1440 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1362 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (Wiedereingliederungsteilzeitgesetz) sowie

über den Antrag 863/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung Teilarbeitsfähigkeit

Regierungsvorlage 1362 der Beilagen

Zu den Maßnahmen, um das Ziel der langfristigen Sicherung des gesetzlichen Pensionssystems durch Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters und der Beschäftigungsquote Älterer zu erreichen, zählt auch die Normierung der „Wiedereingliederung nach langem Krankenstand“, die in das Regierungsprogramm Eingang fand. Für Menschen, die in Beschäftigung stehen und ernsthaft für längere Zeit physisch oder psychisch erkrankt sind, soll ein arbeits- und sozialversicherungsrechtliches Modell normiert werden, das es ihnen ermöglicht, schrittweise in den Arbeitsprozess zurück zu kehren. Die dadurch ermöglichte nachhaltige Festigung und Erhöhung der Arbeitsfähigkeit mit dem Ziel des längeren Verbleibs im Arbeitsleben und der sanften Reintegration in den Arbeitsmarkt bewirkt eine win-win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen.

Nach mindestens sechswöchigem ununterbrochenem Krankenstand soll unter Einbindung von fit2work die arbeitsrechtliche Möglichkeit der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit zwischen Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin und Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin für die Dauer von bis zu sechs Monaten geschaffen werden. Neben dem entsprechend der Arbeitszeitreduktion aliquot zustehendem Entgelt aus der Teilzeitbeschäftigung soll dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin ein Wiedereingliederungsgeld (=anteiliges Krankengeld aus Mitteln der Krankenversicherung) zustehen.

Die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen sind im Besonderen Teil der Erläuterungen dargestellt.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich der vorliegende Entwurf auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG (Arbeitsrecht und Sozialversicherungswesen).

Antrag 863/A(E)

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 21. Jänner 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Im österreichischen Arbeitsrecht ist man entweder krank oder gesund, arbeitsfähig oder nicht. Doch tatsächlich bewegt sich die Gesundheit eines Menschen in einem Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit. Die bestehende strikte Trennung scheint wenig zielführend zu sein, weil sie den Lebensrealitäten nicht gerecht wird. Diese Lebensrealitäten kennen nämlich nicht nur vollständige, sondern auch teilweise Arbeitsfähigkeit.

Es gibt genügend Gründe diesen Weg zu gehen. Lang andauernde Krankenstände können für Patient_innen mitunter schwerwiegende Folgen haben. Die psychischen Folgen einer langfristigen Arbeitsunfähigkeit sind unbestritten und können zu Depressionen u.ä. führen. Einen Grund hierfür stellt auch die soziale Isolation dar.

Auch ökonomische Folgen für Arbeitnehmer_innen sind deutlich. Die langfristige Abwesenheit vom Arbeitsmarkt kann zu Dequalifizierung führen und die spätere Reintegration an den ehemaligen Arbeitsplatz oder einen anderen Arbeitsplatz beeinträchtigen.

Ein langfristiger Krankenstand hat natürlich auch Folgen für den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin selbst, da dauerhaft eine Arbeitskraft fehlt und entweder eine neue Arbeitskraft eingestellt und angelernt werden muss, oder ganz auf die Arbeitskraft verzichtet wird, bis diese wieder in den Arbeitsprozess zurückkehrt – beides ist mit zusätzlichen Kosten für Arbeitgeber verbunden.

Auch Selbstständigen soll die Teilarbeitsfähigkeit offen stehen. Sie würden profitieren, indem eine Teilarbeitsfähigkeit den Druck reduziert, aufgrund von beruflichen Existenzängsten trotz Krankheit zu arbeiten.

Unser Konzept der Teilarbeitsfähigkeit sieht vor, dass Arbeitnehmer_innen und Selbstständige, die aufgrund einer Krankheit langfristig arbeitsunfähig sind, die Möglichkeit erhalten, ihrem gesundheitlichen Zustand entsprechend, teilweise in den Arbeitsprozess zurückzukehren.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Teilerwerbsfähigkeit liegt voll und ganz bei den Patient_innen. Arbeitnehmer_innen/Selbstständige können aufgrund von Freiwilligkeit und Eigenverantwortung selbst entscheiden, ob sie sich fähig und im Stande fühlen, die Arbeit teilweise wieder aufzunehmen. Um zu gewährleisten, dass sich Patient_innen nicht zu früh zumuten, in den Arbeitsprozess zurückzukehren, und dabei auch nicht zu viel arbeiten, liegt die letztendliche Entscheidung vollkommen beim behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin. Diese/r kann hierbei einerseits feststellen ob der/die Arbeitnehmer_in seinen/ihren üblichen Tätigkeiten zumindest teilweise nachgehen kann und in welchem Ausmaß. Das Ausmaß der Teilarbeitsfähigkeit wird gemeinsam von Patient_in und Arzt/Ärztin festgelegt.

So ist sicher gestellt, dass die Entscheidung des/der Arbeitnehmer_in vollkommen unabhängig vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin getroffen wird. Arbeitgeber_innen werden nach dem vorgeschlagenen Konzept nur insoweit in die Entscheidung eingebunden, als sie einer Teilarbeitsfähigkeit des/der Arbeitnehmer_in nicht zustimmen müssen, wenn diese die Arbeitsabläufe im Betrieb beeinträchtigen würde.

Die Teilarbeitsfähigkeit soll vom behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin z.B. in 25% Schritten ausgewiesen werden. Dies erleichtert Arbeitgeber_innen die Berechnung der Bezüge, des Entgeltfortzahlungsanspruchs bzw. des Krankengeldes. Bis die Ansprüche auf volle Entgeltfortzahlung gegenüber den Arbeitgeber_innen erschöpft sind, steht unverändert das volle Entgelt zu. Nachdem der volle Entgeltfortzahlungsanspruch erschöpft ist, erhalten die Arbeitnehmer_innen entsprechend ihrer Arbeitsleistung den aliquoten Anteil der Bezüge von der Arbeitgeber_innen-Seite bezahlt und zusätzlich das anteilige (Teil-)Krankengeld von der Krankenkasse bzw. den verringerten Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Durch die Möglichkeit der Teilarbeitsfähigkeit gelingt es Arbeitnehmer_innen wieder leichter im Betrieb bzw. Arbeitsumfeld anzudocken, sich an den Arbeitsalltag zu gewöhnen, den Kontakt zum sozialen Umfeld am Arbeitsplatz weiter zu pflegen und sein berufliches Wissen aktuell zu halten. Durch einen schrittweisen Wiedereinstieg können Krankheitsrückfälle leichter vermieden werden, der Arbeitsplatz des/der Betroffenen bleibt länger erhalten und dem Abgleiten in die Arbeitslosigkeit wird Einhalt geboten.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Entschließungsantrag 863/A(E) erstmals in seiner Sitzung am 27. Mai 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Gerald Loacker die Abgeordneten Johann Höfinger, Werner Neubauer, Johann Hechtl, Mag. Judith Schwentner, August Wöginger und Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

 

In seiner Sitzung am 7. Dezember 2016 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales die Regierungsvorlage 1362 der Beilagen in Verhandlung genommen sowie die Verhandlungen zum Entschließungsantrag 863/A(E) wieder aufgenommen.

Als Berichterstatter für die Regierungsvorlage 1362 der Beilagen fungierte Abgeordneter Dietmar Keck.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, August Wöginger und Mag. Birgit Schatz sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Art. 1 Z 11a (§ 122 Abs. 2 Z 1 lit. b ASVG):

Von der Schaffung eines eigenen Krankenversicherungstatbestandes für Bezieher/innen von Wiedereingliederungsgeld wurde abgesehen, da die betroffenen Personen ohnedies aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit krankenversichert sind. Für den Fall des Eintritts eines Versicherungsfalles der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit während der Wiedereingliederungsteilzeit greift die allgemeine Schutzfrist des § 122 Abs. 1 ASVG. Tritt jedoch während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit ein neuerlicher Versicherungsfall ein, so bestünde für diesen kein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung mehr, da dieser nicht mehr die Eintrittserfordernisse des § 122 Abs. 1 erfüllt. Um keine Versorgungslücke entstehen zu lassen, bedarf es der gegenständlichen Ergänzung im § 122 Abs. 2.

Zu Art. 2 Z 2 (§ 249 B-KUVG):

Durch die Änderung der Paragraphenbezeichnung der Schlussbestimmung wird ein Redaktionsversehen, durch welches der § 248 doppelt vergeben wurde, beseitigt.“

 

Ein weiterer im Zuge der Debatte von den Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger eingebrachter Abänderungsantrag war wie folgt begründet:

„Die Änderungen sind notwendig, da eine weitere Novelle zum AZG, die ursprünglich für den gleichen Zeitpunkt geplant war, erst später eingebracht wird.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der beiden oben erwähnten Abänderungsanträge der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger einstimmig beschlossen.

Der Entschließungsantrag 863/A(E) gilt als miterledigt.

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Dietmar Keck gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2016 12 07

                                   Dietmar Keck                                                                  Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann