1083 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales
über die Regierungsvorlage (1031 der Beilagen): Abkommen im Bereich der sozialen Sicherheit zwischen der Republik Österreich und Kanada
Allgemeine Überlegungen
Die Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada über soziale Sicherheit hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B‑VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B‑VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG.
1. Werdegang des Abkommens
2014 wurden Expertengespräche aufgenommen, die nach nur zwei Besprechungsrunden auf Expertenebene erfolgreich abgeschlossen werden konnten.
2. Das Abkommen im Allgemeinen
Das Abkommen baut auf dem alten Abkommen auf und enthält mit Ausnahme der neuen Pensionsberechnung keine grundsätzlichen Änderungen im Vergleich zur derzeit geltenden Rechtslage; allerdings wurden einige Änderungen vorgenommen (zB umfassende Datenschutzregelung), um es in materiellrechtlicher Hinsicht weitestgehend den in letzter Zeit von Österreich geschlossenen Abkommen (zB Abkommen mit Serbien vom 26.1.2012, BGBl. III Nr. 155/2012) anzupassen.
Das Abkommen ist in fünf Abschnitte gegliedert:
Abschnitt I enthält allgemeine Bestimmungen und legt im Wesentlichen den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich, den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie die Gebietsgleichstellung hinsichtlich der Gewährung von Geldleistungen aus der Pensionsversicherung fest.
Abschnitt II normiert in Bezug auf die jeweils hinsichtlich der Versicherungspflicht anzuwendenden Rechtsvorschriften den Grundsatz des Beschäftigungslandprinzips sowie davon abweichende Sonderregelungen (insbesondere eine Entsenderegelung) und sieht die Möglichkeit vor, im Einzelfall Ausnahmen hiervon zu vereinbaren. Diese Regelungen werden grenzüberschreitend tätigen Unternehmen und Personen helfen, doppelte Beitragszahlungen zu vermeiden.
Abschnitt III legt die Leistungsfeststellung im Bereich der kanadischen bzw. österreichischen Pensionsversicherung fest. Diese erfolgt unter Zusammenrechnung der in den beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Anspruch und unter Berechnung grundsätzlich entsprechend den in jedem Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten, wobei eine Vereinheitlichung der zwischenstaatlichen Berechnung angestrebt wird.
Abschnitt IV enthält verschiedene Bestimmungen über die Durchführung und Anwendung des Abkommens.
Abschnitt V enthält Übergangs- und Schlussbestimmungen.
Im EU-Bereich stehen hinsichtlich von Abkommen über soziale Sicherheit mit Drittstaaten keine EU‑Vorschriften in Kraft, sodass die Mitgliedstaaten einen diesbezüglichen Gestaltungsspielraum haben. Das vorliegende Abkommen entspricht aber den in diesem Bereich maßgebenden Grundsätzen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (ABl. Nr. L 166 vom 30.4.2004, S. 1). Der vom EuGH in der Rs C-55/00, Gottardo, unmittelbar aus Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) abgeleiteten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei Abkommen mit Drittstaaten die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten den jeweils eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen, wird dadurch entsprochen, dass der persönliche Geltungsbereich aber auch die Gleichbehandlungsregelung des vorliegenden Abkommens unbeschränkt ist und daher alle versicherten Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit erfasst.
3. Finanzielle Auswirkungen
Keine.
Das Abkommen schafft keine neue Rechtslage, sondern fasst nur die Rechtslage aufgrund des bestehenden Abkommens in der Fassung des Zusatzabkommens zusammen. Einzige materielle Rechtsänderung ist die Umstellung bei der Pensionsberechnung von der bisher vorgesehen gewesenen „Direktberechnung“ auf die Berechnung nach europäischem Recht (Verordnung (EG) Nr. 883/2004).
Diese Neuerung hat aber – aus theoretischer Sicht
– überhaupt nur Auswirkungen auf jene Fälle, in denen eine
Zusammenrechnung der Versicherungszeiten erforderlich ist, um einen
österreichischen Pensionsanspruch zu eröffnen. Auch bei diesen
Fällen betrifft die Umstellung nur eine ganz geringe Fallzahl. Für
die Alterspensionen führt diese Berechnung nach dem europäischen
Recht zu keinen anderen Ergebnissen als die Direktberechnung. Lediglich im
Bereich der Invaliditätsleistungen könnte es aufgrund der
unterschiedlichen Berechnung aus theoretischer Sicht zu minimalen Auswirkungen
im Ergebnis kommen. Solche Unterschiede könnten sich daraus ergeben, dass
bei Zurechnungszeiten
(zB nach § 6 Abs. 2 Z 2 APG) und Lücken in der
zwischenstaatlichen Versicherungskarriere die Invaliditätsleistung nach
der „Direktberechnung“ etwas günstiger sein könnte als
jene nach dem EU‑Recht (siehe auch die Erläuterungen zu
Art. 16), wobei aber eine Quantifizierung dieses Einsparungspotentials
nicht möglich ist. Zunächst ist die geringe Anzahl der Fälle
ausschlaggebend (zum Stand 2019 betrafen von 5.405 Fällen, in denen österreichische
Pensionen nach Kanada gezahlt wurden, nur 6 Fälle
Invaliditätsleistungen). Von diesen sind dann nur jene Fälle
betroffen, in denen eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten für den
Anspruch erforderlich ist und eklatante Lücken in der zwischenstaatlichen
Versicherungskarriere auftreten. Zusätzlich ist noch zu beachten, dass
sich die Anzahl der Fälle betreffend Invaliditätsleistungen generell
in zwischenstaatlichen Fällen erheblich verringert, da nunmehr für
jene Personen, für die vorübergehend eine Invalidität
für mindestens 6 Monate festgestellt wurde, nach nationalem
österreichischen Recht als Leistung aus der Krankenversicherung das
Rehabilitationsgeld gewährt wird, welches vom sachlichen Geltungsbereich
des Abkommens nicht umfasst ist (bereits zuerkannte befristete Invaliditätspensionen
bleiben nur bis zum Ablauf der Befristung aufrecht). Diese Reduktion der
zwischenstaatlichen Fälle würde sich ohnehin, also auch ohne Revision
des Abkommens, ergeben. Zusammenfassend muss man daher zum Ergebnis kommen, dass
keine finanziellen Auswirkungen mit der Revision verbunden sind.
Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.
Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist.
Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 6. Oktober 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligte sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Norbert Sieber der Abgeordnete Mag. Gerald Loacker.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen im Bereich der sozialen Sicherheit zwischen der Republik Österreich und Kanada (1031 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.
Wien, 2021 10 06
Norbert Sieber Josef Muchitsch
Berichterstatter Obmann