Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

1. Die Richtlinie 2014/104/EU vom 26. 11. 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadenersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. Nr. L 349 vom 5. 12. 2014, S. 1 (in der Folge nur: Richtlinie), ist bis 27. 12. 2016 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Richtlinie kodifiziert die Grundsätze der bisherigen EuGH-Judikatur zum Recht auf vollständigen Schadenersatz, führt einen Anspruch auf Offenlegung von Beweismitteln ein, sieht eine Bindungswirkung wettbewerbsrechtlicher Entscheidungen für Schadenersatzprozesse vor, harmonisiert die Verjährung von Schadenersatzansprüchen sowie die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer an der Zuwiderhandlung Beteiligter und enthält Beweislastregeln für die Schadensabwälzung, eine Vermutung des Schadenseintritts bei Kartellen sowie Bestimmungen über alternative Streitbeilegungsverfahren.

2. Darüber hinaus ist eine Reform des österreichischen Kartellrechts im Regierungsübereinkommen enthalten. Zur Erreichung des Ziels „Faire Spielregeln für Wettbewerb schaffen“ sollen u. a. eine höhere Transparenz im Kartellverfahren (z.B. Namensnennung nach Abschluss eines Verfahrens) und beim Settlement erreicht, erfolgreiche Kronzeugenprogramme gesichert und die Verjährungsbestimmungen angepasst werden, damit Verstöße nicht während laufender Ermittlungshandlungen verjähren. Zur Umsetzung dieser Ziele dienen folgende Maßnahmen:

a) Annäherung der Verjährungsregel in § 33 KartG an europarechtliche Vorbilder;

b) Ausdehnung der Veröffentlichungspflicht des § 37 KartG auf abweisende Entscheidungen und Entscheidungen im Provisorialverfahren;

c) Klarstellung in § 38 KartG, dass im Settlement-Verfahren eine verkürzte (begründungslose) Entscheidungsausfertigung nicht zulässig ist.

3. Weitergehende Vorschläge enthält die Studie des Wirtschafts- und Sozialbeirats Nr. 87, 2014 „Effizienz – Rechtsstaatlichkeit – Transparenz im österreichischen Wettbewerbsrecht“ (in der Folge kurz: Studie Nr. 87). Aus Anlass dieser Vorschläge richteten das BMJ und das BMWFW im Herbst 2013 eine Arbeitsgruppe ein, die in mehreren Sitzungen bis Herbst 2015 alle Themen umfassend erörterte. Folgende Vorschläge sollen mit dieser Novelle aufgegriffen werden:

Bei Hausdurchsuchungen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) kommt es immer häufiger dazu, dass die Dokumente nicht vor Ort, sondern auf externen Laufwerken gespeichert sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 22. 4. 2015, Ra 2014/04/0046, entschieden, dass sich die Befugnis der BWB auch auf die Durchsuchung dieser Dokumente erstreckt. Damit die Unternehmen der BWB den Zugriff auf diese Dokumente auch einräumen, soll in § 35 Abs. 1 ein Zwangsstrafen-Tatbestand geschaffen werden.

Den mehrfach geäußerten Bedenken, dass kartellgerichtliche Entscheidungen häufig durch Sachverständigen-Gutachten geprägt sind, die kaum überprüft werden können, versucht der Entwurf durch zwei Maßnahmen zu begegnen: Einerseits sollen die Sachverständigen in Kartellangelegenheiten (§ 73 KartG) in die allgemeine Sachverständigenliste übertragen werden, damit die Mechanismen der Qualitätssicherung nach dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) auch für die Sachverständigen in Kartellangelegenheiten Anwendung finden. Andererseits wird vorgeschlagen, dem Kartellobergericht die Möglichkeit einzuräumen, bestimmte qualifizierte Feststellungsmängel im Rekursweg zu überprüfen.

4. Darüber hinaus greift der Entwurf einige Anregungen aus der Vollzugspraxis auf und modifiziert die Bestimmungen über den Kostenersatz (§ 41), die Gerichtsgebühren (§§ 50, 54 und 57) und die Bestellung der Laienrichter (§ 68). Die Besoldung des Bundeskartellanwalts und seines Stellvertreters soll an die zwischenzeitig erfolgten Novellen im RStDG angepasst werden (§ 79 Abs. 2). Weiters sollen Unklarheiten mit der Übergangsbestimmung des KaWeRÄG 2012 für das Bagatellkartell (§ 86 Abs. 4) beseitigt werden.

5. Die Fusionskontrollbestimmungen sollen im Lichte der Herausforderungen der digitalen Wirtschaft durch Einbeziehung von großen Unternehmenstransaktionen, wo jedoch der Umsatz keine so große Rolle spielt, adaptiert werden.

6. Um der geforderten Transparenz Genüge zu tun, soll die Bundeswettbewerbsbehörde jederzeit unter Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und unter Berücksichtigung des Interesses der Öffentlichkeit an sachlicher Information über Verfahren von öffentlicher Bedeutung über ihre Tätigkeit informieren können, um eine größtmögliche Transparenz nach außen zu gewährleisten und die Sensibilität im Wettbewerbs- und Kartellrecht zu erhöhen.

7. Im Bereich der Bundeswettbewerbsbehörde werden die Aufgaben sowie die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit auch für den Stellvertreter des Leiters der Geschäftsstelle klargestellt.

8. Um erfolglose Schadenersatzklagen gegen Kronzeugen iSd RL Schadenersatz von anderen Geschädigten als unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten zu verhindern, soll nach Abschluss des Verfahrens der Name jenes Unternehmens mit Kronzeugenstatus veröffentlicht werden. Dies dient der Transparenz und stellt klar, dass die Bundeswettbewerbsbehörde endgültig von einem Antrag auf Verhängung einer Geldbuße absieht.

9. Zur besseren Transparenz werden die Bestimmungen über die Anwendung der Kronzeugenregelung in einem eigenen Paragraphen zusammengefasst. Zusätzlich werden ebendort die durch die Umsetzung der RL Schadenersatz bedingten Anpassungen vorgenommen und die Möglichkeit der Einführung eines internetbasierten Hinweisgebersystems vorgesehen.

10. Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen hat das Problem von Ungleichgewichten in der Lieferkette schon früh erkannt, indem auch die relative Marktmacht aufgegriffen wurde. Wie die zahlreichen Analysen, die im Zusammenhang mit dem Ungleichgewicht von Verhandlungspartnern in der Lieferkette zeigen (EK Mitteilung und Bericht an das Europäische Parlament über unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette vom Jänner 2016, ebenso Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2016), besteht jedoch weiterer Handlungsbedarf um die Rechtsanwendung sicherzustellen.

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 4 B-VG (Bundesfinanzen), Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivil- und Strafrechtswesen) und Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG (Kartellrecht, Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


 

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des Kartellgesetzes 2005)

Zu Z 1 (Inhaltsverzeichnis):

Das Inhaltsverzeichnis soll an die neu eingefügten Bestimmungen im fünften Abschnitt des II. Hauptstücks angepasst werden.

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 2):

Die fortschreitende Digitalisierung der Medienlandschaft, sich ändernde Lesegewohnheiten der Bevölkerung und stark schrumpfende Verkaufszahlen von Printmedien im Einzelhandel stellen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage vor große Herausforderungen und bringen Pressegrossisten zunehmend unter Druck. Das ist auch in Deutschland der Fall, wo deshalb mit § 30 Abs. 2a GWB eine Regelung eingeführt wurde, die Branchenvereinbarungen zwischen Presseverlagen und Pressegrossisten vom Kartellverbot ausnimmt. Das in Österreich herrschende Pressegrosso-System basiert auf einem vertraglichen System der Preisbindung durch die Verlage sowie einem Gebietsschutz für die Pressegrossisten. Diese vom Kartellgericht (vgl. OLG Wien als KG 20.3.2013, 26 Kt 17/07, 26 Kt 18/07, 26 Kt 27/07, 26 Kt 28/07) als zulässig anerkannten Ausnahmen vom Kartellverbot sollen als bewährtes System, das insbesondere die Ubiquität von Pressetiteln garantiert, gesetzlich verankert werden. Die Freistellung vom Kartellverbot unterliegt allerdings einer Einschränkung: Sie kommt nur dann zur Anwendung, wenn sie für den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten im stationären Einzelhandel erforderlich ist. Die Ausnahme umfasst auch Vereinbarungen in Form von Branchenvereinbarungen zwischen Interessenvertretungen der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage einerseits und Interessenvertretungen der Pressegrossisten andererseits, ohne dass dies im Gesetzestext ausdrücklich gesagt werden müsste.

Die vom nationalen Gesetzgeber festzulegenden Ausnahmen können freilich nur eine Freistellung innerhalb des österreichischen Kartellrechts bewirken. Soweit Vereinbarungen zwischen Presseverlagen und Pressegrossisten das Zwischenstaatlichkeitskriterium erfüllen, bleibt es bei der Anwendung des EU-Kartellrechts, insbesondere der Art. 101 ff. AEUV.

Zu Z 3 (§ 9 Abs. 4):

Im Hinblick auf die Vermeidung von Monopolbildungen im sensiblen digitalen Wirtschaftsbereich soll – wie im aktuellen Vorschlag des BMWi zur Änderung des dt. GWB – neben der Umsatzschwelle eine Kaufpreis-Aufgriffsschwelle von 200 Millionen Euro vorgesehen werden. Damit soll den Wettbewerbsbehörden eine wettbewerbsrechtliche Prüfkompetenz in Fällen zukommen, in denen § 9 Abs 1 KartG 2005 mangels Erreichens der Umsatzschwellenwerte nicht anwendbar ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein verbleibender österreichischer Plattformbetreiber von einem internationalen Konkurrenten übernommen werden soll und dadurch eine marktbeherrschende Position entsteht.

Der Wert digitaler Unternehmen liegt überwiegend nicht mehr im Umsatz, sondern vielmehr in Daten, an denen vor allem große Unternehmen interessiert sind. Zusammenschlüsse, bei denen Unternehmen zu einem hohen Preis gekauft werden, die nur geringe Umsätze erzielen, sollen von der Zusammenschlusskontrolle erfasst sein. Die derzeit geltende Fusionskontrolle mit den Umsatzschwellen im Kartellgesetz 2005 bildet diese Entwicklung aber nicht ab. Aus diesem Grund ist die Halbierung des Inlandsumsatzschwellenwertes gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 KartG 2005 auf 15 Millionen Euro (Z 2) und die Aufnahme des Transaktionswertes eines Unternehmens als zusätzlicher Tatbestand (Z 3) sinnvoll. Zum Transaktionswert zählen der Kaufpreis sowie sämtliche sonstige Gegenleistungen wie etwa Asset Deals. Legistisch wurde der Begriff der „Gegenleistung“ gewählt. Die Gegenleistung umfasst alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält (Kaufpreis), zuzüglich des Wertes etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten. Die Höhe des Schwellenwertes von 200 Millionen Euro nimmt einerseits auf die Größe der österreichischen Volkswirtschaft Rücksicht und beschränkt diesen zusätzlichen Fusionskontrolltatbstand andererseits auf gesamtwirtschaftlich bedeutsame Fälle.

Das Kriterium der erheblichen Inlandstätigkeit (Z 4) nimmt Unternehmen mit marginalen Aktivitäten in Österreich vom Zusammenschlusstatbestand aus. Eine erhebliche Inlandstätigkeit ist z.B. dann anzunehmen, wenn sich ein Standort des zu erwerbenden Unternehmens im Inland befindet. Ansonsten hängen die Faktoren für die Inlandstätigkeit z.B. von den anerkannten Maßzahlen der jeweiligen Branche ab. Im digitalen Bereich können beispielsweise die Nutzerzahlen („Monthly Active User“) oder die Zugriffshäufigkeit einer Website („unique visits“) für die Beurteilung der Inlandsauswirkung herangezogen werden.

Die Tätigkeiten eines Unternehmens sind – so wie dies in der Zusammenschlusskontrolle auch bei den Umsätzen der Fall ist (vgl. Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl C 43/2009, 10, Rz 195 ff) – dem Ort zuzurechnen, an dem sich der Kunde befindet. Dies gilt auch für den digitalen Bereich, da am Ort des Kunden der Wettbewerb um den Kunden stattfindet.

Zu Z 4 (§ 30 Abs. 3):

Dieser Vorschlag steht im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie. Art. 18 Abs. 3 sieht vor, dass die Wettbewerbsbehörde eine Schadenersatzzahlung, die infolge eines Vergleichs geleistet wird, als mildernden Umstand berücksichtigen kann.

Zu Z 4a (§ 32 Abs. 2):

Zukünftig sollen von den Geldbußen jährlich jeweils 1,5 Millionen Euro für Zwecke der Bundeswettbewerbsbehörde und des Vereins für Konsumenteninformation verwendet werden. Die vorgeschlagene Bestimmung soll mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten und 2020 evaluiert werden. Ab 2019 wird der Betrag jährlich valorisiert (vgl § 86 Abs. 5 des Entwurfs).

Zu Z 5 (§ 33):

Sowohl nach der Studie Nr. 87 (S. 35) als auch nach dem Regierungsprogramm für die 25. Gesetzgebungsperiode soll die Verjährungsregel des § 33 KartG an die europäischen Bestimmungen angepasst werden, sodass Verstöße nicht während laufender Ermittlungshandlungen verjähren. Derzeit sieht § 33 vor, dass eine Geldbuße nur verhängt werden darf, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wird. Nach Art. 25 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wird die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaates unterbrochen. Ergänzt wird diese Regelung durch eine absolute Verjährungsfrist von in der Regel zehn Jahren (Art. 25 Abs. 5 zweiter Satz) und die Anordnung, dass die Verfolgungsverjährung während eines anhängigen Gerichtsverfahrens ruht.

Die vorgeschlagene Regelung bildet diese europarechtlichen Bestimmungen auch für das nationale Verfahrensrecht ab. Mit jeder Ermittlungshandlung, die einem der Beteiligten bekannt gegeben wird, tritt Unterbrechung der Verjährung ein. Wenn also ein Hausdurchsuchungsbefehl zuerst einem beteiligten Unternehmer zugestellt wird und später anderen Unternehmern, tritt die Unterbrechung mit dem Tag der ersten Zustellung ein, und zwar auch gegenüber Unternehmern, die an der Zuwiderhandlung beteiligt waren, auf die sich die Ermittlungen jedoch (noch) nicht beziehen. Dies entspricht zwar nicht der Rechtslage bei gerichtlich strafbaren Handlungen (§ 58 Abs. 3 Z 2 StGB), ist aber bei Wettbewerbsverstößen, die Mittäterschaft geradezu voraussetzen, gerechtfertigt, da sonst die Verjährung dem Zufall, gegen welchen Unternehmer sich der erste Verdacht der Wettbewerbsbehörde richtet, überlassen bliebe. Da die Verjährungsfrist für den (zunächst) unentdeckt gebliebenen Kartellanten ohnedies mit zehn Jahren nach Beendigung der Rechtsverletzung begrenzt ist, bedeutet die vorgeschlagene Regelung keine unzumutbare Beschränkung des Rechtsschutzes. Dadurch wird auch verhindert, dass die Wettbewerbsbehörde möglicherweise grundrechtsintensive Ermittlungsschritte gegen möglichst viele mutmaßliche Beteiligte setzt, nur um den Ablauf der Verjährungsfrist zu verhindern.

Wesentlich ist auch, dass die Dauer eines Zwischenverfahrens vor einem Gericht nicht in die Frist eingerechnet werden soll. Damit soll verhindert werden, dass aufwändige Rechtsmittelverfahren mit dem alleinigen Ziel geführt werden, die Verjährung herbeizuführen. Deshalb soll weder ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts noch ein Verfahren vor dem Kartell- oder Kartellobergericht in die Verjährungszeit eingerechnet werden.

Die vorgeschlagene Bestimmung soll mit 1.5.2017 in Kraft treten (siehe den vorgeschlagenen § 86 Abs. 5). Einer Übergangsregel bedarf es nicht: Alle Rechtsverletzungen, die am 30.4.2012 beendet waren und für die noch keine Verfolgungshandlung gesetzt wurde, sind mit 1.5.2017 bereits verjährt. Wird bei einer Rechtsverletzung, die am 30.4.2012 noch nicht beendet war, am 1.5.2017 eine Verfolgungshandlung gesetzt und dem Unternehmen bekannt gegeben, dann bewirkt diese Bekanntgabe nach dem neuen Regime bereits eine Unterbrechung, sodass die Frist neu zu laufen beginnt, jedenfalls aber nach zehn Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung endet.

Zu Z 6 (§ 35 Abs. 1):

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.4.2015, Ra 2014/04/0046, ausgesprochen, dass sich die Befugnis der Wettbewerbsbehörde nach § 12 Abs. 4 vorletzter Satz in Verbindung mit § 11a Abs. 1 Z 2 WettbG 2002, geschäftliche Unterlagen einzusehen, auch auf elektronisch gespeicherte Unterlagen erstreckt, solange sie in den vom Hausdurchsuchungsbefehl erfassten Räumlichkeiten eingesehen werden können. Da es somit nicht darauf ankommt, ob derartige elektronische Unterlagen auf der Festplatte eines in den erfassten Räumlichkeiten befindlichen Endgerätes oder auf externen Speicherplätzen (etwa dem zentralen Server) gespeichert sind, trifft die Inhaber der Unternehmen und deren Vertreter nach § 11a Abs. 2 WettbG die Pflicht, einen Zugang zu den Unterlagen zu ermöglichen. Da die Wettbewerbsbehörde – anders als bei vor Ort gespeicherten Unterlagen – auf externen Servern gespeicherte Dokumente nicht durch Beschlagnahme (§ 12 Abs. 4 letzter Satz WettbG) sichern kann, soll die Durchsetzung der Pflicht zur Ermöglichung des Zugangs zu den Dokumenten durch Zwangsgelder gesichert werden, die vom Kartellgericht zu verhängen sind.

Dabei wird nicht schon jede Verzögerung bei der Einräumung des Zugangs zu Beweismitteln, die in elektronischer Form in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten abgerufen werden können, zu einer Geldstrafe führen. Wie sich nämlich aus dem ersten Halbsatz des Abs. 1 ergibt, hat das Kartellgericht "gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs von dem in seiner Entscheidung bestimmten Zeitpunkt an" festzusetzen, um ihn beziehungsweise sie zu den in den nachfolgenden Litera angeführten Handlungen zu zwingen.

Zwangsstrafen kommen daher nur für den Fall des "Verzugs" in Betracht. Die Funktion von Zwangsstrafen ist es nicht, das betroffene Unternehmen wegen eines vergangenen Verhaltens zu sanktionieren, sondern zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Ein Verzug kann in verfahrensrechtlicher Hinsicht frühestens mit auf dem auf die Zustellung der Entscheidung des Kartellgerichts nach Abs. 1 folgenden Tag eintreten, wobei ein solcher Beschluss auf einem Antrag einer Amtsparteien und der Äußerung der betroffenen Partei beruht. In inhaltlicher Hinsicht liegt aber ein „Verzug“ nicht vor, solange für das gewünschte Verhalten noch Vorbereitungshandlungen erforderlich sind. Selbst im Fall eines Verzugs kann das Kartellgericht die endgültige Höhe des Zwangsgeldes mit einem Betrag festsetzen, der unter jenem liegt, der sich aus der ursprünglichen Entscheidung ergeben würde, wenn der betroffene Unternehmer der Verpflichtung nachkommt (§ 35 Abs. 2). Dabei ist es auch möglich, von einer Zwangsstrafe ganz abzusehen. Es besteht daher schon aus verfahrensrechtlichen Gründen einige Zeit, um den Zugang zu den elektronischen Beweismitteln zu ermöglichen.

Die Bestimmung soll mit 1.5.2017 in Kraft treten; da kein besondere Übergangsbestimmung vorgeschlagen wird, kann die Mitwirkung nach der neuen Bestimmung im Rahmen von Hausdurchsuchungen erzwungen werden, die nach dem Inkrafttreten stattfinden.

Zu Z 7 (§ 37 Abs. 1):

Im Regierungsprogramm für die 25. Gesetzgebungsperiode ist vorgesehen, für mehr Transparenz im Kartellverfahren zu sorgen. Die Studie Nr. 87 (S. 45) empfiehlt die Anpassung des § 37 dahin, dass auch Entscheidungen, die im Provisorialverfahren ergehen, und abweisende Entscheidungen veröffentlicht werden sollten. Diese Anliegen sollen mit der vorgeschlagenen Regelung umgesetzt werden.

Zu Z 8 (5. Abschnitt):

Zu § 37a

In Umsetzung der Richtlinie soll der 5. Abschnitt des II. Hauptstücks gänzlich neu gefasst werden. Er enthält materiellrechtliche und prozessuale Sonderbestimmungen zum Ersatz eines Schadens, der aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung resultiert. Dem Begriff der Wettbewerbsrechtsverletzung (siehe den vorgeschlagenen § 37b Z 1) kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu, da er die Reichweite des Anwendungsbereichs dieses Abschnitts absteckt. Die Gliederung des Abschnitts erfolgt so, dass nach den Begriffsbestimmungen (§ 37b) zunächst die materiell-rechtlichen Bestimmungen folgen sollen (§§ 37c bis 37h), dann die verfahrensrechtlichen Regelungen (§§ 37i bis 37m).

Die Sonderbestimmungen verdrängen die Bestimmungen des ABGB und der ZPO nur soweit, als sie Unterschiedliches anordnen. Ansonsten bleiben die Bestimmungen des ABGB und der ZPO weiterhin anwendbar.

Zu § 37b

Mit dieser Bestimmung sollen die zentralen Begriffsdefinitionen des Art. 2 der Richtlinie umgesetzt werden. Diese Umsetzung beschränkt sich aber auf diejenigen Fälle, in denen die Definition an mehr als einer Stelle vorkommt. Die Begriffsbestimmungen sollen nur für die Zwecke des 5. Abschnitts des II. Hauptstücks gelten.

Zu Z 1 („Wettbewerbsrechtsverletzung“): Art. 2 Z 1 und 3 der Richtlinie definieren eine „Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht“ als eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV oder nationales Wettbewerbsrecht, wenn mit dem nationalen Wettbewerbsrecht überwiegend das gleiche Ziel verfolgt wird und dieses nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf denselben Fall und parallel zum Wettbewerbsrecht der Union angewandt wird. Der Entwurf schlägt vor, diese Definition zu übernehmen, da sie auch für die Bestimmung von Wettbewerbsrechtsverletzungen taugen muss, die nach dem nationalen Recht anderer Mitgliedstaaten sanktioniert wurden. Für das österreichische Recht bleibt einerseits festzuhalten, dass eine „parallele“ Anwendung der österreichischen Bestimmungen zu jenen der Art. 101 und 102 AEUV kaum in Betracht kommt, da nach der Rechtsprechung des Kartellobergerichts im Fall der Anwendung des Unionsrechts das nationale Recht verdrängt wird (RIS-Justiz RS0119693). Andererseits soll – wie nach bisheriger Rechtslage – die Anwendung der Bestimmungen des 5. Abschnitts auf rein nationale Wettbewerbsrechtsverletzungen ausgedehnt werden, wobei hier der Verstoß gegen die Vorschriften zur Fusionskontrolle (Durchführungsverbot § 17, nachträgliche Maßnahmen § 16, Verpflichtungszusagen § 27) ausgenommen werden soll.

Zu Z 2 („Rechtsverletzer“): Mit dieser Definition soll Art. 2 Z 2 der Richtlinie umgesetzt werden.

Die Richtlinie verwendet an mehreren Stellen den Begriff des „Verfahrens über Schadenersatzklagen“ (zB Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 bis 3, Art. 8 Abs. 2, Art. 13, Art. 14 Abs. 1, Art. 17 Abs. 3), wobei unter „Schadenersatzklage“ eine Klage zur Geltendmachung eines „Schadenersatzanspruchs“ (Art. 2 Z 4) und letzterer als „Anspruch auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden“ („compensation of harm“) verstanden wird. Der Entwurf verzichtet auf eine eigene Begriffsdefinition und spricht von einem Rechtsstreit oder Verfahren „über den Ersatz des Schadens aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung“ (siehe § 37f Abs. 1, § 37g Abs. 4). Nur in § 37j Abs. 1 soll von Verfahren die Rede sein, die „Ersatzansprüche aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung zum Gegenstand haben“, um den etwas weiteren Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 („proceedings relating to an action for damages“) zu umschreiben.

Zu Z 3 („Wettbewerbsbehörde“): Diese Begriffsbestimmung umfasst in Umsetzung von Art. 2 Z 8 jede nationale Wettbewerbsbehörde und die Kommission. Wichtig ist diese Begriffsbestimmung vor allem für § 37b Z 4 und 5, weshalb auch Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen gegenüber anderen nationalen Wettbewerbsbehörden umfasst sind, und für § 37h, weshalb Verfahren vor jeder – auch vor ausländischen – Wettbewerbsbehörden die Verjährung hemmen. Ebenso beziehen sich die Beweismittelbeschränkungen für aktenkundige Beweismittel (§ 37k) auch auf ausländische Wettbewerbsbehörden.

Zu Z 4 („Kronzeugenerklärung“): Diese Definition setzt Art. 2 Z 16 der Richtlinie um. Der Begriff ist zwar nur für Art. 6 Abs. 6 relevant (umgesetzt in § 37k Abs. 4), soll aber wegen seiner zentralen Bedeutung dennoch bereits hier definiert werden. Ob eine von der Einsicht ausgeschlossene Kronzeugenerklärung vorliegt, ist streng nach der umgesetzten Richtlinienbestimmung zu beurteilen, da die Kronzeugenprogramme der verschiedenen nationalen Wettbewerbsbehörden nicht einheitlich geregelt sind. Insofern gibt es hier keinen Umsetzungsspielraum; es verbietet sich insbesondere, den Begriff an das nationale Kronzeugenprogramm nach dem WettbG „anzupassen“. Die Klarstellung, dass die Kronzeugenerklärung nicht bereits vorhandene („pre-existing“) Informationen umfasst, soll in § 37k Abs. 4 aufgenommen werden, da sie gleichermaßen auch für Vergleichsausführungen gilt (wie sich aus Erwägungsgrund 28 eindeutig ergibt).

Da die Kronzeugenerklärung nach dem Wortlaut der Richtlinie nur der Aufdeckung eines Kartells im Sinn der Richtlinie dient, die ein „Kartell“ als Absprache oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Wettbewerbern definiert (Art. 2 Z 14 der Richtlinie), ist der im Kartellgesetz verwendete Begriff, der auch vertikale Absprachen oder abgestimmte Verhaltensweisen abdeckt (§ 1 Abs. 1), auf „Kartelle zwischen Wettbewerbern“ einzuschränken. Siehe dazu auch § 37c Abs. 2 und § 37e Abs. 3.

Die Begriffe „Kronzeuge“ und „Kronzeugenprogramm“ sind nur für den Ausschluss von der Solidarhaftung von Bedeutung und sollen daher unmittelbar im vorgeschlagenen § 37e Abs. 3 umgesetzt werden. Anders als bei der „Kronzeugenerklärung“ kommt es bei der Ausnahme von der Solidarhaftung darauf an, ob dem Kronzeugen die Geldbuße gänzlich erlassen wurde.

Zu Z 5 („Vergleichsausführungen“): Diese Definition soll Art. 2 Z 18 der Richtlinie umsetzen. Auch hier gibt es keinen Umsetzungsspielraum oder Anpassungen an ein nationales Settlement-Verfahren; ob eine Vergleichsausführung vorliegt, ist im Einzelfall streng nach der Richtlinien-Definition zu prüfen.

Zu Z 6 und 7 („mittelbarer“ und „unmittelbarer Abnehmer“): Diese Bestimmungen sollen Art. 2 Z 23 und 24 der Richtlinie umsetzen und sind für § 37e und § 37f relevant.

Zu § 37c

Abs. 1 soll Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie umsetzen und entspricht dem geltenden § 37a Abs. 1 erster Satz. Dass das nationale Recht für den Schadenersatz ein Verschuldenserfordernis und einen Äquivalenz- und Adäquanzzusammenhang vorsehen kann, ergibt sich aus Erwägungsgrund 11 der Richtlinie.

Abs. 2 soll Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie umsetzen. Die Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung ergibt sich zwar ausdrücklich aus § 270 ZPO, soll aber der Klarheit halber nochmals im Gesetz erwähnt werden.

Zu § 37d

Diese Bestimmung soll Art. 3 Abs. 2 und 3 und Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie umsetzen; sie entspricht § 37a Abs. 1 3. und 4. Satz des geltenden Rechts.

Der Schaden muss nicht alleine in einem zu hohen bezahlten Preis (Abnehmer) oder zu niedrig erlangten Preis (Lieferanten) liegen. Der Preisaspekt ist nur ein Aspekt in der Sicherung des Wettbewerbs. Gleichrangig sind u.a. die Sicherung der Qualität, die Schaffung von Produktinnovationen und damit die Sicherung des Wettbewerbes mit einer Vielzahl von Wettbewerbern. Nach Art. 3 Abs. 2 erster Satz der Richtlinie bedeutet der vollständige Ersatz des Schadens, den eine Person erlitten hat, dass sie in die Lage versetzt wird, in der sie sich befinden würde, wenn die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht nicht begangen worden wäre. Die bisher in § 37a Abs. 1 vierter Satz enthaltene Regelung, wonach insbesondere der Vorteil, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat, bei der Schadensschätzung nach § 273 ZPO zu berücksichtigen ist, soll deshalb nicht mehr explizit im Gesetz angeführt werden. Es sind nämlich auch Konstellationen denkbar, in denen die Gleichsetzung des Vorteils mit dem Schaden – insbesondere bei mehreren Vertriebsebenen – zu einem Konflikt mit dem Verbot der Überkompensation (Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie) führen würde. Auch ohne eine solche Erwähnung ist es aber auch in Zukunft nicht per se ausgeschlossen, den durch den Kartellverstoß vom Kartellanten erzielten Vorteil im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei der Schätzung des Schadens heranzuziehen.

Zu § 37e

Diese Bestimmung soll Art. 11 der Richtlinie umsetzen. Abs. 1 bringt nochmals den ohnedies nach österreichischem Schadenersatzrecht schon geltenden Grundsatz zum Ausdruck, dass gemeinschaftlich handelnde Rechtsverletzer solidarisch haften.

Abs. 2 soll Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie umsetzen, mit der eine Ausnahme von der Solidarhaftung für KMUs geschaffen wurde, und Art. 11 Abs. 3, der eine Gegenausnahme normiert.

Abs. 3 soll Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie umsetzen und enthält dabei die Begriffsbestimmungen nach Art. 2 Z 15 („Kronzeugenprogramm“) und Z 19 („Kronzeuge“). Nur jenem Kronzeugen ist damit eine Erleichterung der Haftung gewährt, der ein geheimes (horizontales) Kartell als erster aufgedeckt hat, sodass ihm der (gänzliche) Erlass der Geldbuße zuerkannt wird. Der Begriff ist nicht notwendigerweise deckungsgleich mit einem „Kronzeugen“ im Sinn des Wettbewerbsgesetzes, weil die Richtlinie zu einem einheitlichen Begriff zwingt, unabhängig von den jeweiligen Praktiken der nationalen Wettbewerbsbehörden. Ob ein „Kronzeuge“ im Sinn des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie vorliegt, ist daher anhand der Richtlinie autonom zu beurteilen und nur insoweit von der Zuerkennung dieses Status durch eine Wettbewerbsbehörde abhängig, als diese dem Rechtsverletzer die Geldbuße gänzlich erlassen hat. Mit anderen Worten ist ein Kartellant, gegen den keine Geldbuße verhängt wird, weil das aufgedeckte Kartell der Behörde schon bekannt war oder weil es sich um eine vertikale Absprache gehandelt hat, nicht „Kronzeuge“ im Sinn dieser Bestimmung. Umgekehrt kann jemand, gegen den eine Geldbuße verhängt wurde (und sei sie auch nur gemäßigt), niemals „Kronzeuge“ im Sinn dieser Bestimmung sein.

Zur Frage, wie lange ein Kartell „geheim“ ist und daher eine Kronzeugenerklärung noch rechtzeitig ist, um die Rechtswirkungen nach Abs. 3 zu entfalten, kann davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie die im Zeitpunkt der Erlassung der Richtlinie maßgeblichen unionsrechtlichen Vorschriften mitbedacht hat. Nach Rz 10 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl. Nr. C 210 vom 1.9.2006, S. 2, wird ein Erlass der Geldbuße nur dann gewährt, wenn die Kommission zum Zeitpunkt der Vorlage nicht bereits über ausreichende Beweismittel verfügte, um eine Nachprüfung (Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003) im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Kartell anzuordnen oder eine solche Nachprüfung bereits durchgeführt hatte.

Die Sonderregelungen für die Kronzeugen bei der Haftung sollen keine Bevorzugung gegenüber den übrigen Schädigern darstellen, sondern nur den Nachteil ausgleichen, den die Kronzeugen durch die frühere Rechtskraft der Verletzungsentscheidung sonst erfahren würden (Erwägungsgrund 38). Allerdings haftet der Kronzeuge auch gegenüber den anderen Geschädigten, wenn von den übrigen Haftpflichtigen „kein vollständiger Schadenersatz erlangt werden kann“ (Art. 11 Abs. 4 lit. b). Für diese Fälle haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die Verjährungsfrist gegen den Kronzeugen nicht in der Zwischenzeit (wegen der erfolglosen Klags- und Exekutionsführung gegen die übrigen Geschädigten) abgelaufen ist. Diese Regelung trifft § 37h Abs. 3.

Zu Abs. 4: Grundsätzlich bestimmt sich der Innenregress der Rechtsverletzer untereinander nach der relativen Verantwortung eines jeden für den verursachten Schaden. Die „relative Verantwortung“ hängt nach Erwägungsgrund 37 von verschiedenen Kriterien „wie Umsatz, Marktanteil oder Rolle im Kartell“ ab. Von diesem Grundsatz macht Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie insofern eine Ausnahme, als der Ausgleichsbetrag des Kronzeugen nicht höher sein darf als der Schaden, den er seinen eigenen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten verursacht hat. Allerdings bleibt es nach Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie bei der Grundregel des Ausgleichs nach der relativen Verantwortung, wenn ein solidarisch haftender Schädiger von Drittgeschädigten in Anspruch genommen wird, also etwa von solchen, die auf Grund des Preisschirmeffektes des Kartells selbst höhere Preise bezahlen mussten, obwohl sie keine Produkte, die von der Kartellabsprache betroffen waren, abgenommen hatten. Anders formuliert, greift die Sonderregelung des Art. 11 Abs. 5 zweiter Satz der Richtlinie nur so weit ein, als die solidarisch haftenden Rechtsverletzer Schadenersatz an unmittelbare und mittelbare Abnehmer oder Lieferanten geleistet haben.

Zu § 37f

Mit Abs. 1 soll Art. 13 der Richtlinie umgesetzt werden. Diese Bestimmung soll klarstellen, dass die Einrede der Überwälzung des Schadens jedenfalls zulässig ist, auch wenn es sich um eine bloß faktische Schadensverlagerung auf die nachgelagerte Vertriebsstufe handelt.

Der Entwurf geht davon aus, dass die Richtlinienbestimmungen Rechtsfragen der Zurechnung der Preisweitergabe an den Wettbewerbsverstoß nicht regeln und hierauf im Sinn des Erwägungsgrunds 11 (Voraussetzungen wie Zurechenbarkeit oder Adäquanz im Recht der Mitgliedstaaten können beibehalten werden) nationales Recht zur Anwendung kommt. Danach reicht es nicht aus, wenn der Kartellant nachweist, dass sich der Preis auf der nachgelagerten Vertriebsstufe erhöht hat. Vielmehr muss er auch beweisen, dass diese Preiserhöhung durch den Kartellverstoß bewirkt wurde und nicht etwa auf eigenen Anstrengungen des unmittelbaren Abnehmers beruht. Dies soll auch durch den Ausdruck „weitergegeben“ geklärt werden. Ein Preisaufschlag ist nicht „weitergegeben“, wenn er durch eigene Anstrengungen des Abnehmers absorbiert werden konnte, und eine Erhöhung des Preises in der nachgelagerten Vertriebsstufe auf Umstände zurückzuführen ist, die in der Sphäre dieses Abnehmers liegen (z. B. Verbesserung bei der Produktverarbeitung, erhöhte Marketingaufwendungen etc.).

Abs. 2 soll Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie umsetzen. Zugleich ergibt sich aus der Formulierung, dass auch mittelbar Geschädigte einen Schadenersatzanspruch geltend machen können, wie dies von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie gefordert wird und von der Rechtsprechung teilweise bereits anerkannt ist (z. B. 4 Ob 46/12m).

Mit Abs. 3 soll Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie umgesetzt werden. Diese Bestimmung sieht eine Beweiserleichterung für mittelbare Abnehmer vor, indem bei Zutreffen bestimmter Umstände vermutet wird, dass er wirtschaftlich den Schaden getragen hat. Im Zusammenhang mit der Beweislast des Kartellanten für die Schadensverlagerung im Prozess gegen den unmittelbaren Abnehmer kann es allerdings dazu kommen, dass bei einem „non liquet“ in Bezug auf die Schadensverlagerung der Rechtsverletzer zweimal in Anspruch genommen wird. Das soll aber nach Art. 12 Abs. 1 und nach Art. 15 der Richtlinie vermieden werden. Ebenso soll aber auch eine Nichthaftung des Rechtsverletzers vermieden werden (Art. 12 Abs. 1).

Beides kann durch das Institut der Streitverkündung erreicht werden: Nach der ständigen Rechtsprechung erstrecken sich die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils auf den nach Streitverkündung beigetretenen Nebenintervenienten und auf eine trotz Streitverkündung nicht beigetretene Person insofern, als in einem Folgeverfahren keine Einwendungen erhoben werden können, die mit notwendigen Elementen der Vorentscheidung im Widerspruch stehen. Der Oberste Gerichthof hat bereits ausgesprochen, dass die Interventionswirkung nicht nur im Verhältnis zwischen der Haftung des Streitverkünders und der Regresspflicht des Empfängers der Streitverkündung besteht, sondern auch bei materiell-rechtlichen Alternativverhältnissen, die einander gegenseitig ausschließend bedingen, bei denen also die positiven Voraussetzungen des einen Rechtsverhältnisses gleichzeitig die negativen Voraussetzungen des anderen sind (5 Ob 68/11b).

Um diese Grundsätze zu verdeutlichen, sollen in Abs. 4 jene Situationen angeführt werden, in denen der in Anspruch genommene Kartellant durch Streitverkündung sein Risiko vermindern kann, den Schaden mehrfach zu ersetzen:

1. Wenn der unmittelbare Abnehmer klagt, ist der Kartellant für die Überwälzung beweispflichtig (Abs. 1). Er verkündet daher dem mittelbaren Abnehmer den Streit. Wenn der Beweis gelingt, dass der Schaden überwälzt wurde, wird in diesem Ausmaß die Klage des unmittelbaren Abnehmers abgewiesen; es ist aber anzunehmen, dass die Rechtsprechung von einer Bindung des Kartellanten an dieses Ergebnis im Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers ausgehen wird (Alternativverhältnis). Der Kartellant kann nun nicht einwenden, dass der Schaden doch nicht überwälzt wurde. So kann es zu dem von der Richtlinie verpönten Fall, dass der Rechtsverletzter nicht haftet, nicht kommen. Im umgekehrten Fall, wenn der Beweis der Schadensüberwälzung misslingt, wird der Klage stattgegeben. Im Folgeprozess könnte sich aber die Frage stellen, ob der mittelbare Abnehmer an das Ergebnis des Vorprozesses gebunden ist. Um in einer solchen Konstellation eine mehrfache Inanspruchnahme des Kartellanten zu verhindern, soll angeordnet werden, dass der mittelbare Abnehmer, dem der Beklagte rechtzeitig den Streit verkündet hat, an die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts über die Schadensüberwälzung gebunden ist.

2. Wenn der mittelbare Abnehmer klagt, ist er für die Überwälzung beweispflichtig, allerdings besteht nach Abs. 3 eine ihn begünstigende Vermutung. Der Kartellant kann nun dem unmittelbaren Abnehmer den Streit verkünden. Wenn diesem der Beweis gelingt, dass nicht überwälzt wurde, wird man wegen Vorliegens eines Alternativverhältnisses eine Bindungswirkung für den Kartellanten annehmen können, sodass dessen Nichthaftung vermieden wird. Wurde im Vorprozess hingegen vom mittelbaren Abnehmer bewiesen, dass der Schaden überwälzt wurde, so liegt keine non-liquet-Situation vor. Der unmittelbare Abnehmer soll an eine diesbezügliche Entscheidung gebunden sein, da ein Alternativverhältnis vorliegt. Wurde der Vorprozess lediglich auf Grund der nicht entkräfteten Überwälzungsvermutung zugunsten des mittelbaren Abnehmers entschieden, so stellt sich die Frage der Bindungswirkung. Bejahte man eine Bindungswirkung, so wäre der unmittelbare Abnehmer im Folgeprozess, in dem der Kartellant für die Überwälzung beweispflichtig ist, schlechter gestellt. Die Vermutung des Vorprozesses würde ihm dann im Folgeprozess zum Nachteil gereichen und er würde keinen Ersatz erhalten. Eine solche Bindungswirkung würde den von der Richtlinie vorgegebenen Beweislastverteilungen widersprechen. Es wird hier am Kartellanten liegen, mit den Beweisergebnissen des Vorprozesses zu beweisen, dass der Schaden überwälzt wurde.

Mit Abs. 5 soll Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie umgesetzt werden, wonach die Regeln über die Schadensabwälzung mutatis mutandis auch auf den Fall anzuwenden sind, in dem die Rechtsverletzung sich nicht auf der nachgelagerten, sondern auf der vorgelagerten Vertriebsstufe auswirkt. Das ist zB bei einem Einkaufskartell der Fall. Da in solchen Fällen der unter normalen Wettbewerbsverhältnissen erzielbare Preis höher ist, geht es dann nicht um einen Preisaufschlag, sondern um einen Preisabschlag, den der Lieferant dann seinen Lieferanten weiterreicht.

Zu § 37g

Diese Bestimmung soll Art. 19 der Richtlinie umsetzen. Sie regelt die Wirkung einer einvernehmlichen Streitbeilegung („consensual settlement“), den die deutsche Fassung der Richtlinie mit „Vergleich“ übersetzt. Diesen Begriff übernimmt der Vorschlag, allerdings soll im ersten Satz des § 37g klargestellt werden, dass jede Einigung, die im Zuge einer einvernehmlichen Streitbeilegung erzielt wird, als „Vergleich“ bezeichnet wird, auch wenn es sich nicht um einen Vergleich im Sinn des § 1380 ABGB, sondern zB um eine Anerkenntnis handelt. Ob die Einigung außerhalb des Gerichts stattfindet (Art. 2 Z 21), ist hingegen nicht entscheidend; die Formulierung in Art. 2 Z 21 der Richtlinie zielt nur darauf ab, dass der Vergleich einvernehmlich und ohne Intervention des Gerichts zustande kommt. Demnach ist auch ein in der Gerichtsverhandlung erzielter Vergleich ein solcher im Sinne dieser Bestimmung.

Zu Abs. 1: Anders als nach den sonst geltenden Grundsätzen der Solidarhaftung soll sich nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie der Schadenersatzanspruch eines vergleichenden Geschädigten nicht um jenen Betrag verringern, den der vergleichende Rechtsverletzer leistet, sondern um den (den Parteien nicht immer bekannten) Anteil, zu dem der vergleichende Rechtsverletzer für den Schaden verantwortlich war.

Beispiel: An einem Kartell sind A, B und C beteiligt, wobei nach den Kriterien des vorgeschlagenen § 37e Abs. 4 (vgl. Erwägungsgrund 37) A zu 50% für den entstandenen Schaden, B zu 30% und C zu 20% verantwortlich ist. Dem Geschädigten X ist ein Schaden von 200 entstanden, und dem Geschädigten Y ein Schaden von 300.

A vergleicht sich mit X um 80. Wenn er seinen verbleibenden Schaden (120) gegen B und C einklagt, können diese einwenden, dass sich sein Anspruch um 50% verringert hat (Anteil, zu dem A für den Schaden verantwortlich ist), und daher nur 100 gerechtfertigt sind.

Zu Abs. 2: Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie schließt einen Rückersatz der nicht am Vergleich beteiligten Rechtsverletzer gegen den vergleichenden Rechtsverletzer für (verbleibende) Ersatzansprüche aus, die dem vergleichenden Geschädigten geleistet wurden.

Fortsetzung des Beispiels: X erhält von den nicht vergleichenden Rechtsverletzern B und C 100 zugesprochen. Da A zu 50% für den Schaden verantwortlich ist, könnten B und C im Regressweg 50 von A fordern. Wenn diese Forderung berechtigt wäre, hätte A für den Schaden, der X entstanden wäre, 130 geleistet (80 aufgrund des Vergleichs, 50 aufgrund des Regresses), obwohl sein Anteil nur 100 wäre. Da damit kein Anreiz entsteht, einen Vergleich zu schließen, verhindert Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie einen Regress.

Zu Abs. 3: Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie behandelt den Rückersatz der übrigen Rechtsverletzer für Zahlungen, die diese an nicht am Vergleich beteiligten Geschädigte geleistet haben.

Variante des Beispiels: X hat sich mit A nicht unter dessen Quote (50%), sondern darüber verglichen und erhält von A 150. Da er der unmittelbare Abnehmer von A ist, macht er keine weiteren Ansprüche gegen B und C geltend. Alle drei Rechtsverletzer werden nun zum Ersatz von 300 an den Geschädigten Y verpflichtet. Im Normalfall würde A für den Gesamtschaden (500) zu 50% einstehen, müsste also an alle Geschädigten insgesamt 250 leisten. Müsste er hingegen den an Y zu leisteten Ersatz zur Hälfte tragen (150), so hätte er – unter Einschluss der bereits geleisteten Zahlung an X (150) – insgesamt 300 zu leisten, also um 50 mehr. Umgekehrt wären B und C entlastet. Damit aus dieser Situation kein Anreiz entsteht, sich nicht zu vergleichen, hat das Gericht im Regressprozess von B und C gegen A zu berücksichtigen, dass dieser bereits 150 an X geleistet hat.

Zu Abs. 4: mit dieser Bestimmung soll Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie umgesetzt werden.

Zu § 37h

Mit dieser Bestimmung soll Art. 10 der Richtlinie umgesetzt werden. Zunächst ist die allgemeine Verjährungsfrist einer Schadenersatzklage von drei (§ 1489 ABGB) auf fünf Jahre auszuweiten. Anders als nach § 1489 ABGB kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist zusätzlich darauf an, dass das schädigende Verhalten eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellt (Art. 10 Abs. 2 lit. a). Dieses Kriterium sollte in der Praxis keine große Änderung bewirken, da der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen die Entscheidung des Kartellobergerichts – und damit die rechtskräftige Feststellung der Zuwiderhandlung – für fristauslösend erachtete (4 Ob 46/12m, 5 Ob 123/12t, 6 Ob 186/12i).

Gleichzeitig soll der von der Richtlinie in Erwägungsgrund 36 letzter Satz eingeräumte Spielraum genutzt werden, „absolute Verjährungsfristen beizubehalten oder einzuführen, sofern die Dauer dieser absoluten Verjährungsfristen die Ausübung des Rechts auf Schadenersatz in voller Höhe nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert“. Daher soll – in Analogie zur behördlichen Verfolgungsverjährung – eine zehnjährige Frist eingeführt werden, die ohne Rücksicht auf Kenntnis oder Kennenmüssen zu laufen beginnt. Damit wird erreicht, dass ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht, den die Behörde nach dem vorgeschlagenen § 33 nicht mehr aufgreifen kann, weil die zehnjährige Frist verstrichen ist, auch in einem privaten Schadenersatzverfahren nicht mehr aufgerollt werden kann (Vorrang oder zumindest Gleichbehandlung der behördlichen Rechtsverfolgung). Sobald die Behörde aber innerhalb der zehnjährigen Frist einen Geldbußenantrag an das Kartellgericht stellt, wird der Ablauf der Frist für die Schadenersatzklage nach dem vorgeschlagenen Abs. 2 gehemmt, bis ein Jahr nach der rechtskräftigen Entscheidung im Kartellverfahren abgelaufen ist. Da auch die zehnjährige Frist für die Dauer eines Verfahrens einer Wettbewerbsbehörde gehemmt ist, handelt es sich nicht um eine „absolute Verjährung“ im engsten Sinn. Gleichzeitig wäre es aber wohl richtlinienwidrig, würde die Frist für die Erhebung der Schadenersatzklage vor Abschluss des wettbewerbsbehördlichen Verfahrens ablaufen. § 1489 ABGB – und damit auch die dreißigjährige Verjährungsfrist – wird von der lex specialis des vorgeschlagenen § 37h verdrängt.

Abs. 2 baut auf dem bisherigen § 37a Abs. 4 KartG 2005 auf, der eine Hemmung der Verjährung für die Dauer eines wettbewerbsbehördlichen Verfahrens vorsieht. Allerdings müssen in Umsetzung von Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie zwei Änderungen angebracht werden: Zum einen darf die Hemmung frühestens ein Jahr nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens enden. Zum anderen soll die Hemmung auch eintreten, wenn die Wettbewerbsbehörde „Maßnahmen in Hinblick auf die Untersuchung“ einer Zuwiderhandlung trifft (siehe die vorgeschlagene Z 2). Eine Hausdurchsuchung würde also jedenfalls die Verjährung hemmen, auch wenn die Wettbewerbsbehörde danach kein förmliches Verfahren einleitet, weil zB die aufgefundenen Beweise nicht hinreichend sind. Es wird zwar nicht übersehen, dass für den Geschädigten nicht immer klar ist, wann die Wettbewerbsbehörde die Maßnahme beendet. Dies hat aber in der Praxis keine Auswirkungen: denn solange die Wettbewerbsbehörde noch ein Geldbußenverfahren führen kann, besteht auch die Möglichkeit, den Schadenersatz aus dem Wettbewerbsverstoß geltend zu machen. Die objektive Verjährungsfrist des Abs. 1 wird jedenfalls für die Dauer eines Verfahrens vor der Wettbewerbsbehörde gehemmt. Selbst wenn die Wettbewerbsbehörde im extremsten Fall kurz vor Ende der Verfolgungsverjährung eine Ermittlungsmaßnahme setzte und die Maßnahme kurz darauf beendete und das Verfahren nicht weiterführte, bliebe dem Geschädigten jedenfalls noch bis Ende der objektiven Verjährungsfrist des Abs. 1 (zehn Jahre mangels „Kenntnis“ eines Wettbewerbsverstoßes, weil die Behörde keine Entscheidung veröffentlicht hat) Zeit, um den Schaden geltend zu machen.

Abs. 2 Z 3 soll Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie umsetzen, nach dem die Verjährungsfrist für die Dauer einer einvernehmlichen Streitbeilegung gehemmt ist. Der Begriff „einvernehmliche Streitbeilegung“ ist nach Art. 2 Z 21 der Richtlinie ein Mechanismus, der es den Parteien ermöglicht, den Streit über einen Schadenersatzanspruch außergerichtlich beizulegen. Das entspricht im österreichischen Recht dem Begriff der „Vergleichsverhandlungen“, der bereits als Hemmungsgrund anerkannt ist (R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1496 ABGB Rz 8). Solche Vergleichsverhandlungen zielen auf das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen der geschädigten Partei und dem Schädiger ab; der Begriff hat nichts mit den „Vergleichsausführungen“ zu tun hat, die im Rahmen eines „Settlement-Verfahrens“ der Wettbewerbsbehörde vorgelegt werden. Nicht ausdrücklich erwähnt werden muss, dass die Hemmung nach Z 3 nur für diejenige Parteien gilt, die an der einvernehmlichen Streitbeilegung beteiligt waren, da das den allgemeinen Grundsätzen des ABGB entspricht (vgl. etwa R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1497 ABGB Rz 6). Der letzte Satz wiederholt die Rechtsprechung, nach der nach ergebnislosem Abbruch der Vergleichsverhandlungen eine Klage binnen angemessener Frist einzubringen und gehörig fortzusetzen ist (R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1496 ABGB Rz 8; Zuwarten von etwa drei Monaten angemessen).

Abs. 3 soll Art. 11 Abs. 4 letzter Satz der Richtlinie umsetzen. Art. 11 Abs. 4 lit. b schafft eine Gegenausnahme von der Ausnahme des Kronzeugen von der Solidarhaftung, wenn der Geschädigte keinen vollständigen Ersatz von den anderen am Kartellverstoß beteiligten Unternehmen erlangen kann. Der Geschädigte muss also zunächst Ersatz von den übrigen beteiligten Unternehmen fordern, und erst wenn er erfolglos gegen diese Exekution geführt hat, kann er gegen den Kronzeugen vorgehen. Die Richtlinie verpflichtet dazu, zu verhindern, dass mittlerweile der Ersatzanspruch gegen den Kronzeugen verjährt ist. Daher wird eine Ablaufhemmung bis ein Jahr nach den erfolglosen Exekutionsversuchen vorgeschlagen.

Die neue Bestimmung ist anzuwenden, wenn der Schadenersatzanspruch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung (26.12.2016) nach dem bis dahin anzuwendenden Recht noch nicht verjährt ist (§ 86 Abs. 9).

Zu § 37i

Diese Bestimmung soll Art. 9 der Richtlinie umsetzen und entspricht dem bisherigen § 37a Abs. 2 und 3.

Zu § 37j

§ 37j soll Art. 5 der Richtlinie umsetzen. Die hier geregelten Bestimmungen sind als Erweiterung der ansonsten weiterhin anwendbaren Bestimmungen der §§ 303 ff. ZPO zu verstehen. Unter Beweismittel im Sinn dieser Bestimmung und im Sinn des § 37k sind alle nach der ZPO zulässigen Beweismittel zu verstehen. Darunter fallen nach Art. 2 Z 13 der Richtlinie insbesondere, aber nicht nur, Urkunden und „alle sonstigen Gegenstände, die Informationen enthalten, unabhängig von dem Medium, auf dem die Informationen gespeichert sind“ (Augenscheinsgegenstände).

Zu Abs. 1: Art. 5 der Richtlinie sieht vor, dass das Gericht die Offenlegung von relevanten Beweismitteln anordnen kann, wenn eine substanziierte Begründung vorgelegt wird, die mit zumutbarem Aufwand zugängliche Tatsachen und Beweismittel enthält, die die Plausibilität des Schadenersatzanspruchs ausreichend stützen. Die Richtlinie verlangt allerdings nicht, dass eine solche Offenlegung auch vor Einbringung der Klage möglich ist. Der Entwurf schlägt daher vor, dass ein Offenlegungsantrag nur in einem mit Klage eingeleiteten Verfahren, das Ersatzansprüche aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung zum Gegenstand hat, erhoben werden kann. Damit es allerdings zu einem Offenlegungsantrag kommt, ist sicherzustellen, dass die Klage keine höheren Anforderungen an die Substanziierung des Anspruchs stellt, als dies die Richtlinie für den Offenlegungsantrag vorsieht. Die Begründungsanforderungen für die Klage, die erst Voraussetzung für die Stellung eines Offenlegungsantrags ist, sind daher in Abs. 1 aufzunehmen, während in Abs. 2 der Offenlegungsantrag selbst geregelt werden soll.

Zu Abs. 2 und 3: Diese Bestimmungen sollen die Offenlegungsanordnung nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie umsetzen. Der Offenlegungspflicht unterliegen die Gegenpartei oder Dritte, wobei nach Erwägungsgrund 15 auch Behörden als Adressaten einer Offenlegungsanordnung in Frage kommen. § 37k Abs. 1 stellt allerdings im Einklang mit Erwägungsgrund 15 (letzter Satz) klar, dass die Offenlegungsanordnung gegen Gerichte und Behörden (weiterhin) im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu geschehen hat.

Der Offenlegungsantrag muss begründet sein, wobei die Begründung sowohl die Tatsachen enthalten muss, die den Anspruch erzeugen oder vernichten, als auch die verfügbaren Beweismittel, jeweils soweit diese Tatsachen und Beweismittel der antragstellenden Partei mit zumutbarem Aufwand zugänglich sind (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie).

Die Pflicht zur Offenlegung erstreckt sich auf Beweismittel, die sich in der Verfügungsgewalt des Adressaten befinden. Um sicherzustellen, dass sich ein Dritter nicht einfach der Beweismittel entledigt, sobald er vom Antrag Kenntnis erlangt (da er vor der Anordnung gehört werden muss, siehe Art. 5 Abs. 7 der Richtlinie), soll § 307 Abs. 1 ZPO auch für Dritte anwendbar gemacht werden. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht die Vernehmung zum Zweck der Ermittlung anordnen, ob der Adressat des Offenlegungsantrags das Beweismittel noch besitzt oder doch wisse, wo es zu finden sei, oder ob es dem Beweisführer entzogen, beseitigt oder zur Benützung untauglich gemacht wurde.

Die Offenlegungspflicht erstreckt sich über § 304 und § 308 Abs. 1 ZPO hinaus auf alle Beweismittel, und sie gilt entgegen § 305 ZPO auch dann, wenn das Beweismittel vertrauliche Informationen enthält.

Mit der Offenlegung durch den Antragsgegner werden die betroffenen Beweismittel aber noch nicht als Beweismittel dem Gericht vorgelegt, sondern zunächst nur dem Antragsteller zur Verfügung gestellt. Nach Offenlegung durch den Antragsgegner hat der Antragsteller sein Vorbringen zu vervollständigen und dem Gericht diejenigen offengelegten Beweismittel zu benennen, derer er sich zum Nachweis seiner Tatsachenbehauptungen bedienen will. Die übrigen offengelegten Beweismittel finden keinen Eingang in das Verfahren.

Zu Abs. 4: Diese Bestimmung soll Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie umsetzen. Die Ersatzpflicht des Beweisführers für Offenlegungskosten Dritter nach § 308 Abs. 1 ZPO bleibt unberührt.

Zu Abs. 5: Diese Bestimmung soll Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie umsetzen.

Zu Abs. 6 und 7: Diese Bestimmungen soll Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie umsetzen. Im Erwägungsgrund 18 sind einige Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit aufgelistet, die die Richtlinie vor Augen hatte. Diese sollen daher in Abs. 6 aufgenommen werden. Abs. 7 kodifiziert einen schon nach § 12 Abs. 5 Wettbewerbsgesetz bekannten Mechanismus, nach dem der Vorlagepflichtige das Beweismittel nur gegenüber dem Gericht vorlegt, das dann mit Beschluss nach Verhältnismäßigkeitsprüfung entscheidet, ob das Beweismittel auch dem Gegner einsehbar ist (vgl. § 298 Abs. 2 ZPO: „dem Gegner vorgewiesen werden“).

Zu Abs. 8 und 9: Nach § 308 Abs. 2 letzter Satz ZPO ist nur der Vorlagebeschluss gegen einen Dritten nach Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar. Wenn ein Gegner der Vorlage nicht nachkommt, hat das Gericht dies nach § 307 Abs. 2 ZPO zu würdigen. Dies als alleinige Sanktion vorzusehen, genügt allerdings nicht dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie (arg. „umfassen unter anderem…“), weshalb vorgeschlagen wird, auch die Offenlegungsanordnung gegen eine Partei vollstreckbar zu machen (Abs. 9). Allerdings ermöglicht § 319 Abs. 2 ZPO ganz generell beim Vorlageauftrag (= Offenlegungsanordnung) an den Gegner nur eine „nicht abgesonderte“ Anfechtung. Das passt nicht zu dem vorgeschlagenen Konzept der Vollstreckbarkeit nach Rechtskraft der Anordnung. Deshalb soll die Offenlegungsanordnung von dem zur Offenlegung Verpflichteten sofort angefochten werden können (Abs. 8). Verweigert das Gericht die Erlassung einer Offenlegungsanordnung, so kann es bei der nicht abgesonderten Anfechtung erst mit dem Urteil in der Hauptsache bleiben.

Um unnötigen Verfahrensaufwand zu vermeiden, der dadurch entsteht, dass mit dem Exekutionsgericht ein weiteres Gericht befasst wird, soll § 79 AußStrG sinngemäß Anwendung finden, wonach das Prozessgericht selbst die notwendigen Zwangsmaßnahmen setzt (Abs. 9 zweiter Satz). Unberührt bleibt die Möglichkeit des Gerichts, die Kostentragung durch die Partei anzuordnen (§ 408 Abs. 1 ZPO).

Zu § 37k

Diese Bestimmung handelt von Beweismitteln, „die in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind“, und setzt Art. 6 und 7 der Richtlinie um. Die besondere Behandlung solcher Beweismittel ist notwendig, um die Wirksamkeit der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Wettbewerbsbehörde nicht übermäßig zu beeinträchtigen. Die Akteneinsicht während eines laufenden wettbewerbsrechtlichen Verfahrens kann die Untersuchungsstrategie einer Wettbewerbsbehörde durchkreuzen. Außerdem soll verhindert werden, dass Unternehmen davon abgehalten werden, im Rahmen von Kronzeugenprogrammen oder Vergleichsverfahren mit Wettbewerbsbehörden zusammenzuarbeiten, wenn Erklärungen, mit denen sie sich selbst belasten und die ausschließlich zum Zweck dieser Zusammenarbeit erstellt werden, offengelegt würden.

Abs. 1 setzt Art. 6 Abs. 10 der Richtlinie um, dehnt den Anwendungsbereich aber auf alle Gerichte und Behörden aus. Da die Offenlegungsanordnung gegen den Gegner oder den Dritten durch den vorgeschlagenen § 37j weitgehend erleichtert ist, soll die „Aktenbeischaffung“ von anderen Gerichten oder Behörden ganz generell nur subsidiär zulässig sein.

Während Abs. 1 nur von der „Aktenbeischaffung“ im Wege der Amts- und Rechtshilfe handelt, gelten die Abs. 2 bis 4 ganz generell für Beweismittel, die sich (auch) in den Akten der Wettbewerbsbehörde befinden. Das Gericht hat nach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie bei einer Offenlegungsanordnung gegenüber einer Wettbewerbsbehörde genauso wie bei einer Offenlegungsanordnung von Dokumenten, die sich in Händen des Gegners oder eines Dritten befinden, wenn diese Dokumente auch in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind, die Wirksamkeit der behördlichen Rechtsdurchsetzung ins Kalkül zu ziehen. Diese zusätzliche Prüfung ist daher z. B. vorzunehmen, wenn Dokumente nach Art. 6 Abs. 5 (umgesetzt in Abs. 3, so genannte „graue Liste“) nach Abschluss des kartellgerichtlichen Verfahrens offengelegt werden sollen, oder wenn interne Unterlagen von Wettbewerbsbehörden vorgelegt werden sollen. Die Bestimmung gilt allerdings nicht für Beweismittel, die nicht unter die in Art. 6 genannte Kategorien fallen (so explizit Art. 6 Abs. 9). Beweismittel, die unabhängig von einem wettbewerbsbehördlichen Verfahren vorliegen, so genannte „pre-existing information“ (Art. 2 Z 17), müssen daher jederzeit offengelegt werden (Erwägungsgrund 28). Das sind etwa auch Beweismittel, die aus Anlass einer Hausdurchsuchung mitgenommen werden. Wenn solche Beweismittel allerdings direkt von der Wettbewerbsbehörde beigeschafft werden sollen, fallen sie in die Kategorie nach Art. 6 Abs. 10, und hier ist wieder auf das öffentliche Interesse an der Wirksamkeit der behördlichen Verfolgung Bedacht zu nehmen.

Damit das Gericht die Einschätzung der Wettbewerbsbehörde, wie sich die Offenlegung auf die Wirksamkeit der öffentlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auswirkt, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigen kann, hat es vor einer Offenlegungsanordnung der Wettbewerbsbehörde (allenfalls auch einer ausländischen) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das wird das Gericht immer tun, bevor es die Aktenbeischaffung etwa vom Kartellgericht fordert (in Österreich wäre daneben auch eine Stellungnahme der BWB und des Bundeskartellanwalts einzuholen) oder wenn es vom Gegner oder einem Dritten die Herausgabe von Dokumente der „grauen Liste“ verlangt. Daneben fordert Art. 6 Abs. 11 der Richtlinie die Möglichkeit, dass die Wettbewerbsbehörde auch von sich aus zur Verhältnismäßigkeit einer konkret geprüften Offenlegungsanordnung Stellung nimmt. Solche Stellungnahmen sind im Kartellrecht bereits nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bekannt (siehe Erwägungsgrund 30 der Richtlinie). Diese Stellungnahme bewirkt dann, dass das Gericht eine Prüfung der Wirksamkeit der behördlichen Rechtsdurchsetzung durchführt (Art. 6 Abs. 4 lit. c in Verbindung mit Abs. 11).

Allerdings hat das Gericht bei der Offenlegung von Informationen aus Akten der Wettbewerbsbehörde nicht nur die Wirksamkeit der behördlichen Rechtsdurchsetzung zu prüfen, sondern auch, ob der Offenlegungsantrag sich nur pauschal auf alle Unterlagen bezieht, die der Wettbewerbsbehörde übermittelt wurden (Art. 6 Abs. 4 lit. a). Der Entwurf stellt deshalb darauf ab, wie bestimmt einzelne Unterlagen bezeichnet wurden. Ob der Offenlegungsantrag vor Klageerhebung oder danach gestellt wird (Art. 6 Abs. 4 lit. b), braucht hingegen nicht umgesetzt zu werden, weil der Entwurf keinen Offenlegungsantrag vor Klageerhebung vorsieht.

Abs. 3 setzt Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie um (so genannte „graue Liste“).

Abs. 4 setzt Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie um (so genannte „schwarze Liste“).

Abs. 5 stellt außerdem klar, dass das Gericht weder auf Antrag noch von Amts wegen einer Partei den Auftrag erteilen darf, Beweismittel der „grauen“ oder „schwarzen Liste“ vorzulegen. Überdies dürfen die Parteien auch nicht von sich aus solche Beweismittel vorlegen; ihre Verwendung ist nach Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie unzulässig.

Abs. 6 dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie. Diese Bestimmung soll verhindern, dass ein „Handel“ mit den aus der Akteneinsicht bei der Wettbewerbsbehörde gewonnenen Beweismitteln stattfindet. Der Verweis auf Abs. 5 stellt das dortige Verwertungsverbot sicher.

Abs. 7 setzt Art. 6 Abs. 7 der Richtlinie um. Danach kann „ein Kläger“ (gemeint: die Offenlegung begehrende Partei) einen begründeten Antrag stellen, dass ein Gericht die in Absatz 6 lit. a und b genannten Beweismittel (Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen) einsieht, um sich zu überzeugen, dass der Inhalt der Unterlagen den relevanten Begriffsbestimmungen entspricht. Bei dieser Beurteilung darf nur der zuständigen Wettbewerbsbehörde und dem Verfasser der betreffenden Beweismittel Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Anderen Parteien oder Dritten darf in keinem Fall Zugang zu diesen Beweismitteln gewährt werden, bevor nicht rechtskräftig entschieden ist, dass die untersuchten Beweismittel nicht den relevanten Begriffsbestimmungen entsprechen.

Zu § 37l

Diese Bestimmung setzt Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie um. Ein „Ersuchen“ durch das Gericht soll nur nach den Regeln der ZPO unter Wahrung der Parteienrechte möglich sein.

Zu § 37m

Diese Bestimmung trifft die nach Art. 8 der Richtlinie notwendigen Sanktionsregelungen. Die Durchsetzung der Offenlegungsanordnung (Art. 8 Abs. 1 lit. a) wird im vorgeschlagenen § 37j Abs. 9 geregelt (nach § 79 AußStrG, in der Regel durch die Verhängung von Beugestrafen), sodass hier nur Strafen für Verstöße nach Art. 8 Abs. 1 lit. b bis d vorzusehen sind. Weiterhin anwendbar ist die Bestimmung des § 307 Abs. 2 ZPO, nach der das Gericht bei Verweigerung der Vorlage oder Beseitigung durch den Prozessgegner nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände die Angaben des Beweisführers über den Inhalt der Urkunde als erwiesen ansehen kann.

Es kann vorkommen, dass das Gericht bei der Verhängung von Sanktionen auch EU-Vorschriften (z. B. Art. 16a Abs. 2 und 3 Verordnung [EG] Nr. 773/2004) oder die Vorschriften anderer Mitgliedstaaten anzuwenden oder Anordnungen von Gerichten anderer Mitgliedstaaten zu vollziehen hat (zB nach Art. 13 der Beweisaufnahme-Verordnung [EG] Nr. 1206/2001).

Zu Z 9 (§ 38):

Diese Regelung steht im Zusammenhang mit der Aufforderung im Regierungsprogramm, für mehr Transparenz im Settlement-Verfahren zu sorgen. Es soll klargestellt werden, dass die Ausfertigung einer verkürzten Entscheidungsausfertigung (ohne Begründung) selbst bei übereinstimmenden Parteienanträgen und Rechtsmittelverzicht im Geldbußenverfahren nicht zulässig ist. Da es sich nur um eine Klarstellung handelt, bedarf es keiner Übergangsbestimmung.

Zu Z 10 (§ 41):

In Verfahren, in denen ein Unternehmer Antragsteller ist (§ 36 Abs. 4 Z 4 KartG), sollte bei den Barauslagen der Grundsatz der Kostentragung durch die unterliegende Partei herrschen, wie sich aus § 55 ergibt. Denn nach dieser Bestimmung sind die gerichtlichen Kosten (ins Gewicht fallen hier insbesondere Sachverständigengebühren) von der Partei zu tragen, die Gerichtsgebühren zu entrichten hat. Die Zahlungspflicht bei Gerichtsgebühren richtet sich nach § 52 Abs. 2 KartG wiederum nach dem Verfahrenserfolg.

In der Praxis wird in Verfahren, die zwischen Unternehmen geführt werden, allerdings auch ein Kostenvorschuss aufgetragen oder die Verpflichtung zur Direktzahlung von den Parteien übernommen. In diesen Fällen kommt § 55 KartG nicht zur Anwendung, was dazu führt, dass die unterlegene Partei nur dann zum Ersatz der Kosten der Zeugen, Sachverständigen und fachkundigen Laienrichter verpflichtet werden kann, wenn diese Kosten aus Amtsgeldern, nicht aber dann, wenn sie aus einem Kostenvorschuss beglichen wurden. Für diese unterschiedlichen Folgen gibt es keine sachliche Begründung, weshalb vom Kartellgericht häufig eine Bezahlung der Gebühren des Sachverständigen – vorerst – aus Amtsgeldern bevorzugt wird. Dies kompliziert das Verfahren durch die notwendige Befassung der Revisorin oder des Revisors und steht außerdem in einem Spannungsverhältnis zu § 3 GEG, wonach die Vornahme einer jeden mit Kosten verbundenen Amtshandlung vom Erlag eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden soll.

Es wird daher vorgeschlagen, § 41 KartG dahin zu ergänzen, dass die Barauslagen bei Verfahren ohne Amtspartei (denn eine solche kann nicht zum Ersatz der Gerichtsgebühren verpflichtet werden) im Verhältnis des Obsiegens zu tragen sind.

Zu Z 11 (§ 49):

Mit dem Vorschlag soll der von den Beiratsstudien wiederholt geäußerte Wunsch nach einer zweiten Tatsacheninstanz durch eine an § 281 Abs. 1 Z 5a StPO angelehnte Regelung umgesetzt werden.

Zu Z 12 (§ 50):

Mit dem KaWeRÄG 2012 wurde die Z 5 um Verfahren über Hausdurchsuchungen erweitert. In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Gebührentatbestand für Hausdurchsuchungen zu weit gefasst ist. Es wurde nämlich in erster Linie an Fälle gedacht, in denen Widerspruch gegen die Einsichtnahme in oder Beschlagnahme von Urkunden erhoben wird, nicht aber an den Fall, in dem eine Hausdurchsuchung ohne weitere Intervention der durchsuchten Partei bewilligt wird und dagegen auch kein Rechtsmittel erhoben wird. Hier stellte sich die Frage, wer in diesem Verfahren „obsiegt“; eine Gebührenpflicht für die Partei, bei der eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat, erscheint in solchen Fällen unbillig (zu diesem Ergebnis kam auch das Kartellobergericht in seiner Entscheidung 16 Ok 7/14m). Daher wird vorgeschlagen, die Z 5 auf Widerspruchsverfahren einzuschränken. Von der Einbeziehung der Veröffentlichungsverfahren nach § 37 Abs. 2 wird abgesehen, da im Begutachtungsverfahren vorgebracht wurde, dass es sich dabei um ein unselbständiges Annexverfahren handle und der Aufwand dieses Annexverfahrens bei der Bestimmung der Rahmengebühr mitberücksichtigt werde.

Zu Z 13 (§ 54):

Bei Unterbrechung oder Ruhen des Verfahrens fragt sich, ob dies als „Abschluss“ des Verfahrens gilt, und ein Beschluss auf Festsetzung der Rahmengebühr gefasst werden kann. Um diese Unklarheit zu beseitigen, wird vorgeschlagen, dass diesfalls die Rahmengebühr nach zwei Jahren festzusetzen ist. Wird das Verfahren anschließend fortgesetzt, so ist bei der Festsetzung der Gebühr nach dem neuerlichem Abschluss des Verfahrens innerhalb des Rahmens für das Verfahren die bereits festgesetzte Gebühr zu berücksichtigen.

Zu Z 14 (§ 57):

Der zweite Halbsatz des § 57, nach dem die beim Kartellobergericht entstehenden Gebühren und Kosten „vom Kostenbeamten des Kartellgerichts“ einzubringen sind, ist seit dem § 6 GEG in der Fassung des VAJu, BGBl. I Nr. 190/2013, obsolet und kann daher (ohne Übergangsbestimmung) entfallen.

Zu Z 15 (§ 68):

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 62/2002 wurde die Anzahl der Laienrichter beim Kartellobergericht von vier auf zwei reduziert. Allerdings wurde die Anzahl der Nominierungen (zehn Laienrichter) unverändert gelassen. Da das nicht notwendig ist, um den Aufgaben beim Kartellobergericht nachzukommen, wird vorgeschlagen, die Anzahl der Nominierungen ebenfalls zu halbieren. Die bereits ernannten Laienrichter beim Kartellobergericht behalten ihre Funktion; erst wenn es weniger als fünf sind, hat der Bundesminister für Justiz weitere Laienrichter zur Ernennung vorzuschlagen (§ 86 Abs. 7).

Zu Z 16 und 22 (§ 73 und § 92):

In der Beiratsstudie Nr. 87 wurde die Forderung der Praxis referiert, neue Regelungen zu finden, die „die Unabhängigkeit und Qualität von Sachverständigen“ gewährleisten. Die Aufnahme in die Liste der Sachverständigen in Kartellangelegenheiten sieht keine dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz vergleichbare Auswahlkriterien (§ 2 SDG) vor; insbesondere erfolgt auch keine regelmäßige Überprüfung der Qualität der Sachverständigen, wie dies die Rezertifizierung nach § 6 SDG gewährleistet. Der Entwurf schlägt daher vor, die Sonderbestimmung des bisherigen § 73 aufzuheben, sodass die Sachverständigen in Kartellangelegenheiten in Hinkunft im Fachgebiet [in der Fachgruppe] „Wettbewerbsökonomie“ in der allgemeinen SDG-Liste zu führen sind. Wie bisher soll allerdings die Listenführung zentralisiert werden. Nach dem SDG sind für die Listenführung die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesgerichte zuständig sind. Im Hinblick auf den unternehmensrechtlichen Schwerpunkt des Kartellrechts bietet es sich an, mit der Listenführung die Präsidentin des Handelsgerichts Wien zu beauftragen..

In den Übergangsbestimmungen (§ 86 Abs. 6) ist vorgesehen, dass die bisherige besondere Sachverständigenliste beim Kartellgericht dann, wenn die am 1. Mai 2017 laufende Fünfjahresfrist des bisherigen § 73 Abs. 2 abgelaufen ist, nicht mehr weiterzuführen ist. Sachverständige, die sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht in die allgemeine SDG-Liste eintragen haben lassen (das geschieht nur auf deren Antrag; eine amtswegige „Übertragung“ findet nicht statt), verlieren dann die Eigenschaft als allgemein beeidet (es sei denn, sie wären im Zeitpunkt des Auslaufens der bisherigen Liste noch in einem Verfahren bestellt: dann behalten sie diese Eigenschaft für das konkrete Verfahren).

Mit der Aufhebung des bisherigen § 73 erübrigt sich auch die Übergangsbestimmung des § 92 Abs. 2.

Zu Z 17 (§ 75):

Mit dieser Bestimmung soll die Möglichkeit geschaffen werden, weitere Stellvertreter des Bundeskartellanwalts zu bestellen.

Zu Z 18 und 19 (§ 79):

Mit der Dienstrechtsnovelle BGBl. I Nr. 32/2015, die am 12. Februar 2015 in Kraft trat, wurden die Gehaltsstufen in § 66 RStDG so geändert, dass die alte Gehaltsstufe 8 nunmehr der Gehaltsstufe 9 und die alte Gehaltsstufe 7 nunmehr der Gehaltsstufe 8 entspricht. Diese Änderung ist im Kartellgesetz nachzuvollziehen, wobei das Inkrafttreten mit jenem der Dienstrechtsnovelle BGBl. I Nr. 32/2015 abgestimmt werden soll (siehe § 86 Abs. 5).

Zu Z 20 (§ 86 Abs. 4):

Die Übergangsbestimmung zur Ausnahme von Hardcore-Kartellen aus der Bagatellkartell-Regelung sorgte in der Praxis für Rechtsunsicherheit. Nach dem ersten Satz des § 86 Abs. 4 fallen Hardcore-Kartelle, die nach dem 28.2.2013 gebildet werden, nicht mehr unter die Bagatallausnahme. Die Bestimmung trifft aber keine Aussage darüber, welches Regime auf Kartelle anzuwenden ist, die vor dem 1.3.2013 gebildet wurden. Dem Sinn der Regelung nach darf auch ein vor dem 1.3.2013 gebildetes Hardcore-Kartell nicht weitergeführt werden. Um dies klarzustellen, gleichzeitig aber kein Verhalten rückwirkend zu pönalisieren, wird vorgeschlagen, die neue Regel auch auf Hardcore-Kartelle Anwendung finden zu lassen, die zwar vor dem 1.3.2013 gebildet wurden, aber mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (das ist der Tag nach der Verlautbarung im Bundesgesetzblatt) noch nicht beendet wurden. Gleichzeitig soll klargestellt werden, dass für alle beendeten Kartelle die alte Bestimmung (also die Ausnahme) weiterhin anzuwenden ist.

Zu Z 21 (§ 86 Abs. 5 bis 9):

Abs. 5 bis 9 enthalten die Übergangsbestimmungen zur KartG-Nov 2017. Es wird vorgeschlagen, die richtlinienbedingten Änderungen mit dem Datum der Umsetzungsfrist (27.12.2016) in Kraft treten zu lassen, im Einklang mit Art. 22 der Richtlinie (Abs. 8 und 9). Die übrigen Bestimmungen sollen mit Ausnahme des § 9 Abs. 4 und § 32 mit 1.5.2017 in Kraft treten (Abs. 5). Der neue Zusammenschlusstatbestand nach § 9 Abs. 4 soll mit 1.11.2017 in Kraft treten, sodass er für Zusammenschlüsse wirksam wird, die ab dem 1.11.2017 durchgeführt werden. Die Neufassung des § 32 soll mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten und 2020 evaluiert werden.

Zu den Übergangsbestimmungen der §§ 68 und 73 siehe die Erläuterungen dort.

Zu Art. 2 (Änderung des Wettbewerbsgesetzes)

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 2):

Im Verhinderungsfall wird der Generaldirektor vom Leiter der Geschäftsstelle vertreten. Die legistischen Änderungen stellen klar, dass im Fall der Verhinderung des Generaldirektors und des Leiters der Geschäftsstelle, die Bestimmungen über die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit auch für den Stellvertreter des Leiters der Geschäftsstelle gelten.

Zu Z 2 bis 4 (§ 2 Abs. 1 Z 7-10):

Die Vervollständigung der Aufgaben ist durch das Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk und das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit von Behörden im Verbraucherschutz bedingt. In § 6a Abs. 4 und 5 ORF-Gesetz, BGBl. Nr. 379/1984, idgF, wurde geregelt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde einerseits innerhalb einer sechswöchigen Frist zu den voraussichtlichen Auswirkungen eines neuen Angebots iSd § 6 Abs. 2 ORF-Gesetzes auf die Wettbewerbssituation anderer in Österreich tätiger Medienunternehmen, Stellung zu nehmen hat, sowie wurde ihre Parteistellung in Verfahren vor der Regulierungsbehörde gesetzlich verankert. Außerdem kommt der Bundeswettbewerbsbehörde neben dem Österreichischen Rundfunk als Antragsteller im Verfahren vor der Regulierungsbehörde Parteistellung zur Wahrung der Interessen des Wettbewerbs zu; sie kann gegen die Entscheidung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Im § 3 Abs. 1 Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz ist die Bundeswettbewerbsbehörde als zuständige Behörde nach Art. 3 lit. c der Verordnung (EG) über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz aufgeführt. Die Aufgaben hat die Bundeswettbewerbsbehörde bereits aufgrund der Materiengesetze wahrgenommen. Die Auflistung ist redaktioneller Natur.

Zu Z 5 (§ 2 Abs. 4):

Um eine größtmögliche Transparenz nach außen zu gewährleisten, die Sensibilität im Wettbewerbs- und Kartellrecht sowie damit die Präventionswirkung zu erhöhen, soll die Bundeswettbewerbsbehörde jederzeit unter Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen unter Berücksichtigung des Interesses der Öffentlichkeit an sachlicher Information über Verfahren von öffentlicher Bedeutung über ihre Tätigkeit informieren können. Dies beinhaltet auch, dass die Bundeswettbewerbsbehörde im kartellgerichtlichen Haupt- und Rechtsmittelverfahren Auskünfte über ihr Verhalten und über ihre Aufträge erteilen kann. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die mediale Information als verhältnismäßig, wenn in einer Rechtssache „die breite Öffentlichkeit … berechtigte Erwartungen an das entsprechende Tätigwerden der … Behörde hat“ (BVerwG, Urteil vom 29.06.2015, W214 2009464-1/41E, W214 2015654-1/28E, W214 2015651-1/22E). Diese Informationsmöglichkeiten entsprechen den Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft. ISd § 35b Staatsanwaltschaftsgesetz ist eine Information nur zulässig, wenn einerseits durch ihren Zeitpunkt und Inhalt die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen, der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowie der Anspruch auf ein faires Verfahren nicht verletzt werden, andererseits insbesondere durch die Information der Zweck des Ermittlungsverfahrens nicht gefährdet wird.

Zu Z 6 (§ 7 Abs. 3):

Nachdem das „Unvereinbarkeitsgesetz 1983“ mit „Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz“ eine neue Bezeichnung bekommen hat, wurde diese Änderung notwendig. Die Änderung ist redaktioneller Natur.

Zu Z 7 bis 9 (§ 9 Abs. 2 und 5):

Die Änderungen gehen einher mit den Klarstellungen in Z 1 und stellen klar, dass die Bestimmungen für den Geschäftsstellenleiter im Verhinderungsfall auch für seinen Stellvertreter gelten.

Zu Z 10 (§ 10a Abs. 1):

Der Betrag der Pauschalgebühr von 1.500 Euro wurde seit Gründung der Bundeswettbewerbsbehörde nicht angepasst und entspricht nicht dem tatsächlichen Aufwand, der bei der Prüfung einer Zusammenschlussanmeldung anfällt. Daher erfolgt eine Anpassung. Im Vergleich dazu sieht das deutsche GWB (§ 80) etwa Gebühren von 5.000 Euro bis zu 50.000 Euro vor, die bei außergewöhnlichem Aufwand im Einzelfall bis auf das Doppelte erhöht werden können.

Zu Z 11 (§ 10b Abs. 3):

§ 37 Kartellgesetz 2005 sieht eine Veröffentlichung von rechtskräftigen Entscheidungen in der Ediktsdatei vor. Der Prozess der Veröffentlichung nach § 37 Abs. 2 kann allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund soll der Spruch von rechtskräftigen Entscheidungen unverzüglich veröffentlicht werden. Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind auf jeden Fall zu wahren.

Um einen reibungslosen Ablauf im Rahmen des privatrechtlichen Schadenersatzverfahrens zu ermöglichen, soll im Fall von Entscheidungen gegen Kronzeugen vorgesehen werden, dass hier der Name auf jeden Fall zu veröffentlichen ist. Grundsätzlich haften Unternehmen, die durch gemeinschaftliches Handeln gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben, gesamtschuldnerisch für den durch diese Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden. Gemäß Art. 11 Abs. 4 lit. b RL Schadenersatz haftet ein Kronzeuge iSd RL Schadenersatz gegenüber anderen Geschädigten als seinen unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten nur dann, wenn von den anderen Unternehmen, die an derselben Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beteiligt waren, kein oder kein vollständiger Schadenersatz erlangt werden kann.

Gegenüber seinen unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten haftet ein Kronzeuge iSd RL Schadenersatz (vgl. § 37e Abs. 3 KartG 2005) jedoch immer gesamtschuldnerisch. Um erfolglose Schadenersatzklagen gegen Kronzeugen iSd RL Schadenersatz von anderen Geschädigten als unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten zu verhindern, soll der Name jenes Unternehmens mit Kronzeugenstatus imSinne der RL Schadenersatz nach Abschluss des Verfahrens veröffentlicht werden. Dies dient der Transparenz und stellt klar, dass die Bundeswettbewerbsbehörde endgültig in diesen Fällen von einem Antrag auf Verhängung einer Geldbuße absieht. Die explizite Norm im letzten Satz von § 10b Abs. 3 wird deswegen als erfoderlich gesehen, weil hier die Transparenz nicht nur für den Rechtsverletzer, sondern auch für Dritte relevant ist.

Es wird somit auch klar gestellt, dass der Begriff des „Kronzeugen“ iSd RL Schadenersatz (vgl. § 37e Abs. 3 KartG 2005) ein engerer ist, als der Begriff des „Kronzeugen“ generell, der in § 11 Wettbewerbsgesetz abgebildet ist, und sich der Kronzeugen-Begriff des österreichischen Rechts von jenem der Richtlinie unterscheidet.

Zu Z 12 und 15 (§ 11 Abs. 3 bis 7, § 11b):

Zur besseren Transparenz sollen die Bestimmungen über die Anwendung der Kronzeugenregelung in einem eigenen Paragraphen zusammengefasst werden. Die Abs. 3 bis 7 des § 11 werden deshalb in den neuen § 11b verschoben und erhalten die Bezeichnung Abs. 1 bis 5. Im § 11 können somit die Abs. 3 bis 7 entfallen. Zusätzlich werden die durch die Umsetzung der RL Schadenersatz bedingten Anpassungen ebenfalls im neuen § 11b vorgenommen. Die Ergänzung im § 11b Abs. 1 stellt einerseits klar, dass nur ein einziges Unternehmen oder eine einzige Unternehmervereinigung Kronzeuge sein kann und regelt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde gegen diesen einen Kronzeugen einen Feststellungsantrag zu stellen hat.

Im neuen § 11b Abs. 4 (bisherigen § 11 Abs. 6) wird die Wortfolge „auf Verlangen“ durch die Wortfolge „innerhalb angemessener Frist“ ersetzt. Dadurch ist die Bundeswettbewerbsbehörde verpflichtet, dem Antragsgegner bzw. Kronzeugen mitzuteilen, dass zum gegebenen Zeitpunkt unter Berücksichtigung der gegebenen Sachlage beim Kartellgericht kein Antrag auf Geldbuße gestellt wird.

Durch verschiedene Maßnahmen konnte in den letzten Jahren die Effektivität der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen kontinuierlich gesteigert und zum Nutzen der Gesamtwirtschaft und der Verbraucher weiter verbessert werden. Dennoch sind Wettbewerbsbeschränkungen nur schwer aufzudecken und nachzuweisen. Deshalb kommt Insider-Wissen oder Kenntnissen über solche verbotenen Verhaltensweisen eine große Bedeutung für die Aufdeckung zu. Es kann Situationen geben, in denen Insider mit besonderen Kenntnissen oder Wissen über Wettbewerbsbeschränkungen sich davor scheuen, diese Informationen weiter zu geben. Insbesondere solche Insider-Kenntnisse können jedoch sehr wertvoll für die Aufdeckung und Ahndung von Wettbewerbsverstößen sein und dabei helfen, weitere Schäden zu verhindern. Für diesen Fall soll in der Bundeswettbewerbsbehörde ein standardisiertes Hinweisgebersystem eingerichtet werden können, das eine technische Rückverfolgung der anonymen Hinweise unmöglich macht und somit ein 2-seitiges System ermöglicht, welches die weitere Aufbereitung eines Falles durch Rückfragen erleichtert (angelehnt an § 2a Abs. 6 Staatsanwaltschaftsgesetz). Im Sinne des datenschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes müssen diese Hinweise begründet sein und muss der anonyme Hinweisgeber umfassend darlegen, dass er ausreichend Anlass hat, von einem Rechtsverstoß gegen das Wettbewerbsrecht auszugehen. Darüber hinaus muss er anführen, warum aus seiner Sicht die Meldung des Verstoßes im öffentlichen Interesse liegt und nicht nur seine persönlichen Gründe maßgeblich für den Hinweis sind. Damit sollen haltlose und unbegründete Beschwerden hintangehalten werden.

Die Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Behörde im Rahmen des internetbasierten anonymen Hinweisgebersystems erfolgt durch das Einrichten eines „Postkastens“. Die Sicherstellung der Anonymität geschieht dadurch, dass innerhalb des Systems weder IP-Adressen, Zeitstempel oder Geo-Daten bzw. weitere Meta-Daten des Hinweisgebers gespeichert werden. Alleinig zur Aufrechterhaltung der Benutzersitzung (Session) wird temporär ein sogenanntes „Null-Cookie“ (enthält keinerlei interpretierbare Informationen) gespeichert, welches nach Beendigung einer Session automatisch verfällt. Die für die Kommunikation im Internet notwendigen IP-Adressen (jedem Gerät eindeutig zuordenbar) werden nur für die Kommunikation verwendet und sind unmittelbar danach nicht mehr verfügbar, da sie aufgrund einer speziellen Programmierung nicht protokolliert werden. Die gesamte Kommunikation erfolgt über eine höchstmögliche verschlüsselte Datenverbindung und nicht mittels Mailverkehr, wobei jede Meldung bzw. Antwort in sich separat verschlüsselt wird. Die Datenhaltung erfolgt in Hochsicherheitsrechenzentren innerhalb der Europäischen Union und stellen einen eigenständigen autarken Datenbestand dar. Die Administration und Pflege der Server obliegt ausschließlich dem Systemanbieter. Auf den Servern sind nur die für die Anwendung und Pflege des Hinweisgebersystems erforderlichen Dienste installiert. Hinweisgeber- und Bearbeitungsbereich sind auf den Servern strikt getrennt. Umfangreiche Verschlüsselungsmechanismen ergänzen diese Trennungen, sodass eine unrechtmäßige Verquickung der Daten ausgeschlossen werden kann. Außerdem werden auf Veranlassung der Systemanbieter laufend „System Penetration Tests“ durch externe IT-Sicherheitsspezialisten durchgeführt, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten.

Zu Z 13 und 14 (§ 11a Abs. 1 Z 2, § 11a Abs. 2 2. Satz):

Schon bisher war im § 11a Abs. 1 Z 2 normiert, dass die Bundeswettbewerbsbehörde zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben befugt ist, sämtliche geschäftliche Unterlagen einzusehen und zu prüfen oder durch geeignete Sachverständige einsehen und prüfen zu lassen sowie Abschriften und Auszüge der Unterlagen anzufertigen, unabhängig davon in welcher Form diese geschäftlichen Unterlagen und Daten vorliegen. Dies kann in jeder erdenklichen Form (z. B. Papier, digitaler Form) sein. Ebenso ist das Speichermedium nicht von Relevanz. Schon der geltende § 11a Abs. 1 Z 2 ist so formuliert, dass auch sämtliche digitale geschäftliche Unterlagen bzw. Daten darunter zu verstehen sind, unabhängig davon an welchem Ort diese gespeichert bzw. abgelegt sind. Eine taxative Aufzählung von Speichermedien wäre bei den zahlreichen technischen Möglichkeiten und den noch nicht absehbaren künftigen Entwicklungen nicht sinnvoll. Da sich in der letzten Zeit durch die technische, digitale Entwicklung weitere Möglichkeiten ergeben haben, geschäftliche Unterlagen in Form von elektronischen Daten etwa auf externen Servern oder Clouds auch im Ausland zu speichern oder abzulegen, wird zur Klarstellung die Z 2 überarbeitet. Nach dem Zugriffsprinzip bedeutet dies, dass die Bundeswettbewerbsbehörde, unabhängig davon, wo die Daten abgelegt bzw. gespeichert sind, so wie bereits bisher nach dem § 11a Abs. 1 Z 2 tätig werden kann, solange sie dies am Ort des Hausdurchsuchungsbefehls durchführt. Dabei darf es keine Rolle spielen, an welchem Ort die digitalen geschäftlichen Unterlagen bzw. Daten gespeichert oder abgelegt sind. Entscheidend ist, dass diese Unterlagen in den vom Hausdurchsuchungsbefehl erfassten Räumlichkeiten eingesehen werden können. Musste früher der Zugang z.B. schlossertechnisch durch Aufsperren von Schränken ermöglicht werden, erfordert es bei digitalen Daten entsprechender äquivalenter Zugangsmethoden. Dazu hat der VwGH festgehalten, dass bei der Sicherstellung von IT-Daten auch forensische Software eingesetzt werden darf (VwGH vom 22.4.2015, Ra 2014/04/0046 bis 0051). Darunter versteht man ganz generell Programme und die dazugehörigen Daten zur Erfassung, Analyse und Auswertung digitaler Daten. Ohne einen solchen Einsatz in den verschiedensten Rechtsgebieten, könnten im digitalen Zeitalter keine erfolgreichen Ermittlungen durchgeführt werden. Gemäß § 12 Abs. 4 2. Satz sind die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte desjenigen, bei dem die Hausdurchsuchung vorgenommen wird (Betroffener), soweit wie möglich zu wahren. Elektronische Daten, die im Rahmen einer Hausdurchsuchung offensichtlich nicht dem die Hausdurchsuchung betreffenden Unternehmen zugerechnet werden (wenn etwa das durchsuchte Unternehmen elektronische Daten für ein anderes Unternehmen im Rahmen einer outsourcing-Vereinbarung aufbewahrt), bleiben von den Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde ausgeschlossen. Es sind somit nur jene Daten betroffen, die vom Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt sind. Informationen, die nicht vom Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt sind, unterliegen gem. § 11 Abs. 1 einem Beweisverwertungsverbot (OGH als KOG vom 26.11.2013, 16 Ok 5/13). Bei einer offenkundigen Überschreitung des richterlichen Befehls haben die betroffenen Unternehmen zudem die Möglichkeit, die Vorgangsweise der Bundeswettbewerbsbehörde beim Bundesverwaltungsgericht im Wege einer Maßnahmenbeschwerde gem. Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG überprüfen zu lassen (VwGH vom 12.09.2013, 2013/04/0005; VfGH vom 01.12.2012, B 619/12; OGH vom 06.06.2012, 16 Ok 2/12). Der Bundeswettbewerbsbehörde sind damit die Schranken gesetzt, jene Ermittlungsmethode zu auszuwählen, die im Sinne der Vollziehung diesen Voraussetzungen entspricht.

Zu Z 16 (§ 13 Abs. 2):

Durch die Streichung der Wortfolge „auf Verlangen“ ist die Bundeswettbewerbsbehörde in Zukunft verpflichtet, dem Antragsgegner mitzuteilen, dass zum gegebenen Zeitpunkt unter Berücksichtigung der bekannten Sachlage kein Antrag auf Geldbuße beim Kartellgericht gestellt wird.

Zu Z 17 (§ 13a):

Die Änderung ist bedingt durch die Umsetzung der RL Schadenersatz.

In Abs. 1 sind jene Beweismittel aufgelistet, die gemäß Art. 6 Abs. 5 der RL Schadenersatz von der Bundeswettbewerbsbehörde auf Anordnung eines nationalen Gerichts erst nach Beendigung eines Verfahrens offengelegt werden dürfen. Auf das Anhörungsrecht nach § 37j Abs. 2 in der Fassung des Entwurfs wird verwiesen.

Entsprechend dem Art. 6 Abs. 10 der RL Schadenersatz wird in Abs. 2 geregelt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde Beweismittel, die in ihren Akten enthalten sind, nur dann offenlegen muss, wenn diese nicht mit zumutbarem Aufwand anders erlangt werden können. Außerdem wird entsprechend der RL Schadenersatz klargestellt, dass interne Schriftstücke der Bundeswettbewerbsbehörde und der Schriftverkehr zwischen den Wettbewerbsbehörden sowie zwischen Wettbewerbsbehörden und Strafverfolgunsbehörden nicht offen zu legen sind. Damit wird Art. 6 Abs. 3 der RL Schadenersatz umgesetzt und eine effektive Zusammenarbeit zwischen dem ECN (europäisches Netz der Wettbewerbsbehörden) gewährleistet, um für eine wirksame Anwendung der Wettbewerbsbestimmungen in der Europäischen Union zu sorgen. In Abs. 3 sind jene Beweismittelarten als „schwarze Liste“ aufgelistet, die zu keinem Zeitpunkt offengelegt werden dürfen.

Zu Z 18 (§ 13b):

Die Änderung ist bedingt durch die Umsetzung der RL Schadenersatz. § 13b übernimmt die Regelung des Art. 17 Abs. 3 der RL Schadenersatz, dass es im Ermessen der Bundeswettbewerbsbehörde liegt, ob sie einem nationalen Gericht auf Ersuchen bei der Festlegung der Höhe des Schadenersatzes behilflich ist. Der absolute Schutz von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen kann damit nicht umgangen werden, indem z.B. Mitarbeiter der Bundeswettbewerbsbehörde vor Gericht als Zeugen geladen werden. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass die Bundeswettbewerbsbehörde nicht zu begründen hat, wenn sie von der Möglichkeit zur Stellungnahme nicht Gebrauch macht.

Zu Z 19 (§ 21 Abs. 7):

Damit wird klargestellt, dass die Änderung im § 13 Abs. 2 nur für Ermittlungen gilt, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes eingeleitet wurden. Die Änderungen im § 13a und § 13b gelten nicht für bereits anhängige Verfahren, sondern nur für Schadenersatz-Verfahren, die erst nach dem Inkrafttreten dieser Novelle eingebracht werden (s. Art. I §§ 37k und 37l iVm §86 Abs. 9 3. Satz).

Zu Art. 3 (Änderung des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen)

Zahlreiche Initiativen auf Europäischer Ebene betonen einen Handlungsbedarf im Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Bereich der Lieferkette. Insbesondere KMU sind häufig mit einem stärkeren Geschäftspartner konfrontiert und oft gezwungen, Konditionen zu akzeptieren, die einem leistungsgerechten Wettbewerb hinderlich sind. Oft können KMU diesen Forderungen jedoch nicht standhalten und es werden aus Konsequenz ganze Produktgruppen oder einzelne Produkte aus dem Sortiment genommen oder die KMU scheiden ganz aus dem Markt aus. Dies bedeutet aber auf ihrer Marktseite eine höhere Konzentration, welche langfristig für den Wettbewerb schädlich ist. Letztlich hat das Ausscheiden von KMU auch negative Arbeitsplatzeffekte.

Die Europäische Kommission sieht dabei insbesondere Initiativen der Mitgliedstaaten als erforderlich. Unter diesen Analysen der Europäischen Institutionen sind folgende hervorzuheben: Mitteilung der EK „Gegen unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette", 15.7.2014, COM(2014) 472 final; Bericht der EK über unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette, 29.1.2016 COM(2016) 32 final; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2013 zu dem Europäischen Aktionsplan für den Einzelhandel zum Nutzen aller Beteiligten (2013/2093(INI)); Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Januar 2014 zur Nahrungsmittelkrise, Betrug in der Nahrungskette und die entsprechende Kontrolle (2013/2091(INI)). Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2016 zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette (2015/2065(INI)).

Das österreichische Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen hat diese Probleme schon früh erkannt, indem auch die relative Marktmacht aufgegriffen wurde. Im § 1 ist im Sinne des kaufmännischen Wohlverhaltens normiert, dass Verhaltensweisen von Unternehmen untersagt werden können, die den leistungsgerechten Wettbewerb gefährden. Dass die Vollziehung dieser Bestimmungen oft schwierig ist, mag einerseits an mangelnden Klarstellungen liegen, andererseits auch am in europäischen Initiativen beschriebenen Angstfaktor des wirtschaftlich unterlegenen Geschäftspartners.

Die geschilderte Problematik soll im Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen durch Klarstellungen im § 1 im Rahmen der Bestimmungen über das kaufmännische Wohlverhalten aufgegriffen werden.

 

Ziel des § 1 ist die Sicherstellung des kaufmännischen Wohlverhaltens. Die vorgesehene Ergänzung im § 1 Abs. 2 soll klarstellen, dass auch aktuelle Praktiken umfasst sind. Der Wettbewerb in der Lieferkette hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend geändert. Händler wurden durch die stärkere Präsenz von Händlermarken neben der Abnehmerrolle auch zum Wettbewerber des Produzenten. Diese Parallelitäten bei den Distributionskanälen verschärfen die Ungleichgewichte in der Lieferkette. Im Kartellrecht werden vertikale Vertriebsbindungen verstärkt unter die Lupe genommen. Bei einer vertikalen Vereinbarung spielen die verschiedensten Faktoren eine Rolle. Wie der EuGH in zahlreichen aktuellen Urteilen (vgl. Urteil vom 14. März 2013, C-32/11 Allianz Hungária Biztosító; Urteil vom 11. September 2014, C‑67/13 P Groupement des cartes bancaires; etc.) erläutert hat, kann man idR bei einer horizontalen Preisabsprache von einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ausgehen. Bei vertikalen Vereinbarungen wird fallspezifisch zu analysieren sein, zB. welche Rolle die Vertragspartner ausüben, wie die Marktstruktur aussieht, ob etwa Marktmacht vorliegt. Dies betrifft sowohl Kunden bzw. Konsumenten, die einem marktmächtigen Verkäufer gegenüber stehen, als auch Lieferanten – oftmals KMU – die von einem starken Abnehmer abhängen. Das Verdrängen von kleinen Produzenten und Lieferanten führt zu wettbewerbspolitisch ungewollten Effekten zB. weniger Produktauswahl, weniger Innovation und Preissteigerungen aufgrund weiteren Konzentrationen im Zuliefermarkt und letztlich zu Arbeitsplatzverlusten.

 

Die aktuellste Initiative ist die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2016 zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette (2015/2065(INI)), in der insbesondere folgende unlautere Handelspraktiken aufgelistet werden, die auch in den „Grundsätzen für vorbildliche Verfahren“ (Vertikale Beziehungen in der Lebensmittelversorgungskette) im Rahmen der Supply Chain Initiative der Europäischen Kommission abgebildet sind:

                        – verspätete Zahlungen;

                        – einen beschränkten Zugang zum Markt;

                        – einseitige oder rückwirkende Änderungen von Vertragsbedingungen;

                        – die Bereitstellung unzureichender oder mehrdeutig formulierter Informationen über die Vertragsbedingungen;

                        – die Verweigerung schriftlicher Verträge;

                        – die plötzliche und unbegründete Auflösung von Verträgen;

                        – die unlautere Übertragung des kommerziellen Risikos;

                        – Zahlungsforderungen für Güter oder Dienstleistungen, die für eine der Vertragsparteien wertlos sind;

                        – die Verrechnung von Kosten für fiktive Dienstleistungen;

                        – die Abwälzung der Transport- und Lagerhaltungskosten auf die Lieferanten;

                        – die erzwungene Teilnahme an Werbemaßnahmen, die Erhebung von Gebühren für die Platzierung von Waren an exponierten Stellen in Geschäften und sonstige Zusatzkosten;

                        – die Abwälzung der Kosten für Produktwerbung in Verkaufsräumen auf die Lieferanten;

                        – die Verpflichtung zur bedingungslosen Rücknahme nicht verkaufter Waren;

                        – die Erzeugung von Preisdruck;

                        – die Hinderung der Handelspartner am Bezug von Waren aus anderen Mitgliedstaaten (regionale Angebotsbeschränkungen);

Darüber hinaus wurde in der zitierten Entschließung des Europäischen Parlaments betont, dass „die Eigenmarken mit Herstellermarken in einem horizontalen Wettbewerb stehen – eine Dimension, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurde.“

In Österreich gab es insbesondere Beschwerden im Zusammenhang mit der Verpflichtung von besonderen Ausstattungen zB. im Bereich des KfZ-Handels, von Rücknahmeverpflichtungen und Haftungsübernahmen in anderen Branchen und im Bereich der Zulieferung in der Wertschöpfungskette. Die Ergänzung im § 1 Abs. 2 stellt damit klar, dass diese Praktiken ebenso untersagt werden können, soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden.