17.56

Bundesministerin im Bundeskanzleramt Mag. Ines Stilling, betraut mit der Lei­tung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angele­genheiten für Frauen, Familien und Jugend: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ab­geordnete! Die europäische Prävalenzstudie aus dem Jahr 2014 hat für Österreich ge­zeigt, dass 5 Prozent aller befragten Frauen in den vorangegangenen zwölf Monaten von körperlicher und sexueller Gewalt betroffen waren. Das bedeutet nichts anderes, als dass in Österreich alle 3 Minuten eine Frau oder ein Mädchen von Gewalt betroffen ist.

Frauen brauchen Unterstützung. Es gibt einen großen Bedarf an Anlaufstellen, und ich bin auch sehr froh, dass wir diese Anlaufstellen haben und dass es viele engagierte Frauen gibt – einige davon sehe ich auch oben auf der Zuschauergalerie –, die sich für diese Frauen und Mädchen einsetzen, die sie stärken, unterstützen und ihnen den Mut und die Kraft geben, auch ein Strafverfahren gegen den Täter durchzustehen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Ich habe viele Gespräche mit den Interventionsstellen, den Gewaltschutzzentren, den Frauen- und Mädchenberatungsstellen geführt. Diese Stellen wissen besser als wir alle hier darüber Bescheid, was von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen brauchen, welche Unterstützung es braucht, welche Angebote wir ihnen machen müssen. Daher ist es aus meiner Sicht notwendig, für Verbesserungen im Opferschutz immer diese Einrichtungen anzuhören, ihre Meinungen ernst zu nehmen und diese auch in unsere Vorhaben einfließen zu lassen.

Lassen Sie mich nun auf einige Punkte eingehen, die in diesem konkreten Antrag und in den Abänderungsanträgen, die mittlerweile eingelangt sind, vorliegen.

Positiv möchte ich im Sinne der betroffenen Frauen und Mädchen das hervorheben, was auch schon Abgeordnete Pfurtscheller erwähnt hat, nämlich die explizite Nennung von weiblicher Genitalverstümmelung als schwere Körperverletzung.

Ich empfinde es auch als positiv, dass grundsätzlich zum ersten Mal in dieser Form ein Fokus auf die Beratung von Gefährdern gelegt wird. Aus meiner Sicht beginnt da aber schon die Differenzierung, denn eine Gefährderberatung verstehe ich nicht als Täter­arbeit. Eine Gefährderberatung, die auch sinnvoll und wichtig ist, ist eine kurze und punktuelle Intervention. Eine Täterarbeit ist eine längerfristige Beratung und Unterstüt­zung des gewalttätigen Menschen, die ihn dazu bringen soll, sein Verhalten grundsätz­lich zu ändern, um damit nachhaltig Gewalt zu verhindern.

Eine Gefährderberatung ist ein erster positiver Schritt, aber insgesamt braucht es für Täterarbeit, die auch nach einem strafrechtlichen Verfahren ansetzen sollte, einen um­fassenden Ansatz und entsprechende Mittel sowohl für jene Einrichtungen, die für die Gefährder- und Täterarbeit zuständig sind, als auch für jene Einrichtungen, die die Op­fer unterstützen, und dass diese zusammenarbeiten.

Wir haben auch letzte Woche – es ist schon mehrfach erwähnt worden – hier im Hohen Haus über mehr Budgetmittel für den Gewaltschutz diskutiert, und ich freue mich, dass der entsprechende Antrag für mehr Budgetmittel von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, einstimmig angenommen wurde. Ich habe aber auch damals schon betont, dass jedenfalls mehr Budget notwendig ist, weil der Bereich des Gewalt­schutzes und der Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen seit Jahren unterfinan­ziert ist.

Aus meiner Sicht gibt es aber auch Verbesserungen, die jetzt schon möglich sind, oh­ne dass wir ein zusätzliches Budget verwenden.

Als Beispiel möchte ich die Bannmeile nehmen, die heute unter anderem auch schon von Abgeordneten Mahrer erwähnt wurde. Ich darf dazu aus dem Abänderungsantrag zitieren, aus der Begründung: „Aufgrund des Wegfalls der bisherigen Regelung, wo­nach Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen explizit genannt waren“ – nämlich beim Betretungs- und Kontaktverbot – „ist eine Ausweitung des Radius der Bannmeile von fünfzig auf hundert Meter angebracht.“

Damit bringt dieser Antrag definitiv das zum Ausdruck, was andere Abgeordnete auch gesagt haben, nämlich dass das Betretungsverbot vor Kindergärten und Schulen weg­fällt und die Opfer nur noch mit einer Bannmeile geschützt werden. Ich finde den Ge­danken einer Bannmeile grundsätzlich positiv. Das bedeutet, dass das Opfer den Schutz, wo auch immer es ist, mit sich nehmen kann. Allerdings geht uns da, wenn wir speziell geschützte Räume wie Kindergärten und Schulen aus dem Betretungsverbot herausnehmen und das sozusagen durch die Bannmeile ersetzen, ein wichtiger Schutz verloren.

Ich möchte ein Beispiel nennen, das mir die Interventionsstelle geschildert hat und das so nachdrücklich ist, dass ich es Ihnen auch noch einmal sagen möchte: Wenn es einen so massiven Gewaltvorfall in einer Familie gibt, dass auch bisher ein Betretungs­verbot vor einem Kindergarten erfolgte, dann konnte sich der Gefährder oder Täter diesem Kindergarten nicht nähern. Hat er sich genähert, auch wenn das Kind nicht da war, konnte die Kindergartenleitung oder die Pädagogin die Polizei verständigen, und die Exekutive konnte einschreiten. Mit dem nun vorliegenden Antrag wird das so in dieser Form nicht mehr möglich sein, weil die Kindergartenleiterin beziehungsweise die Kindergartenpädagogin abwarten muss, bis sich das Kind nunmehr auf 100 Meter an­nähert – was eine gewisse Herausforderung ist –, dann erst nämlich könnte die Polizei gerufen werden; und bis diese einschreitet, kann möglicherweise schon ein Gewaltvor­fall eingetreten sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Daher mein dringendes Ersuchen, die wirklich gute Idee der Bannmeile nicht dazu zu verwenden, dass damit das bisher gut funktionierende System der Betretungsverbote ersetzt wird.

Darüber hinaus möchte ich noch ein anderes Beispiel nennen, das in bestimmten Tei­len auch im vorliegenden Antrag vorkommt, das ist das Thema der Datenübermittlung. Ich weiß, wir haben den Datenschutz zu berücksichtigen, und ich halte Datenschutz für ein sehr hohes Gut, aber im Sinne des Opferschutzes ist es aus meiner Sicht essen­ziell, dass die Exekutive, die Einrichtungen des Opferschutzes und die Einrichtungen, die mit Gefährdern und Tätern arbeiten, Informationen austauschen können, miteinan­der diskutieren können, um wirklich ein Risiko einschätzen und so frühzeitige Interven­tionen setzen zu können. Nur so ist aus meiner Sicht ein effektiver Opferschutz mög­lich. Daher hoffe ich, dass, natürlich im Rahmen des Datenschutzrechts, hier auch das Thema der Datenübermittlung noch einmal diskutiert wird.

Ich hoffe, ich konnte mit diesen Beispielen – ich möchte Ihre Zeit heute nicht mehr überstrapazieren – verdeutlichen, dass die Stärkung des Opferschutzes und die Ge­waltprävention jetzt im Rahmen des Antrages möglich ist, aber noch darüber hinaus verstärkt werden könnte, und dies auch ohne Budgeterhöhungen – ich weiß, dass das Budget mittlerweile in den letzten Plenartagen durchaus belastet worden ist.

Bitte bedenken Sie bei den Ihnen bevorstehenden Abstimmungen zu den vorliegenden Anträgen, dass allein, seit wir diese Debatte begonnen haben, an die 20 Frauen und Mädchen in Österreich von Gewalt betroffen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

18.03

Präsidentin Doris Bures: Danke, Frau Ministerin. Nun gelangt Herr Abgeordneter Jo­sef Muchitsch zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.