14.47

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Zanger hat einen ganz richtigen und wichtigen Satz gesagt – gleich eingangs –, er hat nämlich gesagt, er kenne sich gar nicht so gut bei der Sozialpolitik aus und er sei kein Experte. Das hat man bei der Rede gemerkt. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Zanger: Aber dass ich mich informiert habe, habe ich auch gesagt!)

Wenn Sie einen Experten haben wollen, werden Sie es sich halt bei der SPÖ anhören. Sie bekommen aber jederzeit gerne Nachhilfestunden. (Abg. Zanger: Von dir ...?) Wir finden das total super, dass Sie jetzt, zwei Monate, nachdem wir diese Vorschläge gemacht haben, hier gemeinsam eine Reihe von Sachen beschließen. Ich verstehe aber nicht, wieso Sie sich jetzt darüber beschweren, dass die Vorschläge von uns gekommen sind. Wir sind halt die Experten in der Sozialpolitik, daran müssten Sie sich gewöhnen. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Zanger: Ich hoffe nur, dass das viele Leute sehen, was du sagst!)

Man muss überhaupt sagen: Ich meine, als Budget- und Finanzsprecher gewöhnt man sich an, nüchtern zu sein und sich auf Fakten zu verlassen. Das, was mich schon ein bissel irritiert, ist, wie faktenbefreit hier teilweise gesprochen oder im Wahlkampf agiert wird. Der ehemalige Bürgermeister von Wien hat ja einmal gesagt, dass Wahlkampf nicht die Zeit der fokussierten Intelligenz sei, womit er nicht unrecht hat. Ich bin aber dann schon erschrocken, als ich durch die Stadt gegangen bin oder hier Kollegen Wöginger hörte, der sagte – und das wird dann auch vom ehemaligen Bundeskanzler Kurz plakatiert –: damit die Steuern weiter sinken, damit die Steuern weiter sinken.

Wenn man sich anschaut, wie sich die Steuern in den letzten 25 Jahren entwickelt haben, dann muss man sagen, dass die Steuer- und Abgabenquote relativ stabil ist. Es hat einen großen Ausreißer nach oben gegeben, das war, als Karl-Heinz Grasser Finanzminister war. So hoch waren die Steuern vorher und nachher nie. Im Wesent­lichen sind sie stabil. Wenn ich es mir im Detail anschaue, dann sind die Steuern insgesamt in Österreich 2016 gesunken, sie sind 2017 gesunken. Also man muss sagen: Sowohl während der Regierung Faymann/Mitterlehner als auch während der Regierung Kern/Mitterlehner sind die Steuern und Abgaben in Österreich gesunken.

Und was ist 2018 unter Kurz/Strache passiert? – Sie sind gestiegen. Also bitte plaka­tieren Sie und behaupten Sie hier nicht Sachen, die nicht stimmen! Die Steuern und Abgaben sind 2016, 2017 unter Rot-Schwarz gesunken und unter Schwarz-Blau gestiegen. Das sind einfach die nüchternen Fakten. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Wurm ist herausgegangen und hat überhaupt ganz bemerkenswerte Sachen gesagt. (Abg. Wurm: Wahrheit ...!) Er hat gesagt: Den Grundsatz „45 Jahre sind genug“, dass man danach nämlich abschlagsfrei in Pension gehen kann, hat die SPÖ „in Jahrzehnten nicht zustande gebracht.“ Das ist ein super Satz, den muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Was ist die Wahrheit? – Die Wahrheit ist, jahrzehntelang waren 45 Jahre immer genug, bis FPÖ und ÖVP das abgeschafft haben. Das ist die Wahrheit. Sie haben 2005 diesen Grundsatz abgeschafft. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wurm: Nein, Herr Krainer, ... Geschichte! – Zwischenruf der Abg. Schimanek.) Was passiert ist, ist, dass wir Rote, als wir 2007 in die Regierung gekommen sind, diesen Grundsatz wenigstens verlängert haben. Heute beschließen wir diesen Grundsatz erneut und Sie stimmen einem SPÖ-Antrag zu. Das ist eh super, hat aber mit dem Satz, den Sie hier sagten, gar nichts zu tun. Bleiben Sie doch bitte bei der Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Fuchs ist überhaupt der Beste. Die SPÖ macht Vorschläge in Richtung Steuersenkung, und das vollkommen zu Recht, denn alle internationalen Experten sagen: Bei euch sind die Steuern und Abgaben auf Arbeit zu hoch, bitte senkt die! – Die SPÖ macht das. Wir haben das in den letzten Jahren gemacht, wir machen Vorschläge in diese Richtung.

Diese Experten sagen aber genauso: Die Steuern auf Vermögen und Kapital sind in Österreich zu niedrig und ihr habt ein Steuerstrukturproblem: Die einen zahlen zu viel, die andern zahlen zu wenig. – Wir legen einen Vorschlag vor, der sich am deutschen Modell orientiert – in Deutschland gibt es ja die Erbschaftssteuer –, dann bemüht sich Kollege Fuchs wahnsinnig, theoretische Beispiele zu entwickeln, wo es Probleme geben könnte, nämlich bei Betriebsübergaben.

Sie müssen nicht irgendwelche theoretischen Beispiele suchen. (Abg. Fuchs: Das ist Ihr Berechnungsmodell, Herr Kollege!) Jedes Jahr, Kollege Fuchs, wird in Deutschland in 600 000 Fällen eine Erbschaftssteuer fällig, und die Betriebsübergaben in Deutsch­land sind kein Problem. Bringen Sie die Probleme aus der Praxis in Deutschland (Abg. Stefan: Das ist genau das Thema!), lassen Sie uns dann über diese Probleme reden und erfinden Sie nicht irgendwelche Luftschlösser, die es gar nicht gibt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fuchs: Sie können nicht rechnen, Herr Krainer!)

So, zum gegenständlichen Antrag: Es sind viele, viele Sachen, die da drinnen stehen gut. Die unterstützen wir. Besonders unterstützen wir, dass Arbeitnehmer mit geringem Einkommen weniger Steuern oder Abgaben zahlen werden. Ob das Sozialversiche­rungsbonus oder anders heißt, unterm Strich sind es bis zu 300 Euro. Wieso finden wir das so gut? – Weil Sie es von unserem Antrag abgeschrieben haben. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Wir haben im Juni einen Antrag eingebracht, in dem genau dieses Modell drinnen war. Im Juli haben Sie einen eingebracht, in dem Sie eins zu eins da abgeschrieben haben (Zwischenruf der Abg. Schimanek), allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler: In unserem Modell hätten die Arbeitnehmer bereits nächstes Jahr das Geld bekommen, in Ihrem Modell müssen sie ein Jahr länger warten. Das halten wir für falsch, daher werden wir natürlich gegen diesen Teil stimmen, denn wir sind der Meinung, die Arbeit­nehmer sollen nächstes Jahr, 2020, ihr Geld bekommen und nicht erst 2021. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie selber haben jetzt auch ein Modell vorgelegt, nämlich für Bauern und Selbst­ständige. Die bekommen ihr Geld interessanterweise bereits 2020 und nicht 2021. Ich frage: Wieso sind Arbeitnehmer schlechtere Menschen? Wieso müssen die ein Jahr länger warten? Das verstehe ich gar nicht.

Was Ihr Modell unter dem Titel Geringverdiener betrifft: Haben Sie sich einmal ange­schaut, wozu das führt? – Das führt dazu, dass jemand mit 6 000 Euro brutto circa 600 Euro weniger an Krankenversicherungsbeitrag zahlt und jemand mit 1 000 Euro brutto, ein kleiner Selbstständiger, quasi 7 Euro im Monat weniger. Das ist ihr Modell: Die Kleinen kriegen Brösel, die Großen kriegen das große Geld, und das obwohl der Vorsatz lautet, für die Geringverdiener die Steuern und Abgaben zu senken. Da ver­stehe ich die Welt nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Wir machen aber auch Vorschläge dazu, wie es besser geht. Zum Beispiel beim Klima­schutz. Da ist ein guter Teil drinnen, das hat Kollege Kopf ja gesagt, nämlich die Befreiung von eigenerzeugtem Strom von der Stromsteuer.

Nun gibt es verschiedene Arten, zu reisen. Wenn Sie etwa nach Tirol wollen, können Sie zum Beispiel fliegen. Wie hoch ist die Besteuerung des Treibstoffs, wenn Sie nach Tirol fliegen? – Null, beim Fliegen gibt es keine Steuer. Wenn Sie mit der Bahn fahren, also die umweltfreundlichste Art und Weise wählen, wird dort der Treibstoff, nämlich der Strom, extra besteuert.

Wir bringen einen Antrag ein, in dem wir fordern, dass die Bahn von dieser Strom­steuer befreit wird. Die Bahn fährt ja zu 100 Prozent mit Ökostrom, das ist zu 100 Pro­zent erneuerbare Energie, und wir besteuern das! Das ist ja keine parteipolitische Frage. Wenn jemand von Wien nach Innsbruck fliegt, zahlt er keine Steuer, wenn er mit der Bahn fährt, dann zahlt er eine Steuer – das versteht niemand! Ich verstehe es auch nicht. Ich lade alle ein, dem ein Ende zu machen und unserem Antrag zuzustimmen. Wir haben auch noch eine Reihe von anderen Anträgen eingebracht.

Nur noch ein Wort zur Digitalsteuer: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Was Sie hier vorlegen, ist aber bitte von der Größenordnung in etwa mit der Hundesteuer in Wien vergleichbar. Selbst die Schaumweinsteuer, von der die Sie immer sagen, es sei eine Bagatellsteuer, ist doppelt so hoch wie diese Digitalsteuer, die Sie hier einbringen.

Glauben Sie, dass wenn Sie so eine Mini-mini-Ministeuer machen, Facebook, Amazon oder irgendwer anderer zittert und sagt: Jetzt muss ich in Österreich wirklich einen gerechten Beitrag zahlen? – Nein, die zahlen Peanuts! Dabei befürchte ich – weil diese Steuer schlecht konstruiert ist –, dass die nicht einmal diese Steuer zahlen werden. Die haben ja bereits angekündigt, dass sie dagegen klagen werden, und ich fürchte, sie werden gewinnen, weil die Steuer unsachlich konstruiert ist. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Wahrscheinlich werden wir das am Ende des Tages gemeinsam verlieren, weil sie schlecht gemacht ist. Das finde ich schade. Es wäre gut, wenn Sie mehr von unseren Ideen abschreiben und nicht Sachen selber entwickeln würden – dann halten die Sachen vor Gericht, dann sind sie sozial gerecht und dann funktionieren sie auch! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich frage jetzt – betreffend die unterschiedlichen Tagesordnungspunkte –, ob die Be­richterstattung zu den Tagesordnungspunkten 7 bis 9 gemäß § 63 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Dann frage ich, ob seitens der Berichterstattung zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 6 sowie 10 ein Schlusswort gewünscht ist. – Das ist auch nicht der Fall.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wie Sie gemerkt haben, hat es während der Debatte einen großen Umfang an eingebrachten Abänderungs-, Zusatz- und Entschließungsanträgen gegeben. Aufgrund dieser Fülle an Anträgen wäre die Vorbereitung des Croquis für die Abstimmung während einer kurzen Sitzungsunter­brechung nicht möglich. Daher werde ich die Abstimmung zu den Tagesordnungs­punkten 2 bis 10 auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Die Parlamentsdirektion wird Ihnen allen rechtzeitig bekannt geben, wann wir diese Abstimmungen durchführen können.

Da eine Dringliche Anfrage vorliegt, werde ich die Sitzung kurz unterbrechen und um 15 Uhr – das ist in 2 Minuten – zum Aufruf der Dringlichen Anfrage gelangen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****