21.29

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

„Andre, die das Land so sehr nicht liebten,

warn von Anfang an gewillt zu gehn;

ihnen – manche sind schon fort – ist besser,

ich doch müßte mit dem eignen Messer

meine Wurzeln aus der Erde drehn.“ – Theodor Kramer, Schriftsteller, Österreicher, Jude.

1939 musste er seine geliebte österreichische Heimat auf der Flucht vor Verfolgung durch die Nationalsozialisten verlassen und nach London emigrieren. Das ist ein Schicksal, das er mit Zigtausenden Menschen in Österreich teilt, die aus Österreich fliehen mussten und ihre österreichische Staatsbürgerschaft verloren.

Österreich hat nach dem Ende des Nazifaschismus lange gebraucht, um den Opfer­mythos abzustreifen. Es war Bundeskanzler Franz Vranitzky, der sich 1991, also 46 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, erstmals offiziell zur Mitverantwortung Österreichs an den Gräueltaten des Nazifaschismus bekannt hat. Noch länger hat es gedauert, bis den Verfolgten des Naziregimes erstmals ermöglicht wurde, die öster­reichische Staatsbürgerschaft, die sie durch Flucht oder Vertreibung verloren haben oder die ihnen aufgrund der Nürnberger Rassegesetze entzogen wurde, zurückzube­kommen. Erst seit 1993 können NS-Verfolgte die österreichische Staatsbürgerschaft wie­dererlangen, was bisher oftmals mit langwierigen und komplizierten Verfahren ver­bunden war.

Wir werden heute diese Hürden beseitigen und eine Erleichterung und Sicherstellung des Zugangs zur österreichischen Staatsbürgerschaft für die Nachkommen der NS-Verfolgten ermöglichen. Wir sehen das als kleinen, aber wichtigen Schritt der Wieder­gutmachung an, aber vor allem ist es eine längst fällige politische Verantwortung, die wir durch unsere Geschichte tragen, eine moralische Verpflichtung und eine sym­bolische Geste. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch heute sind wir mit offenem Antisemitismus konfrontiert; ich erinnere an die Zerstörung der Portraits von Holocaustüberlebenden am Burgring im Mai 2019. Ebenso auch im Wahlkampf: Wer sich laufend antisemitischer Codes bedient und zum Beispiel immer wieder von Silberstein, dem gut verdienenden, sprich geldgierigen Juden spricht, schürt Ressentiments gegen Juden und Jüdinnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Diese Politik, sehr geehrte Damen und Herren, ist höchst gefährlich. Ich appelliere an all jene, die sich jetzt angesprochen fühlen, das zu unterlassen. Tragen wir gemeinsam die Verantwortung aus unserer Geschichte! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

21.31

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Mag. Martin Engelberg. – Bitte.