220/PET XXIV. GP

Eingebracht am 18.10.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

 

 

Mag. Johann Maier

ABGEORDNETER ZUM NATIONALRAT DER REPUBLIK ÖSTERREICH

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Salzburg, am 09.10.2013

Petition zur "Die Rückseite der Medaille: Sportgroßveranstaltungen in Anbetracht von Menschen- und Bürgerrechten der Gastgeberstaaten“

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß § 100 Abs. 1 GOG-NR überreiche ich Ihnen die Petition betreffend „Die Rückseite der Medaille: Sportgroßveranstaltungen in Anbetracht von Menschen- und Bürgerrechten der Gastgeberstaaten“ mit dem Ersuchen um geschäftsordnungsgemäße Behandlung.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Johann Maier


Abg. z. NR Mag. Johann Maier            Michael Grassl

Markus-Sittikus-Straße 10                    Franz Josef Straße 4

5020 Salzburg                                         5020 Salzburg

Parlamentarische Petition

"Die Rückseite der Medaille: Sportgroßveranstaltungen in Anbetracht von Menschen- und Bürgerrechten der

Gastgeberstaaten"

Während des FIFA-Konföderationen-Pokals demonstrierten im Juni 2013 über
Hunderttausende Menschen gegen die Milliardenausgaben für Sport-Großprojekte wie Fußballstadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016. Für besonderen Unmut sorgten die Zwangsumsiedlungen. Die Demonstranten forderten,
stattdessen mehr Geld in Bildung und Gesundheit zu investieren. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschoße ein, es gab zahlreiche Verletzte. Die meisten BrasilianerInnen − auch Fußballprofis − teilten aber die Kritik der tausenden Demonstranten.

Gastgeberstaaten von Sportgroßereignissen stehen weltweit im Blickpunkt der Öffentlichkeit.
Im Juni letzten Jahres standen Polen und die Ukraine als Gastgeber der UEFA Fußballeuropameisterschaft im Mittelpunkt des europäischen Sportgeschehens und im Blickpunkt eines weltweiten medialen Interesses. Kurz darauf Großbritannien bzw. London
als Ausrichter der Olympischen Sommerspiele 2012. Im Jahr 2014 erwarten uns die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien und die Olympischen Winterspiele in Sotschi
(Russland). Zwei Jahre später sollen die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro folgen.

Im Juni dieses Jahres wurde in Brasilien der FIFA-Konföderationen-Pokals (Cup der Kontinentalfußballmeister; Generalprobe der FIFA Fußballweltmeisterschaft) ausgetragen. Begleitet wurde dieser FIFA-Konföderationen-Pokals von gewaltsamen Ausschreitungen und Protesten in der brasilianischen Bevölkerung. Viele BrasilianerInnen waren und sind über die Geldverschwendung und über die Milliardenausgaben für den FIFA-Konföderationen-Pokals, der nächstjährigen Fußballweltmeisterschaft und den olympischen Spielen einerseits empört, andererseits auch wegen der Korruption, der zunehmenden Kriminalität und Gewalt und der Armut in der brasilianischen Gesellschaft.


Als der europäische Fußballverband UEFA 2007 die Fußballeuropameisterschaft an die Ukraine und Polen vergab, war die politische Situation in der Ukraine eine völlig andere, als sie sich in Folge darstellte: Menschenrechtsverletzungen, Zensur, Justizwillkür und ein inakzeptabler Umgang mit der Opposition wurden unter Präsident Wiktor Janukowytsch allgegenwärtig. Gerade die Haft und das laufende Gerichtsverfahren gegen Julia Timoschenko ist eine lupenreine Bestätigung für Justizwillkür in der Ukraine zur Fußballeuropameisterschaft.

Gerade vor dem Hintergrund der menschenunwürdigen Behandlung von Julia Timoschenko reisten auch zahlreiche andere europäische PolitikerInnen nicht in die Ukraine.

Im Rat für Auswärtige Angelegenheiten hatten sich die EU-Außenminister überdies darauf verständigt, dass vor dem Hintergrund der innenpolitischen Lage Abstand von der Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine genommen wird. Auch nach der Fußballeuropameisterschaft gibt die Menschenrechtslage in der Ukraine unverändert Anlass zu Sorge.

Aber nicht nur klassische Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden stellen bei der Vorbereitung und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen große Probleme dar, sondern auch massive Verletzungen von Bürgerrechten im Veranstalterland (z.B. Umweltaktivisten). Dies geschah in der Vergangenheit bereits in der Planungs- und Bauphase für die geplanten Sportinfrastruktureinrichtungen. Für die FIFA Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika wurden etwa für den Bau von Straßen, Stadien und Infrastruktur ganze Wohnsiedelungen abgerissen, der Lebensraum von vielen tausend Menschen unbewohnbar gemacht und die Menschen abgesiedelt bzw. vertrieben. Gleichzeitig wurden der FIFA - und damit auch den Fußballprofis - enorme Steuerprivilegien gewährt. Dies zu Lasten des südafrikanischen Haushaltes und der südafrikanischen Bevölkerung. Die mit Millionenaufwand errichteten Stadien aber verrotten nun. Ähnlich verlief die Entwicklung in China bei der Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele 2008.

Der Öffentlichkeit muss bewusst werden, dass Sportgroßveranstaltungen - wie Olympische Spiele oder z.B. Fußballweltmeisterschaften - nicht in einen politisch luftleerem Raum stattfinden. Oft versuchten in der Vergangenheit Sportverbände im guten Glauben mit der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen gesellschaftliche Veränderungsprozesse einzuleiten und die Demokratisierung in bestimmten Ländern und Regionen zu beschleunigen. Bis jetzt ist dieser Wunsch dieser internationalen Verbänden jedoch noch nie wirklich aufgegangen.

Die Olympischen Sommerspiele in Peking 2008 änderten nichts an der Menschen- und Bürgerrechtslage. Ganz im Gegenteil. Es wurden vor den Sommerspielen im März und April 2008 die Repressionen gegen die Tibetische Bevölkerung drastisch erhöht. Die Menschrechtspolitik Chinas steht noch immer im klaren Widerspruch zur olympischen Idee.
So sprach vor Beginn der olympischen Spiele Amnesty International von einer massiven Verschlechterung der Menschenrechtslage in China, das IOC äußerte jedoch keine Bedenken. In keiner Weise nachvollziehbar war damals auch das Einknicken des IOC bei Chinas Internetzensur.

Diktatoren oder autoritäre Machthaber nutzen Sportgroßveranstaltungen im eigenen Land zu persönlichen Zwecken. Für diese Machthaber bietet sich bei Sportgroßveranstaltungen die Möglichkeit, sich auf internationaler Ebene als respektiertes Mitglied der Staatengemeinschaft darzustellen. Somit besteht die Trennung zwischen "Politik" und "Sport" nur auf dem Papier. Diese prestigeträchtigen Großveranstaltungen haben immer auch eine politische Dimension im Veranstalterland.

Die Lage von Menschen- und Bürgerrechten wurde und wird im Rahmen der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen aber noch viel zu selten thematisiert - auch nicht in der öffentlichen/internationalen Berichterstattung. Der Glanz der Sportereignisse täuschte häufig über die wahren politischen Zustände eines Landes und die Probleme der Bevölkerung hinweg. Denn wer eine Sportgroßveranstaltung von internationalem Rang ausrichten darf, liefert damit noch lange keinen Beweis für die Wahrung und Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten.

Die in Folge aufgelisteten Beispiele zeigen, dass wichtige Sportgroßveranstaltungen zukünftig in autoritär geführten Ländern stattfinden, wo zur Zeit Menschen- und Bürgerrechte oft mit Füßen getreten werden (UNO-Menschenrechtsbeirat).

            Formel 1 Rennen in Bahrein und China

            Männer Handballweltmeisterschaft in Katar 2015

            Männer Eishockey Weltmeisterschaft in Weißrussland 2014

            Leichtathletik Weltmeisterschaft 2013 in Moskau und 2015 in Peking

            Ringen Weltmeisterschaft 2014 in Taschkent (Usbekistan)

            Boxweltmeisterschaft 2013 in Astana

            Schwimmweltmeisterschaft 2014 in Kasan

            Olympische Winterspiele in Sotschi

           Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien

           Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland und 2022 in Katar


 

Aber nicht nur bei Sportgroßveranstaltungen versuchen diktatorisch oder autoritär regierte Staaten (z.B. Ukraine, Weißrussland oder Bahrain) sich als fortschrittliches Mitglied der europäischen Staatengemeinschaft darzustellen. Jegliche internationale Sportveranstaltung,
sei es ein ATP, WTA oder Future Tennisturnier oder Qualifikation- bzw. Hauptrundenspiele der UEFA Champions-League oder UEFA Europa-League, bietet autoritären Machthabern
(wie dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, der als "letzter Diktator"
Europas gilt) eine Möglichkeit sich zu inszenieren und damit die Weltöffentlichkeit und die Sportfans zu täuschen. Deutschland pflegte die Zusammenarbeit mit Weißrussland und
schulte sogar die Sicherheitskräfte Weißrusslands und stellte Fahrzeuge zur Verfügung. Ausbildungsziel war angeblich die Bewältigung von polizeilichen Lagen aus besonderen Anlass, besonders für den Anlass von (Sport-) Großveranstaltungen.

Die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte muss zukünftig bei der Vergabe eine entscheidende Bedingung sein. Wirtschaftliche Interessen oder die Vergabe an ein Land, welches die höchsten steuerlichen Zusagen und Steuerbefreiungen an die internationalen Verbände erteilt, dürfen für eine Vergabe nicht mehr entscheidend sein.

Gewinner derartiger Großveranstaltungen waren in den letzten Jahrzehnten nämlich immer
die großen Verbände meist mit Sitz in der Schweiz. So brachte die Weltmeisterschaft in Südafrika der FIFA im Jahr 2010 2,6 Mrd. Euro, 2006 in Deutschland waren es 1,8 Mrd.
Euro. Diese Einnahmen konnten nicht zuletzt aufgrund von Steuerbefreiungen (zulasten der Bevölkerung im Veranstalterland) erzielt werden. Gegenwärtig erweckt die Vergabepolitik internationaler Sportverbände den Eindruck., dass u.a. gerade die Staaten den Zuschlag erhalten, die große steuerliche Zugeständnisse machen und dabei die höchsten Verbandseinnahmen erzielt werden können.

 

Petition

Der Einreicher und der unterfertigte Abgeordnete ersuchen die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung insbesondere den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport und den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten,


1.  eine Initiative zu ergreifen, um in Zusammenarbeit mit Sportverbänden und

Sportorganisationen eine multilaterale Konvention zur Sicherung der Menschen- und Bürgerrechte bei der Vergabe und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen sowie bei der Errichtung der notwendigen Sportinfrastruktur auszuarbeiten und zu vereinbaren;

2.   die Sportverbände anzuhalten, Standards entsprechend der Europäischen

Grundrechtecharta (Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte) in ihre Statuten aufzunehmen, die bei der Vergabe und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen zwingend zu berücksichtigen sind;

3.   dafür einzutreten, dass in Bewerberländern, wo es demokratiepolitische Defizite gibt,

im Rahmen des Vergabeverfahrens von Sportgroßveranstaltungen die Expertisen von nationalen und internationalen Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen eingeholt und einbezogen und diese als Grundlage für die Entscheidungsfindung herangezogen werden;

4.   eine Empfehlung an die internationalen Sportverbände zu richten, im Veranstalterland

vor Beginn von Planung und Bau der notwendigen (Sport)Infrastruktur sowie bei der Durchführung von Sportgroßveranstaltungen die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte unter Einbeziehung von NGO's zu überprüfen und die Überprüfungsergebnisse auch zu veröffentlichen;

5.   in bilateralen und internationalen Gesprächen sowie in Verhandlungen gegenüber dem

Veranstalterland sicherzustellen, dass Presse- und Meinungsfreiheit (Unabhängigkeit der Medien) vor, während und nach jeder Sportgroßveranstaltung garantiert werden und insbesondere jede Form von (Internet) Zensur ausgeschlossen wird;

 

6.   sowohl auf bilateraler wie auf europäischer Ebene sich dafür einzusetzen, dass die im

Rahmen der Durchführung von Wettkämpfen und Sportveranstaltungen erteilten steuerlichen Begünstigungen für die meist in der Schweiz ansässigen internationalen Sportverbände bei Sportveranstaltungen offengelegt und deren Verwendung transparent gemacht werden müssen;


7.   zukünftig öffentlich anzukündigen, unter welchen Bedingungen Mitglieder der

österreichischen Bundesregierung zu Sportveranstaltungen reisen und dabei jedenfalls auch die menschenrechtliche Situation vor Ort berücksichtigen;

8.   österreichische Sportlerinnen und Sportler dahingehend zu unterstützen und motivieren,

dass sie unter Berücksichtigung der IOC-Charta bei Sportveranstaltungen in autoritär geführten und demokratiepolitisch bedenklichen Ländern die offizielle Meinung und Haltung Österreichs gegenüber diesen Ländern kommunizieren und vertreten;

Salzburg, am 29.07.2013

Mag. Johann Maier                         Mag. Michael Grassl

Abg. z. Nationalrat                                 Einreicher