10.03

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Präsidentin Liliane Maury Pasquier! Es liegt im Wesen des österreichischen Parlamentarismus, von den Anfängen bis zur Gegenwart, über den Tellerrand zu blicken. Ende des 19. Jahrhunderts, noch in der Monarchie, bot das Parlament am Ring 516 Abgeordneten Platz – Abgeordneten von der Bukowina bis Dalmatien. In der Zweiten Republik war Österreich ein ganz wichtiger und anerkannter Brückenbauer – die Präsidentin hat darauf hingewiesen – zwischen Ost und West, aber auch zwischen Süd und Nord, denn wir Österreicher wissen aus unserer eigenen Geschichte allzu gut, wohin nationalistische Eigensucht und Entsolidarisierung, Aufrüs­tung und Krieg führen.

Wenn es darum ging und wenn es wichtig war, den internationalen Dialog zu suchen, zu finden und zu führen, hat das österreichische Parlament seit jeher eine ganz wichtige Rolle eingenommen. Viele von uns Abgeordneten leisten eine breite Palette an internationaler Arbeit und pflegen internationale Beziehungen, sei es in den vielen gut funktionierenden bilateralen Gruppen, sei es im Rahmen der OSZE oder der IPU oder, wie Werner Amon und ich, auch als Mitglieder der Parlamentarischen Versamm­lung des Europarates.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, es ist mir eine große Freude, dass Sie als Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und somit auch als Vertreterin einer der bedeutendsten multilateralen Organisationen in Europa heute eine Erklärung hier abgegeben haben, und es ist mir auch eine besondere Freude, dass Sie dem Thema der Gleichstellung von Männern und Frauen großes Augenmerk geschenkt haben, dass Sie sich im Europarat mit dem Thema der Rolle der Frauen in unseren Parlamenten befassen und dass Sie immer energisch gegen häusliche Gewalt an Frauen auftreten. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es wurde schon erwähnt: Vor 70 Jahren wurde auf den Trümmern eines von zwei Weltkriegen völlig zerstörten Kontinents ein neues Fundament gelegt, und der Grund­stein für dieses Fundament war die Menschenwürde. Diese Menschenwürde ist wenige Jahre zuvor in den Zeiten der zwei Faschismen ja noch mit Füßen getreten worden. Mit der Schaffung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind Grundwerte, ja Grund­rechte eines jeden Menschen festgeschrieben worden, und der Anspruch auf diese Rechte kann vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg auch gerichtlich durchgesetzt werden.

Menschenrechte stehen in Europa nicht nur auf dem Papier. Für alle 8,9 Millionen Österreicherinnen und Österreicher und alle rund 830 Millionen Menschen in 47 Län­dern ist das lebendes Recht. Deshalb ist es nicht egal, ob ein Staat Mitglied des Europarates ist oder nicht, denn nur im Europarat haben die Bürgerinnen und Bürger eines Landes die Möglichkeit, ihre Menschenrechte durchzusetzen.

Daher macht es einen Unterschied. Es macht einen Unterschied für den russischen Journalisten, der für die Pressefreiheit in seinem Land kämpft, es macht einen Unter­schied für den aserbaidschanischen Menschenrechtsaktivisten, der für liberale Demo­kratie und faire Wahlen eintritt, und es macht einen Unterschied für den türkischen Oppositionspolitiker, der zu Unrecht inhaftiert wurde, auch weil er sich für Minder­heitenrechte der Kurden eingesetzt hat. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, NEOS und JETZT, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Dönmez.)

Es macht auch einen Unterschied, wie erst kürzlich, für die Romni, die in Italien um ihr Freiheitsrecht gebracht wurde und vertrieben werden sollte. Es macht also in Fragen der Menschenrechte einen Unterschied, ob die letzte Instanz ein nationales Gericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es waren wahrlich große Visionäre, die den Europarat vor 70 Jahren gegründet haben, und ihre Vision war es – die Frau Prä­sidentin hat es ausgeführt –, dass Europa ein Kontinent der Demokratie, der Rechts­staatlichkeit, der Freiheit und der Menschenrechte wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute liegt es an uns und heute tragen wir alle gemeinsam die Verant­wortung dafür, dass diese Vision jeden Tag ein Stück mehr Wirklichkeit wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

10.09

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der ebenfalls der Parla­men­tarischen Versammlung des Europarates angehörige Abgeordnete Roman Haider. – Bitte.