21.17

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister! Ich glaube, es ist Ihnen jetzt, als Sie das haben miterleben müssen, genauso wie Sebastian Kurz gegangen. Sie kommen da herein, vertreten die Bildungsministerin und wissen nicht mehr, wo Sie sind. Sebastian Kurz ist ja vor Kurzem auch unabsichtlich wo hinein­geraten. Er hat gar nicht gewusst, wo er ist, hat den Herrn gar nicht gekannt, der für ihn gebetet hat, der für ihn Gutes getan hat. (Abg. Mölzer: Verschwörungstheorien!) Er ist dort angehimmelt worden. Er hat zwar gesagt: Hi, Ben!, aber er hat nicht gewusst, wer die alle sind und was dort mit ihm passiert.

So ähnlich ist es jetzt Ihnen gegangen, und das ist das Spannende, das sich jetzt gerade in der ÖVP abspielt, dass nämlich Sebastian Kurz witzigerweise seit seiner Segnung auf Selbstfindungstour durch Österreich unterwegs ist und seine, wie soll ich sagen, Gefährtin im Glauben Kugler gebeten hat: Sorge für Ordnung, wir brauchen mehr Ideologie, weniger Expertenwissen, die Volkspartei muss ein bisschen mehr – ich weiß nicht, was man in Zukunft sein muss – erzkonservativ sein! – Ich weiß nicht, Frau Kollegin Kugler, wie Sie sich bezeichnen würden. Mir persönlich ist es auch ganz egal. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Ich sage es Ihnen in der Debatte ganz offen, ich bin froh, wenn Sie im Glauben Ihre Erfüllung finden, wenn es Ihnen gut geht. Woran jemand im Leben glaubt, ist mir persönlich wirklich egal, solang der Mensch glücklich ist. Mir geht es nur darum, dass man andere Menschen auch leben lässt und dass man den Respekt vor der Wissenschaft schon auch irgendwie bewahrt.

Es ist deswegen auch symptomatisch, dass der ehemalige Minister Faßmann auf ein­mal gar nichts mehr zählt. Er hat gesagt, es gibt Expertinnen und Experten, die auch im Bereich der Sexualpädagogik wissen, was richtig ist, die sich damit auseinan­dersetzen, da gibt es die Weltgesundheitsorganisation, die mit Standards arbeitet – und auf einmal zählt das alles gar nicht mehr? Das wischen wir irgendwie weg? – So kann man doch bitte nicht arbeiten! Das ist doch ein zu ernstes Thema. Da müsste man doch miteinander eine Lösung finden können.

Wovon spreche ich ganz konkret? – Im Bereich der Sozialpädagogik würde es zum Beispiel in Kärnten, wo ich herkomme, die Kärntner Aidshilfe treffen, die auch an den Schulen ausgezeichnete Arbeit leistet. Ich möchte auch ganz offen wissen: Was würde zum Beispiel aus der Aidshilfe werden? Ist garantiert, dass die weitermachen können? Da geht es um zehntausend Schülerinnen und Schüler, die allein in Kärnten jedes Jahr die Kurse der Aidshilfe besucht haben. Und denen sagt man jetzt einfach: Es ist völlig egal, wie es weitergeht! – So könnt ihr doch mit den Menschen nicht umgehen, das ist doch nicht die Art und Weise, wie wir hier Entscheidungen treffen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Kugler, ich bitte wirklich, es mag sein, dass Sie jetzt wegen Ihres Vereins Teenstar beleidigt sind (Zwischenruf der Abg. Kugler), dass dieser nicht mehr herum­predigen darf, eben nicht mehr sagen darf: Sex vor der Ehe ist böse; Homosexualität kann man wegbeten; Pille und Kondom sind überbewertet; es gibt, ich weiß nicht, welche Pendel oder was Sie da alles vorschlagen würden, ich weiß es ja alles nicht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Kugler.) Dafür gibt es aber doch Expertinnen und Experten.

Ich bitte Sie eines: Tun Sie nicht im Hintergrund irgendwo herumfudeln, gehen Sie da heraus und reden Sie offen! Sie reden da alle so diffus herum, redet doch offen, was ihr meint! Es wird da immer nur gesagt: Man muss sachlich werden und man darf sich nicht einmischen. Sagt doch ganz offen, wo die Expertise in der Praxis nicht vorhanden ist! Es bleibt da alles irgendwie nebulos. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Ich bitte wirklich, dass man hier zu den Fakten zurückkehrt, wie es eigentlich Minister Faßmann ge­macht hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ist das wirklich die neue Volkspartei, dass man wirklich retro, in der Vergangenheit ist und Zukunft draufschreibt? Du kannst jetzt nichts dafür, Kollege Strasser, du warst lange Zeit Familiensprecher der Volkspartei, als Mitglied des Bauernbundes warst du da offener – Blumen und Bienen (allgemeine Heiterkeit) –, da hast du nicht so viel Angst davor wie jetzt deine Nachfolger. Es muss doch wohl möglich sein, dass man dieses Thema auch gemeinsam löst.

Das Spannende ist: Ich bin überzeugt, die absolute Mehrheit hier in diesem Saal hält das, was ÖVP und FPÖ heute vorschlagen, für absoluten Quatsch. Es ist in Wahrheit so peinlich, was heute hier beschlossen werden soll. Es ist so peinlich, und ihr wisst es. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Noll und Bißmann.) Ihr wisst es, dass es peinlich ist. Na ihr wisst es doch! Bitte, bitte, bitte, lassen wir das Thema einfach! (Abg. Belakowitsch: Was? Das ist ja ein Widerspruch!) Versuchen wir bei dem Ganzen noch einmal einen Neustart miteinander! Ihr wisst alle, dass das ein absoluter Unfug ist; ihr wisst es doch wirklich! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

21.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lindner. – Bitte.