11.51

Bundesminister für Finanzen Dkfm. Eduard Müller, MBA, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Wir diskutieren heute mit den Tagesordnungspunkten 2 bis 10 ein großes Themenspektrum, von der Steuerreform über Pensionsanpassungen bis zum Pflegeregress.

Lassen Sie mich daher aus Sicht des Finanzministeriums vorweg einen kurzen Über­blick über die Wirkungen der heute anstehenden Beschlüsse geben, dann ein bisschen den wirtschafts- und budgetpolitischen Hintergrund erläutern und anschließend auf die zentralen Betroffenheiten des Finanzministeriums – das Steuerreformgesetz und das Abgabenänderungsgesetz – eingehen!

Über Ersuchen des Budgetausschusses habe ich von den Experten unseres Hauses die finanziellen Auswirkungen sämtlicher uns bekannter Anträge berechnen, schätzen lassen, und wir haben dieses Ergebnis auch an die Budgetsprecher übermittelt.

Da ist auf der einen Seite – und lassen Sie mich das kurz zusammenfassen – die Steuerreform mit der Entlastung in den Bereichen Lohnsteuer, Einkommensteuer, Sozialversicherungsbeiträge, mit einem KMU-Paket, mit einem Ökologisierungspaket und einem Gesamtvolumen von circa 2,8 Milliarden Euro. Wir denken da immer in vierjährigen Haushaltszeiträumen.

Auf der anderen Seite gibt es eine Gegenfinanzierung, im Wesentlichen im Abgaben­änderungsgesetz, mit einer Änderung der Rahmenbedingungen im Bereich der digitalen Wirtschaft – darauf werde ich später noch eingehen – und Betrugsbekämp­fungs­maßnahmen mit einem Volumen von circa 0,8 Milliarden Euro, sodass da ein Nettofinanzierungsbedarf von 2 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre vorhanden ist. Das ist ein Betrag, der allerdings bereits eingepreist ist, der bereits im Rahmen des Stabilitätsprogrammes auch auf europäischer Ebene gemeldet wurde und der aus heutiger Sicht den ausgeglichenen Haushalt einmal nicht gefährdet.

Wir haben allerdings auch weitere Anträge auf der Tagesordnung, die noch nicht in dieser Mittelfristplanung, die wir an die EU gemeldet haben, enthalten sind – Pensions­erhöhungen, außerordentlicher Pflegeregress und so weiter –, mit einem Volumen von circa 1,8 Milliarden Euro.

Wenn wir noch die Julibeschlüsse mit 1,3 Milliarden dazurechnen – Sie erinnern sich: Pflegegeldvalorisierung, Pensionsbonus, Papamonat und so weiter –, haben wir in den nächsten vier Jahren ein Volumen von circa 5 Milliarden Euro, wovon ein Betrag von circa 3,1 Milliarden Euro derzeit noch nicht im Stabilitätsprogramm eingepreist ist.

Das ist jetzt einmal eine Darstellung von Zahlen mit vielleicht 5 Prozent Schätzungs­ungenauigkeit. Lassen Sie mich aber ganz kurz den Hintergrund erläutern: Wir hatten Gott sei Dank in den letzten beiden Jahren 2017/2018 eine Phase der Hochkonjunktur; diese hat dann irgendwann, vermutlich schon Ende 2018, begonnen, sich abzu­schwächen.

Wir haben eine aktuelle Studie, in der das IHS vor dem Hintergrund von Handels­konflikten und politischen Unsicherheiten auf der Welt in zwei Szenarien – mit einem mittleren und mit einem eher starken Abschwung – deren Auswirkungen auf Europa analysiert hat. Wenn ich das Ergebnis kurz zusammenfassen darf: Wir gehen nach diesen IHS-Prognosen für das Jahr 2019 noch von einem Wachstum von 1,5 Prozent aus.

Am Montag dieser Woche war ich bei der OECD. Die OECD schätzt uns bei 1,4 Prozent für das heurige Jahr ein, irgendwo in dieser Größenordnung werden wir also wohl zu liegen kommen. Wir werden aber – und jetzt komme ich auf diese Szenarien des IHS zurück, die Sie wahrscheinlich kennen – eine weitere Abflachung haben, und das könnte auch in Richtung 0,9 Prozent gehen, wenn ich das zweite Szenario hernehme.

Wenn wir das mit 2,7 Prozent im Jahr 2018 vergleichen, dann ist das noch keine Rezession – wir sehen auch dafür Anzeichen in Deutschland –, aber doch eine Ent­wicklung, die wir sehr wachsam begleiten sollten.

Warum sage ich das? – Wir haben in dem an die Europäische Kommission zu übermittelnden Stabilitätsprogramm für die mittelfristige Finanzplanung eine No-policy-change-Vorgehensweise eingemeldet. Wir müssen demnächst im Oktober den nächs­ten Bericht erstellen. Ich kann wirklich nur an Sie appellieren – mehr steht mir auch nicht zu, und ich weiß, dass das für viele manchmal schon zu oft und vielleicht auch zu dramatisch ist –, denn was hier und heute beschlossen wird, das wird auf europäischer Ebene und auf Ebene der Ratingagenturen nicht unbemerkt bleiben.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen den Bericht von Standard & Poor’s von, ich glaube, Freitag letzter Woche gesehen hat. Darin wird – ich habe mir sogar das Wortzitat aufgeschrieben – auf das potenzielle Risiko kostenintensiver Maßnahmen durch wech­selnde Mehrheiten in der aktuellen Parlamentsphase hingewiesen. Ich kann mich diesem Hinweis nur anschließen und darf Ihnen das wirklich noch einmal für Ihre weiteren Beratungen und Entscheidungsfindungen mitgeben.

Lassen Sie mich aber trotzdem auf die beiden Hauptbetroffenheiten des BMF ein­gehen! Es ist schon vieles dazu gesagt worden. Ich versuche, es jetzt noch einmal sehr sachorientiert zu wiederholen: Wir haben das Steuerreformgesetz mit im Wesent­lichen drei Eckpunkten: Der eine ist die Steuer- und, auch darin enthalten, eine Sozial­versicherungsentlastung; zweiter Eckpunkt ist die Entlastung von – schwerpunkt­mäßig – kleineren und mittleren Unternehmen, und der dritte Eckpunkt sind Maßnahmen im Umweltbereich.

Bei der Entlastung der – nicht nur dieser, das wurde heute schon diskutiert, aber mit einem Fokus auf sie – kleinen Unternehmen, der Arbeitnehmer, der Pensionisten, der Landwirte wird im System ein bisschen gemischt: hier Negativsteuer, dort Senkung der Beitragssätze. Damit werden – und jetzt bleibe ich beim eigenen Leisten – mit der Negativsteuer bei Arbeitnehmern Entlastungen von bis zu 300 Euro, bei Pensionisten bis zu 200 Euro herbeigeführt.

Wenn man sich die Verteilungswirkung ansieht, dann geht das bei den Pensionisten – auch das ist heute schon angesprochen worden, und ich darf da auf entsprechende Analysen des Budgetdienstes hinweisen – auch noch in Richtung höherer Summen. Das ist also doch eine unmittelbare, auch spürbare Maßnahme für alle Bevöl­ke­rungsgruppen.

Der zweite Bereich ist nicht nur, aber im Wesentlichen ein KMU-Paket, das auch darüber hinausgeht und das finanzielle, vor allem aber auch bürokratische Erleichte­rungen enthält. Ich glaube, die Erhöhung der Kleinunternehmergrenze von 30 000 Euro auf 35 000 Euro oder – eine Maßnahme, die im Übrigen auch auf den Arbeit­nehmerbereich durchschlägt, vor allem aber im unternehmerischen Bereich wirken soll – die Anhebung der Grenze für die geringwertigen Wirtschaftsgüter von 400 auf 800 Euro sind signifikant.

Der dritte Bereich, der Umweltbereich, beinhaltet Maßnahmen, mit denen im Wesent­lichen die Normverbrauchsabgabe aufkommensneutral, sozial verträglich und eben trotzdem ökologisch umgestaltet werden soll – in diesem Dreigestirn eine zugegeben ziemlich große Herausforderung. Mit der Abschaffung der Eigenstromsteuer für Photo­voltaikanlagen mit einem Volumen von 55 Millionen Euro – ich überlasse das Ihrer politischen Bewertung – sind da jedenfalls einmal entsprechende Anreize gesetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Beim Abgabenänderungsgesetz, das mehrere Pakete zusammenfasst, ist jedenfalls das Digitalsteuergesetz zu erwähnen, denn da geht es tatsächlich um faire Wettbe­werbsbedingungen für die österreichische Wirtschaft, um Wettbewerbsbedingungen, die insbesondere im digitalen Bereich mit den Internetgiganten herrschen. Mit dieser Werbeabgabe, diesen 5 Prozent auf digitale Werbeleistungen, ist eine große Maß­nahme gesetzt worden. Eine zweite Maßnahme betrifft digitale Vermittlungsplatt­for­men, es wird damit eine Informationsverpflichtung und vereinfacht gesagt auch eine Haftungsklausel geschaffen. Der dritte Punkt ist dann ab 2021 die Besteuerung von Kleinwertsendungen bis 22 Euro; das ist mengenmäßig doch ein Volumen von geschätzten 8 Millionen Sendungen, die uns jährlich erreichen. Das hat also auch entsprechende finanzielle Auswirkungen. Da wir nicht immer wissen, wie das steuerlich gehandhabt wurde, ist das auch eine Maßnahme, die den Wettbewerb für die österreichische Wirtschaft auch in diesem Bereich wieder fairer gestalten soll.

Lassen Sie mich aus Sicht der Exekutive meine Einschätzung zusammenfassen: Aus meiner Sicht bedeuten diese Steuer- und Beitragssenkungen, der Bürokratieabbau für die KMU, die ökologischen Anreize und die neuen Rahmenbedingungen für die österreichische Wirtschaft im Wettbewerb mit Internetgiganten jedenfalls entsprechend intensive Vorbereitungsarbeiten, nämlich organisatorisch, technologisch – wir sind im September, sage ich dazu – und natürlich auch personell. Und ich darf Ihnen jedenfalls versichern, dass wir, wie immer dann im Detail – es sind ja hier noch viele Anträge in Diskussion – die Beschlussfassung aussehen wird, alles daransetzen werden, die hier beschlossenen Maßnahmen erstens rechtzeitig – es wird in einigen Fällen wirklich ein Zeitstress – und zweitens effizient, sparsam und bestmöglich unterstützend umzu­setzen. Jedenfalls darf ich Ihnen auch versichern, dass wir die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft – beide sind nämlich die eigentlichen Adressaten, die sollten wir nicht vergessen – entsprechend unterstützen werden, damit die Maßnahmen auch dort ankommen, wo sie hingehören. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von FPÖ und NEOS.)

12.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Strasser ist zu Wort gemel­det. – Bitte.