17.27

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Na ja, einige der Reaktionen von ÖVP und FPÖ zeigen nicht nur mir, dass es ganz vernünftig war, dass wir heute diese Dringliche Anfrage gemacht haben. (Abg. Zarits: Abschiedstour!)

Ihnen allen nur ins Stammbuch: Es gibt kaum ein großes Korruptionsverfahren dieser Republik, dessen Ausgangspunkt nicht eine parlamentarische Untersuchung war. Das gilt für Noricum, das gilt für Buwog, das gilt für Eurofighter, das gilt für Hypo Alpe-Adria. Hätte es früher nicht die grüne Kontrolle und jetzt die Kontrolle durch die Liste JETZT gegeben, hätte es kein einziges dieser Strafverfahren gegeben. Wir sind die Kontrolle, und nur wir sind die Kontrolle, und die Menschen in dieser Republik wissen das auch.

Weil wir der Stachel im riesigen türkisen Hintern sind, deswegen wird immer so gejam­mert, und deswegen wird immer so geschimpft, und deswegen wird immer über die Schmutzkübel geredet.

Das sind keine Schmutzkübel. Das ist parlamentarische Kontrolle, und je mehr sie der ÖVP und je mehr sie der Freiheitlichen Partei wehtut, desto besser ist sie. (Beifall bei JETZT.) Das ist ein Kompliment, meine Damen und Herren der Ibizaparteien, das Sie heute der parlamentarischen Kontrolle gemacht haben. Ich danke, nehme es namens meiner Fraktion entgegen und appelliere an die NEOS, endlich auch Kontrolle zu lernen; übrigens auch an die SPÖ. – Das ist der eine Punkt. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt, und der ist mir auch wichtig: Kontrolle gilt allen gegenüber. Ich habe mich jetzt einige Tage zu den Vorfällen in Wien nicht zu Wort gemeldet, weil es mir persönlich nicht leichtfällt, als einer der Mitgründer der Grünen dazu Stellung zu nehmen, aber ich werde jetzt einige Worte dazu sagen.

Als ich dabei war, vor 35 Jahren die Grünen zu gründen, da war das vollkommen klar: Das wird eine Partei außerhalb und innerhalb des Parlaments sein, die nicht käuflich ist, um keinen Preis der Welt. (Abg. Neubauer: Heumarkt!) 2016 habe ich in Wien anlässlich des Projekts Heumarkt festgestellt, dass das in dieser Form nicht mehr stimmt. Das war für uns alle eine sehr schwierige und sehr problematische Erfahrung.

Ich erinnere mich an eine Landeskonferenz der Wiener Grünen im Jahr 2016, bei der ich mit einer dicken Tasche voll Akten, voll Beweisen dafür, wie Gelder der Hypo Alpe-Adria aus Istrien nach Wien geschleust werden, um über dubiose Spekulanten das Projekt Heumarkt zu finanzieren, von meinen damaligen Parteifreundinnen und -freunden eine Redezeit von 2 Minuten bekam, keine Akten vorlegen durfte und mir dann das Wort verboten wurde; und mit mir Gabi Moser und mit mir Wolfgang Zinggl und mit mir Karl Öllinger und vielen anderen auch.

Das war für mich ein Abschluss, weil sich damals meine Grünen in Wien zwischen einem dubiosen Spekulanten namens Michael Tojner und der funktionierenden Kon­trolle im österreichischen Nationalrat für den Investor entschieden haben. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich habe das damals öffentlich erklärt. Wolfgang Zinggl hat eine Pressekonferenz nach der anderen gemacht, und Wolfgang Zinggl ist genau deshalb auf der Wiener Landesliste nicht mehr aufgestellt worden.

Heute hat der Justizminister eines bestätigt, und das war eine der wichtigsten Ant­worten in dieser parlamentarischen Anfrage. Antwort auf Frage 37: Ja, der Verdacht gegen Christoph Chorherr wegen der §§ 302 und 304 des Strafgesetzbuches hat sich erhärtet. § 302 ist der Amtsmissbrauch, § 304 ist die Bestechlichkeit. Ich füge dem nichts hinzu, aber ich appelliere dringend an alle Grünen, jetzt nicht Christoph Chorherr wegzulegen, so wie es die ÖVP oder vielleicht die Freiheitliche Partei machen würden, sondern diesen Fall nicht nur in Wien aufzuklären, aufzuklären im eigenen Interesse, damit eine Partei wie die Grünen, die in der Frage einer sauberen Umwelt nach wie vor zu 100 Prozent glaubwürdig ist, auch die Chance hat, als eine Partei der sauberen Kontrolle wieder Glaubwürdigkeit zu erhalten. Das ist für mich keine Kleinigkeit, genau über das zu reden, aber das ist ein Punkt, zu dem auch das gesagt werden muss, damit wir nicht das Recht verspielen, über das viel größere und mit den Grünen nicht vergleichbare Maß an Korruption bei den beiden Ibizaparteien zu reden.

Jetzt komme ich zum sogenannten Hackerangriff zurück: Stellen Sie sich einen Super­markt vor, wo in der Kassa das Geld fehlt, es gibt keine Einbruchsspuren, keine Scheibe ist eingeschlagen, kein Schloss beschädigt, und jemand stellt fest, da fehlt etwas in der Kassa und sagt: Das muss ein Einbrecher von außen gewesen sein, vollkommen klar, ein Einbrecher von außen. Es gibt zwar keine einzige Spur, aber es muss ein Einbrecher von außen gewesen sein.

Jetzt gibt es zwischen Computern und einer Supermarktkassa einen Unterschied: Beim Computer, meine Damen und Herren der ÖVP aus dem 19. und 20. Jahrhundert, ist alles von außen, weil man nur von außen in ein Netzwerk und in ein Computersystem einsteigen kann, außer die Parteiführung der ÖVP wohnt in einem Server, was ich ihr nicht empfehlen würde, insbesondere aus Platzgründen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Gehen wir also davon aus, dass die Parteiführung der ÖVP nicht in einem Server wohnt, nicht einmal Abgeordneter Nehammer, bei dem man nie genau weiß, wo er ist, sondern außerhalb!

So. Dann kommt alles von außen, der Hacker kommt von außen, der Maulwurf kommt von außen und Herr Nehammer, der mit Sicherheit niemals einen False-Flag-Angriff geplant hat, denn ein ÖVPler plant doch nicht einen vorgetäuschten Hackerangriff. In der ÖVP ist doch nie getäuscht worden, nie gelogen worden, da war immer die Wahr­heit. – Schauen Sie, Lügen haben kurze Beine. Nach all dem, was ich in den letzten Monaten seit Ibiza erlebt habe, sage ich Ihnen: Wenn Lügen kurze Beine haben, ist Sebastian Kurz beinfrei. Das ist so. (Heiterkeit und Beifall bei JETZT und bei Ab­geordneten der SPÖ sowie Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Das ist so. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, aber das muss doch Folgen haben.

Herr Justizminister, bitte verwenden Sie dann nicht, weil das nicht korrekt ist, in diesem Zusammenhang den Begriff Hackerangriff. Sie haben selbst gesagt, Sie sagen nichts über das Verfahren. Es gibt keine Beweise. Sie können Datenleak sagen, Sie können illegaler Datenabfluss sagen, aber niemand von uns kann sagen, es war ein Maulwurf, es war ein Hacker, oder es war ein False-Flag-Angriff aus den Reihen der ÖVP. Ich bitte, da korrekt zu bleiben, das ist extrem wichtig.

Ein letztes Wort zur parlamentarischen Kontrolle: Frau Abgeordnete Griss, bei allem Respekt, aber wir haben die Aufgabe, die weisungsabhängigen Teile der Justiz – und das sind auch die Staatsanwaltschaften – zu kontrollieren. Sie haben vollkommen recht, es ist nicht unsere Aufgabe, bei jeder Ermittlung als Abgeordnete daneben­zu­sitzen und reinzuschauen.

Ich habe auch volles Verständnis dafür, dass der Justizminister aus Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen viele unserer Fragen nicht beantwortet. Das war mir klar. Ich habe einige dieser Fragen gestellt, damit überhaupt klar ist, was da in Frage steht und unklar ist. Einige Fragen hätte er aber schon beantworten können. Einiges hätte er schon sagen können. Im Fall Chorherr hat er eine wichtige Antwort gegeben. Ich wäre froh gewesen, wenn er gesagt hätte: Ja, der Angriff ist von außen gekommen, aber wir können derzeit nicht sagen, ob es ein Hacker oder ein Maulwurf oder ein False-Flag-Angriff war.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Eines will ich trotzdem wissen, wenn nicht vom Justizminister und vom Staatsanwalt, dann von der Österreichischen Volkspartei: Legen Sie Ihre Buchhaltungsunterlagen offen, damit wir überprüfen können, ob es da eine Fälschung gibt, oder ob Sie, was ich immer deutlicher annehme, bewusst ein zweites Mal in diesem Wahlkampf ein Gesetz verletzen wollten und damit Wieder­holungstäter sind! Das sind Sie dieser Republik schuldig. Karten auf den Tisch, Unterlagen auf den Tisch, öffentliche Überprüfung! Dann sollen die Wählerinnen und Wähler entscheiden, ob sie eine Partei wählen, die nur einmal ein Gesetz vorsätzlich gebrochen hat oder bereits ein zweites Mal den Bruch eines Gesetzes plant. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Laimer.)

17.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.