1870 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Konsumentenschutz

über die Regierungsvorlage (1752 der Beilagen): Bundesgesetz über eine Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Menschen mit Behinderungen in der Normung (Fachstelle-Normungsbeteiligung-Gesetz – FNBG)

Die Bedeutung von Normen ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Vor allem mit Einführung der „Neuen Konzeption“ („New Approach“) ab den 80er Jahren hat die Europäische Union (bzw. damals EWG) technische Detailregelungen der Normung überlassen. Aber auch abseits der daraus entstandenen harmonisierten Normen hat die internationale, europäische und nationale Normung Vorgaben nicht nur für eine Vielzahl von Produkten, sondern auch für Dienstleistungen, Gesundheitswesen, Digitalisierung, Hygiene, Qualitätssicherung u.a.m. entwickelt. Anzumerken ist, dass die rein nationale Normung parallel zu der angeführten Entwicklung massiv an Bedeutung verloren hat und mittlerweile einen Anteil von weniger als zehn Prozent hält.

Der Großteil der in der EU relevanten Normen wird von den europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI erarbeitet. Allerdings sind in den diversen Normungsgremien, in denen üblicherweise Normen entwickelt werden, bestimmte gesellschaftliche Bereiche nicht angemessen vertreten: während Unternehmen – und hier v.a. Großunternehmen – ihre Interessen in der Normung regelmäßig geltend machen können, sind die Zivilgesellschaft und hier u.a. Organisationen, die Verbraucher/innen sowie Menschen mit Behinderungen vertreten, mangels Ressourcen unterrepräsentiert. Dieses Defizit wurde und wird auf verschiedenen Ebenen angesprochen. So mahnt etwa die Europäische Normenverordnung explizit ein, dass auch die Verbraucherseite sowie Menschen mit Behinderungen bei der Normenentwicklung adäquat vertreten sein sollten und dafür Verbraucher- bzw. Behindertenorganisationen Zugang zur Normung ermöglicht und erleichtert werden muss: „Die europäischen Normungsorganisationen fördern und erleichtern eine angemessene Vertretung und wirkungsvolle Beteiligung aller einschlägigen Interessenträger, einschließlich KMU, Verbraucherorganisationen sowie von Interessenträgern ökologischer und sozialer Interessen, an ihren Normungstätigkeiten…“. Zuletzt hat die Europäische Kommission mit der Mitteilung COM(2022) 31 final vom 2.2.2022 eine neue Normenstrategie vorgestellt („Eine EU-Strategie für Normung – Globale Normen zur Unterstützung eines resilienten, grünen und digitalen EU‑Binnenmarkts festlegen“) und „fordert die europäischen Normungsorganisationen auf, bis Ende 2022 Vorschläge zur Modernisierung ihrer Governance vorzulegen, damit dem öffentlichen Interesse und den Interessen von KMU, Zivilgesellschaft und Nutzern umfassend Rechnung getragen und der Zugang zu Normen erleichtert wird.“

Diesen Problemen wurde in Österreich schon im Jahr 1990 mit der Idee eines „Verbraucherrates“ begegnet. Dieser sollte die Interessen der Verbraucher/innen in der Normung wahrnehmen und wurde schließlich 1991 auf Grundlage eines Ministerratsvortrags bei Austrian Standards International (ASI; damals Österreichisches Normungsinstitut – ON) als Sonderausschuss eingerichtet (Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie zl. 13 5582/11-II/3/90 14. Juli 1990) (nunmehr „Ausschuss für Verbraucherangelegenheiten“).

Mit einer Förderung des für Konsumentenschutz zuständigen Ressorts wurde zur operativen Unterstützung des Verbraucherrates parallel am ASI ein Büro („Büro des Verbraucherrats“) finanziert, das die Entwicklung von Normen beobachtet und begleitet, Entscheidungsgrundlagen erarbeitet, Stellungnahmen zu Normen abgibt, Expertinnen und Experten in Normungsgremien entsendet, die Leitung (Sekretariat) von Normungsgremien übernimmt u.v.a.m. Im Jahr 2005 wurde die Förderung des Verbraucherrates im § 24 des Produktsicherheitsgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 16/2005, rechtlich verankert. Allein schon im Hinblick auf die Sicherheit von Produkten ist die Teilnahme an Normungsprozessen durch Verbraucher/innen unerlässlich.

Die Fokussierung auf das ASI beruht auf der bisherigen Geschichte des Verbraucherrates bzw. des Büros des Verbraucherrates. Selbstverständlich umfasst das Tätigkeitsspektrum der Fachstelle auch Normung anderer Organisationen wie etwa des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE), mit dem ebenfalls die Zusammenarbeit gesucht werden soll.

Im Laufe der Jahre hat der Verbraucherrat auch den Themenbereich „Design for all“ übernommen und sich somit im Bereich Barrierefreiheit engagiert, wenn auch auf Grund begrenzter Ressourcen nur eingeschränkt. Gerade dieser Bereich ist aber für die Betroffenen von immenser Bedeutung: Barrierefreiheit gehört zu den Allgemeinen Grundsätzen nach Artikel 3 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und ist Voraussetzung dafür, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt leben, vollständig und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben und ihre Rechte ausüben können. Dem Grundgedanken des „Design for all“ folgend, sollen Produkte grundsätzlich für alle Nutzer und Nutzerinnen ohne zusätzliche Anpassungen verwendbar sein. Barrierefreiheit und „universal design“ sind daher auch in der UN-Behindertenrechtskonvention als wesentliche Voraussetzungen für Inklusion von Menschen mit Behinderung verankert.

Die Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act – EAA) wird zukünftig wesentliche Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen bringen. Sie stellt einen Beitrag zur EU-weiten Harmonisierung von Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen dar, für die auch entsprechende harmonisierte Normen erarbeitet werden müssen. Die Europäische Kommission wird im Zusammenhang mit dem EAA demnächst einen Auftrag an die Europäischen Normungsorganisationen zur Überarbeitung bestehender und Ausarbeitung von harmonisierten Normen erteilen. Eine starke Vertretung der Anliegen von Menschen mit Behinderungen in den entsprechenden Gremien ist daher eine vordringliche Aufgabe.

Hinsichtlich Gleichstellung wird festgehalten, dass die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern bzw. Frauen und Männern mit Behinderung von der Fachstelle gleichwertig wahrzunehmen sind.

Auf Grund organisatorischer Veränderungen kann das „Büro des Verbraucherrates“ nicht mehr wie bisher fortgeführt werden; der Ausschuss für Verbraucherangelegenheiten bei ASI ist davon zwar nicht betroffen, der Wegfall des Büros würde aber bedeuten, dass die operative Tätigkeit im Hinblick auf Normung für Verbraucher/innen sowie Menschen mit Behinderungen weitgehend zum Erliegen kommen würde.

Mit Entschließung vom 15.12.2021 hat der Nationalrat den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ersucht, die Einrichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher/innen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten zu prüfen (227/E XXVII. GP)

Auf Grundlage diese Berichtes, der am 15.6.2022 vom Nationalrat zur Kenntnis genommen wurde, wurde der gegenständliche Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, wonach mit der Einrichtung einer „Fachstelle Normungsbeteiligung“ für Verbraucher/innen sowie Menschen mit Behinderungen eine angemessene Mitwirkung an der Normung sichergestellt werden soll.

Der Bund bzw. das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kann die Aufgaben der Fachstelle nicht selbst übernehmen, da sich die Interessenslage bei Normen für die staatliche Verwaltung anders darstellt oder darstellen kann, wie für eine Stelle, die dezidiert im Sinne von Verbraucherinnen und Verbrauchern bzw. Menschen mit Behinderungen am Normungsgeschehen teilnimmt.

 

Der Ausschuss für Konsumentenschutz hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 6. Dezember 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer die Abgeordneten Mag. Christian Drobits und Mag. Peter Weidinger sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch und der Ausschussobmann Abgeordneter Peter Wurm.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Konsumentenschutz somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1752 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2022 12 06

                            Mag. Ulrike Fischer                                                               Peter Wurm

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann