gestellt ist.

Gleiches gilt für die sogenannte „Solidaritätsklausel“, die weder Bestandteil der „Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)“ noch der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)“ der Europäischen Union sind, und somit vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 lit. a KSE-BVG ausgeschlossen sind, aber auch von dessen lit. b und c, sofern die zur Unterstützung im Sinne des Artikels 222 VAE erfolgenden Maßnahmen über diese hinausgehen.

Auch Maßnahmen nach Artikel 43 Abs. 1 EUV zur „Terrorismusbekämpfung“ waren vom Text des Abänderungsantrages im Ausschussbericht in dessen Aufzählung im vorgeschlagenen Artikel 23j Abs. 3 B-VG nicht inkludiert und auch vom KSE-BVG nicht umfasst. Es erscheint verwunderlich, dass jene Fraktionen, die als eine der Begrün­dungen für die Neufassung der Österreichischen Sicherheits- und Verteidi­gungsdoktrin aus 2001 das Vorhandensein „neuer Bedrohungen“ formuliert haben, bei erster Gelegenheit auf die verfassungsrechtliche Absicherung zur Teilnahme Österreichs an europäischen Maßnahmen daran verzichten wollen. Dieser, dem Solidaritätsgedanken Österreichischer Sicherheitspolitik fremde, Zugang wird mit dem nunmehr vorliegenden Abänderungsantrag zum Ausschussbericht positiv bereinigt.

Die Ausweitung des Zustimmungsrechtes der sachlich zuständigen Minister zu Be­schlüssen nach dem neuen Artikel 23j B-VG entspricht den Regelungen des KSE-BVG und soll Situationen verhindern, in denen der Bundeskanzler und der Bundesminister, der für auswärtige Angelegenheiten zuständig ist, auf Ebene der Europäischen Union ohne formalisierte Mitwirkung Beschlüsse fassen, die durch Mittel anderer sachlich zuständiger Minister zu erfolgen hätte. Dies widerspricht dem Grundsatz der Ver­antwortlichkeit der „Obersten Organe“ nach Artikel 20 und 23e B-VG, welcher durch die vorgeschlagene Änderung wieder hergestellt ist.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Bundesminister Dr. Spin­delegger. – Bitte.

 


14.18.20

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich aus Anlass dieser Debatte drei kurze Punkte einfließen! Das eine ist: Ich möchte schon noch einmal dem Hohen Haus in Erinnerung rufen, dass die Frage Subsidiarität in europäischen Verträgen nicht irgendwo herkommt, sondern auf eine österreichische Initiative zurückzuführen ist. Besonders 2006 bei der Subsidiaritäts­


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konferenz in St. Pölten wurde darauf Wert gelegt und damals auch von der Kom­mission zugesichert, dass man schon freiwillig dieses Subsidiaritätsprinzip anwenden will.

Ich glaube daher, wir sollten bei dieser Debatte durchaus auch einmal sagen, dass wir Österreicher mit der Frage Subsidiarität – im Zusammenhang mit anderen, aber besonders federführend – unsere Handschrift im Lissabon-Vertrag hinterlassen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Zweite möchte ich auch in Reflexion auf Debattenbeiträge hier einfließen lassen; das ist, welche Wirkungen das Ganze haben wird. Man kann natürlich über die Ausgestaltung der Subsidiaritätsrüge oder der Subsidiaritätsklage Argumente ins Treffen führen, das sei nicht ausreichend. Aber eines ist schon klar: Die Wechsel­wirkung, die erzeugt wird, ist nicht zu unterschätzen. Ich kenne keinen Minister in Österreich oder auch in einem Mitgliedsland der Europäischen Union, der dann, wenn die Mehrheit seines Parlaments gegen etwas auftritt, das nicht auch in seine Politik in Brüssel einfließen lassen würde. Ich kenne keine Fraktion des Europäischen Parla­ments, die nicht beeinflusst werden würde von der Fraktion im nationalen Parlament, wenn sich dort die Mehrheit gegen etwas ausspricht.

Das heißt, wir werden eine ganz andere Art von lebendiger Diskussion haben, wenn sich nationale Parlamente stärker in die Gesetzgebung einbringen. Ich sehe das sehr positiv, auch wenn das für ein Mitglied der Bundesregierung nicht immer unmühsam sein wird, aber das wird mit Sicherheit zu einer unglaublichen Belebung auch in Europafragen beitragen. Ich begrüße das, denn wir brauchen eine stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente an europäischen Fragen.

Ich möchte zum Dritten und Letzten auch etwas aus dieser Debatte mitnehmen in die Richtung und Ihnen ein Best-Practice-Beispiel geben, was die Zukunft der Debatte in Europa insgesamt anlangt. Es muss nicht immer so sein, dass strikt nach den Prin­zipien – die Kommission ist der Initiativgeber, und sie ist die Einzige, die einen Vorschlag erstatten darf – vorgegangen wird. Wir haben gerade eine Diskussion über diese Donauraumstrategie, die auch wir, gemeinsam mit anderen, vorantreiben. Dort läuft das heute ganz anders: Da ist die Kommission nicht diejenige, die die Strategie schreibt, sie ist eher der Mediator zwischen Mitgliedsländern, zwischen Regionen, auch zwischen Parlamentariern, die sich daran beteiligen.

Ich glaube, das ist ein sehr gutes Best-Practice-Beispiel dafür, wie es auch anders sein kann, dass nämlich die Initiativen von unten herauf kommen, dass man versucht, eine Gemeinsamkeit auch zwischen Bund, Ländern, zwischen Regionen Europas und den Institutionen zu bewerkstelligen. Und wenn wir das auch in anderen Bereichen beispielgebend so vornehmen, kann das nur dazu beitragen, dass Europa insgesamt ein Projekt von mehreren wird, als es das heute ist. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen zu Wort. – Bitte.

 


14.21.51

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Scheibner, zu Ihrem Antrag und zu Ihren Ausführungen. Wie Sie ja wissen, ist der Kern der österreichischen Neutralität durch folgende Punkten definiert: keine Teilnahme an Kriegen, keine Teilnahme an einem Militärbündnis, keine Stationierung fremder Truppen auf unserem Territorium. (Abg. Scheibner: Wo ist das? Das stimmt ja nicht! Das haben Sie


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definiert, nicht das Völkerrecht!) Die Neutralität bleibt daher von den Bestimmungen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Vertrag von Lissabon unberührt, denn für die österreichische Neutralität ist es wesentlich, dass für alle europäischen Beschlüsse zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiterhin Einstimmigkeit vorgesehen ist. Über die Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen des Krisenmana­gements werden wir daher wie bisher souverän entscheiden können. – Wir können daher Ihrem Antrag keine Zustimmung geben. (Abg. Scheibner: Das steht aber in dem Antrag gar nicht drinnen, Frau Kollegin! Haben Sie ihn nicht gelesen?)

Die Novelle betont, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und damit auch die Mitwirkung Österreichs daran der Wahrung und der Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet ist. Diese Passage wollen Sie offensichtlich streichen – dem können wir nicht zustimmen.

Die Solidaritätsklausel im Vertrag von Lissabon ist nicht Bestandteil der Bestimmungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, daher ist ihre Einbeziehung in die Bestimmungen der Bundesverfassung, die letztendlich die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik regelt, abzulehnen. Der Vertrag von Lissabon sieht keine militärische Beistandsverpflichtung, sondern eben eine Solidaritätsverpflichtung bei Umweltkatastrophen oder im Fall eines terroristischen Angriffs vor, wie das auch im Gesetz steht. Daher können wir souverän entscheiden. Wir müssen Ihren Antrag also ablehnen.

Meine Damen und Herren, zur Lissabon-Begleitnovelle: Es ist schon gesagt worden, dass das ein sehr wichtiges Gesetz für Österreich und für die nationalen Parlamente ist, daher verstehe ich nicht ganz, dass die FPÖ da nicht zustimmt, denn Sie sind ja für mehr Mitbestimmung. Ich nehme an, Sie sind auch für mehr demokratische Kontrolle und für mehr Transparenz.

Erstmals erhält das Parlament aber auch die Möglichkeit, europäische Gesetzes­vorschläge direkt zu überprüfen, nämlich durch die Subsidiaritätsrüge, die ja auch schon erwähnt wurde. Herr Kollege Hübner, Sie haben gesagt, das alles sei nur Schall und Rauch oder sonst etwas, das bringe nichts. – Das glaube ich nicht! Ich glaube, dass die Rüge dem Parlament durchaus ein Instrument in die Hand gibt, mit dem es auch ganz wichtigen, notwendigen politischen Druck erzeugen kann, wenn es um Kompetenzüberschreitungen der EU geht. – Als letztes Mittel gibt es ja dann noch die Klage.

Was aber, wie ich denke, auch neu und sehr spannend ist, ist dieser verstärkte Dialog mit Europa. Die neuen Möglichkeiten der nationalen Parlamente brauchen ein neues Umfeld, sie brauchen eine neue Form der Zusammenarbeit. Die europäischen Institutionen – besonders die Europäische Kommission – suchen verstärkt den Dialog mit den nationalen Parlamenten, um bereits im Vorhinein das Terrain zu sondieren, um zu schauen, wie weit wir gemeinsam neue Gesetzestexte, neue Gesetze erarbeiten könnten.

Bisher konnte das österreichische Parlament nur im Wege von Ausschussfest­stellun­gen an diesem Dialog teilnehmen. Jetzt, mit Inkrafttreten der Lissabon-Begleitnovelle, wird ein neues Instrument, die sogenannte Mitteilung, geschaffen, mit dem sich das Parlament aktiv an der europäischen Politik – etwa mit eigenen Vorschlägen – beteiligen kann, denn je früher ein Parlament sich zu europäischen Vorhaben äußert, desto größer ist die Chance, tatsächlich Einfluss auf neue Rechtsakte zu haben.

Was – zu guter Letzt – wie ich denke auch interessant ist, ist die neue Vernetzung der nationalen Parlamente untereinander. Ein verstärkter Dialog, eine verbesserte Kom­munikation wird dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die anderen Länder, für


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die anderen Positionen zu entwickeln, und das kann dem Projekt Europa nur guttun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Molterer zu Wort. – Bitte.

 


14.26.49

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Österreich 1995 Mitglied der Europäischen Union geworden ist, haben sich viele Chancen eröffnet. Aber die entscheidende Frage war: Nützt Österreich diese Chance? – Wir haben zwei Beispiele, wo wir doch voll Selbst­bewusstsein sagen können: Österreich hat diese Chance genutzt.

Einerseits haben wir die Chance wirtschaftlich genutzt: Denken Sie daran, welche Unternehmen in der Zwischenzeit tatsächlich im Export in Europa erfolgreich sind, wie viele Arbeitsplätze durch diese wirtschaftliche Erfolgsbilanz geschaffen worden sind, und zwar nicht deswegen, weil die Unternehmer gesagt haben: Wir machen nichts daraus!, sondern weil sie gesagt haben: Ja, da ist eine Chance, das machen wir!

Zweites Beispiel: Österreich ist eines der Länder, aus denen, so glaube ich, relativ gesehen am meisten junge Leute, Studenten an den Studienprogrammen, Austausch­programmen der Union teilnehmen. Hätten die Studenten gesagt: Da gibt es zwar die Chance, aber wir ergreifen sie nicht, wir bleiben zu Hause!, wäre die Chance ver­schlafen, verpasst worden.

Herr Kollege Strache, genauso sehe ich es hier. Man kann über Lissabon dieser oder jener Meinung sein – das ist okay –, aber mit Lissabon haben wir Parlamentarier eine Chance bekommen, die wir ergreifen wollen. Aus meinem parlamentarischen Selbst­ver­ständnis heraus möchte ich diese Chance Lissabon nützen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe es nicht! Gerade aus einer kritischen Haltung heraus, die man haben kann – ich habe sie nicht, aber man kann sie haben –, müssten Sie doch Interesse daran haben, dass Sie jetzt sagen: Jawohl, wir Parlamentarier nützen diese Chance des Einflusses, in die europäische Politik einzugreifen. (Abg. Strache: Das ist ja kein Einfluss! ..., weil es keinen Einfluss gibt!) Das verstehe ich einfach nicht! Ich finde auch, dass Sie hier aus einem Reflex heraus eine Chance vertan haben – auch eine Chance, eine kritische Position einzunehmen. (Abg. Strache: ... demokratischer Prozess!)

Nicht nur jene, die positiv zu Europa stehen, können hier aktiv sein, sondern auch jene, die durchaus kritische Anmerkungen haben, bekommen jetzt neue Instrumente, neue Chancen in die Hand. Sie verpassen eine Chance des Parlamentarismus, Sie verpassen eine Chance der Demokratisierung des europäischen Projektes. (Abg. Mag. Stefan: ... nicht mehr diskutieren?) Aber es ist Ihre Verantwortung, Sie müssen sie ergreifen. (Abg. Mag. Stefan: Und wenn wir jetzt nicht mitstimmen, dürfen wir nicht mehr mitreden?)

Was wir aber jetzt noch zu tun haben – wir, die wir die Chance ergreifen; vier Par­lamentsparteien ergreifen die Chance auf neue Rechte im europäischen Gesetzge­bungsprozess –, sind drei große Dinge, die wir noch vor uns haben: Wir werden das Informationsgesetz hier im Parlament zu verhandeln haben, wir werden die Datenbank, von der Präsident Neugebauer schon gesprochen hat, zu verhandeln haben, und wir werden in der Geschäftsordnung auch neue Instrumente verankern. – Ich erwähne eines, das bisher in den Debattenbeiträgen nicht beleuchtet wurde.

Wir haben mit der Plenarenquete vor, ein neues Instrument zu schaffen, in dem auch die viel diskutierte Frage der Rederechte hier im Plenum neu geordnet wird, sodass wir


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etwas erreichen: Wir importieren in diesem Fall Europa ins österreichische Parlament, und wir exportieren durch die Subsidiaritätsklage, durch die Subsidiaritätsrüge politi­sche Meinungen des Parlaments nach Europa. Wir nehmen aktiv an diesem Prozess teil, und das halte ich für einen ganz wesentlichen Fortschritt. Das ist ein Quanten­sprung!

Wir haben damit aber auch – das sage ich ganz offen – eine Ausrede weniger, die Ausrede nämlich, wir könnten nicht mitgestalten, gilt ab dem heutigen Beschluss nicht mehr. Es wird daher an uns liegen, meine Damen und Herren, in den Ausschüssen – und zwar in allen Ausschüssen; natürlich auch im Hauptausschuss –, es wird an der Parlamentsdirektion liegen – Frau Präsidentin, das ist viel Arbeit –, es wird an den Klubs liegen, was wir hier zu tun haben, es wird auch an der Bundesregierung liegen, wie wir bei dieser Chance, die uns eröffnet wird, kooperieren, und am Parlament selbst, weil beispielweise die Frage der Koordinierung mit anderen Parlamenten, für die Föderalismus wichtig ist, in dieser Frage essenziell ist.

Das heißt, Europa wird bei uns jetzt hoffentlich tatsächlich diese lebendige Selbst­verständlichkeit, von der ich immer geträumt habe – übrigens nicht nur im Nationalrat, sondern auch im Bundesrat, und dieses Auf-Augenhöhe-Agieren der beiden Kammern halte ich auch für einen wesentlichen Schritt, und ich bin auch dafür dankbar.

Letzte Bemerkung: Van der Bellen hat aus meiner Sicht eine ganz wichtige Frage in der Perspektive angesprochen. Wenn wir jetzt Lissabon ernst nehmen, in dieser neuen Form ernst nehmen, dann haben wir auf der einen Seite die Chance der Mitbestim­mung, aber wir sollten das als Parlamentarier auch weit darüber hinaus als Verpflich­tung zu einer neuen europäischen Initiative, zu einer neuen europäischen Offensive begreifen, weil sich herausstellt, dass das Überdenken der jetzigen Verteilung der Kompetenzen in Europa nottut – aus der Krise heraus ist diese Erkenntnis doch brennend! –, und es muss klar sein, dass wir dieses Europa in der politischen Kompe­tenz stärken müssen. Aber wenn wir das wollen, dann müssen wir auch den europäischen Institutionen – der Kommission und dem Europäischen Parlament, aber vor allem der Kommission – die Kompetenz dafür geben und neue Instrumente wie etwa den Europäischen Währungsfonds einrichten.

Das bedeutet zwar vielleicht formal weniger Kompetenzen für den Nationalstaat, aber es bedeutet vor allem weniger Krisenanfälligkeit für Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das muss doch unser Interesse sein, meine Damen und Herren: dass wir Europa krisenfester machen, weil davon die Menschen in Österreich profitieren!

Das ist kein Verlust, Herr Kollege Stefan – weil Sie so skeptisch und verzweifelt schauen –, sondern Sie gewinnen! Und ich möchte zu den Gewinnern gehören und nicht zu den Verlierern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strache: Das sagen Sie seit Jahren: die großen Gewinne!)

14.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Katzian zu Wort. – Bitte.

 


14.33.32

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Meine Damen und Herren! Es ist zu diesem Tagesordnungspunkt schon vieles ausgeführt worden, auch die wichtigsten Punkte wurden schon erwähnt. Ich möchte daher abschließend festhalten, dass ich mich zunächst einmal bei allen bedanken möchte, die mit ihrem Engagement, mit ihrer Kreativität mitgeholfen haben, dass es zu dieser Vorlage gekommen ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 41

Ich glaube jedenfalls auch, so wie es bereits ausgeführt wurde, dass diese Vorlage in vielen Punkten Verbesserungen bringt, selbst, und das möchte ich schon auch beto­nen, wenn nicht all das, was wir uns vorgestellt hätten – und was sich namentlich auch die europäischen Gewerkschaften vorgestellt hätten –, in diesem Vertrag von Lissabon Platz gefunden hat. Daher kann all das, was wir als Verbesserung definiert haben – die zusätzlichen Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte, die es gibt –, nur als ein, wie ich meine, erster Schritt zu mehr Demokratie, zu mehr Partizipation bezeichnet werden – nicht dass man glaubt, das sei jetzt das Ende dieses Prozesses. Das kann bestenfalls der Anfang eines Demokratisierungsprozesses sein!

Es braucht auch auf der europäischen Ebene zu vielen Punkten dieses Vertrages noch entsprechende Durchführungsbestimmungen, insbesondere dort, wo es um Bürgerbe­teiligung und -initiativen geht, und auch da ist es wichtig, dass das in nächster Zeit sehr massiv in Angriff genommen und vorangetrieben wird. Wie gesagt, das ist ein erster Schritt zu mehr Demokratie, und weitere müssen folgen.

Fritz Neugebauer hat darauf hingewiesen – und ich meine, dass das stimmt –, dass mit zunehmendem Voranschreiten aus europäischen Themen entsprechende Fachthemen werden, und das wird mit sich bringen, dass es diese klassische Trennung der Vergangenheit – da nationalstaatliche Themen, dort europäische Themen – in dieser Form nicht mehr geben wird, weil wir die Fragen gemeinsam zu diskutieren und zu bearbeiten haben.

Wenn ich davon gesprochen habe, dass es weitere Fortschritte geben muss, so möchte ich insbesondere den sozialen Dialog auf europäischer Ebene erwähnen, der in vielen Branchen eingerichtet wurde, der aber heute leider ein zahnloser Tiger ist, weil seine Ergebnisse de facto nur Empfehlungscharakter haben. Obwohl man dort oft sehr lange und intensiv zusammenarbeitet – in manchen Branchen funktioniert das sehr gut –, kommen am Ende des Tages nur Empfehlungen heraus, und in Wirklichkeit besteht keine Möglichkeit, diejenigen, die das mitentwickelt haben, dann in weiterer Folge auch entsprechend festzumachen.

Ich möchte gerne das aufgreifen, was Kollege Molterer vorhin gesagt hat: eine euro­päische Initiative. – Ich halte das deswegen für sehr, sehr gut, weil ich glaube, dass die Europäische Union die Krise als Chance begreifen muss, so wie das der Herr Bundespräsident heute auch schon formuliert hat. Wenn wir uns an die Wahlbe­teiligung bei der letzten EU-Wahl zurückerinnern, dann, glaube ich, muss uns klar sein, dass da entsprechende Initiativen und Zeichen gesetzt werden müssen.

Jetzt gibt es ein kleines Stück mehr Demokratie, es gibt den Schutzschirm für den Euro. Die Frage wird sein, welche die nächsten Schritte sind und ob diese Schritte deutlich machen können, dass auch das stattfindet, was die Menschen in diesem Land und viele Menschen in Europa haben wollen, nämlich ein Mehr an Politik, um die Finanzmärkte zu regulieren und um sicherzustellen, dass das, was uns in die Krise getrieben hat, in dieser Form nicht mehr stattfinden kann, und ein Mehr an Gerechtig­keit – ein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit, damit nicht jene, die die Krise nicht verursacht haben, die Zeche dafür bezahlen.

Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das Schlagwort eines sozialen Europas Wirklichkeit wird und nicht nur in Sonntagsreden vorkommt! Und, by the way, Herr Kollege Scheibner: Es war nicht der Herr Bundespräsident, der die Ortstafeln ausgegraben und versetzt hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.37

14.37.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 42

Ein Schlusswort wird seitens der Berichterstattung nicht gewünscht.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Lissabon-Begleit­novelle in 827 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungs­antrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den von diesem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Da im vorliegenden Gesetzentwurf sowie im erwähnten Abänderungsantrag Änderun­gen des B-VG sowie eines Bundesverfassungsgesetzes enthalten sind, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen, der sich auf eine Änderung in Art. 1 Z 5 bezieht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungs­mäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle wieder ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Hauptausschusses, seinen Bericht 787 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. –Das ist mehrheitlich angenommen.

14.40.243. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1107/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 43

gesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden (828 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1171/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und Pensionen der obersten Organe des Bundes und sonstiger Funktionäre (Bezügegesetz) geändert wird (829 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1186/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden (830 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1193/A(E) der Abge­ordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einfrieren der Politikergehälter und Senkung der Politikerpensionen alter Art um zumindest 10 % (831 d.B.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


14.41.53

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erlaube mir – hoffentlich mit Zustimmung der Präsidentin –, doch noch zwei Sätze zum letzten Tagesordnungspunkt zu sagen, bevor ich auf die Tagesordnungspunkte 3 bis 6 eingehe – nur einfach zum Nachdenken.

Ein Parlament ist ein Gesetzgebungskörper, eine Legislative. Wenn gesetzgeberische Funktionen ausgehöhlt und wir einer anderen Rechtsordnung unterstellt werden, dann ist das alles Mögliche, aber keine Stärkung des Parlaments. Wenn wir stattdessen Konsultationsrechte und die Möglichkeit zu internen Gesprächen auf Augenhöhe erhalten, wenn wir ein Organ der Außenpolitik werden, gleichrangig mit dem Außen­minister, oder was auch immer, wenn wir Datenbanken einrichten, dann ist das alles Mögliche, aber keine ureigene Aufgabe des Parlaments und daher sicher keine Stärkung des Parlaments. (Beifall bei der FPÖ.)

Hinsichtlich der gegenständlichen Materie, bei der es ja erfreulicherweise einen breiten Konsens zu geben scheint, ist mir Folgendes sehr wichtig: Der Herr Bundespräsident hat heute in seiner Rede, über die sicherlich vieles zu sagen und an der es vieles zu kritisieren gibt, gesagt, dass den Menschen vieles zumutbar ist, wenn man ihnen die


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Wahrheit sagt und wenn man ihr Unrechtsbewusstsein nicht verletzt. Das müssen wir uns immer überlegen, wenn wir über unsere eigenen Bezüge und über unsere eigene Stellung hier sprechen, denn wir sind – das kann man drehen und wenden, wie man will – die einzige Berufsgruppe in Österreich, die selbst bestimmt, was sie verdient und unter welchen Bedingungen und mit welchen Bezügen sie in Pension geht. Da ist die Gruppe der Politiker – nicht nur der Nationalräte, sondern der Politiker allgemein – die einzige. (Abg. Grosz: Fürs falsch Abstimmen kriegt man eine Gehaltserhöhung, und fürs falsch Klatschen ...!) – Ja, ja, nächste Wortmeldung dann: Grosz.

Da müssen wir die mediale Diskussion wirklich vorsichtig führen. Einige Kollegen sind in den letzten Tagen herausgetreten und haben gemeint, sie seien unterbezahlt, oder haben ihre Bezüge mit den Gehaltsniveaus verglichen, wie sie etwa ein Herr Treichl von der Erste Bank hat oder andere Boni-Bezieher aus den USA kennen, und haben dann gesagt, der Herr Treichl verdiene zehn Mal so viel wie der Bundeskanzler, das könne doch nicht sein.

Liebe Kollegen, ich bin der Meinung, da besteht ein fundamentaler Unterschied. Wir sind hier nicht in der Wirtschaft, wir machen hier keine Geschäfte, sondern wir tun etwas, das sich Politik nennt, das sich Volksvertretung nennt, und jeder, der diesen Job nur macht, weil er da viel verdient, ist ja per se schon fehl am Platz. Wenn wir jetzt mittels eines möglichst hohen Gehaltsniveaus versuchen, Experten anzuziehen, die sonst nicht in die Politik kommen würden, dann sind das genau die falschen Leute.

Die Damen und Herren von der SPÖ kennen ja diese Erfahrung, und zwar nicht nur bei Politikern: Wenn Sie Leute, die gewohnt sind, Coca Cola oder Red Bull oder McDonald’s zu verkaufen, als Spin-Doktoren nehmen, und die machen Ihnen einen Wahlkampf, dann kommt nichts Gescheites heraus. Das sind Leute, die fehl am Platz sind. Da kommt dann so eine Wahlwerbung wie „Das A-Team“ heraus  Europawahl 2009. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist also ein Ansatz, vor dem wir uns hüten müssen. Politisch zu handeln darf nicht heißen, sein Handeln am Maximum an persönlichen Vorteilen, persönlichem Gewinn oder persönlichem Gehalt auszurichten. Eine weltweite Beobachtung zeigt uns, dass Qualität in der Politik mit der Bezahlung der Politiker nichts zu tun hat.

Nehmen Sie Kenia als Beispiel, das vor zwei, drei Tagen wieder im Gespräch war. (Abg. Dr. Moser: Griechenland ist noch besser!) Kenia ist nämlich das Land mit den derzeit fast höchsten Nettopolitikerbezügen. Da verdient zum Beispiel ein Parlaments­abgeordneter ungefähr 11 850 € netto, denn dort haben die Abgeordneten bis vor Kurzem keine Steuern gezahlt, sondern waren von den Steuern befreit. Jetzt gibt es dort einen Riesenwirbel, weil sie jetzt Steuern zahlen müssen. Das Parlament hat daraufhin beschlossen, die Bezüge der Abgeordneten zu verdoppeln, und nun herrscht dort ein vorrevolutionärer Zustand.

Kenia hat nicht nur die höchsten Politikerbezüge – das gilt für Minister übrigens auch, die haben weit mehr als unsere Leute hier in Österreich –, sondern es ist auch das zweitkorrupteste Land, was die Haltung seiner Politiker betrifft. Die Abgeordneten, die man nach den mir vorliegenden Transparency-International-Untersuchungen am zweit­leich­testen kaufen kann, sind die Kenianischen. Das muss man alles wissen, denn all das Gerede, man müsse die Politiker hoch bezahlen wie den Treichl, dann seien sie super und dann bekäme man qualitätsvolle Leute, ist verfehlt.

In diesem Sinne brauche ich unseren Antrag nicht weiter zu erläutern. Er deckt sich über weite Strecken mit dem Ansinnen anderer. Das, was wir besonders zu beachten bitten, ist die Frage der Pensionen nach dem alten Pensionssystem. Ich glaube, da besteht Handlungsbedarf, denn die Leute werden nicht verstehen, dass es überall Einschnitte gibt, dort aber alles beim Alten bleibt. Bei diesen Altpensionen liegt die


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Deckungsquote ja bei etwa 9 Prozent – das heißt, die Einzahlungen decken nur noch 9 Prozent, der Rest wird vom Steuerzahler beglichen. Das geht nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

14.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 


14.47.15

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin überhaupt dafür, dass wir einfach einmal eine Grundsatzdebatte über unser Selbstverständnis führen – wie wir uns darstellen, wie wir uns bewerten. Wir haben das ja im Verfas­sungsausschuss schon getan. Ich würde anregen, dass wir diese Debatte heute auch im Plenum führen und dass man das außerdem gegenüber Medienvertretern, im Fern­sehen, bei Wahlveranstaltungen oder im Wahlkreis darstellt. – Damit bin ich schon beim eigentlichen Thema angelangt.

Ich glaube, dass die Bewertung dessen, was Politiker wert sind, erst einmal mit der Frage beginnen muss, welche Arbeitsfelder und Arbeitsbereiche sie eigentlich haben. Das lässt sich nicht nur quantifizieren, das ist auch eine Frage dessen ... (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. Na ja, schauen Sie, es kommt einmal auf Folgendes an: Vor ein paar Tagen habe ich in der Zeitschrift „Österreich“ ein Ranking mit einem von Ihnen erfundenen Bewertungssystem gefunden, in dem Ausschussmitglied­schaften, die Anzahl der Reden und die Anzahl der parlamentarischen Anfragen kombiniert werden. – Das blendet die Arbeit, die eben viele Abgeordnete in ihrem Wahlkreis haben, völlig aus. Diese umfasst aber wahnsinnig vieles, weil ja heute erwartet wird, dass man für Informationen, vielleicht Interventionen da ist, bei Veran­staltungen, Feuerwehrfesten und Ähnlichem präsent ist und dort auch kommuniziert. Im Übrigen ist das auch mit Kosten verbunden.

Die Zahl der Ausschussmitgliedschaften, die in diesem Ranking herangezogen wird, sagt über die Qualität und den Aufwand der Tätigkeit gar nichts aus, weil es darauf ankommt, ob jemand mit einem bestimmten Projekt auch wirklich verbunden ist, denn dann arbeitet er Tag und Nacht an dem Projekt. Das heißt, wenn jemand in einem Ausschuss tätig ist und ein Projekt über sechs Monate hindurch begleitet, dann hat er mehr gemacht als jemand anderer, der vielleicht in drei Ausschüssen sitzt, aber eben nicht mit einem zeitintensiven Projekt betraut wurde (Abg. Grosz: ... und der keine Parteisteuer zahlt!), was noch lange nicht heißt, dass er nicht damit betraut werden will, sondern es gibt einfach bestimmte Aufteilungen.

Die Anzahl der Reden im Plenum sagt auch nichts aus, denn bei kleineren Fraktionen müssen die Einzelnen öfter reden, als es bei den größeren Fraktionen möglich ist, weil wir Redeordnungen haben.

Ich finde, das sollte man versuchen, hier einmal irgendwie aufzuarbeiten, und es in einen Zusammenhang mit der Bezahlung stellen. Da haben wir in der Vergangenheit wahrscheinlich auch Fehler gemacht, denn wenn wir hier immer mehr zu einem Arbeits­parlament werden und wenn in Wirklichkeit durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union der Arbeitsunfall, pardon, Arbeitsanfall hier im Parlament größer geworden ist, dann, möchte ich nur sagen, ist das auch einzuberechnen und nicht wegzudividieren. Das definiert letztlich schon auch, was Abgeordnete ausmacht.

Dann gibt es die berühmte Debatte der Qualifikation der Abgeordneten. Wenn man ein repräsentatives Parlament haben möchte, dann muss man eine Vielfalt an Qualifikation einbringen. Wenn es immer mehr zu einem Arbeitsparlament wird, dann gibt es viele, die sich hier einarbeiten und dann mit dieser Tätigkeit mitwachsen, und es gibt auch


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Experten. Als ich das erste Mal hier war – weil Sie immer Scherze machen –, gab es keine parlamentarischen Mitarbeiter und auch nur eine geringe Anzahl von Klub­experten. (Abg. Grosz: Fürs Protokoll: Seit 50 Jahren!)

Was wir erkämpft haben, ist, dass es hier mehr Fazilitäten, mehr Möglichkeiten, mehr Büros, mehr Klubexperten, mehr parlamentarische Mitarbeiter gibt, und es ist in Wirklichkeit noch immer nicht genug, wenn ich das mit anderen Parlamenten in Europa vergleiche. Wenn man will, dass dieses Parlament – und das haben wir beim vorigen Tagesordnungspunkt mit verhandelt – auch wirklich wettbewerbsfähig ist – und wettbewerbsfähig zu sein heißt, auch auf Augenhöhe mit Regierungen arbeiten zu können –, dann muss dieses Parlament natürlich die entsprechenden Fazilitäten haben. Das betrifft auch die Arbeit im Zusammenhang mit der Europäischen Union. Da ist Erfahrung ein Wert, den man nicht gering schätzen sollte – nämlich auf allen Ebenen. Das ist für die Kontinuität von größter Bedeutung.

Ich möchte da ein kleines Beispiel bringen: Ich habe mit Interesse ein Interview von Peter Pilz – er ist gerade nicht hier – im „Standard“ gelesen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Na ja, es ist noch nicht 18 Uhr, da kriegt er dann langsam schläfrige Augen, ich weiß. (Abg. Grosz: Ein Herr Gusenbauer hört um 14 Uhr auf!)

Das Interview hatte den Titel: „Wir haben ein Nasenring-Parlament.“ – Darin ist von „Nasenring-Parlament“, „Hilflosenzuschuss“ für die Abgeordneten und Ähnlichem die Rede, das geht nur so zack-zack. Ehrlich gesagt, Peter – da ist er –, du weißt, es gibt Momente, in denen ich dich sehr schätze, aber es gibt Momente, in denen ich dich nicht schätze – zum Beispiel in dem Moment, in dem du dieses Interview gegeben hast, weil ich nämlich glaube, dass das nicht in Ordnung ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass wir zum Beispiel an der Regierungsvorlage zum Glücksspielgesetz, die hier ins Haus gekommen ist, im Rahmen unserer Tätigkeit letztlich 27 Änderungen durch­geführt haben, muss man zur Kenntnis nehmen, wenn man das objektiv beurteilen will. Ob das Ergebnis dann so ist, wie es jeweils die Abgeordneten einer Partei wollten oder nicht, ist eine politische Frage. Man kann auf einer politischen Ebene sagen: Ich will diese Vorlage trotz dieser 27 Änderungen nicht.

Es sind immer mehr Gesetze, an denen das Parlament mitwirkt, immer mehr Gesetzwerdungsprozesse, in die Parlamentarier der beiden Regierungsparteien einbezogen sind, wenn die Ministerialbürokratie an den Vorlagen arbeitet. Das hat sich gegenüber früher geändert. Es gibt mehr Integration in der Tätigkeit, ja, man kann fast schon sagen, – unter Anführungszeichen – mehr „Regieren“.

Wenn man aber auf dem Standpunkt steht, ein Parlament ist erst dann kein „Nasen­ring-Parlament“, wenn es exakt das macht, was ein Oppositionsabgeordneter will, dann, muss ich sagen, ist das ein Demokratiezugang, den ich nicht okay finde. (Abg. Brosz: Was hat der Bundespräsident zur Budgetverschiebung gesagt?) Ich stelle mich auch nicht her und sage, die Grüne Partei ist dann in Ordnung, wenn sie jeder Vorlage, die die Regierung oder die SPÖ macht, zu hundert Prozent zustimmt, und wenn sie das nicht macht, dann sind sie halt verwirrt, kennen sich nicht aus, sind nicht qualifiziert und so weiter. Wenn wir den Diskurs auf dieser Ebene ... (Abg. Brosz: Sagst du was zu den Äußerungen des Bundespräsidenten zur Budgetverschiebung?) Nein, nein.

Ich schätze deine Mitarbeit; zum Beispiel beim ORF-Gesetz muss ich sagen, das war konstruktiv. Wir haben nichts in den Medien gelesen, das war wirklich gut. Ihr habt euch dann entschieden, in dritter Lesung nicht zuzustimmen. – Das ist eure Ent­scheidung. In zweiter Lesung habt ihr zugestimmt – in Ordnung. Es hat von uns keine einzige kritische Äußerung gegeben, in der wir gesagt hätten, ihr seid gewissenlos, ihr habt uns getäuscht oder irgendetwas Ähnliches. (Abg. Brosz: Ostermayer schon!)


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Ich bin nur dafür, dass wir, wenn wir gemeinsam daran interessiert sind, dass dieses Haus eine andere Art von Respekt und Anerkennung bekommt, dann aber auch untereinander anders miteinander umgehen, und dass wir dafür sorgen, dass diese Anerkennung auch nach außen getragen wird. (Abg. Brosz: Der ORF ist uns wurscht  wer hat das gesagt? – Ostermayer!)

Ich habe jetzt deshalb das Interview zitiert, das Peter Pilz im „Standard“ gegeben hat, weil er nämlich im „Kurier“ von heute sagt: „Wir müssen aufpassen, dass wir das Mandat nicht noch weiter abwerten.“ (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn die Regierung das Parlament niedermacht! Abg. Petzner: Verfassungsbruch!) Das sagt er im heutigen „Kurier“, und vorher im „Standard“ wertet er mit Aussagen wie jener, die auch als Titel des Interviews herangezogen wurde, in Wirklichkeit das Mandat der National­räte ab. (Ruf bei der ÖVP: So ist er!) Nein, nicht „So ist er!“. Wir sollten versuchen, in der Diskussion gemeinsam zu Sprachregelungen zu kommen, um so etwas in Zukunft zu vermeiden.

Das ist ein Dialogangebot. Ich stelle mich nicht hier her und spiele den Oberlehrer, sondern es ist nur ein Angebot, dass wir versuchen, auch untereinander vernünftig mit­einander umzugehen. (Abg. Grosz: Bricht die Verfassung!) – Kollege Grosz, es wäre auch ein Ziel, sich einmal zu fragen, ob das Wording gut ist. (Abg. Grosz: Aber ehrlich!) Wir haben in den letzten Tagen hier eine Wording-Debatte und eine Wording-Kritik gehabt, die nicht unbedingt nach außen transportiert werden sollte. (Abg. Grosz: Die steirische Seele!)

Schauen wir uns die E-Mails an, schauen wir uns die Briefe an, die wir kriegen, in denen oft Kritik an der Art und Weise geübt wird, wie wir in den Debatten miteinander umgehen. Jetzt sage ich noch einmal: Ich plädiere nicht dafür, dass es da Harmonie gibt, dass man sich gegenseitig um den Hals fällt. – Das sagt kein Mensch. (Abg. Ing. Westenthaler: Euch ist doch das Parlament völlig wurscht!) Man soll die politi­schen Differenz hier auch ordentlich austragen, aber wenn wir zugleich wollen, dass es diese Anerkennung gibt, dann müssen wir dafür sorgen ... (Abg. Ing. Westenthaler: Euch ist doch samt der Präsidentin das Parlament völlig wurscht! Abg. Silhavy: Sagt gerade der Westenthaler, der ...!) Nein, okay, das ist dein politischer Standpunkt, aber trotzdem sollten wir versuchen, dass das vernünftig abläuft. (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr seid Verfassungsbrecher, das ist die Wahrheit!)

Daher: Nullrunde bedeutet nur, dass wir der Meinung sind, diese symbolische Geste macht jetzt in der Krisenzeit Sinn, aber zugleich bedeutet es nicht, dass wir der Meinung sind, wir sind unser Geld nicht wert oder wir sind überbezahlt. Das ist es nicht. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist euch doch völlig egal!) Das war ein Versuch, aber wir können auch sagen, lassen wir das Ganze. Ich bin der Meinung, wir sollten das nicht dabei belassen. (Abg. Grosz: Auch seit 50 Jahren dieselbe Rede!) Daher mein Ersuchen, dass wir vernünftig über unsere Rolle, unsere Aufgabe und darüber, was wir für die österreichische Öffentlichkeit und für unsere Wählerinnen und Wähler darstellen, reden und das auch erfüllen. – Das war heute mein Versuch. (Beifall bei der SPÖAbg. Grosz: Seit 50 Jahren dasselbe! Abg. Ing. Westenthaler: Nicht einmal eure Präsidentin verteidigt das Parlament, und ihr beschwört den Parlamentarismus!)

14.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


14.56.07

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Cap, ich nehme den Dialog auf. Über die Themen, die Sie angesprochen haben, muss man reden, aber in der Sache darf man dann, wenn man über den


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Respekt spricht, auch nicht vergessen, dass der Respekt nicht damit beginnt, was man sich gegenseitig medial ausrichtet, sondern wahrscheinlich damit, wie man die gegenseitige Arbeit respektiert.

Wenn Hunderte Anträge, Gesetzesvorschläge, die die Opposition eingebracht hat, in der Pipeline, in der „Vertagungsröhre“ hängen, dann könnte man auch in diesem Zusam­menhang von einem respektlosen Verhalten sprechen. Also ich denke, wenn wir über dieses Arbeitsparlament sprechen, wenn wir über die Arbeitsan- oder -unfälle dieses Parlaments sprechen, dann sprechen wir doch bitte auch über die Usance der Regierungsparteien – man kann es auch Unart der Regierungsparteien nennen –, sich nicht zu positionieren, sondern Anträge zu vertagen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden der Nulllohnrunde zustimmen, weil wir diese auch für ein wichtiges Signal in Zeiten des allgemeinen Sparkurses halten, über den wir ja im Herbst noch aus­reichend Gelegenheit haben werden, trefflich zu diskutieren und zu streiten. Wir glauben aber, dass auch noch andere Signale notwendig sind, und zwar nicht nur bei unseren eigenen Gehältern, die, wie ich meine, durchaus angemessen sind. – Viele Gehälter anderer Berufsgruppen sind eindeutig nicht angemessen; ich erinnere an das Pflege­personal, an KindergartenpädagogInnen, an pädagogisches Personal: überwie­gend Frauen, die in nicht angemessen bezahlten Berufen arbeiten. Es wird also wohl nicht nur dieses Signalaktes, dieser Symbolhandlung, dieses Solidarbeitrages bedürfen, sondern mir fiele schon noch ein nächster ein – und da gibt es wahr­scheinlich noch einige, an die man denken könnte.

Vizekanzler Pröll hat vor nicht allzu langer Zeit davon gesprochen, dass man den Gürtel enger schnallen müsse – das kann man sich jetzt bildlich vorstellen, oder man kann ihn auch an seinen Taten messen –, und dann hat er in einer von ihm inserierten Kampagne zum Thema „Weniger Schulden. Mehr für Österreich“ – Sie alle können sich vielleicht daran erinnern, das war Ende April großflächig in verschiedenen Tageszeitungen: jedes Baby, jede Oma, jeder Nachbar hat Schulden in Höhe von 24 000 € – die Menschen davon informiert, wie viel Euro Schulden sie denn hätten. – Man muss dazusagen, nicht diese Personen machen die Schulden, sondern der Finanzminister.

Diese Kampagne, deren Informationsgehalt unserer Meinung nach gegen Null geht, hat exakt 816 802,51 € gekostet. – Und wenn wir das jetzt der Nulllohnrunde gegenüberstellen und uns fragen, was denn diese oder ähnliche Aktionen bringen, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob es nicht auch da endlich an der Zeit wäre, dass die Regierungsmitglieder zum einen Entschließungen, die hier abgesegnet wurden, und zum anderen des Öfteren monierte Begrenzungen der Inseraten- und Werbekampagnen gerade in Zeiten wie diesen ernst nehmen und sich wirklich auf Kampagnen reduzieren, die der Information über inhaltliche Fragen, die die Bevölkerung betreffen, dienen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sagen: Ja! – Ich stelle diesen 816 802,51 € die Gesamtsumme pro Jahr gegenüber. Die Gesamtsumme für Aufwendungen war im Jahr 2008 35 Millionen € und war im Jahr 2009 30 Millionen €. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Und die Stadt Wien nicht zu vergessen! – Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Die Stadt Wien – danke für den Hinweis! – gibt pro Tag 100 000 € für Werbe-/Infor­mationskampagnen aus. 100 000 €! (Ruf bei der SPÖ: Es passiert auch viel in Wien!) Ja, wir wissen aber alle, dass diese Informationskampagnen eben nicht der Information dienen, wie der Name uns fälschlicherweise glauben machen will, sondern dass diese Informationskampagnen einzig und allein dazu dienen sollen, dass Regierungsmit­glieder Parteipolitik, Personenkultpolitik, Personenkultkampagnen auf Kosten der


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SteuerzahlerInnen machen können. (Abg. Grosz: Das macht aber der Voves in der Steiermark auch!)

Also: Beginnen wir bei uns, aber setzen wir mit diesen Solidarbeiträgen fort! Eine Möglichkeit wären gleich die Inserate und Werbekampagnen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.00


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Molterer. – Bitte.

 


15.00.57

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mit dem Tagesordnungspunkt, den wir vorher gerade diskutiert und Gott sei Dank mit breiter Mehrheit beschlossen haben, dem Parlament neue Aufga­benstellungen zugeordnet. Neue Aufgabenstellungen bedeuten auch neue Arbeit für uns. Ich halte das für gut so, dazu sind wir ja auch da. Das ist ja keine Beschwerde, ganz im Gegenteil: Ich bin froh, wir wollen ja die österreichischen Interessen auch in der europäischen Dimension wahrnehmen, nicht nur die nationalen, für die Menschen in dem Lande.

Es ist völlig egal, ob ein Abgeordneter in diesem Haus aus der Rolle der Opposition oder aus der Rolle einer Regierungsmehrheit seine Arbeit verrichtet: Es ist die Arbeit gleich viel wert. Das ist ganz egal. Auch die Opposition kann einmal Regierung sein und die Regierung einmal Opposition; das ist in dem Haus fast jedem schon so ergangen. Auch der ÖVP übrigens einmal – für die, die erst seit Kurzem herinnen sind.

Daher ist die Kernfrage, dass wir in dem Punkt Gehalt und Gehaltspolitik für die Politiker meiner Meinung nach auch das Recht und das Selbstbewusstsein haben sollten, dass wir hier in der Öffentlichkeit auch unsere Leistung darstellen, und auch das Selbstbewusstsein haben sollten zu sagen: Wir verdienen das Geld, das wir ver­dienen, das im Gesetz geregelt ist, das transparent ist, das jeder nachlesen kann, absolut zu Recht. Dieses Selbstbewusstsein brauchen wir – und nicht nur an einem Tag wie heute, sondern eigentlich ständig und immer.

Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich klar, dass dieses Signal des Verzichtes auf die Steigerung des Gehaltes in dieser Krise notwendig ist. Aber ich sage Ihnen ganz offen, ich habe bei Parlamentsbeschlüssen schon bessere Gefühle gehabt als bei diesem, weil eines schon klar sein muss: Wenn wir das Signal setzen, dieses notwendige Solidaritätssignal, dürfen wir nicht den Fehler machen, dass wir den Ein­druck erwecken, unsere Arbeit sei weniger wert. Ich finde, das Gegenteil ist der Fall.

Wenn wir aber der Meinung sind, dass unsere Arbeit durchaus das Geld wert ist, das wir verdienen, dann müssen wir auf der einen Seite – da hat Josef Cap durchaus recht – uns dieser Arbeit auch selbst einmal annehmen und dürfen nicht von außen unsere Arbeit nach wirklich eigenwilligen Maßstäben bewerten lassen. Denn ganz ehrlich gesagt: Die Zahl der Reden als Kriterium zu verwenden, das ist überhaupt keine Kunst, denn dann geht jeder von uns heraus, hält eine Minutenrede und bringt auch 150 Reden zusammen. Er braucht nur herauszugehen und zu sagen „Grüß Gott!“ und „Auf Wiedersehen!“, und er hat ein Stricherl. Ich meine, das ist ja grotesk! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Daher ist diese Frage, meine Damen und Herren, für uns selbst wichtig. Dann setzen wir uns eben einmal zusammen und unterhalten uns nicht nur über den nächsten Initiativantrag, sondern über diese Frage: Warum lassen wir uns von außen beurteilen?

Es käme doch niemals ein Politiker auf die Idee, herzugehen und eine Stricherlliste für einen Kommentator einer Zeitung zu machen. Wir können uns denken darüber, was


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 50

wir wollen, das ist überhaupt keine Frage. Eine Stricherlliste führt jeder für sich, aber wir machen doch kein Ranking von Journalisten – na, die würden sich schön be­schweren! –, aber umgekehrt? – Erste Frage.

Zweite Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen: In dem Haus haben wir schon mehrmals Anläufe genommen, dass wir uns in der Gehaltsfrage auf einstimmige Vorgangsweisen einigen. Wir hatten Einstimmigkeit bei der Bezügepyramide. Wir hatten auch einen einstimmigen Konsens in der Frage, wie unsere Gehaltsanpassung erfolgt. Aber wir sind selbst von dem Konsens abgegangen, aus jeweils unterschiedlichsten Motiven, einmal taktischen, einmal zeitlichen, einmal was weiß ich was. – Da dürfen wir uns aber nicht wundern: Wenn wir unsere eigenen Beschlüsse selbst nicht ernst nehmen, dann wird man uns auch nicht ernst nehmen.

Das heißt, wenn wir hier Anläufe machen zu Einstimmigkeit und gemeinsamer Strate­gie, dann appelliere ich, dies auch durchzuhalten, wenn es etwas kritisch ist. Das muss man als Politiker auch können. Auch wenn man Gegenwind hat, muss man einmal tatsächlich eine Position beziehen.

Drittens: Eine Bitte habe ich, auch angesichts der Diskussion der letzten Minuten, die jetzt gelaufen ist, und auch wegen mancher Äußerungen von Kollegen über Kollegen des Parlaments. Die Frage, ob ein eigener Wunsch im Parlament eine Mehrheit findet oder nicht, kann nicht darüber entscheiden, ob das Parlament qualitätsvolle Arbeit leistet. Es kann jedem von uns einmal passieren, dass er verliert oder dass er gewinnt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Aber es hat nie, wenn mich jemand überstimmt, derjenige, der mich überstimmt hat, eine bestimmte Abqualifikation von mir zu erwarten. Nie! Denn: Demokratie bedeutet, mit Mehrheit und mit Minderheit umzugehen. Und wer mit Minderheit nicht umgehen kann, kann auch mit Mehrheit nicht umgehen. Diesen Respekt vor demokratischen Prinzipien erwarte ich von allen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

15.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte. (Abg. Rädler: Jetzt hören wir wieder das Gegenteil!)

 


15.06.38

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Zunächst glaube ich schon, dass allgemeiner Konsens darüber herrscht, Herr Kollege Molterer, dass man in einer Situation wie der jetzigen wohl kaum irgendjemandem erklären könnte, dass sich ausgerechnet die politische Kaste die Gehälter automatisch anpasst. Ich glaube, das ist Common Sense. (Abg. Mag. Ikrath: Allein die Wortwahl, Herr Kollege! Das ist die falsche Wortwahl!) – Nicht „Wortwahl“, sondern es ist mittlerweile eine Kaste geworden, eine Sekretärskaste geworden, die zunehmend an Bodenhaftung zur Bevölkerung verliert. Da kann man darüber diskutieren, warum das so ist, aber es ist so. Das ist ein Faktum.

Zweitens: Ich gebe Kollegem Hübner uneingeschränkt recht – wo ist er denn? (Abg. Krainer: Ist das eine Selbsttherapie?); nein, das ist keine Selbsttherapie! –, wenn er unter Hinweis auf Kenia – ich glaube, das hat er genannt – sagt, dass die Qualität der Politiker nichts mit der Höhe der Bezüge zu tun hat. Das stimmt. Da sprach ein Berufener. Die FPÖ-Fraktion ist das beste Beispiel dafür: Qualität der Politiker hat nichts mit der Höhe der Bezüge zu tun. (Abg. Rädler: Bei Ihnen auch nicht!)

Denn wenn ich das alles umsetze, was der FPÖ-Antrag verlangt, müsste ich sofort für falsches Abstimmen 500 € Politikergehalt einziehen, für falsches Applaudieren minus 100 € – ich bin da gnädig, es ist ja nur Applaudieren, das ist ja nicht so krass –, für falsches Argumentieren minus 1 000 €, für falsches Anwesend- und Abwesendsein


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minus 500 €. Kollege Strache rennt ja jedes Mal hinaus, wenn ich zum Rednerpult trete. Heute ist er gar nicht da. (Beifall beim BZÖ.)

Daher kann man mit mir ruhig über den Leistungsgedanken und über Qualität im Bezügesystem diskutieren. Das können wir anhand der unterschiedlichen Fraktionen modellhaft durchrechnen. Ich bin mir nicht sicher, ob da die FPÖ-Fraktion wirklich so gut aussteigen würde.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich eigentlich inhaltlich auf Kollegen Cap und auf Kollegen Molterer konzentrieren. Ich habe mit großem, großem Hoffnungs­gedan­ken gehört: fairer Umgang, respektvoller Umgang der Mehrheit mit der Minderheit. Kollege Cap macht gleich ein Dialogangebot. Die Arbeit der Opposition und der Regierungsfraktion ist grundsätzlich gleichwertig, hat Willi Molterer gesagt.

Meine Damen und Herren, ich bringe Ihnen gleich ein Beispiel dafür. Heilige Lippen­bekenntnisse haben mitunter kurze Beine, Herr Kollege Cap. Es kann sich jeder die Vorlagen hernehmen: Die jetzt in Diskussion stehende Vorlage geht zurück auf einen Antrag der Abgeordneten Josef Bucher, Ewald Stadler und anderer Mitglieder der BZÖ-Fraktion. In diesem verlangen wir, dass wir diese Bezügeanpassung aussetzen bis zum 1. Jänner 2012. Der Antrag wird eingebracht, und dann kommt exakt der gleiche Antrag, und zwar exakt der gleiche Antrag ... (Abg. Mag. Donnerbauer: Das haben wir im Ausschuss schon gehört!) – Ja, ich erkläre es hier gerne noch einmal. Schau, Kollege Donnerbauer erinnert sich sogar noch, was im Ausschuss schon erklärt wurde. Ja, wunderbar! Bravo! Hurra! Er hat aufgepasst! (Beifall beim BZÖ.) Plus 50 €! Kollege Hübner, plus 50 € wegen Aufpassens! Qualifizierter Zwischenruf: noch einmal 20 €! Jawohl! Das zeigt, dass er dabei war. (Abg. Mag. Gaßner: Das ist mehr wert! Plus 500 €!)

Also: Wir haben einen Antrag Bucher, dann kommt ein Antrag Cap und Kopf, und dieser ist exakt gleich. Sogar der Zitationsfehler, der uns passiert ist, ist mit über­nommen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.) Minus 20 €, ich bin gerne dabei! Und für die, die falsch abschreiben, minus 200 €, die Zehnerpotenz, denn das haben Sie leider übersehen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist der respektvolle Umgang, den Cap und Kopf einmahnen – die gleichzeitig den Beweis dafür liefern, dass alles beschlossen werden kann, aber es muss „Cap“ und „Kopf“ draufstehen?! Sonst kann die Koalition gar nichts beschließen, auch wenn es sachlich so richtig ist, dass man es abschreibt und dabei gleich noch einen Zahlen­sturz, der bei der Zitation eines Bundesgesetzes passiert ist, mit abschreibt.

Meine Damen und Herren, ich hätte ja noch Verständnis dafür gehabt, wenn sie gesagt hätten: Wir mussten diesen Antrag einbringen, weil beim Antrag des BZÖ ein Zahlensturz drinnen gewesen ist. Daher konnten wir unmöglich zustimmen. – Aber nein! Sogar noch die kleinen Pannen schreiben Sie mit ab! Beschlossen werden darf es erst, wenn „Cap“ und „Kopf“ draufsteht.

Ist das der respektvolle Umgang mit der Opposition? Ist das die grundsätzliche Gleichwertigkeit von Regierungsarbeit und Oppositionsarbeit? Ist es das, Herr Kollege Willi Molterer? Ich höre jetzt auf einmal nichts mehr – oder bin ich schwer­hörig?

Das ist der zynische Umgang mit der Opposition! Die Opposition kann machen, was sie will, es ist aber nur dann etwas wert, wenn die Regierungsfraktionen draufstehen. Ist das der geeignete Umgang mit der parlamentarischen Opposition? Das ist er nicht, meine Damen und Herren!

Sie werden sehr rasch an Ihren eigenen Taten gemessen werden. Heute große Lip­pen­­bekenntnisse, die Öffentlichkeit hat es mithören können ... (Abg. Ing. Westenthaler:


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Verfassungsbruch!) Verfassungsbruch ist sowieso ein anderes Thema. Verfassungs­bruch ist sogar noch gut, weil die Argumente, die Sie bringen, von vornherein die besten sind. Die Regierung kann machen, was sie will – wenn die Argumente den beiden Regierungsfraktionen in den Kram passen, dann sind sie auch dann gut, wenn es evidenter Verfassungsbruch ist. Da kann die Wissenschaft sagen, was sie will, die Opposition kann erst recht sagen, was sie will. Das spielt alles keine Rolle, meine Damen und Herren! Und da sieht man auch, wie wichtig es ist, dass diese beiden Regierungsparteien keine Zweidrittelmehrheit haben.

Ich möchte mir nicht vorstellen, was die seinerzeitige Opposition mit der Regierung, bestehend aus FPÖ und ÖVP, damals aufgeführt hätte, wenn man einen derartig eklatanten Verfassungsbruch begangen hätte: Drei Weise aus dem Euroland hätten wir bekommen, mindestens! Eine Sonderprüfungskommission aus der Europäischen Union wäre aufgekreuzt. Nein, aber jetzt sitzen Sie beide gemeinsam in der großen Koalition, haben – aus Ihrer Sicht bedauerlicherweise – keine Zweidrittelmehrheit und müssen vorderhand jedenfalls mit dem Rest der Opposition wenigstens einigermaßen pfleglich umgehen.

Ich kann den Österreicherinnen und Österreichern nur sagen: Sehen Sie daran nicht nur, wie man hier falsche Bekenntnisse im Umgang mit der Minderheit ablegt, sondern sehen Sie daran auch, wie diese Regierungsparteien mit der Bundesverfassung umgehen würden, hätten sie die Verfassungsmehrheit! Dann wäre dieser Verfassungs­bruch an der Tagesordnung. (Beifall beim BZÖ.)

15.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


15.13.11

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich folge der Einladung des Kollegen Cap zum Dialog gerne und beginne den Dialog mit einer einfachen Feststellung: Die drei Hauptaufgaben – und ich glaube, da sind wir doch einer Meinung – des Nationalrates sind: Kontrolle, Gesetzgebung und Budget­erstel­lung.

Kommen wir zur Kontrolle: In den letzten Jahren hat das Plenum des Nationalrates mit Mehrheit hintereinander vier Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Alle vier sind dann, wenn es heikel geworden ist, mit Regierungsmehrheit abgedreht worden, mit der Mehrheit der Abgeordneten in diesem Haus aus SPÖ und ÖVP abgedreht worden.

Der Banken-Untersuchungsausschuss – abgedreht.

Der Eurofighter-Untersuchungsausschuss – abgedreht.

Der Innenministeriums-Untersuchungsausschuss – abgedreht.

Und der Untersuchungsausschuss zur Überwachung von Abgeordneten ist kurz vor dem Thema Kasachstan abgedreht worden.

So weit zur Kontrolle. Und jetzt sagen Sie mir, Herr Kollege Cap und Herr Kollege Molterer: Wie viel sind Regierungsabgeordnete wert, die unter Kontrolle verstehen, das Parlament an der Kontrolle zu hindern? Wie viel sind sie wert? (Beifall bei den Grünen und beim BZÖ.) Ich würde einmal sagen: Nicht ganz das, was sie derzeit verdienen.

Zweitens, Gesetzgebung: Nur ein Beispiel, das Glücksspielgesetz. Mein Wunsch, Herr Kollege Molterer, war ein ganz anderer, nämlich das Verbot des sogenannten kleinen Glücksspiels durch ein Bundesgesetz. Aber durch an und für sich vom Ansatz her sehr vernünftige Verhandlungen im Finanzausschuss habe ich für meine Fraktion sig­nalisiert: Okay, wenn das Verbot keine Mehrheit in diesem Haus findet, reden wir darüber, wie wir die Interessen der betroffenen Menschen und ihrer Familien so


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 53

vertreten können, dass man sagen kann, das ist noch irgendwo verantwortbar, dieses Gesetz vertritt in erster Linie die Interessen der betroffenen Menschen, Jugendlichen und Familien und nicht in erster Linie die Interessen der Glücksspielindustrie.

So, und dann haben die Abgeordneten nach der Reihe signalisiert: Ja, wir würden ja gerne, aber da gibt es zwei Landeshauptleute, in Wien und Niederösterreich, die sagen, es müssen einmal 55 und einmal 22 Millionen € pro Jahr aus den Taschen der Spielsüchtigen in die Landessteuertöpfe. Und diese Landeshauptleute sind so stark, dass wir gegen unser eigenes Gewissen und gegen unsere eigene Überzeugung einem nicht verantwortbaren Gesetz, vor dem inzwischen bereits Staatsanwälte und Richter und Richterinnen warnen, zustimmen müssen.

Und das, Herr Kollege Molterer, und das, Herr Kollege Cap, ist nicht das, was ich mir unter einer verantwortungsvollen Gesetzgebung vorstelle. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Petzner.)

Drittens: die Frage des Budgets, das dritte große Recht des Parlaments. Na, was erleben wir in diesen Tagen? Der Bundespräsident muss Ihnen in einem „NEWS“-Interview sagen, dass die Bundesverfassung einzuhalten ist?! Ihnen als verfassungs­gebenden Abgeordneten, Ihnen muss der Bundespräsident sagen: Bitte schön, erinnern Sie doch die Bundesregierung daran, dass sie sich an die Bundesverfassung hält!? So weit sind wir gekommen, dass die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP eine Verfassungserinnerungshilfe brauchen, weil sie selbst vergessen haben, dass die Bundesverfassung auch von Mitgliedern der Bundesregierung zu beachten ist?! (Beifall bei den Grünen.)

Und für diese Abgeordneten verlangen Sie einen gerechten, hohen Lohn?! – Na gehen Sie einmal hinaus aus dem Haus, und fragen Sie einmal die Menschen, die mit ihren Steuergeldern Sie und auch mich finanzieren, was sie von dieser Art von Abge­ord­neten halten! Ich habe den vorsichtigen und zurückhaltenden Ausdruck „Nasenring-Parlament“ gewählt, um Sie nicht mehr zu verletzen und um das nur ganz vorsichtig auszudrücken. (Abg. Grosz: Da gibt es viel schlimmere Ausdrücke!) Die Menschen auf der Straße haben für diese Art von Politik wesentlich drastischere Ausdrücke, die ich hier nicht wiederholen möchte.

Deswegen appelliere ich an Sie: Nehmen Sie diese Kritik der Menschen, der Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler, von denen Sie bezahlt werden, endlich ernst, und schauen Sie mit uns gemeinsam, dass wir ein starkes, ein selbständiges, ein mündiges Parlament haben, auf das die Menschen in dieser Republik zu Recht stolz sind! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.18

15.18.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Wir stimmen über jeden Ausschussantrag getrennt ab.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 828 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn Sie dem zustimmen, bitte ich Sie um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 829 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Bitte um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 54

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 830 der Beilagen.

Im vorliegenden Gesetzentwurf sind Änderungen eines Bundesverfassungsgesetzes enthalten. Somit stelle ich zunächst entsprechend der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Die verfassungsmäßig erfor­derliche Zweidrittelmehrheit ist gegeben.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Einstimmigkeit.

Ich stelle wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 831 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

15.20.297. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (750 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz geändert wird (832 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Mag. Steßl-Mühlbacher. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.20.48

Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Ministerin! Hohes Haus! Bis dato war es nicht möglich, dass bei einer Einstellung der Tätigkeit eines Zertifizierungsdienstanbieters die qualifizierten Zertifikate fortgeführt werden. Durch die nun zu beschließende Änderung soll festge­stellt werden, dass bei einer Einstellung der Tätigkeit die Zertifikate nur dann wider­rufen werden, wenn dies nicht im öffentlichen Interesse liegt. Wenn es im öffentlichen Interesse liegt, sollen diese weitergeführt werden. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Bürgerinnen und Bürger elektronische Amtswege vornehmen, wie sie auch im E-Government-Gesetz geregelt sind.

Die Übernahme durch den Bund soll nur subsidiär erfolgen, dann, wenn das ZDA die Weiterführung der qualifizierten Zertifikate nicht anders sicherstellen kann. Zu dieser Sache wurde auch eine Ausschussfeststellung getroffen.

Ein Entfall der Zertifikate würde zum Beispiel auch bedeuten, dass die Notare oder die Rechtsanwälte den Verlust ihrer elektronischen Beurkundungssignatur beziehungs­weise auch der Berufssignatur hinnehmen müssten.

Diese Änderung soll einerseits die Kontinuität der Zertifikate sichern, andererseits aber soll auch ermöglicht werden, die Zertifikate zu verlängern.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 55

Schlussendlich handelt es sich um eine notwendige Gesetzesmaßnahme. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.

 


15.22.33

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Als das Signaturgesetz 1999 geschaffen wurde, war für die weitere Entwicklung des elektroni­schen Geschäfts- und Rechtsverkehrs über offene Netzwerke das uneingeschränkte Vertrauen in die modernen Kommunikationstechnologien Voraussetzung. Die Teilneh­mer müssen sich insbesondere auf die Identität ihres Ansprechpartners verlassen können. – Zehn Jahre später hat sich daran nichts geändert. Daher sind alle Maß­nahmen, die dieses Vertrauen stärken, positiv zu sehen, und daher stimmt die ÖVP dieser Novelle auch zu.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein funktionierendes Signaturgesetz ist eine maß­gebliche Voraussetzung für das E-Government – jenes E-Government, das sich in Österreich in den letzten Jahren zu einer wahren Erfolgsgeschichte entwickelt hat. Über die „Plattform Digitales Österreich“ können Bürger und Unternehmer Behör­denwege einfach und bequem über das Internet erledigen. Über 80 Prozent der Unternehmen nutzen bereits das E-Government-Service; immer mehr Bürgerinnen und Bürger sind elektronische Kunden. Doch auch die Behörden sind untereinander besser vernetzt, angefangen bei der kleinen Gemeinde bis hin zu den einzelnen Fachab­teilungen in den Bundesministerien.

Was heute selbstverständlich ist, erforderte in den letzten Jahren einen echten Um­denk­prozess. Vorurteile mussten abgebaut werden; ich erinnere nur an die anfängliche Skepsis bei Einführung der e-card. Mittlerweile wurde das Leistungsspektrum der e-card sogar ausgebaut um die Funktion als Bürgerkarte, mit der die elektronische Signatur möglich ist. Das heißt, selbst Formulare können mittlerweile elektronisch aus­gefüllt und gesendet werden – ohne lange Wege, schneller, sicherer und kosten­günstiger. Es ist sehr erfreulich, wenn man in den Medien zum Beispiel liest: „Website-Qualität im E-Government: Österreich führend im deutschsprachigen Raum“, oder: „Österreich bei E-Government Vorbild für hochtechnisiertes Japan“.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade die umfangreiche Palette an digitalen Leistungs­angeboten verleitet immer wieder dazu, unter dem Deckmantel der Verwal­tungsreform die Abschaffung von Behörden zu verlangen. Dort, wo die Behörden nahe am Bürger arbeiten, gehören sie jedoch nicht abgeschafft, sondern modernisiert. Eine moderne Verwaltungseinrichtung bildet keinen Widerspruch zu E-Government, son­dern unterstützt dieses Instrument. Der persönliche Kontakt zu den Bürgern darf nicht verloren gehen. Gerade Bezirkshauptmannschaften sind sparsame Einrichtungen, und an dieser Stelle darf ich auf Oberösterreich verweisen, wo dafür pro Einwohner und Jahr 66,5 € aufgewendet werden; österreichweit sind es über 80 €.

Sehr geehrte Damen und Herren! Verwaltung zu den Bürgerinnen und Bürgern zu bringen, das ist das Ziel, und zwar mit E-Government und persönlichen Kontakten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.25


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 750 der Beilagen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 56

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig beschlossen.

Wenn Sie auch in dritter Lesung dem vorliegenden Entwurf Ihre Zustimmung erteilen, bitte ich Sie um ein Zeichen. – Das ist ebenso einstimmig beschlossen.

Der Entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

15.26.368. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (781 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Richter- und Staats­anwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (833 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Herbert. – Bitte.

 


15.27.05

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die nun in Verhandlung stehende Regierungsvorlage ist eigentlich ein beson­deres Fallbeispiel dafür, wie man Politik nicht – ich betone: nicht – machen sollte. Abgesehen davon, dass diese Regierungsvorlage haarsträubende legistische Fehler aufweist – Verweise auf Gesetzesstellen, die gar nicht mehr relevant oder in Kraft sind – und es auch kein Begutachtungsverfahren gab – auch kein Wunder; wahr­scheinlich hätten die Stellungnahmen in diesem Begutachtungsverfahren dieses Gesetz ohnedies in der Luft zerrissen –, bringt diese Regierungsvorlage eine massive Verschlechterung und schwerwiegende dienstrechtliche Nachteile für öffentlich Be­dienstete mit sich. (Abg. Lueger: Stimmt nicht!) Das stimmt sehr wohl, Frau Kollegin!

Abzulehnen ist sie aber vor allem deshalb, weil sie moralisch äußerst fragwürdig ist; moralisch fragwürdig aufgrund der Vorgeschichte, die Sie wahrscheinlich alle kennen. Grundlage für diese Regierungsvorlage ist ein Rechtsstreit, der sich bis zum EuGH gezogen hat, der dann festgestellt hat, dass die bisherige Praxis bei der Anrechnung von Vordienstzeiten und der Festlegung von Vorrückungsstichtagen – weil zum Nach­teil der Beamten – abzustellen ist und dass es einer gesetzlichen Korrektur bedarf. Was machen Sie, Frau Bundesministerin? – Anstatt diese Korrektur im positiven Sinne für die Bediensteten vorzunehmen, anstatt dieser Aufforderung des Europäischen Gerichtshofes im Sinne der Beamten und Vertragsbediensteten der Republik Öster­reich zu entsprechen, konfrontieren Sie uns mit einer Regierungsvorlage, die genau das prolongiert, was bis jetzt rechtswidrig gewesen ist – in Zukunft soll es laut Gesetz erlaubt sein –, nämlich diese vom EuGH kritisierte Vorgangsweise in Bezug auf nicht anrechenbare Vordienstzeiten und Vorrückungsstichtage. Dazu muss ich Ihnen schon sagen, so geht man mit seinen Bediensteten nicht um (Beifall bei der FPÖ) – weder als Geschäftsmann in der Privatwirtschaft noch als zuständige Ministerin für den öffent­lichen Dienst!

Ich denke – und das ist mir schon ein Anliegen –, da geht es nicht um die Ver­waltungsbediensteten, nicht um die Verwaltungsbeamten, sondern da reden wir von Richtern und Staatsanwälten, da reden wir von Angehörigen des Bundesheeres, von der Justiz, von den Justizwachebeamten, von den Justizbediensteten und natürlich auch von den Kolleginnen und Kollegen der Exekutive. Sie haben im Ausschuss gesagt, dass diese Regierungsvorlage mit der Polizeigewerkschaft ohnedies akkordiert sei. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Das habe ich überhaupt nicht gesagt!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 57

Ich bin schon sehr gespannt, Frau Beamtenministerin, wie Ihre Gewerkschafter der FSG-dominierten Polizeigewerkschaft den Polizistinnen und Polizisten diese Nachteile, diese Verschlechterungen erklären werden. Ich jedenfalls kann Ihnen sagen, das ist eine Anlassgesetzgebung im negativsten politischen Sinne, und daher wird die FPÖ dieser Regierungsvorlage nicht die Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Jury.)

15.30


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


15.30.48

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lieber Kollege Herbert, es geht um keine Verschlechterungen, sondern es geht darum, dass nicht ein immens hoher Milliarden-Betrag zusätzlich bezahlt wird für einen Rechtsbestand, den wir beim Vertragsbediens­tetengesetz seit 1948 haben. – Nur damit wir wissen, wovon wir reden.

Wir sollten wenigstens sachlich diskutieren. Bei den Vertragsbediensteten haben wir jetzt das Problem, bei den Beamten kann es sich vielleicht ergeben, aber ich glaube, dass wir gemeinsam aufgerufen sind, eine faire und saubere Lösung zu finden. Wir haben schon viele Rechtsbestände an das EU-Recht anpassen müssen, seit wir Mitglied der EU sind. Ist so!

Bei uns war es eben Rechtsbestand, dass wir alles angerechnet haben ab dem 18. Lebensjahr – das brauchen wir zwei uns nicht zu erzählen, Herr Kollege Herbert, wir sind ja Beamte –, und wir haben die letzten Jahrzehnte damit leben können. Jetzt haben wir eine neue Regelung, und ich glaube, wir haben eine gute Regelung und sollten uns auch dazu bekennen. Sie ist sozialpartnerschaftlich abverhandelt worden, wir waren über den Ausschuss auch bis zur letzten Sekunde eingebunden und haben mit verhandelt.

Ich möchte jetzt auch noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Pendl, Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen zum Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Ver­trags­bedienstetengesetz 1948 und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (781 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 2 Z 4 wird nach § 113 Abs. 11 GehG folgender Abs. 11a eingefügt:

„(11a) Auf Personen, die am Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2010 in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen, sind die Abs. 10 und 11

1. sowohl bei der erstmaligen Festsetzung ihres Vorrückungsstichtags

2. als auch bei dessen Festsetzung anlässlich ihrer Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis im unmittelbaren Anschluss an das am Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2010 bestehende

sinngemäß anzuwenden. Dies gilt auch für Personen, die sowohl im Schuljahr 2009/2010 als auch danach bis zum Beginn einer anderen Verwendung in jedem Schuljahr als Vertragslehrpersonen des Entlohnungsschemas II L in einem Dienst­verhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft gestanden sind.“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 58

2. In Art. 3 Z 10 wird nach § 82 Abs. 11 VBG folgender Abs. 11a eingefügt:

„(11a) Auf Personen, die am Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2010 in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen und für die noch kein Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, sind die Abs. 10 und 11 bei der erstmaligen Festsetzung ihres Vorrückungsstichtags sinngemäß anzuwenden. Dies gilt auch für Personen, die sowohl im Schuljahr 2009/2010 als auch danach bis zum Beginn einer anderen Verwendung in jedem Schuljahr als Vertragslehrpersonen des Entlohnungs­schemas II L in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft gestanden sind.“

*****

Wir haben darin versucht, auch noch zwei Gruppen von Lehrpersonal mit zu berück­sichtigen. Ich glaube wirklich, dass das eine gute Lösung und auch eine von der Zeit her notwendige ist. Ich lade Sie ein, diesem Abänderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.

Frau Bundesministerin, ich darf mich bei Ihnen, bei Ihren Beamten sehr herzlich bedanken. Ich möchte aber die Gelegenheit nützen – lieber Freund Windholz, weil du lachst: wir verhandeln eine BDG-Novelle –, mich persönlich, aber auch namens meiner Fraktion bei allen öffentlich Bediensteten sehr herzlich zu bedanken (Beifall bei der SPÖ), vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion und bei unseren parlamentarischen Mitarbeitern. Ich glaube, sie haben Arbeit genug mit uns, seien wir froh, dass wir sie haben. Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.35


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Windholz. – Bitte.

 


15.35.20

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Der Fall Hütter, abgehandelt beim Europäischen Gerichts­hof, bringt uns heute zum Handeln. Kollege Otto Pendl, bei aller Wertschätzung, wenn du das jetzt noch als „Verbesserung“ verkaufen willst, möchte ich dir sagen, ich glaube, der gängigste Kompromiss ist: Das ist eine Verhinderung einer Verbesserung, obwohl das Gerichtshofurteil eigentlich eine solche vorsehen würde. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Wenn du es auch noch so lobst, dieses gemeinsame Vorgehen, wie wichtig das war für die Vorbereitung, ich sage dir gleich: Allein der von dir jetzt vorgelegte Abän­derungsantrag zeigt, welche Husch-Pfusch-Aktion das war. Ihr macht eine Geset­zesänderung, greift in einen Rechtsbestand ein, den es gar nicht mehr gibt; Stichwort Richter und Staatsanwälte. Man ändert, um eine Verbesserung zu verhindern.

Wie war denn das mit der GÖD? – Ich darf dir stichwortartig etwas vorlesen aus einer GÖD-Information vom 16. Juni, nämlich:

15. Juni: Gesetzentwurf in den Ministerrat gebracht; herbe Kritik an der Ministerin;

gleich hat es geheißen: Anträge stellen wegen der Anrechnung von Zeiten, damit ja keine Verjährung eintritt.

Es lagen zum damaligen Zeitpunkt bereits rund 50 000 Anträge vor. – Zitatende.

Weil man Säumnisbeschwerden befürchtet hat, hat man sich zu einer Aktion ent­schieden, die wirklich zu kritisieren ist. Was sollen sich die Betroffenen denken?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 59

Ich darf ein Beispiel bringen: Man beschließt eine Gehaltserhöhung für den öffentlichen Dienst, sagt aber, der Staat pfeift aus dem letzten Loch. Die Bediensteten können gar nichts dafür, man sagt einfach, dann werden eben die Steuersätze erhöht, damit das kostenneutral ausgeht.

Euer Ziel war, nur ja keinen Euro mehr zu investieren, und ihr widersetzt euch damit dem, was der Europäische Gerichtshof festgestellt hat. Also Ruhmesblatt ist das keines, ein gemeinsames Agieren mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst seitens der Ministerin ist überhaupt nicht feststellbar. Das war eine Husch-Pfusch-Aktion!

Ich sage, was wir eigentlich brauchen, ist eine Verwaltungs- und Staatsreform, eine Reform des Dienst- und Besoldungsrechtes, um endlich Anreize zu schaffen für die Leistungsträger im öffentlichen Dienst. (Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Frau Kollegin, Ihren Zwischenruf nehme ich gerne an! Sie haben die Mehrheit in der Regierung, und daher sind Sie und Ihre Koalitionspartner diejenigen, die eine vernünftige Reform bis jetzt blockieren; aus welchen Motiven auch immer, es wird dann immer der Ruf nach den Ländern laut. Sie stemmen sich gegen alles und erreichen mit solchen Husch-Pfusch-Aktionen nichts anderes, als dass Sie den Zustand fortführen.

Das ist jammerschade. Gerade in der jetzigen Situation ist es mehr als dringend notwendig, dass wir übergehen zu Reformen – für vernünftige sind wir nach wie vor zu haben, für solch eine Husch-Pfusch-Aktion leider nicht. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

15.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nach den eindrucksvollen Dankesworten des Kollegen Pendl vorhin habe ich vergessen, mitzuteilen, dass der von ihm eingebrachte Abän­derungsantrag natürlich ordnungsgemäß behandelt wird. (Abg. Pendl: Danke, Herr Präsident! – Abg. Weinzinger: Das nennt man Partnerschaft!)

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Pendl, Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen

zum Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Richter- und Staats­anwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (781 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 2 Z 4 wird nach § 113 Abs. 11 GehG folgender Abs. 11a eingefügt:

„(11a) Auf Personen, die am Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2010 in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen, sind die Abs. 10 und 11

1. sowohl bei der erstmaligen Festsetzung ihres Vorrückungsstichtags

2. als auch bei dessen Festsetzung anlässlich ihrer Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis im unmittelbaren Anschluss an das am Tag der Kund­machung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2010 bestehende

sinngemäß anzuwenden. Dies gilt auch für Personen, die sowohl im Schuljahr 2009/2010 als auch danach bis zum Beginn einer anderen Verwendung in jedem Schuljahr als Vertragslehrpersonen des Entlohnungsschemas II L in einem Dienst­verhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft gestanden sind.“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 60

2. In Art. 3 Z 10 wird nach § 82 Abs. 11 VBG folgender Abs. 11a eingefügt:

„(11a) Auf Personen, die am Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXXX/2010 in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen und für die noch kein Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, sind die Abs. 10 und 11 bei der erstmaligen Festsetzung ihres Vorrückungsstichtags sinngemäß anzuwenden. Dies gilt auch für Personen, die sowohl im Schuljahr 2009/2010 als auch danach bis zum Beginn einer anderen Verwendung in jedem Schuljahr als Vertragslehrpersonen des Entlohnungs­schemas II L in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft gestanden sind.“

Begründung

Zu Z 1 und 2 (§ 113 Abs. 11a GehG und § 82 Abs. 11a VBG):

Diese Regelungen beziehen bestimmte Gruppen von am Tag der Kundmachung der Neuregelung bereits in einem Bundesdienstverhältnis stehenden Bediensteten insofern in die Übergangsregelungen des § 113 Abs. 10 und 11 GehG bzw. des § 82 Abs. 10 und 11 VBG ein, als auf sie anlässlich der künftigen Festsetzung ihres Vorrückungs­stichtages nur dann das neue Vorrückungsrecht anzuwenden sein soll, wenn sie dies beantragen. Konkret handelt es sich um Vertragsbedienstete, deren Vorrückungs­stichtag anlässlich ihrer künftigen Aufnahme in das Beamtendienstverhältnis neu festzusetzen sein wird, sowie um Bedienstete, deren Vorrückungsstichtag bisher nicht festgesetzt wurde. Bezüglich des Antragsrechts gleich gestellt sind auch in befristeten Dienstverhältnissen stehende Vertragslehrpersonen des Entlohnungsschemas II L, wenn sie im Schuljahr 2009/2010 und in jedem darauf folgenden Schuljahr bis zu ihrer Übernahme in ein sonstiges Bundesdienstverhältnis als Vertragslehrpersonen des Entlohnungsschemas II L verwendet werden.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


15.38.51

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Herbert, Sie haben ja schon im Verfassungsausschuss moniert, dass es gerade bei den Polizisten zu Verschlechterungen kommt, et cetera. Sie, Herr Kollege Windholz, sprechen von einer Husch-Pfusch-Aktion. – Ich meine, bleiben wir doch bei den Tatsachen! Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 18. Juni 2009 jetzt, ein Jahr später, in einer Gesetzesänderung umzusetzen, dabei, glaube ich, kann es sich nicht um eine Husch-Pfusch-Aktion handeln. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Herbert.)

Auf der anderen Seite habe auch ich im Verfassungsausschuss Kritik in Richtung der Frau Bundesministerin geübt. Ich habe gesagt, es muss auch die Gewerkschaft öffentlicher Dienst mit eingebunden werden, es muss noch – und ich habe ein paar Vorschläge eingebracht, wenn Sie sich erinnern können – zu Änderungen kommen. Herr Kollege Pendl hat diesen Abänderungsantrag eingebracht, und wir werden das in der Fassung mit dem Abänderungsantrag heute beschließen. Eines verstehe ich nicht; zum Beispiel hat ja der Europäische Gerichtshof in dem Urteil festgestellt, dass bei der Anrechnung der Vordienstzeiten für den Vorrückungsstichtag die Zeiten, die vor dem 18. Lebensjahr sind, nicht benachteiligt sein dürfen gegenüber den Zeiten, die nach dem 18. Lebensjahr liegen. Und was Herr Kollege Herbert bei den Polizeibeamten kritisiert hat, das trifft genau nicht zu, weil ein Polizeibeamter normalerweise, im


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 61

Normalfall, einen Beruf erlernt hat und erst nach Erlernung dieses Berufes zur Polizei kommt. Daher verstehe ich Ihre Kritik nicht.

Ich möchte mich bei der Frau Bundesministerin dafür bedanken, dass sie jetzt doch noch Verhandlungen mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst geführt hat. Wenn heute von Ihnen, Herr Kollege Herbert, und von Ihnen, Herr Kollege Windholz, gesagt wird, dass quasi in der GÖD die Bediensteten nicht ordentlich vertreten gewesen sind, dann kann ich nur darauf verweisen: Unser Herr Präsident, der heute hier den Vorsitz hat, trägt Sorge dafür, dass für die Beamtinnen und Beamten und für die Bediensteten im öffentlichen Dienst alles getan wird, damit sie gut aussteigen! Ich glaube, dagegen kann niemand etwas sagen, und ich möchte mich dafür beim Herrn Präsidenten herzlichst bedanken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Pendl: Guter Präsident!)

15.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


15.41.37

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Zum vorliegenden Entwurf ist inhaltlich schon vieles gesagt worden. Ich möchte mich da auch nicht weiter aufhalten, außer hier mitzuteilen, dass wir dem Entwurf samt Abänderungsanträgen zustimmen, weil es sich eben um die Vollziehung eines Gerichtshofurteils handelt.

Ich möchte aber – und will es damit nicht unnötig in die Länge ziehen – schon noch ein paar Punkte ansprechen, weil ich auch Ihre Anwesenheit, Frau Bundesministerin, nutzen möchte. Ich weiß nicht, ob Sie dann noch zu Wort gemeldet sind. Vielleicht können Sie darauf Antworten geben, weil es nicht nur Statements meinerseits sind, sondern man diese auch als Fragen verstehen könnte.

Der eine Fragen- oder Themenkomplex betrifft das Beamten- und Besoldungsrecht, wo Sie ja schon vor längerer Zeit in einem Verfassungsausschuss in Aussicht gestellt haben, dass es hier Gespräche gibt, dass dies idealerweise gemeinsam verhandelt werden sollte, dass es hier aber aufgrund der Budgetknappheit nur geringe Spielräume gibt. Da würde mich einfach interessieren, was da weitergegangen ist, denn wenn ich mich recht erinnere, dann ist es zumindest schon ein halbes Jahr her – wenn nicht länger –, dass Sie uns das im Ausschuss berichtet haben.

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal speziell auf die Verwaltungsreform hinweisen, die auch Kollege Windholz angesprochen hat. Wir haben im Unteraus­schuss Verwaltungsreform schon das Kapitel Schulreform beraten, und da war ein wesentlicher Aspekt – der passt eben auch zu diesem Tagesordnungspunkt – die Vereinheitlichung im Dienst- und Besoldungsrecht von Bundes- und LandeslehrerIn­nen. Dazu wurde in den ExpertInnenpapieren, aber auch in den Beratungen im Ausschuss einhellig die Meinung vertreten, dass eine Vereinheitlichung sinnvoll, ja notwendig ist.

Die Schulreform steckt offensichtlich nach wie vor in den Mühlen des Föderalismus, oder wo auch immer sie steckt. Aber da muss ich dem Kollegen Windholz recht geben beziehungsweise dies unterstützen: Es ist nicht ganz nachvollziehbar, warum die Regierung da derart untätig ist. Schon der Unterausschuss hat sehr zögerlich gear­beitet, und jetzt ist er seit Monaten wieder am Abwarten, wann denn ein Zwischen­bericht, oder was auch immer, kommen wird. Dabei haben wir zahlreiche Pakete, die auf dem Tisch liegen und die man schon beraten könnte, angefangen vom Gesund­heitswesen über die Effizienz der Verwaltung bis hin zur Pensionsreform und vielem mehr.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 62

Daher lautet die Frage, falls Sie sich noch zu Wort gemeldet haben, auch an Sie: Sind Sie schon in etwaige Gespräche bezüglich Dienstrecht Bundes- und Landes­lehrerInnen, Besoldungs- und Dienstrechtsreform eingebunden?

Im Übrigen wünsche ich mir, dass die Parlamentsparteien und speziell die Regierungs­fraktionen im Herbst die Verwaltungsreform und diesen Unterausschuss aufnehmen und tatsächlich zielgerichtet arbeiten. Wir sind Bundesgesetzgeber, und der Bundes­gesetz­geber kann schon auch ungeachtet dessen, ob die Länder in einem ersten Schritt mit unseren Vorschlägen zufrieden sind oder mitgehen, sich eine Meinung bilden und sich Vorhaben vornehmen, um das dann tatsächlich in Gesetze zu gießen oder zumindest in Verhandlungen mit den Ländern zu treten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek zu Wort. – Bitte.

 


15.45.00

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir denken in Lösungen und nicht in Problemen! Ja, es war ein Problem da, ein Problem, das uns, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, unter Umständen bis zu 3 Milliarden € gekostet hätte, tatsächlich aber keinem der Bediensteten im öffentlichen Bereich eine Verschlechterung im bestehenden System bringen wird. Wenn jemand im öffentlichen Dienst neu beginnt, kann es mitunter sein, dass es Gewinner/Gewinnerinnen gibt, mitunter auch Verlierer/Verliererinnen.

Aber wir haben für dieses EuGH-Erkenntnis nach einer Lösung gesucht, und ich sehe hier keinesfalls auch nur irgendwie den Anlass, von einer Ad-hoc- oder Husch-Pfusch- oder sonstigen Entscheidung zu sprechen, denn es war nicht eine Runde, sondern es waren acht oder neun Runden mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, es waren einige Einzelgespräche, die zu dem geführt haben, was heute auf dem Tisch liegt, nämlich eine Sache, die auf einer völlig richtigen Rechtsgrundlage basiert, wobei ich an der Qualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht den leisesten Zweifel aufkom­men lasse und mich sehr herzlich dafür bedanke, dass alle gemeinsam nach dieser Lösung gesucht und diese auch gefunden haben. Es war tatsächlich Handlungsbedarf da, denn wir hätten es uns nicht leisten können, über den Sommer zu warten, bis die ersten Urteile anhängig gewesen wären und wir dann wirklich diese bis zu 3 Milliar­den € hätten ausschöpfen müssen.

Was wir mit dem Verbesserungsformular sicherstellen können, ist Folgendes: Jeder und jede kann im neuen Bereich, im neuen System, das wir damit schaffen, beantragen, ob er, ob sie hier eventuell Verbesserungen oder Verschlechterungen erken­nen kann. Dazu lade ich alle sehr herzlich ein. Ich möchte nur festhalten, dass für bestehende Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Bereich keine Verschlechterungen in Aussicht sind und dass diese Lösung uns bis zu 3 Milliarden € ersparen wird. Ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich bei allen Beteiligten, die an dieser Neuregelung, dass jetzt die Vollendung der Schulpflicht und nicht das vollendete 18. Lebensjahr gilt, beteiligt waren, dafür, dass wir diese Lösung gefunden haben.

Zur Frage von Frau Kollegin Musiol: Vielleicht ahnen viele von Ihnen gar nicht, wie viele Gespräche wir führen. Wir haben laufend Arbeitsgruppen, führen laufend Gespräche, haben uns aber in den letzten Wochen und Monaten schon darauf verständigt – die Gewerkschaft öffentlicher Dienst und ich –, dass für eine Besoldungs­reform, die bedeuten würde, dass wir neu beginnende Bedienstete im öffentlichen Bereich höher entlohnen wollten, momentan kein Geld da ist. Das heißt, wenn wir über


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ein neues Dienstrecht und über eine Besoldungsreform sprechen, dann kann das im Moment nicht heißen, dass wir auch nur 1 Cent mehr dafür ausgeben können. Auch wenn wir wollten, es geht nicht! Daher drehen sich diese Gespräche jetzt nicht im Kreis, sondern wir leisten Vorarbeiten, wenn Sie so wollen, für Zeiten, in denen eine Änderung möglich sein wird.

In Bezug auf das LehrerInnen-Dienstrecht ist es so, dass Kollegin Schmied damit begonnen hat, mit der LehrerInnen-Gewerkschaft Gespräche aufzunehmen, und ich mich einschalte, sobald wir so weit sind, dass wir das auch für den Bereich der Bundeslehrer und ‑lehrerinnen tun können. Ich erachte es aber für sinnvoll, zunächst einmal die gemeinsame Ausbildung aller in pädagogischen Berufen Tätigen voranzu­treiben, bevor wir wieder über getrennte Besoldungsrichtlinien für Lehrer und Lehrerin­nen im Landesbereich und im Bundesbereich sprechen, aber all das natürlich in Verbindung, wie Sie sagen, mit einer Verwaltungsreform, die nicht nach dem Florianiprinzip stattfinden darf, dass nämlich jeder Bereich und jede Ebene sagt: Ja, sparen schon, aber nicht bei mir!

Ich glaube, dass wir das sehr ernst und wichtig nehmen müssen und es auch bei der nächsten Landeshauptleutekonferenz wieder ein Thema sein muss: Wie sieht es mit dem Beitrag der Länder aus? – Es kann nicht sein, dass nur der Bund seinen Beitrag leistet und die Länder sagen: Bei uns nicht!

Auch hinsichtlich der Gemeinden, die mitunter zum Teil nicht einmal mehr zahlungs­fähig sind, möchte ich sagen, dass die Aufwendungen für den Sozialbereich, für die Jugendwohlfahrt, für die Krankenanstalten wirklich exorbitant hoch werden, sodass es manche Gemeinden nicht mehr schaffen können. Daher müssen alle einmal vom Keller bis zum Dachboden, wenn Sie so wollen, ihren Bereich durchforsten und schauen, wie wir eine Verwaltungsreform, an der alle mitwirken wollen, zustande bringen – nicht: die einen schon, und die anderen wollen dann nicht.

Ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich bei allen, die mitgewirkt haben an der Lösung für diese Altersdiskriminierung, die ausschließlich festgestellt wurde und sonst nichts. Wir haben vom Europäischen Gerichtshof nicht vorgeschrieben bekommen, wie wir dies zu reparieren haben. Wir haben eine Lösung gefunden, von der ich glaube, nein, von der ich weiß, dass sie keine Verschlechterungen mit sich bringen wird. Ich glaube, dass das eine Lösung ist, mit der alle Bediensteten und all die 50 000, die einen Antrag gestellt haben, auch werden leben können, denn sie können das mit einem Verbesserungsformular sowieso neu beantragen. Vielen herzlichen Dank allen, die hier mitgewirkt haben! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


15.50.21

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte KollegInnen im Hohen Haus! Herr Kollege Herbert, Herr Kollege Windholz, von einer Gehaltserhöhung war nie die Rede, und von einer Reform im Sinne des Gehalts war auch keine Rede! Wenn Sie bei den Kolleginnen und Kollegen Erwartungen wecken und jetzt vielleicht nicht so gut dastehen, ist das Ihr Problem. Aber das war etwas, was nie versprochen worden ist, auch nicht seitens unserer Ministerin. (Beifall bei der SPÖ.)

Es stimmt, die Änderung war aufgrund des EuGH-Urteils notwendig. Daher war es notwendig, dass wir unsere Gesetze hier so adaptieren, dass wir bei dem Urteil, das gefällt wurde, unsere alte, derzeit gültige Rechtslage anpassen. (Zwischenruf des Abg. Herbert.) – Herr Kollege Herbert, passen Sie auf, vielleicht verstehen Sie es dann!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 64

Der konkrete Anlassfall war die unterschiedliche Anrechnung und Berücksichtigung von Lehrzeiten oder Zeiten der Lehrlingsausbildung im Bundesdienst. Das war der Anlassfall. Je nachdem, ob es vor dem 18. oder nach dem 18. Lebensjahr war, ist es entweder angerechnet worden oder nicht. – So weit sind wir noch d’accord.

Dass das Gesetz eine Schlechterstellung für die jetzigen Bediensteten darstellen soll, davon war nie die Rede. (Widerspruch des Abg. Herbert.) Stimmt ja nicht – Sie haben den Bediensteten versprochen, sie werden daraus Geld lukrieren, und jetzt haben Sie ein Problem damit, das zu erklären. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Es gibt keine Verschlechterung, aber es gibt dadurch für die bestehenden Be­diensteten auch keine Verbesserung. Man muss es im Gesetz ganz einfach neu regeln, was jetzt bedeutet, dass man vom Lebensalter auf das Kriterium der Schul­pflicht abstellt. (Abg. Herbert: Ich glaube, Sie haben es noch nicht verstanden!) Das Kriterium der Schulpflicht bedeutet jetzt die Regelung für die neuen Kolleginnen und Kollegen, dass Schul-, Dienst- oder Lehrzeiten, die nach der 9. Schulstufe liegen, angerechnet werden, egal, wann ich sie gemacht habe.

Das ist das Ziel des Ganzen. Das ist die Variante, dass wir EU-konform dieses Gesetz so weit anpassen müssen. Somit werden wir dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.52


Präsident Fritz Neugebauer: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Bitte, Herr Kollege Herbert. Soll ich eine Zeit einstellen, Herr Kollege? Wie viel? (Abg. Herbert – auf dem Weg zum Rednerpult –: Restredezeit! – Abg. Grosz: Restredezeit der gesamten Fraktion!) – Bitte.

 


15.52.51

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Redebeitrag von Kollegin Lueger hat mich dazu veranlasst, noch einmal ans Rednerpult zu treten. Ich glaube, Kollegin Lueger hat die grundsätzliche Problematik und die Problemstellung, die in diesem Gesetz liegt, überhaupt nicht erkannt. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin! Da geht es ja nicht darum: Sie reden von Gehaltserhöhungen und von irgendwelchen anderen Zusammenhängen. Von Gehaltserhöhungen habe ich nie gesprochen, weder hier in meinem Redebeitrag noch im Ausschuss. (Abg. Mag. Lapp: Immer die anderen!)

Da geht es darum, dass mit dieser Gesetzesvorlage die Anrechnung von Vor­dienst­zeiten vor dem 18. Lebensjahr nicht mehr möglich sein wird! Das ist das Problem; das haben Sie nicht erkannt, ich schon. Darum brauche ich mich vor meinen Beamten und Vertragsbediensteten nicht zu rechtfertigen, wohl aber Ihre FSG-Personalvertreter. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sollten Sie sich zu Herzen nehmen, wenn Sie so EU-hörig hier am Rednerpult stehen und Dinge behaupten, von denen Sie nichts verstehen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.54

15.54.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen definitiv nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Abstimmung über den Gesetzentwurf in 833 der Beilagen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 65

Hiezu haben die Abgeordneten Pendl, Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Abs. 11a in Art. 2 Z 4 sowie eines neuen Abs. 11a in Art. 3 Z 10 zum Inhalt hat.

Da nur dieser eine Antrag gestellt wurde, lasse ich über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Zusatzantrages der Abgeordneten Pendl, Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche die Kolleginnen und Kollegen, die dem zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

15.55.159. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (683 d.B.): Übereinkommen des Europarates über die Vermeidung von Staaten­losigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge (834 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 


15.55.36

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir ratifizieren heute das Übereinkommen des Europarates über die Ver­meidung von Staatenlosigkeit infolge Staatennachfolge.

Vielleicht erinnern sich die einen oder anderen noch daran, dass es vor nicht allzu langer Zeit an unserer eigenen Grenze, in der Tschechoslowakei, im Zuge der Tren­nung der Republik Tschechien von der Slowakei dazu kam, dass eine ganze Menge von Menschen plötzlich staatenlos wurde. Sie gingen noch in der Tschechoslowakei zur Wahl über die Nachfolgeordnung, lebten auf jetzt slowakischem Territorium, mussten die slowakische Staatsbürgerschaft aufgeben, um die tschechische zu beantragen, und bekamen sie da und dort nicht oder nur mit großer Mühe. Betroffen waren im Besonderen Roma-Gruppen.

Ebenso erinnern sich einige von Ihnen sicherlich an die Krimtataren: von Stalin zwangs­umgesiedelt in andere Gegenden der ehemaligen Sowjetunion, wieder nach Hause zurückgekehrt in die Ukraine und in andere Staaten, wo sie allerdings kein Recht auf eine neue Staatsbürgerschaft hatten.

Dieses Übereinkommen ist also auch heute – und ich denke mir, auch in Zukunft, weil der Prozess, dass neue Staaten entstehen, nie abgeschlossen zu sein scheint – von Bedeutung und stellt eine Kernkompetenz des Europarates dar, der zur Wahrung von Demokratie, von Menschenrechten und von Rechtsstaatlichkeit gegründet wurde und wohl weltweit die wichtigste Institution zur Wahrung dieser zentralen Rechte des Einzelnen auch gegenüber seinem eigenen Staat und gegenüber allen Mächtigen darstellt.

Gerade gestern erfolgte ein für den Europarat historischer Schritt, weil die Verhand­lungen über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechts­konvention des Europarates aufgenommen wurden. Das ist ausgesprochen wichtig!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 66

Die Europäische Union hat seit Lissabon eine eigene Charta der Menschenrechte. Diese ist vom Wesen her zwar der Europäischen Menschenrechtskonvention ähnlich, aber auch da, wo eigentlich das Gleiche gemeint ist, nicht wortident. Aus diesem Grund könnte es sehr leicht dazu kommen, dass der EuGH, der Europäische Gerichts­hof, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in denselben Sachverhalten zu unterschiedlichen Judikaten kommen.

Das ist etwas, was niemand will! Jedes einzelne Land der Europäischen Union ist auch Mitglied des Europarates und hat die Europäische Menschenrechtskonvention unter­zeichnet. Um solches Case Law und widersprüchliche Judikate zu verhindern, ist es aus meiner Sicht wichtig, dass die Europäische Union diesem wichtigsten Überein­kommen des Europarates beitritt.

Das hat aber eine noch viel größere und aus meiner Sicht wichtigere Dimension. Es ist das erste Mal, dass ein Rechtsgebilde, ein Bund von Staaten, dieser Konvention beitritt. Es ist auch ein deutliches Zeichen dafür, dass die EU ihr Handeln der Gerichtsbarkeit zugunsten von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit unterwirft und damit einen Teil der eigenen Macht an Institutionen abgibt, die dafür geschaffen wurden, den Einzelnen vor Obrigkeiten zu schützen.

Auch dafür bin ich sehr dankbar, und ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen über den Beitritt zügig und möglichst rasch erfolgreich abgeschlossen werden. Das wird den Europarat stärken, und das ist aus meiner Sicht ausgesprochen wichtig. Mir fällt auf, dass in unseren Zeitungen leider wenig über den Europarat berichtet wird. Auch in diesem Haus wissen zu wenige über den Europarat Bescheid. Allenfalls werden umstrittene Judikate des Gerichtshofes für Menschenrechte in Österreich debattiert.

Ich appelliere daher an die Kolleginnen und Kollegen, die mit mir Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sind, dass nicht mehr so oft wie in letzter Zeit parteipolitische Zielsetzungen verfolgt werden – ideologische Ziele nach dem Motto: Ich kann etwas im eigenen Nationalstaat nicht umsetzen, aber vielleicht schaffe ich es über den Umweg des Europarates, es wieder in die nationale heimische Gesetzgebung einzubringen, wenn einige der Delegationen gerade nationale Plenar­sitzungen haben und nicht da sind –, dass diese Versuche, die aus meiner Sicht dem Europarat als Ganzes unglaublich schaden, in Zukunft weniger werden oder ganz unterlassen werden.

Der Europarat ist uns allen zu wichtig, um ihn zum Spielball parteipolitischer Interessen werden zu lassen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


16.01.10

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Dieses Übereinkommen, das wir heute ratifizieren, wurde ausgearbeitet vom Europarat in Zusammenarbeit mit der berühmten Venedig-Kommission, die eine sehr wichtige Rolle in dieser internationalen Organisation spielt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Europarat – darauf wurde heute schon kurz hingewiesen – ist jene Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund dieser schrecklichen Vorkommnisse gegründet wurde, um Frieden auf unserem Kontinent zu gewährleisten.

Es wurde sehr vieles in dieser internationalen Organisation beschlossen – nicht nur die Hymne kommt von dort. Es wurde auch die Menschenrechtskonvention vom


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 67

Europarat nicht nur beschlossen, sondern sie wird von ihm auch eingehalten. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ist eine ganz wichtige Institution für die Bürger und Bürgerinnen auf unserem Kontinent, um die Einhaltung der Rechts­staatlich­keit, der Menschenrechte zu gewährleisten. Menschenrechte sind immer auch Abwehrrechte gegen den Staat und daher etwas sehr Wichtiges, etwas sehr Not­wendiges. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir heute dieses Übereinkommen beschließen, dann geht es darum, dass Staatenlosigkeit vermieden werden soll. Staatenlosigkeit ist für diejenigen, die es betrifft, etwas ganz Schreckliches. Was bedeutet denn Staatenlosigkeit? – Sie bedeutet oft auch Rechtlosigkeit, bedeutet oft, keine Heimat zu haben, bedeutet, nicht die Möglichkeit zu haben, unter dem Schutz eines Staates zu stehen. Durch dieses Übereinkommen – neben anderen Übereinkommen, die selbstverständlich schon gelten – soll spezifisch ein Übereinkommen für jene Staatsbürger geschaffen werden, die von einer Staatennachfolge betroffen sind.

Für uns hier in Europa – seit es 1989 die Nachfolgestaaten der Sowjetunion gegeben hat oder dann die GUS-Staaten – ist es sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass all diese Bürger und Bürgerinnen nicht diskriminiert werden. In diesem Übereinkommen ist auch der Art. 4 sehr zentral, der eine Antidiskriminierung vorschreibt. Das ist ein Antidis­kriminierungsartikel, der besagt, dass aufgrund der Zugehörigkeit zu nationalen Min­der­heiten – oder aufgrund der Zugehörigkeit zu anderen Minoritäten in einem Staat – die Staatsbürgerschaft nicht verloren geht. Das ist eine zentrale Frage für all diese Bürger und Bürgerinnen, die davon betroffen sein könnten.

Dass wir in Österreich dieses Dokument, dieses Übereinkommen, als eines der ersten Länder nach Norwegen, Moldawien und Ungarn beschließen, betont auch unsere Rolle im Europarat, die immer eine aktive war, die immer eine gestaltende war. (Abg. Grosz: Stimmt!) Unser Außenminister, Michael Spindelegger, war ja sehr lange – so wie ich jetzt – Leiter unserer Delegation. Wir hatten sehr wichtige Präsidenten und Präsidentin­nen in diesem Gremium, und daher bin ich stolz darauf, dass wir diese Rolle in dieser sehr wichtigen Organisation spielen und weiterhin spielen werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.04


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte. (Abg. Dr. Hübner – auf dem Weg zum Rednerpult –: 8 600 brutto müssen verdient werden! – Abg. Grosz: Wenn du falsch abstimmst, zahlst du ...!)

 


16.05.06

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren – soweit noch anwesend zu dieser vorgerückten Stunde! Ich gebe meinen beiden Vorrednerinnen vollkommen recht: Dieses Abkommen, über das wir jetzt sprechen, ist sinnvoll und vernünftig ausgehandelt und formuliert, wenngleich der praktische Nutzen nach der erfolgten Auflösung der übernationalen Staaten in Europa natürlich ein enden wollender ist – aber es ist ein gutes Ding, und wir sind froh, dass es das gibt.

Das soll uns aber nicht dazu verführen, in eine Europarats-Euphorie oder in eine Euphorie darüber zu verfallen, dass die Europäische Union dem Europarat beitritt. Das ist ja geradezu ein Beispiel für skurrile Entwicklungen der allgemeinen Organi­sationitis – anders kann ich das nicht mehr nennen –, nämlich dass man sich von der OECD über den Europarat über die EU und die Interparlamentarische Union trifft und herumreist und bespricht und nichts tut und wieder abreist – was eine Menge Geld kostet. Das ist eine wichtige Sache.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 68

Wir waren schon beim Thema Geld, und auch der Europarat ist nicht gratis. (Abg. Mag. Wurm: ... zu Wort melden, ist Ihre Sache!) Das ist ja nicht etwas, das von sich selbst lebt, sondern wir zahlen einen Beitrag von 4,6 Millionen € und haben dort eine Botschaft mit x Angestellten. Wir fahren hin ... (Abg. Mag. Wurm: Bringen Sie sich aktiv ein, Herr Dr. Hübner!) – Jetzt warten Sie einmal, Frau Kollegin!

Unabhängig davon, wie aktiv wir uns einbringen, kostet das eine Menge Geld. Was wird im Europarat aktiv gemacht? – Der Europarat beschickt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und hat eine wichtige Funktion: Er organisiert, dass dieser Gerichtshof funktioniert, zu dem ich noch kommen werde. Ansonsten debattiert er, fasst Resolutionen, macht Berichte, bereist Länder und debattiert darüber mit einem Resultat von null Komma null.

Der Europarat hat die Menschenrechte, die Meinungsfreiheit, die Gedankenfreiheit in seinen Statuten – ja, aber die Richtung, in die das meiste geht, ist eine etwas andere, denn unter dem Titel ... (Abg. Mag. Wurm: ... die einzige Organisation ...!) – Frau Kollegin Wurm, wir können dann gleich reden, aber die Redezeit hier ist beschränkt, darum werde ich nachher zu Ihnen kommen.

Der Weg, den er eingeschlagen hat, geht aber genau in die entgegengesetzte Richtung: Unter dem Aufhänger Gender, Antidiskriminierung oder Antiverhetzung wird eine Resolution nach der anderen beschlossen, die eher eine Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine Einschränkung all dieser Rechte bedingt, für die der Europarat eigentlich steht. (Abg. Mag. Stadler: Abschaffung der ...!)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist eine schöne Organisation, aber das ist auch eines dieser Dinge, die für Österreich nicht gerade sinnvoll sind, denn dass wir uns vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorschreiben lassen, wie wir etwa unsere Medienlandschaft regeln, wie wir die medienrechtlichen Verfahren machen, ist auch problematisch. Das ist genauso problematisch, wie dass wir von der OECD unter dem Vorsitz von Kasachstan Wahlen überwachen lassen. Das sind skurrile Entwicklungen, das muss man wirklich sagen. (Abg. Mag. Molterer: Ich habe den Eindruck ...! Herr Hübner, sollten wir aus der Welt austreten?)

Für Kasachstan und für Aserbaidschan ist es vielleicht nicht schlecht, dass die OECD ihre Wahlen überwacht, nur tut sie dort nichts, aber dass uns die OECD unter kasachischem Vorsitz überwacht – bei aller Weltaustrittsfantasie, die Sie da gleich haben – werden Sie doch wohl auch zumindest als Skurrilität ansehen.

Ich sage nicht, dass wir überall austreten können. Ich sage schon gar nicht, wie Sie wissen, dass wir uns auf die 86 421 Quadratkilometer, die Herr Bundespräsident Fischer heute dankenswerterweise erwähnt hat, zurückziehen und darum einen Vor­hang errichten. (Abg. Grosz: Mit der Schweizer Garde!) Das sage ich nicht. Aber das Argument, dass man auf 86 000 Quadratkilometern nicht wie auf einer Insel leben kann, kann nicht als Totschlagargument dafür herhalten, dass man über alle Fehlent­wicklungen und alle Skurrilitäten, die sich auf Kosten unserer Bürger breitmachen, den Mantel des Schweigens breitet. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Grosz: Richtiger Redner, richtiges Klatschen!)

16.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

 


16.09.01

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Ich kann mich meinen Vorrednerinnen Gisela Wurm und Karin Hakl vollinhaltlich anschließen, und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 69

brauche nicht im Einzelnen zu wiederholen, warum das eine sehr sinnvolle Vorlage ist, mit der wir es heute zu tun haben, und warum der Europarat eine sehr gute Sache ist.

Aber wenn wir schon beim Thema Staatenlosigkeit und Vermeidung von Staaten­losigkeit sind, dann möchte ich doch ein gutes Wort dafür einlegen, dass wir uns einmal damit befassen, wie kontraproduktiv die österreichische Staatsbürgerschafts­politik ist, was Doppelstaatsbürgerschaften anlangt.

Warum können Hunderttausende von Auslandsösterreichern nicht die Doppelstaats­bürgerschaft haben? Sie haben zum Teil schwerwiegende Nachteile in Kauf zu nehmen, wo immer sie wohnen, und sei es auch nur, dass sie nicht am politischen Leben im engeren Sinn teilnehmen können – das heißt, nicht an Wahlen teilnehmen können –, ohne dass Österreich einen Vorteil davon hat, denn sie müssten ja, um die fremde Staatsbürgerschaft anzunehmen, in aller Regel die österreichische aufgeben. (Abg. Scheibner: Aber das verlangt der andere Staat, Herr Kollege!) – Nein, nein, das verlangen durchaus nicht alle Staaten, das stimmt überhaupt nicht. (Abg. Scheibner: ... kein Problem!) – Haben Sie eine Ahnung?!

Ich weiß das von meiner eigenen näheren Verwandtschaft. Meine Schwägerin hat einen Briten geheiratet, hatte erhebliche Nachteile dadurch, dass er britischer Staatsbürger war – noch dazu britischer Offizier zu dieser Zeit (Abg. Scheibner: Wann war denn das, Herr Kollege? Wann war das?) – und sie die britische Staatsbürger­schaft nicht annehmen konnte, weil sie die österreichische ...  (Abg. Scheibner: ... eine Novelle verschlafen?) – Entschuldigung, ja.

Machen wir einmal eine Umfrage bei den Auslandsösterreichern, wie viele von ihnen glauben, dass sie die österreichische Staatsbürgerschaft behalten können, wenn sie die fremde – und sei es auch nur die deutsche – annehmen würden – nämlich durch einen Antrag, nicht durch Verleihung natürlich.

Einer meiner angeheirateten Neffen hat drei Staatsbürgerschaften. Er ist eben von Geburt an – wenn man so will – begünstigt durch einen österreichischen Vater und eine französische Mutter, und die dritte hat er, weil er in den USA geboren ist – Jus soli statt des anderen Prinzips, das wir hier haben. Ich finde das sehr sinnvoll. Er darf auch in den USA arbeiten, das dürfte ich zum Beispiel nicht – jedenfalls nicht ohne Weiteres.

Meine Enkel sind Doppelstaatsbürger – österreichisch-australisch –, aber für die Eltern ist das nicht ohne Weiteres möglich, und das ist nicht lange her. Ich weiß schon, bei den Fußballern und Musikern und so weiter sind wir viel großzügiger, aber in allen Normalfällen ist das nicht der Fall.

Das war mein Plädoyer. Das ist eine gute Vorlage, sie wird einstimmig angenommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


16.11.52

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Van der Bellen, nur ganz kurz: Es gab vor wenigen Jahren eine Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes, die es österreichischen Staatsbürgern, die im Aus­land sind, erleichtert, auch andere Staatsbürgerschaften anzunehmen – Effekt: Doppel­staats­bürgerschaften –, weil wir ja umgekehrt ein Interesse daran haben. Vielleicht kann man das noch nachlesen.

Zum Europarat: Wir werden diesem Antrag unsere Zustimmung geben, weil diese Regelung sinnvoll ist, um Staatenlosigkeit zu vermeiden. Allerdings zeigt es ein biss­


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chen das Dilemma, in dem sich der Europarat befindet, weil diese Vorlage ein wenig spät gekommen ist. Gerade im Bereich des Europarates und seiner Mitgliedsländer hat es diese Probleme in den letzten Jahren gegeben, und es hat sehr lange gedauert, bis man sich zu einer Lösung durchgerungen hat.

Das ist auch insgesamt ein bisschen symptomatisch. Ich selbst war ja in den Neun­zigerjahren fünf Jahre lang Mitglied der Parlamentarischen Versammlung – eine wichtige Versammlung in dieser Zeit, aber sie ist jetzt ein bisschen in einer Sinnkrise, weil die Europäische Union viele der Aufgaben übernommen hat, die der Europarat in der Vergangenheit hatte.

Wenn sich der Europarat jetzt – wie ich höre – mit der Frage beschäftigt, ob der Begriff Eltern abgeschafft werden soll (Ruf bei der FPÖ: Vater und Mutter!) – Vater und Mutter – und umgewandelt werden soll in Elternteil 1 und Elternteil 2, weil Vater und Mutter sexistisch sei, dann frage ich mich wirklich, ob wir nicht andere Sorgen und Probleme in Europa haben, als das zu regeln.

Wir stimmen dem zu, aber ein bisschen sollte man sich überlegen, welche Aufgaben der Europarat in Zukunft übernehmen sollte. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und FPÖ.)

16.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

 


16.13.43

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wissend, dass das Einbürgerungs- und Staatsange­hörig­keitsrecht Kernmaterien staatlicher Souveränität berühren, bringt diese Rechtsmaterie dennoch wesentliche menschenrechtliche Aspekte und Fragen des internationalen Flüchtlings- und Staatenlosenrechts mit sich.

Artikel 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte schreibt unter anderem jedermann das Recht auf Staatsangehörigkeit zu und besagt auch, dass niemandem willkürlich die Staatsangehörigkeit oder das Recht entzogen werden dürfe, eine andere Staatsangehörigkeit anzunehmen.

Nach der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Vermeidung von Staatenlosigkeit im Zusammenhang mit Staatennachfolge ist meines Erachtens beson­ders bei der Umsetzung dieses Staatsvertrages auf Nichtdiskriminierung zu achten – wie das meine Kollegin Gisela Wurm schon angesprochen hat. Auch auf die Verant­wortung des Nachfolgestaates ist zu achten, und meines Erachtens auch sehr wichtig sind die Beweisregeln, die Beweiserbringung: dass man darauf nicht beharrt. Wenn die Beibringung der Beweismittel nicht zumutbar ist, dann sollte man eben davon abgehen. Ein ganz wesentlicher Punkt, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist natür­lich auch die Vermeidung der Staatenlosigkeit bei der Geburt.

Mit der Übernahme dieses Übereinkommens des Europarates wird heute ein wesent­licher Schritt, ein großer Schritt in Richtung Ausbau der Menschenrechte ratifiziert. Staatenlose, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, brauchen unsere Unterstützung. Die Staatsbürgerschaft ermöglicht den Menschen erst den Zugang zu Recht und zu einem menschenwürdigen Dasein.

In diesem Sinne bedanke ich mich, dass dieses Übereinkommen einstimmig ange­nommen werden wird. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

16.16

16.16.10

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 71

Präsident Fritz Neugebauer: Das war die letzte Wortmeldung hiezu. Weitere Wort­mel­dungen werden nicht gewünscht.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen des Europarates über die Vermeidung von Staatenlosigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge in 683 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Wenn Sie dafür sind, bitte ich Sie um ein Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nom­men.

Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Z 3 Bundes-Verfassungs­gesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Wenn Sie dazu Ihre Zustimmung geben, bitte ich Sie um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

16.17.1310. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 44/A(E) der Abge­ordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volks­abstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag (835 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 49/A(E) der Abge­ordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kollaudierung des tschechischen AKW Temelín (836 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 50/A(E) der Abge­ordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Fertigstellung der AKW-Blöcke 3 und 4 im slowakischen Mochovce (837 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 162/A(E) der Abge­ordneten Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Neubau eines Reaktors in Krško (838 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zu den Punkten 10 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Der erste Redebeitrag kommt von Herrn Abgeordnetem Dr. Hübner. – Bitte.

 


16.18.06

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! EURATOM-Vertrag – diskutiert wurde schon einiges. Ich werde ganz kurz skizzieren, warum wir der Meinung sind, dass etwas geschehen muss.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 72

Bis jetzt hat man von Regierungsseite gehört, aus dem EURATOM-Vertrag könnten wir nicht ausscheiden, weil eine Kündigung nicht möglich sei. – Begründung: Es gibt ein Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, in dem festgestellt wurde, dass man nach dem Lissabon-Vertrag aus diesem Vertrag nicht austreten oder ihn nicht kündigen könnte.

Auf der anderen Seite gibt es vier Gutachten renommierter österreichischer Verfas­sungsrechtler, die sagen, selbstverständlich könne man diesen Vertrag kündigen oder aus dem EURATOM-Vertrag austreten – ganz einfach gesagt, weil es ein Dauerschuldverhältnis ist. Im Vertrag selbst gibt es keinen Kündigungsausschluss oder keine Abhängigmachung der Kündigung von anderen, dritten Personen, deshalb kann man ihn – wie jeden Vertrag – kündigen.

Warum sollte man ihn kündigen, und warum muss man ihn unserer Ansicht nach kündigen? – Weil wir hier einen unlösbaren inneren Widerspruch haben zwischen unserer Verfassungslage – unserem Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie, das ist ein verfassungsrechtlich gesicherter Grundsatz unserer Rechtsordnung – und der Mitgliedschaft im EURATOM-Vertrag.

Man muss sich die Mühe machen, einmal in den EURATOM-Vertrag hineinzuschauen, auch wenn das ein langes und sperriges Dokument ist, und wenigstens einmal die Präambel oder Artikel 1 lesen.

In dieser Präambel steht, dass damals, in den fünfziger Jahren, als der EURATOM-Vertrag abgeschlossen wurde, diverse Majestäten – der König der Belgier, die Großherzogin von Luxemburg – und so weiter den Vertrag aufgesetzt haben „IN DEM BEWUSSTSEIN, daß die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Ent­wicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt“ und „ENTSCHLOSSEN, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kern­industrie zu schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert, die Technik modernisiert und auf zahlreichen anderen Gebieten zum Wohlstand ihrer Völker beiträgt“. – Das ist einmal die Präambel dazu.

Artikel 1, der noch einmal zusammenfasst, was diese EURATOM-Gemeinschaft tun soll, sagt: Aufgabe der Gemeinschaft ist es, „durch die Schaffung der für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Bezie­hungen mit den anderen Ländern beizutragen“. – So geht es weiter in dem Text über Hunderte Seiten.

Ich hätte jetzt in der Folge gerne eine Erklärung, warum die Mitgliedschaft in einer solchen Organisation für uns angesichts der vorher zitierten Prinzipien der österreichi­schen Rechtsordnung vertretbar und sinnvoll ist. Die Frage, ob irgendjemand eine Kündigung oder einen Austritt beeinspruchen oder vielleicht sogar beim Europäischen Gerichtshof anfechten wird, ist etwas anderes. Die Frage, die wir zu beantworten haben, ist: Wollen wir da drinnen bleiben, oder wollen wir nicht da drinnen bleiben? – Wenn wir nicht da drinnen bleiben wollen, dann müssen wir den Vertrag kündigen. Wenn man uns zwingt, drinnen zu bleiben, na, dann werden wir sehen, was wir weiter machen, schlimmstenfalls bleiben wir drinnen, aber wir als Volksvertreter müssen hier zumindest die Initiative setzen: Das ist unvereinbar mit unserer Rechtsordnung, daher kündigen wir.

Es kann auch nicht davon abhängen, ob wir, wenn wir kündigen, dann wirklich Geld zurückbekommen und unseren Beitrag vermindern können. Das gebe ich schon zu: Es gibt keinen eigenen EURATOM-Beitrag, diesen kann man also nicht herausschneiden und sagen, da sparen wir uns dann 6,7 Millionen €, aber wir müssen trotzdem aus dieser Organisation heraus. Allein die Beschickung des EURATOM, die Teilnahme an


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den Strukturen, an den Tagungen und so weiter kostet eine Menge Geld. Also das ersparen wir uns auf jeden Fall. Und wir beenden diesen Zustand der inneren Widersprüchlichkeit und auch der inneren Verlogenheit, dass wir in einer solchen Organisation aktiv mitmachen, dass wir ihre Gremien beschicken und dass wir für sie auch wissentlich zahlen.

Ich glaube, das sind der Argumente genug, dass man unserem Antrag nähertreten soll. Wir haben eine Volksabstimmung gefordert, da es seitens der Regierungsparteien bisher keine Bereitschaft gegeben hat, einem Ausstieg im Rahmen dieses Hauses näherzutreten. Da wir ja bedauerlicherweise nicht die Mehrheit haben und die Ent­scheidung nicht selbst fassen können, haben wir vorgeschlagen: Legen wir das doch dem Volk vor, denn gerade in der Atomenergiefrage hat bisher das Volk entschieden, und die Rechtslage, die wir heute haben, ist aufgrund eines Volksentscheides, und zwar einer echten Volksabstimmung, zustande gekommen.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

 


16.22.48

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Abgeordnete! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kernenergie wird von mir und einem Großteil der österreichischen Bevölkerung aufgrund nicht kalkulierbarer Risiken verständlicherweise kategorisch abgelehnt. Anti-Atom-Politik wird von unserem Umweltminister Niki Berlakovich konse­quent betrieben. (Widerspruch bei den Grünen.) Er setzt sich mit Nachdruck auf euro­päischer und bilateraler Ebene gegen einzelne Kernkraftwerke sowie Kernenergie im Allgemeinen ein.

Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass sich in letzter Zeit die Umstände in Europa und international in Bezug auf Kernenergie verändert haben. Bestehende Kern­kraftwerke werden länger betrieben, oftmals wird sogar die Leistung alter Atomkraftwerke erhöht. Staaten wie Italien oder jüngst Schweden haben den Ausstieg vom Ausstieg beschlossen. Das ist eine Entwicklung, die wir bedauerlicherweise zur Kenntnis nehmen müssen. (Abg. Mag. Brunner: Eben nicht!) Das bedeutet aber auch, dass wir entsprechend reagieren müssen. Wir müssen alle gemeinsam für maximale Sicherheit eintreten, und zwar durch die Schaffung und Weiterentwicklung von Sicher­heitsstandards – dies vor allem auf europäischer Ebene. Als besonders wichtig erachte ich auch die konsequente Kontrolle dieser Sicherheitsparameter auf europäischer Ebene. (Abg. Dr. Pirklhuber: Genau!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn sich jemand kritisch mit dem EURATOM-Vertrag auseinandersetzt, hat er meine volle Unterstützung. Die derzeitige Form des EURATOM-Vertrages ist umfassend im Sinne österreichischer Interessen zu refor­mieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, diesen Vertrag in unserem Sinne reformieren kann man allerdings nur dann, wenn man Vertragspartner ist. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde zwar erstmals eine explizite Ausstiegsklausel in die europäischen Verträge eingeführt, Spitzenjuristen sind jedoch zu dem Schluss gekommen, dass ein isolierter Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag weiterhin nicht möglich ist. Deshalb sollten wir versuchen, den EURATOM-Vertrag zu reformieren, und zwar von innen heraus: Verän­derungen erstens in Bezug auf die Sicherheit, zweitens in Bezug auf ungerechte Förderungen für die Nuklearenergie insgesamt.


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Kernenergie ist aus österreichischer Sicht nicht mit den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen und somit auch keine kostengünstige und trag­fähige Option zur Bekämpfung des Treibhauseffektes. Das Lebensministerium hat unter der Leitung von Minister Berlakovich im Zuge der Beratungen auf europäischer Ebene erreicht, dass nukleare Energie nicht als nachhaltig bezeichnet wird. Kern­energie wird aufgrund österreichischer Initiative auch keinen Platz in den flexiblen Instrumenten des Kyoto-Protokolls haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Entscheidungen über die nationale Energiepolitik obliegen grundsätzlich dem nationalen Souverän. Da wir Nuklearenergie nicht als Option für die Energiegewinnung sehen, müssen wir den österreichischen Weg für mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbare Energie konsequent weitergehen. Besonders freut mich die Initiative des Klima- und Energiefonds, der ein Programm für Klima- und Energie-Modellregionen für eine energieautarke Zukunft umsetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird Sie nicht wundern (Abg. Dr. Pirklhuber: Nein, es wundert uns nichts!), dass meine Heimatregion, das Waldviertel, sich als erste Region das Ziel gesetzt hat, energieautark zu werden. Wir haben in diesem Zusam­menhang bereits viele Projekte umgesetzt.

Auch der Umweltkontrollbericht stellt den Initiativen Österreichs ein gutes Zeugnis aus. (Abg. Dr. Lichtenecker: Aber wirklich nicht!) Und dies in verschiedensten Bereichen, Frau Kollegin, wenn Sie sich das genauer ansehen. Zum einen sind wir atomkraftfrei, zum anderen sind wir gentechnikfrei. (Abg. Dr. Lichtenecker: Oh!) Wir sind im Spit­zen­feld der erneuerbaren Energie, wir haben einen extrem hohen Anteil an Bio­landwirtschaft.

Summarisch gesehen in Bezug auf diesen Tagesordnungspunkt: Erneuerung des Ver­trages von innen zum Wohle der österreichischen Interessen und konsequente Fortsetzung des österreichischen Weges zum Wohle der Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


16.27.22

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Leider schaut es in der österreichischen Umweltpolitik nicht ganz so gut aus, wie es mein Vorredner jetzt dargestellt hat. Wir sind Schlusslicht, was die Ökostromförderungen angeht, wir sind Schlusslicht beim Klimaschutz, wir sind leider alles andere als ein Umweltmusterland. Das Einzige, was es in Österreich noch gibt, ist ein breiter Antiatomkonsens hier im Haus – wahr­scheinlich mit Ausnahme des Kollegen Schüssel, der ja zu einem Atomkonzern wechselt, was ich im Übrigen untragbar finde, weshalb ich auch finde, dass er sein Mandat zurücklegen müsste –, aber jedenfalls in der österreichischen Bevölkerung.

Ich war erst vor Kurzem in einer Schule, wo Kinder sich einen Film über die Folgen von Tschernobyl angeschaut haben, Kinder, die diesen Unfall, diesen Super-GAU damals nicht miterlebt haben, wo klarerweise auch sehr große Bestürzung da war. Ich glaube, jedem, der das erlebt hat und der das auch sieht, ist klar, dass so etwas einfach nie wieder passieren darf.

Dass so etwas nie wieder passiert, ist aber nicht sichergestellt. Es sind rund um Österreich verschiedenste Reaktoren in Planung, sehr, sehr unsichere AKWs mit hohen Sicherheitsrisiken, wobei auch noch bedenkliche Verfahren stattfinden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 75

Es sind da jetzt einige Anträge auf der Tagesordnung, unter anderem zu Mochovce und Temelín, und ich denke, wenn wir nicht wollen, dass so etwas wieder stattfindet, dann ist es schon auch Aufgabe der österreichischen Bundesregierung, sich konse­quent dafür einzusetzen. Und da reicht es nicht, wenn man jetzt im Fall von Mochovce eine Veranstaltung nach Österreich holt oder dem Amtskollegen in der Slowakei etwas ausrichtet, sondern da muss man auch aktiv vorgehen. Das Verfahren dort ist nicht EU-konform. Da bietet uns die Europäische Union, dass Österreich hier auch entsprechend vorgeht.

Das Gleiche bei Temelín. Dem Umweltministerium ist bekannt, dass da die UVP beginnen wird, dass da jetzt die UVP jederzeit möglich sein kann. Dazu auch der Antrag der FPÖ. Wir werden übrigens allen Ihren Anträgen zustimmen. Wenn es jetzt keine Klarheit darüber geben sollte, ob das Melker Abkommen verbindlich ist oder nicht, dann ist es jetzt einfach die Aufgabe der Bundesregierung, dafür zu sorgen und klarzumachen, dass dieses Abkommen völkerrechtlich verbindlich sein muss und ist.

Der Einsatz, den unsere Bundesregierung dazu bisher geleistet hat, ist, finde ich, sehr unzureichend, denn gerade auf europäischer Ebene würden sich auch verschiedene Möglichkeiten ergeben. Wenn man dort mit NGOs redet – Kollege Widmann und ich waren auch bei einem Treffen der Parlamentarier in Brüssel –, wenn man mit Parlamentariern aus anderen Ländern redet, dann merkt man, dass hier sehr viel mög­lich ist, dass, vor allem wenn man Alternativen anbietet, auch ein Atomausstieg mög­lich ist. Und wenn Sie jetzt sagen, Kollege Hornek, dass man das zur Kenntnis nehmen muss, wenn jetzt andere Länder wieder auf Atomenergie setzen: Genau eben nicht! Wir dürfen es nicht zur Kenntnis nehmen, da muss sich die österreichische Bun­desregierung einfach um Allianzen bemühen und Alternativen anbieten. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Weinzinger.)

Auf EU-Ebene komme ich dann natürlich auf den EURATOM-Vertrag. Wir haben einen ähnlichen Antrag auch im Umweltausschuss eingebracht, wo wir die Bundesregierung direkt auffordern, auszutreten, denn diese Möglichkeiten gibt es. Ich sehe es überhaupt nicht ein, warum es auf europäischer Ebene einen Vertrag gibt, der sich genau nur mit einer Energieform beschäftigt, noch dazu, wenn es eine Energieform ist, die hoch­riskant ist, die keine Zukunftslösung ist, schon gar nicht für den Klimawandel. Also wenn es schon einen Vertrag gibt, dann einen Energievertrag, der alle Energieformen einbezieht und entsprechend ihrer Zukunftspotentiale unterstützt. Und da sind es einfach die erneuerbaren Energien, die die Lösung für den Klimawandel sind, die die Lösung für mehr Umweltschutz und auch für saubere Energie sind.

Alles Geld, das jetzt noch in die Atomenergie geht, geht uns bei den erneuerbaren Energien ab. Das ist auch und insbesondere dann höchst bedenklich, wenn man sich die Zeiträume ansieht, die wir für die Lösung des Klimaproblems noch zur Verfügung haben. Daher ist es die Aufgabe Österreichs, hier klare Zeichen zu setzen und aus dem EURATOM-Vertrag auszusteigen.

Wenn Sie jetzt in Ihrem Antrag, im Antrag der Bundesregierung – auch mein Kollege, der vorher gesprochen hat, hat das gesagt –, feststellen, die Bemühungen zur Reform des EURATOM-Vertrages werden weitergehen, ich meine, dann ist das eher eine Drohung, als dass da irgendetwas weitergehen wird, denn die Bemühungen sind bisher gescheitert, und die Rolle, die Österreich dabei eingenommen hat, war eine sehr, sehr passive. Und dass das weitergeht, das möchte ich sicher nicht.

Ich denke mir, es ist eine Verpflichtung Österreichs oder gerade eine Möglichkeit, die Österreich hat, es auch anderen Ländern zu zeigen, dass es anders gehen kann. Und da denke ich an die erneuerbaren Energien.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 76

Ich war vor Kurzem bei der UVP-Verhandlung rund um ein AKW in Weißrussland, wo von weißrussischer Seite gesagt wurde, es gebe keine andere Möglichkeit. Weißruss­land ist übrigens das Land, das am stärksten von der Katastrophe in Tschernobyl betroffen war, und da finde ich es schon ganz besonders bedrückend, wenn gerade dieses Land wieder ein Atomkraftwerk bauen möchte. Aber die sagen, wir sehen leider keine Alternative, denn die erneuerbaren Energien sind uns zu teuer.

Das wäre die Rolle, die Österreich meiner Meinung nach einnehmen müsste, nämlich klar zu sagen: Es gibt Alternativen, wir zeigen es vor! – Wir tun es leider viel zu wenig, Österreich als Musterland für erneuerbare Energie darzustellen und anderen Ländern in Europa Möglichkeiten zu zeigen, wie es auch anders gehen kann, um eben auf diese Weise konsequent auch an einem Atomausstieg Europas zu arbeiten. Ich glaube, das wäre eine Riesenchance auch für Österreich, und das ist die Chance für ein atomkraftfreies Europa.

Daher Zustimmung für die Anträge.

Im Übrigen bin ich der Meinung, Österreich braucht ein eigenständiges, starkes, en­gagiertes Umweltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.33


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


16.33.53

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne zum Antrag bezüglich Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag Stellung nehmen und begründen, warum wir ihn ablehnen.

Aber vorneweg ein paar Bemerkungen, um das klarzustellen: Für die SPÖ ist Atom­kraft keine mögliche Form der Energieversorgung. Es ist nichts gelöst, weder die Sicherheitsfrage noch die Frage der Endlagerung des hochaktiven Atommülls. Und über die Folgeschäden wissen Sie alle Bescheid: Tod, Krebserkrankungen, Missbildun­gen bis hin zur Schädigung des Erbgutes.

Auch wenn die Lobbyisten der Atomenergie glauben, Morgenluft zu wittern – ich denke da zum Beispiel an die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko oder an den Klimawandel –, die Welt lässt sich nicht mit Atomenergie versorgen, denn dafür gibt es auch nicht genügend Uran. Vor allem: Atomkraft ist auch teuer, zu teuer, nicht wirtschaftlich, insbe­sondere wenn man die Kosten für die Endlagerung mitrechnet. Atomkraft muss hoch subventioniert werden und ist daher keine Zukunftstechnologie.

Der Antrag, den die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP eingebracht hat, bringt das klar zum Ausdruck. Wir werden diesen Standpunkt weiterhin mit Konsequenz in der EU und auch international vertreten.

Nun zum EURATOM-Vertrag. Österreich wurde durch seinen Beitritt zur EU auch Vertragspartner des EURATOM-Vertrages. Ein einseitiger, isolierter Ausstieg ist, auch wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, nicht möglich. Ein Gutachten des Verfassungsdienstes und des Völkerrechtsbüros aus dem Jahr 2008 hat diese Frage ausführlich und eingehend geprüft und kommt unmissverständlich zu dieser Schluss­folgerung, dass ein einseitiger Austritt, wie Sie ihn fordern, aus europarechtlicher und aus völkerrechtlicher Sicht nicht möglich ist.

Abgesehen davon, dass Sie einen Weg vorschlagen, der rechtlich nicht möglich ist, halte ich diese Forderung auch nicht für sinnvoll, denn Österreichs Beitrag zum EU-Budget, wie Sie schon erwähnt haben, Herr Kollege Hübner, würde durch einen Austritt


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aus dem Vertrag nicht verringert werden. Wir müssten EURATOM mitfinanzieren, hätten dann aber keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr.

Aus diesem Grund hat sich Österreich schon vor einiger Zeit gemeinsam mit Deutsch­land, Irland, Schweden und Ungarn für die rasche Einberufung einer Revisions­kon­ferenz zum EURATOM-Vertrag eingesetzt. Das ist der Weg, den wir gehen müssen, und das bekräftigt auch unser Antrag, den wir eingebracht haben.

Unabhängig davon ist es notwendig, dass sich die österreichische Bundesregierung weiterhin konsequent für die Wahrung der Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung, insbesondere bei den grenznahen Atomkraftwerken, einsetzt.

Die Risken, die die friedliche Nutzung der Atomenergie mit sich bringt, sind groß, aber noch viel problematischer sind die Risken durch Atomwaffen. Im Februar dieses Jahres wurde ein von allen Parteien eingebrachter Antrag zur Unterstützung für eine Welt ohne Atomwaffen beschlossen.

Wir wissen, die einzige Alternative zu einem gefährlichen, ungehemmten atomaren Wettrüsten ist eben nur eine Welt ohne Atomwaffen. Um das zu erreichen, wurden bereits nuklearwaffenfreie Zonen errichtet, wie das jetzt auch für den Mittleren Osten angedacht ist. Dazu soll 2012 eine Konferenz stattfinden, und Österreich sollte an die Tradition Kreiskys anknüpfen und sich in der Frage engagieren, mit dem Ziel, die Gespräche vorzubereiten, die Gespräche nachzubereiten, die Konferenz nach Wien zu bekommen und Wien zur Drehscheibe in diesen Verhandlungen zu machen. Ich glaube, wir sollten uns dieser Herausforderung stellen und sie auch annehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


16.38.30

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist schon richtig, dass wir wohl hier im Hohen Haus alle gegen die Nutzung, und zwar gegen die friedliche und natürlich gegen die militärische Nut­zung, von Kernenergie eintreten. Es ist nur die Frage, wie man versucht, das durchzusetzen.

Und genau da sind wir offensichtlich – ich bedauere das – anderer Meinung oder unterschiedlicher Meinung, denn es wäre wichtig, dass wir als mittlerweile eines der wenigen Länder in Europa, die vorbehaltlos gegen die Nutzung der Kernenergie eintreten, das auch entsprechend zielgerichtet und mit einer Stimme zum Ausdruck bringen.

Frau Kollegin Muttonen, Sie haben auch die militärische Nutzung und den Mittleren Osten angesprochen. Volle Unterstützung, aber auch hier braucht es klare Worte. Aber so klare Worte, wie man sie verwendet, um gegen den Iran und gegen andere Länder, die im Verdacht stehen, derartige Waffen zu entwickeln, aufzutreten, sind auch notwendig, um gegen jene Länder aufzutreten, die diese Waffen schon haben, wie etwa Israel im Nahen Osten. Eine nachhaltige Antiatompolitik, auch Antikern­waffen­politik wird es nur geben, wenn man gegen alle Länder entsprechende Maßnahmen erreicht, die diese Waffen schon haben oder versuchen, sie zu entwickeln. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Auch bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist es notwendig, klare Worte zu sprechen. Ich habe es sehr bedauert, dass man in der Entschließung, die Sie im Ausschuss eingebracht haben, diese klaren Worte vermisst. Wenn hier steht, dass der Wahrung der Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung in Bezug auf die


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grenznahen AKWs durch entsprechende Maßnahmen größte Aufmerksamkeit zu widmen ist, dann ist mir das, ehrlich gesagt, zu wenig.

Es gibt ein Volksbegehren mit 900 000 Unterschriften gegen Temelín. Es gab viele Initiativen, die wir für eine Nulllösung bei den AKWs gesetzt haben. Ziel muss es also sein, nicht nur die Sicherheitsinteressen im Auge zu behalten, sondern die Schließung dieser Kernkraftwerke zu unterstützen. Deshalb unterstützen wir auch alle Anträge, die in diese Richtung gehen.

Ich bedauere es, dass Länder wie etwa Finnland und Schweden sich jetzt wieder für neue Kernkraftwerke einsetzen. Da wäre es notwendig, dass Österreich deutlicher, als es in dieser Entschließung zum Ausdruck kommt, gegen diese Entwicklung auftritt. (Beifall beim BZÖ.)

16.40


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


16.41.02

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Diesem Konsens, nämlich in Österreich Atomkraft auch nicht fried­lich zu nützen, steht leider – oder auch nicht leider; Gott sei Dank in Wirklichkeit – die Autonomie aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber, nämlich die Auto­nomie, für sich zu entscheiden, mit welchem Energiemix sie ihre Energie beziehen wollen.

Das bringt für uns Probleme, weil wir als eines der wenigen Länder, quasi in einer Insel, eine kernkraftfreie Zone leben und mit grenznahen Atomkraftwerken rundherum zu kämpfen haben. Ich möchte versuchen, auf beide Dinge einzugehen, sowohl auf die grenznahen Kraftwerke als auch auf EURATOM. Was die Kraftwerke betrifft, hat die Europäische Kommission auch aufgrund der Beschwerde Österreichs geprüft, inwie­weit die Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetze der Slowakei und Tschechiens EU-rechtens sind.

In beiden Fällen hat die Europäische Kommission die Erkenntnis erlangt, dass sie das nicht sind, was dieses Problem des Zugangs der Betroffenen zu den Gerichten betrifft. In beiden Fällen, einmal ein bisschen früher, einmal im Herbst beziehungsweise Winter letzten Jahres und einmal jetzt vor ein paar Wochen, im Fall Tschechiens, sind diese beiden Gesetze auch national geändert worden.

Es wäre mir wichtig, dass jetzt der Landwirtschaftsminister als Zuständiger hergeht und die Europäische Kommission darauf dringt, sehr schnell zu prüfen, ob in diesen Novellen die Richtlinien der Europäischen Kommission auch wirklich eingehalten wer­den und ob diese grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren auch dem relativ guten UVP-Recht der Europäischen Union genügen.

Das wird, glaube ich, für die Frage von Mochovce trotzdem zu spät sein, weil da das Verfahren viel weiter ist als das Gesetz. Im Falle Tschechiens und Temelíns, wo der neue Beschluss der neuen Bundesregierung, dass man wirklich ausbauen will, erst jetzt besteht, allerdings der UVP-Antrag aus dem Jahr 2008 ist – also noch dem alten Gesetz entspricht –, habe ich mehr Hoffnung, dass man versuchen kann, sich in dieser jetzt kommenden UVP als Österreich, als Nachbar noch einzubringen und zu schauen, dass unsere sehr guten Argumente bezüglich Sicherheit auch wirklich gehört und politisch umgesetzt werden.

Noch ein zweiter Gedanke zu EURATOM: Abgesehen von der juristischen gilt es auch die politische Frage zu klären. Und abgesehen von der Frage, ob man sich Beiträge ersparen würde oder nicht – man würde sich das de facto nicht ersparen –: Es ist ein bisschen zwiespältig, wenn wir einerseits sagen, Österreich muss sich für ein kern­


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kraftfreies Europa engagieren – natürlich bin auch ich ungeteilt dieser Meinung –, andererseits aber in der Plattform, wo wir es tun könnten, nämlich in EURATOM, auf unser Mitspracherecht verzichten.

Damit würden wir nämlich auch darauf verzichten, mit ohnehin immer weniger werden­den Verbündeten weiter darauf zu dringen, dass die ganze Förderungspolitik von EURATOM weggeht von der Implementierung neuer Reaktoren, von der positiven Kernforschung hin zu mehr Sicherheit, zur Sicherung von Abwrackungen et cetera. Sich ganz zurückzuziehen halte ich auch aus politischen Gründen nicht unbedingt für der Weisheit letzten Schluss.

Ich fürchte, wir werden diese Frage hier noch öfter diskutieren. Aus meiner Sicht unbestritten ist, dass die österreichische Bundesregierung eine klar atomkritische Linie vertritt, in der Vergangenheit vertreten hat und sicherlich auch in der Zukunft vertreten wird. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Weinzinger. – Bitte.

 


16.44.35

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hochverehrte Vorrednerin! Ganz so stimmt das nicht, dass die österreichische Bundesregierung beziehungsweise die jetzigen Regierungsparteien oder Ihre Partei die Atomkraft immer total abgelehnt hätte.

Ich denke da an Zwentendorf. Ich war noch aktiv beteiligt, als wir gegen Zwentendorf Propaganda betrieben haben. Dazu wurde mir von vielen Ihrer damaligen Genossen folgender schöner Spruch entgegengehalten: Atomkraftgegner überwintern mit Kerzenlicht und kaltem Hintern. (Heiterkeit bei FPÖ und BZÖ.)

So haben Sie das damals gesehen. Inzwischen hat sich die Haltung völlig geändert – und zwar nicht nur, weil Kreisky damals diese Volksabstimmung verloren hat, nicht nur, weil sich euer großer Sonnenkönig danach grollend zurückgezogen hat, sondern vor allem auch deswegen, weil inzwischen einiges passiert ist. Wir erinnern uns an Tschernobyl mit Entsetzen!

Noch etwas: Die Leute sind inzwischen draufgekommen: Wir können doch den Gene­rationen in den Jahrhunderten nach uns nicht irgendwelche brandgefährliche Beton­särge hinterlassen! Wo geben wir denn den Müll hin? Momentan versucht man es mit irgendwelchen Bergwerken und kommt dann drauf, dass das extrem gefährlich ist, dass dort natürlich immer wieder Wasser durchfließt, wieder an die Oberfläche kommt und dann verstrahlt ist.

Die Möglichkeit, den Abfall mit einer riesigen Rakete in die Sonne zu schießen, ist auch noch nicht gegeben. Also, meine Damen und Herren: Es ist doch selbstverständlich, dass man aus dieser Atomkraft aussteigen muss, so rasch wie möglich! Das ist gar keine Frage! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie nun sagen, mit einem Eiertanz sondergleichen, wir könnten aus EURATOM nicht aussteigen, so wissen Sie ganz genau, dass das nicht stimmt. Sie trauen sich einfach nicht – weil wir ja die Musterschüler der EU sind, weil wir ja alles in voraus­eilendem Gehorsam tun, selbst wenn wir etwas tun müssen, das gegen unsere, wenn Sie so wollen, Staatsphilosophie ist! Und unsere Staatsphilosophie ist nun einmal: atomfrei – sowohl in Bezug auf Waffen als auch in Bezug auf die Atomkraft. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann haben wir an unserer Grenze drei Probleme. Lassen Sie mich zwei davon ansprechen: Die Tschechoslowakei hat sich überraschend – für die meisten von uns,


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für Eingeweihte jedoch nicht überraschend – getrennt. Sie hat sich getrennt und zwei Staaten gebildet. Beide Staaten haben ein Erbe übernommen, nämlich alte Atom­kraftwerke nach der Bauart der alten Sowjetunion. Diese waren unsicher, wie Tscher­nobyl. Diese Atomkraftwerke haben aber nicht nur diese beiden neuen Staaten, die Tschechei oder Tschechien und die Slowakei übernommen, sondern auch ihre Nach­barn – und das sind wir.

Als Oberösterreicher weiß ich ganz genau, was dieses Temelín für uns bedeutet. Das ist fast direkt an unserer Grenze. Wenn dort etwas passiert, dann sind wir Ober­österreicher alle dran. Selbst die Innviertler, wie ich einer bin. (Beifall bei FPÖ und BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dann haben wir Verhandlungen geführt, diese berühmten Melker Verhandlungen – mit dem Ergebnis, dass inzwischen die Tschechen sagen: Das hat überhaupt keine völkerrechtliche Bedeutung; die haben wir eben geführt, weil wir freundliche Menschen sind. Aber getan haben sie tatsächlich nichts!

Daher unser Antrag. Übrigens: Der Antrag wurde eingebracht am 25. November 2008. Behandelt im Ausschuss wurde er erst am 1. Juli 2010 (Abg. Weninger: Das geht alles ruck, zuck!) – das im Hinblick auf flotte Behandlung von Oppositionsanträgen! Der zweite Antrag, der von Mochovce handelt, wurde eingebracht am 15. Oktober 2009, da waren wir „sensationell schnell“ bis zum 1. Juli 2010.

Beide Anträge stehen heute hier zur Abstimmung. Es geht darum, dass wir ein Zeichen setzen und klarstellen: Jawohl, wir, die Republik Österreich und damit dieses ihr Hohes Haus stehen zur Staatsphilosophie dieses Staates, und das heißt, Nein zur Atomkraft!

Geben Sie bitte Ihrem Herzen einen Stoß und stimmen Sie diesen unseren Anträgen zu! Sie haben lange darauf gewartet und sind daher hoffentlich gut behandelt worden. Behandeln Sie sie auch gut! (Beifall bei der FPÖ.)

16.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


16.50.10

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Außen­minister! Hohes Haus! Kollege Lutz Weinzinger, um bei Bruno Kreisky zu bleiben: Lernen S´ Geschichte! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Der von Ihnen als „Sonnenkönig“ bezeichnete Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky hat sich nach der Volksabstimmung über Zwentendorf nicht grollend aus der Politik zurück­gezogen, sondern hat 1979 den größten Wahltriumph der Sozialdemokratie in der Geschichte der Zweiten Republik gefeiert, weil die Österreicherinnen und Österreicher dankbar waren für dieses erste Plebiszit, für die erste Volksentscheidung! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei FPÖ, BZÖ und Grünen.) – Darüber können wir nicht diskutieren, Kollege Westenthaler. Das sind historische Tatsachen.

Wir haben zwei unterschiedliche Ansätze. Kollegin Brunner will Österreich aus dem EURATOM-Vertrag beamen, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen: Mitarbeiten, mitwirken und die Strukturen von innen verändern. Abgesehen von Gelehrtenstreiten der Juristen wäre unserer Meinung nach ein Rückzug aus dem EURATOM-Vertrag für die Anti-AKW-Politik Österreichs kontraproduktiv. Wir würden uns damit jede Einflussnahme und jede Mitentscheidungsmöglichkeit in der europäischen Nuklearpolitik nehmen.

Ich glaube, dass es vielmehr die Aufgabe des österreichischen Parlaments wäre, durch Eigeninitiative, aber auch durch Unterstützung der österreichischen Bundesregierung die Reformbemühungen innerhalb des EURATOM-Vertrags zu unterstützen und sich


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endlich von der Vorstellung zu verabschieden, die EURATOM-Struktur wäre eine reine Atomkraftwerksbehörde.

Kollege Hübner hat aus der historischen Präambel zitiert. Mittlerweile sind 60 Jahre vergangen. Die EURATOM-Behörde ist inzwischen unter anderem auch eine wichtige Plattform zur Kontrolle der Nicht-Weiterverbreitung von waffenfähigem nuklearem Material, aber auch für den Strahlenschutz in Europa.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es um hohe und verbindliche Sicherheitsstandards, es geht um die Wahrung der österreichischen Sicherheits- und Umweltinteressen sowie um die Durchsetzung grenzüberschreitender Bürgerrechte. (Abg. Dr. Pirklhuber: Es geht um Milliarden für die Atomindustrie!)

Gerade in Zeiten einer bedrohlichen Renaissance der Kernenergie, in der immer mehr Staaten unter dem Vorwand der Klimaziele und der Ressourcenknappheit den „Aus­stieg vom Ausstieg“ propagieren, ist es wichtig, dass Österreich in der Antinuklear­politik stark und entschlossen auftritt. Ich lade Sie daher ein, unserem Entschließungs­antrag zuzustimmen. Im Übrigen bin ich der Meinung: Es geht nicht um den Austritt aus einem Vertrag, sondern um den Ausstieg aus der Kernkraft. (Beifall bei der SPÖ.)

16.53


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Widmann. – Bitte.

 


16.53.10

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Man hat den Eindruck, dass nach der Vorlesung des Kollegen Hornek und den Lippenbekenntnissen der Kollegin Muttonen gegen die Atomkraft – man will da raus, man will die erneuerbare Energie fördern – das Thema letztlich dahin geht, EURATOM zu verteidigen. Wenn ich mir die letzten Reden anhöre, dann denke ich wirklich, es bewegt sich nichts: weder bei der ÖVP noch bei der SPÖ. Das ist mit Sicherheit der falsche Weg! (Abg. Mag. Muttonen: Haben Sie schlecht gehört?!)

Die Österreicher haben vor 30 Jahren klar und eindrucksvoll in der Volksabstimmung manifestiert, dass sie die Atomkraft ablehnen. Neueste Umfragen belegen auch, dass 80 Prozent EURATOM nicht wollen. Jetzt frage ich mich, warum wir bei diesem Vertrag noch dabei sind. Das ist offenbar das generelle Dilemma dieser Bundesregierung, die keine Anti-Atom-Politik macht, sondern bestenfalls in Sonntagsreden von Anti-Atom-Politik spricht.

Dabei sind wir von Hochrisikoreaktoren umgeben! In Krško soll ein weiterer Reaktor gebaut werden, der Betrieb verlängert werden. (Abg. Riepl: Wissen wir eh!) Derselbe Reaktortyp wird in Puerto Rico wegen Sicherheitsbedenken verboten, aber da unten bauen wir das! – (In Richtung des Abg. Dr. Cap, der sich gerade seine Krawatte zurechtrückt:) Die Krawatte passt, Herr Kollege Cap. Sie müssen vielleicht den Knopf ein bisschen enger machen. Ja, genau. Die passt. (Abg. Dr. Cap: Wirklich wahr?!)

Zu Temelín, Herr Kollege Cap: Damals waren Kanzler Schüssel, Ministerpräsident Zeman und Kommissar Verheugen dabei. Dennoch streiten wir heute darum, ob dieser Vertrag völkerrechtlich anerkannt wird, Kollege Cap! Sie könnten Initiativen setzen, damit das endlich stattfindet (Beifall bei der SPÖ – Nicken des Abg. Dr. Cap), damit jene Sicherheitsmaßnahmen, die man in der Beilage ausgemacht hat – die 28,8-Meter-Bühne, die Ventile –, endlich einmal umgesetzt werden, damit Lutz Weinzinger auch in Zukunft im Innviertel sicher leben kann. Das wäre sinnvoll!

Nächstes Thema ist Mochovce. Auch dort sollen zwei Blöcke weitergebaut werden, obwohl dieses Bauwerk sowjetischer Herkunft ist und nicht den Standards entspricht.


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Damit bin ich auch schon bei dieser Bundesregierung. Was machen Sie? Einerseits sind Sie ein klimapolitischer Hochstapler – denken Sie an die Kyoto-Ziele, die nicht erreicht wurden, wobei wir letztlich Milliarden zahlen müssen –, andererseits sind Sie in Österreich ein energiepolitischer Tiefflieger. Sie machen keine Energiestrategie, Sie bringen nichts weiter, um Österreich energieautarker zu machen.

Kollegin Brunner hat es angesprochen, wir beide waren am 7. und 8. Juni in Brüssel und haben dort gegen EURATOM mobil gemacht. Ich darf das ganz klar begründen – auf das Rechtliche komme ich noch zu sprechen –: Würden Sie KFZ-Steuer zahlen, wenn Sie kein Auto hätten? Sie von ÖVP und SPÖ zahlen aber offenbar gerne Atomsteuer an EURATOM, obwohl wir kein Atomkraftwerk haben und zu dieser Form der großtechnischen Energienutzung, nämlich zur Atomkraft nein sagen! Daher ist der Ausstieg, meine ich, mehr als notwendig.

Die EU diskutiert bereits über Konzepte für erneuerbare Energien, über eine Energie­gemeinschaft. Da wird es auch darum gehen, ob wir in Zukunft noch wollen, dass der Energie-Mix, der angesprochen worden ist, wirklich frei verfügbar sein kann, dass wirklich jedes Land in Zukunft auf Teufel komm raus Atomkraftwerke bauen kann, oder ob man wirklich den gemeinsamen Ausstieg fixieren muss.

Auch heute früh habe ich in den Nachrichten gesehen: Da sagt etwa das deutsche Umweltbundesamt, Deutschland könnte bis 2050 energieautark sein! Nur treibt da die Atomindustrie offenbar ihr eigenes Spielchen.

Zum Ausstieg, zur rechtlichen Situation, zum Vertrag – ich habe ihn mitgenommen, er ist schon viel zitiert worden –: Es geht hier wirklich um den Aufbau einer mächtigen Atomindustrie in Europa und um Unterstützung dessen, und um sonst nichts!

Es geht, so steht es dort, auch darum, dass man Sicherheitsnormen zum Schutz der Bevölkerung umsetzen will. Ich frage Sie: Wo sind denn diese Sicherheitsnormen? – Wir haben russische Atomkraftwerke mitten in Europa stehen, mit einer Technik, die weit überholt ist!

Es geht darum, Investitionen für die Atomkraft zu erleichtern und die Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen sicher zu versorgen. Da frage ich Sie, Herr Außen­minister: Wo handelt denn Österreich mit Kernenergie oder mit Kernbrennstoffen? Also ich weiß nichts davon!

Außerdem wird immer wieder von Mitsprache gesprochen. Sagen Sie endlich: Was haben Sie bisher ausgehandelt? Mir ist kein einziges Ergebnis bekannt! Legen Sie die Fakten auf den Tisch und sagen Sie, das und das haben wir erreicht! – Sie haben gar nichts erreicht, außer dass wir jährlich 40, 50, 60, 80 Millionen € über den EURATOM-Vertrag auszahlen dürfen.

Dann sagen Sie, der Austritt wäre rechtlich nicht möglich, und stützen sich auf ein einziges Gutachten. Andererseits gibt es vier Verfassungsrechtsexperten, Völker­rechtler, die sagen, das geht sehr wohl – nach der alten Rechtsordnung, vor dem 1. Dezember 2008. Das sage ich ganz bewusst, denn das war der Lissabon-Vertrag. Sie wollen immer Europa den Österreichern gut verkaufen. Dann nützen Sie diesen Vertrag! Denn: Die Rechtssituation hat sich geändert.

Es war vor dem 1. Dezember 2008 möglich, aus EURATOM auszusteigen, sagen die Verfassungsexperten – der Bundeskanzler sagt das nicht –, nämlich nach der Wiener Vertragsrechtskonvention, nach dem Völkergewohnheitsrecht. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts aber hat gesagt, das geht nicht. Und nun haben wir die Situation, dass wir den Lissabon-Vertrag haben, und durch die Erstreckung des Artikels 49a des Lissabon-Vertrags auf den EURATOM-Vertrag kann man aus diesem Vertrag auch aussteigen.


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Ich bitte Sie, einfach einmal andere Juristen zu bemühen. Fragen Sie doch einmal Experten, die wirklich etwas davon verstehen, und nicht die Hofjuristen vom Bundes­kanzleramt! (Beifall beim BZÖ.)

Dann werden Sie nämlich feststellen, dass dieser EURATOM-Vertrag durch den Lissabon-Vertrag inzwischen ein eigenständiger, rechtmäßiger Vertrag ist, er ist jetzt nicht mehr Bestandteil des EU-Vertrages. Das heißt, Sie können (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen) aus diesem Vertrag letztlich auch aussteigen.

Herr Außenminister – mir fehlen bei dieser Diskussion eigentlich auch der Herr Bun­deskanzler, der Wirtschaftsminister und der Umweltminister (Abg. Kopf: In welchem Ausschuss ist das behandelt worden?) –, tun Sie etwas! Nützen Sie auch die Vorteile des Lissabon-Vertrages (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glocken­zeichen) – ich bin in der Zeit – für Österreich, für erneuerbare Energie, für die Arbeits­plätze, für den Klimaschutz, und treten Sie endlich aus diesem EURATOM-Vertrag aus! Die Menschen stehen hinter Ihnen! – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

16.59


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

 


16.59.11

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Ich möchte nur ganz kurz zum Thema Atomkraft sprechen. Wir wissen genau, dass Atomenergie die Energie mit den weltweit geringsten Ressourcen ist, dass im elektrischen Bereich nur für rund 3,5 Prozent des Energie­bedarfs Stromerzeugung aus Atomenergie für einige Jahrzehnte möglich wäre. Die Versorgung mit diesen Rohstoffen ist also wesentlich schlechter gegeben als bei Öl oder Kohle, und daher ist diese Form der Energiegewinnung nicht wirklich eine Inno­vation oder eine Zukunftslösung.

Wir wissen auch, dass es überall dort, wo der Rohstoff Uran gefunden und gehoben wird, grundsätzlich sehr korrupt und manchmal auch sehr kriegerisch zugeht – Beispiel Kongo. Es ist also nicht unbedingt eine friedensstiftende Technologie. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Wir wissen aber auch, dass Sonne, Wind, aber auch kohlenstoffhältiger Müll in rauen Mengen gerecht über die Welt verteilt sind und daher hier der Ansatz sein muss. Ich bin sehr optimistisch, dass es schon in absehbarer Zeit Innovationen aus Österreich geben wird, die den Bereich Sonnenenergie so profitabel und wettbewerbsfähig machen, dass die Atomenergie, die ja die höchstsubventionierte und im Wesentlichen unwirtschaftlichste ist, von selbst obsolet werden wird. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube sogar, dass es so sein wird, dass diese Innovationen schneller da sein werden, als ein EURATOM-Austritt umgesetzt werden würde, wenn wir ihn heute beschließen würden, weil wir ja wissen, dass ein EURATOM-Austritt auch von den anderen EURATOM-Mitgliedstaaten genehmigt und beschlossen werden müsste, und das würde Jahre dauern. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass wir schon vorher sehr vernünftige alternative Technologien, zum Teil aus Österreich, entwickelt haben werden und dass sich damit die Frage der Atomenergie von selbst lösen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jannach. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 



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17.01.42

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Alle drei oder vier Anträge, die zum tschechischen AKW Temelín, zu Mochovce, auch zum slowenischen Krško vorliegen, finden unsere volle Unterstützung. Und all diese Anträge drücken die Sorge der Bevölkerung vor der Atomkraft aus.

Es gibt dieses Volksbegehren, es hat auch schon die Ablehnung zu Zwentendorf gegeben. Ich muss wirklich jeden Einzelnen hier im Parlament fragen, vor allem die Abge­ordneten von SPÖ und ÖVP: Was machen Sie denn, wenn etwas passiert? Was machen Sie, wenn in Mochovce, in Bohunice oder in Krško irgendetwas passiert? – Dann, Herr Außenminister, nützen keine Protestnoten mehr mit irgendwelchen Be­schwichtigungen. Dann sind Sie die Ersten, die im Strahlenschutzbunker sind und Protestnoten nach Prag, Pressburg und Laibach schicken. Nur, der Bevölkerung hilft das dann wirklich nichts mehr. Hier geht es um die Sicherheit in unserem Land. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Widmann hat es auch schon erwähnt: Was sind die Ergebnisse der öster­reichischen Delegation im EURATOM-Gremium? – Kein einziges Ergebnis ist bekannt. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass wir Millionen € in diese EURATOM-Gesellschaft, die zur Förderung der Atomenergie in Europa da ist, gezahlt haben und weiter zahlen. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Es ist bezeichnend, wenn Kollege Hornek herausgeht und sagt: Da können wir bedauerlicherweise nichts machen. (Zwischenruf des Abg. Hornek.)

Äußerst kurios ist, wenn Sie sagen, dass Herr Umweltminister Berlakovich eine Studie über Kernenergie erstellen hat lassen, die feststellt, dass Kernenergie nicht als nach­haltig empfunden wird. Ich möchte wissen, was diese Studie kostet und was die bringt. Das weiß jeder Bürger in Österreich, dass Kernenergie nicht nachhaltig ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir alle hier im Saal wissen es und sind uns einig darüber – auch die Abgeordnete Muttonen hat es gesagt –, es gibt sehr, sehr große Risiken in der Atomenergie. Viele haben davon gesprochen, dass es ein Entsorgungsproblem gibt, das riesengroß ist. Wir verlangen, dass man die Bevölkerung einbindet. Wir wollen nicht mehr als das Recht der Bevölkerung auf Abstimmung über eine atomfreie Zone, aber nicht nur in Österreich, denn die haben wir. Aber es nützt nichts, wenn unmittelbar nach der Grenze Atomkraftwerke stehen, die massiven Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit der Österreicher und auf unsere Umwelt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Weninger.)

Sie sind der Erste, der mit seiner Familie im Strahlenschutzbunker sitzt, wenn etwas passiert! Sie haben hier die Verantwortung! Sie könnten hier im Hohen Haus etwas unternehmen, aber Sie machen es nicht! Sie reden seit Jahrzehnten, die Atomkraft muss verschwinden, aber außerhalb der Grenzen haben Sie bisher nichts erreicht. Wir möchten wirklich nur einmal wissen, was in diesem EURATOM-Gremium von österreichischer Seite ausverhandelt wird.

Herr Minister, wir bitten Sie im Interesse der Sicherheit und der Gesundheit der Öster­reicher, keine Sonntagsreden zu halten, keine Beschönigung der Atomkraft zu machen. Handeln Sie in Ihrer Verantwortung als Außenminister für die Sicherheit und Gesundheit der Österreicher! – Danke. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)


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17.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.05.21

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Viele Abgeordnete haben hier eines, glaube ich, schon klarmachen können, nämlich dass die Bundesregierung in diesem Fall eindeutig mehr als säumig ist. Sie ist geradezu paralysiert, und nichts macht sie, gar nichts macht sie.

Kollege Gartlehner, was Sie hier inhaltlich richtig vorgeben, ist alles korrekt, etwa wenn Sie sagen, im Kongo gibt es Riesenprobleme im ganzen Rohstoffmanagement et cetera bis hin zu Bürgerkrieg. – Ja bitte, das ist eben eine Technologie, die nicht zukunftsfähig ist; das ist Faktum.

Der EURATOM-Vertrag sichert eindeutig die Wettbewerbsfähigkeit der Atomwirtschaft, der Atomlobby in Europa. Und das ist doch dramatisch. 60 Milliarden € gehen in die Atomforschung, in die Atomtechnologie, und wir zahlen dazu nach wie vor hinein.

Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren. Warum? – Es droht nämlich, das wurde auch schon angemerkt, ein echtes Revival der Atomenergie. Die Atomlobby ist auf allen Ebenen am Laufen – Kollege Scheibner hat es erwähnt. In Schweden, Finnland, aber auch in Italien gibt es Diskussionen. In Deutschland wurde die Laufzeit der AKW ausgedehnt. Es drohen in Zukunft zusätzliche Risiken, und deren Aus­schaltung muss man heute angehen. Hier gibt es aus österreichischer Sicht nur eine klare Botschaft.

Ich selbst bin als Schüler damals für das Volksbegehren Zwentendorf gelaufen. Ich weiß, was das heißt, wie damals der Wind in eine andere Richtung gegangen ist, und wir haben hart dafür gekämpft, diesen Atomausstieg in Österreich zu schaffen. Jetzt geht es auch in der europapolitischen Situation darum, die neuen Technologien voranzubringen und sie nicht nur im Mund zu führen, Kollege Hornek, wie Sie das hier tun und vom Papier runterlesen, das Ihnen offensichtlich ein Beamter im Ministerium von Minister Berlakovich geschrieben hat. Das ist wirklich traurig. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) – Ja, dann hat es jemand anderer geschrieben. Aber eine Rede herunterzulesen, das ist keine Empathie gegen Atomenergie, für den Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag. Das würden wir uns von Regierungsfraktionen erwarten, das würden wir uns von Abgeordneten von ÖVP und SPÖ erwarten. (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Prinz, wenn wir uns dann den Antrag der Regierungsfraktionen anschauen, dann ist es auch sehr traurig, dass Sie selbst in diesem Antrag nicht wollen, dass es jenseits des EURATOM-Vertrages eine neue Alternative in Europa gibt. Nein, Sie wollen weniger Förderzweck und mehr in Richtung Schutzzweck im Rahmen des EURATOM-Vertrages investieren.

Ja, was heißt denn das, bitte? – Das heißt nichts anderes, als dass Sie mit Steuer­mitteln trotzdem die Schutzmaßnahmen, die die Atomlobby nicht selbst finanzieren will, weiterhin über öffentliche Gelder zahlen wollen. Das kann doch keine Zukunfts­strategie sein! Bitte, das ist doch völlig kontraproduktiv.

Das Vorsorgeprinzip würde bedeuten, die Atomindustrie hat auch die Risiken mitzu­tragen, die Haftung für Störfälle ist dort auch anzusiedeln, die Atomindustrie hat das zu zahlen, Kollege Cap, und nicht der Steuerzahler. (Beifall bei Grünen und BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Daher wäre unser Angebot, und das ist wirklich ein wichtiges Angebot im Sinne des gemeinsamen Anliegens – das Anliegen gestehe ich Ihnen sehr wohl zu, dass Sie auch die erneuerbaren Energien voranbringen wollen –: Wenn wir das gemeinsam angehen wollen, dann müssen wir ein Signal in Europa geben, dann müssen wir


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voranschreiten. Voranschreiten heißt, konkret mit den anderen Mitgliedstaaten, die derzeit keine Atomkraft haben – das sind 12 von den 27 Mitgliedstaaten –, gemeinsam in Wien eine Konferenz zu organisieren und zu diskutieren, wie wir das rechtlich, wie wir das praktisch angehen können.

Unsere Verfassungsjuristen sagen uns – und das sind mehrere, und daher haben wir auch einen Antrag eingebracht –, der Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag ist auch jetzt rechtlich möglich. Hier können wir Ihnen nicht recht geben, daher werden wir Ihren Entschließungsantrag nicht mittragen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.09

17.09.50

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 835 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 111.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 836 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 837 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 838 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist mit Mehrheit angenommen.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.11.05Einlauf

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1227/A bis 1233/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 6017/J bis 6069/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Freitag, den 9. Juli 2010, 9 Uhr, ein.


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Die Tagesordnung wird im Wege der Klubs zugestellt.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

*****

Bevor ich die Sitzung schließe, gebe ich bekannt, dass im Anschluss an diese Sitzung der Immunitätsausschuss im Lokal V zusammentritt.

Die Sitzung ist geschlossen.

17.11.50Schluss der Sitzung: 17.12 Uhr

 

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