3814/A XXVII. GP

Eingebracht am 15.12.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

der Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Mag. Markus Koza,

Kollegen und Kolleginnen

betreffend ein Bundesgesetz über die Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ sowie der Bezeichnung „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ sowie der Bezeichnung „Diplom-Sozialpädagogin“ oder „Diplom-Sozialpädagoge“ (Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2023 – SozBezG 2023)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz über die Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ sowie der Bezeichnung „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ sowie der Bezeichnung „Diplom-Sozialpädagogin“ oder „Diplom-Sozialpädagoge“ (Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2023 – SozBezG 2023)

Der Nationalrat hat beschlossen:

„Bundesgesetz über die Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ sowie der Bezeichnung „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ sowie der Bezeichnung „Diplom-Sozialpädagogin“ oder „Diplom-Sozialpädagoge“ (Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2023 – SozBezG 2023)

Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“

§ 1. (1) Zur Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ ist berechtigt, wer an einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen Bildungseinrichtung gemäß Stufe 5 der ISCED das Grundstudium der Sozialen Arbeit mit einem Gesamtausmaß von mindestens 180 ECTS Anrechnungspunkten erfolgreich absolviert hat.

(2) Zur Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ ist ebenso berechtigt, wer in Österreich

           1. eine Ausbildung an einer Akademie für Sozialarbeit vor Inkrafttreten der Verordnung BGBl. II Nr. 325/2006 oder

           2. vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine entsprechende Ausbildung an einer ehemaligen Lehranstalt für gehobene Sozialberufe oder

           3. vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Studium mit Schwerpunktsetzung in Sozialer Arbeit im Rahmen eines Fachhochschul-Diplomstudiengangs mit dem akademischen Grad Mag. (FH) oder

           4. ein auf ein nicht einschlägiges Grundstudium aufbauendes einschlägiges Masterstudium der Sozialen Arbeit im Ausmaß von 120 ECTS Anerkennungspunkten an einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen Bildungseinrichtung gemäß Stufe 5 der ISCED, sofern bis zum Abschluss des Masterstudiums Kenntnisse über wesentliche Inhalte des Grundstudiums Soziale Arbeit im Ausmaß von mindestens 60 ECTS Anerkennungspunkten erworben wurden,

abgeschlossen hat.

(3) Zur Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ ist ebenso berechtigt, wer einen in Österreich nostrifizierten Abschluss eines Studiums der Sozialen Arbeit gemäß Abs. 1 nachweist.

(4) Zur Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ sind auch jene Personen berechtigt, die bis zum Ablauf von 36 Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ein auf ein nicht einschlägiges Grundstudium aufbauendes einschlägiges Masterstudium der Sozialen Arbeit im Ausmaß von 120 ECTS Anerkennungspunkten an einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen Bildungseinrichtung gemäß Stufe 5 der ISCED, erfolgreich absolviert haben.

Bezeichnung „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“

§ 2. (1) Zur Führung der Bezeichnung „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ ist berechtigt, wer

           1. an einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen Bildungseinrichtung gemäß Stufe 5 der ISCED ein Bachelorstudium der Sozialpädagogik mit einem Gesamtausmaß von mindestens 180 ECTS Anrechnungspunkten oder

           2. an einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen Bildungseinrichtung gemäß Stufe 5 der ISCED ein Masterstudium im Ausmaß von mindestens 120 ECTS Anrechnungspunkten mit curricularer Schwerpunktsetzung in Sozialpädagogik, sofern bis zum Abschluss des Studiums Kenntnisse über wesentliche Inhalte des Grundstudiums Soziale Arbeit im Ausmaß von mindestens 60 ECTS Anerkennungspunkten erworben wurden, oder

           3. ein gleichwertiges Studium an einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder einer anerkannten inländischen bzw. ausländischen Bildungseinrichtung gemäß Stufe 5 der ISCED, sofern Kenntnisse über wesentliche Inhalte des Grundstudiums der Sozialen Arbeit im Ausmaß von mindestens 60 ECTS Anerkennungspunkten erworben wurden,

abgeschlossen hat.

(2) Zur Führung der Bezeichnung „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ ist ebenso berechtigt, wer einen in Österreich an einer inländischen Universität oder Fachhochschule nostrifizierten Abschluss eines mit einem Studium gemäß Abs. 1 vergleichbaren Studiums nachweist.

Bezeichnung „Diplom-Sozialpädagogin“ oder „Diplom-Sozialpädagoge“

§ 3. Zur Führung der Bezeichnung „Diplom-Sozialpädagogin“ oder „Diplom-Sozialpädagoge“ ist berechtigt, wer

            1 den Abschluss in Sozialpädagogik durch ein öffentlich-rechtlich anerkanntes Diplom einer anerkannten berufsbildenden höheren Schule oder einer inländischen Bildungseinrichtung gemäß Stufe 5 der ISCED im Sinne der §§ 80, 81 Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962, nachgewiesen hat oder

            2 einen in Österreich an einer inländischen Universität oder Fachhochschule nostrifizierten Abschluss eines mit einer Ausbildung gemäß Z 1 vergleichbaren Studiums nachweist.

Bezeichnungsvorbehalt

§ 4. Jede Bezeichnung, die geeignet ist, die Führung einer der Bezeichnung gemäß §§ 1 bis 3 vorzutäuschen, ist untersagt.

Strafbestimmung

§ 5. Wer die in diesem Bundesgesetz geschützte Bezeichnung der Bestimmung des § 4 zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung erfüllt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 15.000 Euro zu bestrafen.

Schlussbestimmungen

§ 6. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut.“

Begründung

Allgemeiner Teil

Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen verfügen über spezifische fachliche Kompetenzen aufgrund ihrer einschlägigen Ausbildungen und sind in einzelnen Bundesländern (Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg) im Entwurf des BMAW für 2023 bereits als Mangelberufe aufgeführt, obwohl davon ausgegangen werden muss, dass aufgrund der Uneindeutigkeit der Bezeichnungen nur ein geringer Teil der offenen Stellen dem AMS übermittelt bzw. entsprechend fachspezifisch ausgeschrieben wird. Eine Übertragung der Aufgaben an andere, verwandte Berufsgruppen stellt aufgrund der fehlenden einschlägigen Qualifikation keine Möglichkeit dar. Der gesamte Gesundheits- und Sozialbereich steht aufgrund von Arbeitskräftemangel und Branchenflucht vor massiven Herausforderungen, die nur im Zusammenspiel aller darin vertretenen Professionen gemeinsam gemeistert werden können. Auf die Expertise von Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen kann dabei nicht verzichtet werden. Im Gegenteil, es ist notwendig, diese Expertise durch eindeutige gesetzliche Regelungen festzuhalten und damit auch in Zukunft zu sichern.

Die Einführung eines Bezeichnungsschutzes schützt besonders vulnerable Personen(gruppen), die abhängig von Unterstützungsleistungen sind, davor, dass Leistungen aufgrund fehlender fachlicher Eignung der damit beauftragten Personen nicht im notwendigen Umfang oder in entsprechender Qualität erbracht werden. Mit einem Bezeichnungsschutz wird Transparenz bezüglich der Qualifikation der Fachkräfte hergestellt. Es kann als Zeichen für die Qualität und der Ausbildungen dienen und Rückschlüsse auf die dadurch erworbenen Kompetenzen geben. Eine Unterscheidbarkeit zu anderen Professionen oder zu Laientätigkeiten wird damit möglich. Gleichzeitig kann ein Bezeichnungsschutz einen ersten Schritt darstellen um, wie im Regierungsprogramm der XXVII. Gesetzgebungsperiode vereinbart, in weiterer Folge gemeinsam mit den Bundesländern ein umfassendes Berufsgesetz für die Soziale Arbeit zu entwickeln, dass sowohl Ausbildungen als auch Berufspflichten, freiberufliche Tätigkeit sowie interprofessionelle Kooperation und etwaige Berufsvorbehalte regeln würde.

Nicht zuletzt die gesellschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben in den vergangen Jahren die große Rolle von Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen für die österreichische Bevölkerung unterstrichen. Derzeit liegen keine gesetzlichen einheitlichen Definitionen oder Standards in dem Bereich der Ausübung der Sozialen Arbeit vor. Aufgrund der Arbeit mit insbesondere sozial- und oder ökonomisch benachteiligten bzw. besonders vulnerablen Personengruppen ist jedoch die Sicherstellung qualitativ hochwertiger und bundeseinheitlicher Vorgaben für Angebote und Leistungen der Sozialen Arbeit immanent.

Aufgrund des breiten Tätigkeitsspektrums sind Soialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen sowohl im Gesundheitswesen (vgl. World Health Organisation (WHO) Definition der Gesundheit in einem weiten Kontext) als auch dem Sozialwesen aktiv. So ist etwa auch die Definition der WHO für den Begriff „Gesundheit“ eine weite und umfasst „ein[en] Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“.

Um möglichst einheitliche Regelungen im Bereich Sozialbetreuungsberufe zu haben, wurde im Mai 2005 eine entsprechende Art. 15a B-VG Vereinbarung abgeschlossen, BGBl. I Nr. 55/2005. Angehörige der Berufsgruppen der Sozialen Arbeit, insbesondere Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen mit tertiärer Ausbildung sind von den gesetzlichen Regelungen für Sozialbetreuungsberufe nicht erfasst. Eine Zuordnung von Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen zu diesen Berufen ist aufgrund der großen Unterschiede im Bereich der Ausbildungserfordernisse und der Berufsumschreibungen sowie der bundeslandspezifischen Regelungen nicht zielführend.

Das Regierungsprogramm sieht unter dem Kapitel „Modernisierung des Arbeitsrechts“ Folgendes vor: Sozialarbeit: Ziel der Erarbeitung eines bundeseinheitlichen Berufsgesetzes für soziale Arbeit in Zusammenarbeit mit den Ländern (Seite 261). Eine umfassende Umsetzung des im Regierungsprogramm vorgesehenen Berufsgesetzes für Soziale Arbeit durch den Bundesgesetzgeber alleine ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht möglich.

Der Verfassungsdienst des BKA (BKA-VD) hat bereits 2007 zur Frage der Ausarbeitung eines Berufsgesetzes für Soziale Arbeit eine Stellungnahme abgegeben, und dabei betont, dass die Causa vielschichtig sei, weil unterschiedliche Gesetzesmaterien betroffen sind.

Zentrale Aussagen des BKA-VD sind:

-       Eine kompetenzrechtliche Grundlage des Bundes wird verneint, weil es sich nur zu einem geringen Teil um Aufgaben handelt, die in die Bundeskompetenz (wie etwa Supervision, Konfliktregelung, Managementaufgaben, Lehrtätigkeit) fallen.

-       Der Schwerpunkt der Aufgaben von Diplomierten Sozialarbeiter:innen (Beratung, Betreuung, Vertretung von Personen) fällt gemäß Art. 15 B-VG in die Kompetenz der Länder.

-       Der Bund ist auch im Bereich der Sozialhilfe nur für die Grundsatzgesetzgebung (Art. 12 B-VG „Armenwesen“) zuständig, während die Länder für die Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung zuständig sind.

Aus kompetenzrechtlicher Sicht folgert der BKA-VD damals, dass ohne eine entsprechende Änderung der Bundesverfassung weder der Bund noch die Länder alleine ein Berufsgesetz verabschieden könnten. Aus Sicht des BKA-VD besteht auf Grund der geltenden Rechtslage auch keine alleinige Zuständigkeit des Bundes für die Erlassung und Vollziehung eines solchen Gesetzes.

Soweit die Inhalte der Ausbildung zur/zum Sozialarbeiter:in an Fachhochschulen und die Führung der Berufsbezeichnung unmittelbar im Anschluss an diese Ausbildung (nicht aber erst auf Grund einer davon zu unterscheidenden Berufsberechtigung) geregelt werden, können sich die betreffenden Bestimmungen ebenfalls auf den Kompetenztatbestand „Schulwesen“ (Art. 14 Abs. 1 B-VG) stützen, da Fachhochschulen ebenfalls als Schulen im Sinne des Art. 14 B-VG qualifiziert werden (Muzak, B-VG6 Art 14 (Stand 1.10.2020, rdb.at)).

In Umsetzung der Forderung des Österreichischen Berufsverbandes der Sozialen Arbeit (obds), der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit (ogsa), des ÖFAS (Österreichischer Fachverband für akademische Sozialpädagogik) sowie von Vertreter:innen von Forschung und Lehre an Universitäten und Fachhochschulen und nicht zuletzt auch der Studierendenschaft, sowie der Arbeiterkammer, dem ögb sowie Gewerkschaften sowie des Regierungsprogrammes ist daher der mit dem Sozialarbeitgesetz einzuführende Titelschutz ein verfassungskonformer und notwendiger Schritt.

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorliegende Bundesgesetz auf Artikel Art. 10 Abs. 1 Z 12a und Art. 14 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 107/2021.

Soziale Arbeit in ihren beiden Ausprägungsformen Sozialarbeit und Sozialpädagogik ist eine eigenständige Handlungswissenschaft. Sie umfasst die berufsmäßige, umfassende, bewusste und geplante Unterstützung und Hilfe für Einzelpersonen, Gruppen oder das Gemeinwesen mit dem Ziel, durch positiven Einfluss auf soziale Determinanten von Gesundheit (insbesondere, aber nicht ausschließlich  in den Bereichen soziale Absicherung und Sicherung von Grundbedürfnissen, Bildung, Arbeit, Wohnen, soziale Inklusion und Nicht-Diskriminierung sowie Zugang zu Gesundheitseinrichtungen) zur Förderung, Sicherstellung oder dem Erhalt von Gesundheit beizutragen, sofern dies fachlich geboten erscheint.

Besonderer Teil

Zu §§ 1 - 3:

Sozialpädagogik und Sozialarbeit wurden in Österreich lange als zwei voneinander getrennte Berufe wahrgenommen und auch nicht gemeinsam verhandelt. Beispielhaft zeigt sich das an der Selbstbezeichnung des Österreichischen Berufsverband der SozialarbeiterInnen - obds, der sich früher „Berufsverband der Fürsorger“, später „Berufsverband der Sozialarbeiter:innen“ nannte, und nun seit 2015 als „Berufsverband der Sozialen Arbeit“ die Berufsgruppen der Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen gleichermaßen vertritt. Auch bei den Bezeichnungen der Fachhochschulstudiengänge wird diese Veränderung deutlich. Diese wurden ab 2005 von „Studiengängen für Sozialarbeit“ in „Studiengänge für Soziale Arbeit“ umbenannt und verfolgen das Ziel generalistisch sowohl sozialpädagogisch als auch sozialarbeiterisch auszubilden.

In Österreich hat sich in den letzten Jahrzehnten daher auch, nicht zuletzt befeuert durch den akademischen Diskurs und den engen Austausch auf internationaler Ebene, ein gemeinsames Professionsverständnis von Sozialer Arbeit entwickelt. Sozialpädagogik und Sozialarbeit werden im Fachdiskurs als Ausprägungsformen der Profession Soziale Arbeit verstanden und teilen gemeinsame theoretische Grundlagen, Werte und Zielsetzungen, sind den Menschenrechten verpflichtet und verfolgen das Ziel sozialen Zusammenhalt und soziale Teilhabe zu fördern. Auf Basis dieser Definition haben in Österreich Vertreter:innen von Forschung, Lehre und Praxis der Sozialen Arbeit im Jahr 2022 einen Identifikationsrahmen erstellt, der vom obds veröffentlicht wurde. Dieses gemeinsame Verständnis ist in ähnlicher Weise auch in anderen Staaten der DACH-Region in Praxis und Forschung verbreitet und findet besonders in der Praxis der Sozialen Arbeit durch die gleichwertige und gleichberechtigte Beschäftigung von Fachkräften beider Ausbildungsstränge ihren Niederschlag.

 

Diesen professionsinternen Entwicklungen folgend, greift das Bezeichnungsgesetz einerseits die noch immer gebräuchlichen Berufsbezeichnungen „Sozialpädagog:in“ und „Sozialarbeiter:in“ auf.

Die Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ bzw. „akademischer Sozialarbeiter“ kann von Personen geführt werden, die entsprechend § 1 Abs. 2 Z 1, Ausbildungen an Akademien für Sozialarbeit vor dem Inkrafttreten der Verordnung BGBl II Nr. 325/2006 und damit vor dem Auslaufen dieser Ausbildungsmöglichkeit, ein entsprechendes Studium abgeschlossen haben. Diese Personen waren bis zum Auslaufen des Gesetzes berechtigt, die Bezeichnung „Diplomierte Sozialarbeiterin“ bzw. „Diplomierter Sozialarbeiter“ zu tragen. Mit BGBl. II Nr. 325/2006 verloren diese Personen die rechtliche Grundlage zum Führen ihrer Berufsbezeichnung. Das Diplom einer österreichischen Akademie für Sozialarbeit galt als Abschluss eines Studiums an einer postsekundären Bildungseinrichtung, dauerte drei Jahre und Prüfungen können weiterhin im Falle der Gleichwertigkeit für die Studien an allen anderen postsekundären Bildungseinrichtungen, z.B. an Universitäten, anerkannt werden. Entsprechend einer Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums aus 2006 besitzt das Diplom in Österreich alle akademischen und berufsrechtlichen Wirkungen für den Bereich der Sozialarbeit. Es bestätigt insbesondere den Abschluss eines Studiums im Sinne der Richtlinie über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung voraussetzen und ist in der akademischen Bewertung mit dem Bachelorgrad vergleichbar.

Vom Begriff „akademische:r“ Sozialarbeiter:in“ sollen sowohl Absolvent:innen von ordentlichen Universitätsstudien als auch Fachhochschulabsolvent:innen und Absolvent:innen von außerordentlichen Studien umfasst werden.

Entsprechend der Gleichwertigkeit der akademischen Ausbildung wird auf eine interne Differenzierung bzw. Wieder-Einführung des Begriffs „Diplom-Sozialarbeiterin“ bzw. „Diplom-Sozialarbeiter“ verzichtet. Stattdessen werden Absolvent:innen der entsprechenden Studiengänge (sowohl von Sozialakademien als auch von FH Studiengängen Sozialer Arbeit) als „akademische Sozialarbeiterin“ bzw. „akademischer Sozialarbeiter“ bezeichnet, was auch eine leichtere Unterscheidung zu Diplom-Sozialpädagog:innen ermöglicht, die über keinen akademischen Abschluss verfügen.

Die wesentlichen Inhalte des Grundstudiums Soziale Arbeit im Ausmaß von 60 ECTS Anrechnungspunkten, die für die Anerkennung wesentlicher Kenntnisse herangezogen werden, sollen nach Maßgabe der Möglichkeiten bundesweit einheitlich zwischen den Ausbildungseinrichtungen, die entsprechende Anerkennungen vornehmen, abgestimmt werden. Berücksichtigung finden sollen dabei einschlägige berufliche Erfahrungen sowie entsprechende Reflexion darüber, die auch in den Grundstudiengängen der Sozialen Arbeit als Anrechnung für Praxiszeiten herangezogen werden; berufsfeldspezifische rechtliche Kompetenzen in Sozialer Arbeit; gleichwertige Qualifikationsnachweise zum professionellen Handeln Sozialer Arbeit sowie zum professions- und gesellschaftstheoretischen Wissen.

Der Entfall der Nachweispflicht von eben diesen 60 ECTS Anrechnungspunkten in § 1 Abs. 4 bis zum Ablauf von 36 Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Absolvierung eines einschlägigen Masterstudiums (nach Absolvierung eines nicht einschlägigen Grundstudiums) ermöglicht eine Übergangsfrist für Personen, die in der Vergangenheit ein Masterstudium absolviert haben und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens ein Masterstudium absolvieren bzw. den Bewerbungsprozess dafür erfolgreich absolviert haben.

Auf die Möglichkeit der Bezeichnungsführung für Personen, die auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit eine Qualifikation in Sozialer Arbeit im Sinne des Abs. 1, die inhaltlich einer in diesem Bundesgesetz aufgezählten Ausbildung gleichzuhalten ist, erworben haben, aber nicht ausdrücklich in diesem Gesetz genannt werden, muss verzichtet werden, da dies entsprechende Möglichkeiten der Überprüfung zur Gleichwertigkeit der Qualifikation bzw. eine Eintragung in ein etwaiges Register nach berufsgesetzlichen Regelungen für die Soziale Arbeit voraussetzen würde.

 

Mit der Einbeziehung von „akademischen Sozialpädagog:innen“ (§ 2) trägt das Gesetz den Entwicklungen innerhalb der Profession und Disziplin Sozialer Arbeit in den letzten zehn Jahren Rechnung. Es berücksichtigt dabei insbesondere in den letzten Jahren neu entstandene, Bologna-konforme Ausbildungen an Universitäten, pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen mit hohem Spezialisierungsgrad, der in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit eine notwendige Voraussetzung zur qualitätsvollen Erbringung der Dienstleistungen ist. Um diese Spezialisierung gelingend abzubilden, wird im Gesetz der Begriff der „akademischen Sozialpädagogin“ bzw. des „akademischen Sozialpädagogen“ verwendet. Das Führen einer entsprechenden Bezeichnung ist (analog zur Bezeichnung für akademische Sozialarbeiter:innen) Personen mit einschlägigen Bachelorabschluss mit 180 ECTS Anrechnungspunkte  oder nach Abschluss eines Masterstudiums bei gleichzeitiger Kenntnis über wesentliche Inhalte des Grundstudiums Soziale Arbeit im Rahmen von 60 ECTS Anrechnungspunkten vorbehalten.

 

Mit der Einbeziehung von „Diplom-Sozialpädagog:innen“ in dieses Gesetz mit § 3 wird eine Berufsgruppe umfasst, die – in Abweichung von europäischen Entwicklungen – über Ausbildungen verfügt, die nach dem Schulunterrichtsgesetz geregelt werden, und entsprechend BGBl. I Nr. 14/2016 dem europäischen Qualifikationsrahmen auf Ebene EQR 5 bzw. Stufe 5 der ISCED entspricht. Die schulische Ausbildung vermittelt eine umfassende pädagogisch-didaktische Bildung als Voraussetzung für das sozialpädagogische Berufsfeld sowie fundierte Fähigkeiten und Kompetenzen für sozialpädagogischen Aufgabenstellungen, insbesondere pädagogische, psychologische und soziologische Kompetenzen für die Erziehungs- und Bildungsarbeit im gesamten sozialpädagogischen Berufsfeld entsprechend der geltenden Lehrpläne des Bildungsministeriums. Diplom-Sozialpädagog:innen sind unverzichtbar in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit (z.B. der stationären Kinder- und Jugendhilfe). Mit der Berechtigung zur Bezeichnung entsprechend des ihnen verliehenen Diploms bei Ausbildungsabschluss kann die besondere Qualifikation nachgewiesen, die Ausbildung aufgewertet und eine Abgrenzung zu Kurzausbildungen und Lehrgängen vorgenommen werden.

 

Mit der Einbeziehung aller genannten Berufsgruppen in den Bezeichnungsschutz wird klargestellt, dass die Absolvent:innen der genannten Ausbildungen der Profession der Sozialen Arbeit zugehörig sind.

Die Einbeziehung aller genannter Berufsgruppen ist Voraussetzung für eine qualitätsvolle Umsetzung der Zielsetzungen des Gesetzes, nämlich die Qualität der Dienstleistungen in Sozialen Arbeit zu erhalten und eine gleichwertige Bedeutung der Berufsgruppen durch eine gemeinsame gesetzliche Regelung sicherzustellen.

Eine Beschränkung etwaiger gesetzlicher Regelungen auf nur einen Teilbereich der Sozialen Arbeit (bspw. „Sozialarbeiter:innen“ oder „Sozialpädagog:innen“) würde in der Praxis zu massiven Ungleichheiten und Ungleichbehandlungen führen. In vielen Organisationen und Einrichtungen sind sowohl Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen beschäftigt und arbeiten in Teams eng zusammen. Bei einer nur teilweisen Regelung für eine der genannten Berufsgruppen ist zu befürchten, dass Teams und Organisationen in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, etablierte Strukturen erodieren und die weiterhin ungeregelten Bereiche an Attraktivität für Fachkräfte verlieren und damit der Fachkräftemangel verschärft wird.

Die Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ bzw. „akademische Sozialpädagogin“ und „akademischer Sozialpädagoge“ ist an die Absolvierung eines Studiums der Sozialen Arbeit, das jedenfalls mindestens 180 ECTS Anrechnungspunkte umfasst, gebunden. Typischerweise ist damit ein Bachelorstudium an einer Fachhochschule oder an einer Universität in der Dauer von drei bis vier Jahren verbunden. Die Orientierung an ECTS Anrechnungspunkten ermöglicht einerseits internationale Vergleichbarkeit und entspricht in ihrer Höhe auch den gängigen Qualifikationsniveaus entsprechend dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), der mit dem nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) ab Qualifikationsniveau 6 (Bachelorgrad) übereinstimmt. Damit ist eine leichte Vergleichbarkeit zwischen Ausbildungen im In- und Ausland durch Bezugnahme auf das dahinterliegende Qualifikationsniveau gemäß EQR leicht möglich. Personen, die aufbauend auf ein einschlägiges Grundstudium ein vertiefendes Masterstudium absolvieren, sind ebenso zum Führen der Berufsbezeichnung berechtigt wie Personen, die zwar kein einschlägiges Grundstudium in Sozialer Arbeit, aber ein vertiefendes Masterstudium absolviert, und Kenntnisse des Grundstudiums von mindestens 60 ECTS Anrechnungspunkte nachweisen können. Das ermöglicht eine Durchlässigkeit und Weiterqualifizierung von Personen und ist dazu geeignet Qualifizierungen zu fördern und dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Ausbildungs- und Studienabschlüsse, die auf Grundlage früher geltender Ausbildungsordnungen absolviert wurden, wie beispielsweise eine entsprechende Ausbildung an Bundes- und Landesakademien für Sozialarbeit, eine Ausbildung an einer ehemaligen Lehranstalt für gehobene Sozialberufe, oder die erfolgreiche Absolvierung des Diplomstudiengangs Sozialarbeit an einer Fachhochschule (mit 240 ECTS Anrechnungspunkten) werden erfasst und sind wiederum angeführt. Damit erhalten auch Personen, die ihre Ausbildung vor In-Kraft-Treten des gegenständlichen Gesetzes absolviert haben, das Recht zum Tragen einer geschützten Berufsbezeichnung. Diese Personen sind berechtigt, ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes die entsprechende Berufsbezeichnung zu führen.

Die allgemeine Formulierung der „anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung“ orientiert sich an den Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, und umfasst nicht nur Universitäten, sondern beispielsweise auch Fachhochschulen oder sonstige entsprechende Einrichtungen in anderen europäischen Staaten.

Derzeit werden in Österreich die meisten Grundstudien in Sozialer Arbeit als Bachelorstudiengängen Fachhochschulen angeboten, welche ihre gesetzliche Grundlage im Fachhochschulgesetz – FHG, BGBl. Nr. 340/1993, haben. Für Privatuniversitäten, pädagogische Hochschulen und öffentlichen Universitäten gelten die diesbezüglichen einschlägigen Gesetze.

Für Ausbildungen zur Diplom-Sozialpädagogin bzw. zum Diplom-Sozialpädagogen findet das Schulunterrichtsgesetz und das Schulorganisationsgesetz, insbesondere der Verordnung zu Lehrplänen, BGBl II Nr. 250/2021, Anwendung. Mit dieser Regelung wird auf Nostrifikationen entsprechender Studienabschlüsse aus den Mitgliedstaaten des EWR und der Schweizerischen Eidgenossenschaft verzichtet. Für jene Personen, die ein Studium der Sozialen Arbeit in einem Drittstaat absolviert haben, bedarf es der Nostrifikation, sofern die Führung der Bezeichnung gewünscht wird.

Das Grundstudium der Sozialen Arbeit, wie es derzeit an den Bachelorstudiengängen für Soziale Arbeit an Fachhochschulen und an Universitäten angeboten wird, dient mit seinem Umfang von 180 ECTS Anrechnungspunkten als Referenz für die eine generalistisch ausgerichtete Grundqualifizierung in Sozialer Arbeit. In Übereinstimmung mit internationalen Standards für Curricula von IASSW (International Association of Schools of Social Work) und IFSW (International Federation of Social Work) ergibt sich daraus der Umfang von mindestens 180 ECTS Anrechnungspunkten sowie die Notwendigkeit des Nachweises von spezifischen Fachkenntnissen, nämlich zu

a)     Sozialer Arbeit im Kontext ihrer politischen, sozialen, rechtlichen, kulturellen und historischen Bezüge,

b)     handlungsleitenden Theorien, Methoden und praktischem Wissen (inklusive Rechtskenntnissen) als Voraussetzung für berufliche Tätigkeit in der Praxis,

c)     Sammlung und Reflexion von Praxiserfahrungen während der Ausbildung im Ausmaß von etwa 25% des Studienumfangs.

Zu § 4:

Der verankerte Titelschutz soll für Personen, die Angebote von Sozialer Arbeit in Anspruch nehmen, ihre Angehörigen und für die Gesellschaft sicherstellen, dass die erbrachten personenbezogenen Dienstleistungen, die das Ziel verfolgen, die soziale Determinante von Gesundheit zu fördern, zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern, von qualifizierten Fachkräften mit einschlägiger fachlicher Ausbildung erbracht werden. Durch den Titelschutz wird sichergestellt, dass nur Personen, die aufgrund ihrer Ausbildung entsprechend qualifiziert sind, sich als „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ bzw. als „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ bzw. als „Diplom-Sozialpädagogin“ oder „Diplom-Sozialpädagoge“ bezeichnen dürfen. Irreführende Bezeichnungen oder Wortkombinationen oder das Führen der Bezeichnung „Sozialarbeiter“ oder „Sozialarbeiterin“ bzw. „Sozialpädagoge“ bzw. „Sozialpädagogin“ sind verboten, da solche Bezeichnungen das Vorliegen eines Studien- bzw. Ausbildungsabschlusses in Sozialer Arbeit suggerieren.

Zu § 5

Die Strafbestimmung für die unzulässig geführte Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ bzw. als „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ bzw. als „Diplom-Sozialpädagogin“ oder „Diplom-Sozialpädagoge“, die einen akademischen Studienabschluss oder postsekundären Schulabschluss vortäuscht, orientiert sich an den einschlägigen Strafbestimmungen des § 116 Universitätsgesetzes 2002, welche für die fälschliche Führung akademischer Grade ebenfalls die gleiche Strafhöhe vorsehen.

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales