Erläuterungen

Allgemeiner Teil

A. Problem

Das ABGB kennt keine eigene Bestimmung über die schadenersatzrechtliche Haftung für Bäume, im Besonderen nicht für Schäden, die durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen eines Baumastes entstehen. Eine schon vor Jahrzehnten begründete Judikaturlinie hat für solche Schadensereignisse die Bestimmung des § 1319 ABGB über die Bauwerkehaftung analog herangezogen, die dem Besitzer des Werkes die Beweislast dafür auferlegt, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Die dadurch bei den betroffenen Verkehrskreisen entstandene Furcht vor einer strengen Haftung sowie eine auch in anderen Lebensbereichen zu beobachtende Tendenz zu Haftungsängsten und zu oft übertriebenen, aus der Sachlage gar nicht gebotenen Sicherheitsmaßnahmen hat im Bereich der Verantwortlichkeit für Bäume dazu geführt, dass es vermehrt zu schematischen Sicherheitsvorkehrungen kommt, ohne dass deren Notwendigkeit im Einzelfall eingehender geprüft würde. So werden etwa Bäume entlang von Straßen und Wegen oder sonst im öffentlichen Raum unter Hinweis auf eine vermeintliche Haftungsgefahr oft flächendeckend gefällt, obwohl eine so weitreichende Maßnahme auch unter Sicherheitsaspekten gar nicht erforderlich wäre. Davon sind häufig gerade auch Bäume betroffen, die etwa wegen ihres hohen Alters einen besonderen ökologischen Wert haben.

Die gegenwärtige Rechtslage zur Haftung für Bäume wird aber noch unter einem weiteren Aspekt als unbefriedigend empfunden: In Zeiten des Klimawandels gewinnt die Erhaltung der noch vorhandenen natürlichen Umwelt und hier im Besonderen die Erhaltung von ökologisch und für die Lebensqualität wertvollen Bäumen immer mehr an Bedeutung. Freilich muss der Schutz menschlichen Lebens, muss die körperliche Unversehrtheit von Menschen ein vorrangiges Ziel sein; und auch die Beschädigung von Sachen gilt es bestmöglich zu vermeiden. Doch dürfen diese Ziele nicht in dem Sinn als absolut verstanden werden, dass jegliche auch bloß theoretische oder geringgradige Gefahr ohne Rücksicht auf den Baumbestand zu beseitigen wäre. Auch die Erhaltung von Bäumen und besonders von im obigen Sinn „wertvollen“ Bäumen steht im Allgemeininteresse und hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Wohl und die Lebensqualität der Menschen. Dieser Gemeinwohlaspekt spiegelt sich allerdings in der gegenwärtigen Rechtslage zumindest nicht explizit wider; weder das allgemeine Schadenersatzrecht noch der bisher analog herangezogene § 1319 ABGB nehmen ausdrücklich auf ein solches Abwägungskriterium Bezug. Das wurde in den vergangenen Jahren mit dem Argument bemängelt, dass dadurch die Sicherheitsaspekte sehr einseitig in den Vordergrund gerückt würden.

B. Ziele des Entwurfs

Die Haftung für Bäume soll durch Einfügung einer eigenen Gesetzesbestimmung in das Schadenersatzrecht des ABGB auf eine neue, spezifische Grundlage gestellt werden. Diese Gesetzesbestimmung orientiert sich zum einen an den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflichten, wie sie von Rechtsprechung und Lehre entwickelt wurden; und damit fügt sich die Bestimmung harmonisch in das Gesamtsystem des österreichischen Schadenersatzrechts ein. Zum anderen werden in die Regelung auch die besonders für die Baumhaftung maßgeblichen Gesichtspunkte aufgenommen. Vor allem wird auch ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes als Abwägungskriterium eingeführt, womit das zuvor beschriebene Defizit beseitigt wird. Zum dritten werden für einen Schadenersatzanspruch nach der neuen Haftungsbestimmung die allgemeinen Regelungen über die Beweislast für anwendbar erklärt, sodass einer analogen Heranziehung der Bauwerkehaftung und der dortigen Beweislastumkehr nun auch normativ der Boden entzogen wird.

C. Abgrenzungen

Die in das ABGB neu eingefügte Gesetzesbestimmung gilt nicht für Bäume im Wald. Denn die Rechtsverhältnisse im Wald werden durch das Forstgesetz 1975 besonders geregelt; und diese Gesetzesvorschrift enthält in ihrem § 176 auch ein eigenes Haftungsregime für den Wald, das durch die nunmehrige Gesetzänderung unberührt bleibt.

Die neue Bestimmung bezieht sich auch nicht auf sämtliche möglichen Schadensfälle, die im Zusammenhang mit Bäumen denkbar sind. So unterliegt beispielsweise der Sturz eines Arbeiters, der an einem Baum in der Höhe Astschnitte oder sonstige Baumpflegemaßnahmen durchführt und dabei herabfällt, ebenso anderen Regeln wie etwa der Anprall eines stürzenden Schifahrers gegen einen Baum am Rand einer Piste. Nicht jeder im weitesten Sinn baumbezogene Schaden wird also von der neuen Gesetzesbestimmung erfasst, sondern nur jene Schadensereignisse, die in der bisherigen Rechtsprechung auch der Ansatzpunkt für die Analogie zur Bauwerkehaftung waren, nämlich das Umstürzen eines Baumes sowie das Herabfallen von Ästen.

D. Exkurs: Zum ökologischen Wert und zur Gemeinwohlwirkung von Bäumen

1. In der Wissenschaftsdisziplin der Ökologie wird darauf hingewiesen, dass sich die Lebensform Baum in ihrer ökologischen Relevanz deutlich von anderen pflanzlichen Lebensformen abhebt und dass sie – neben ihren vielfältigen Funktionen im Grünraum, wo sie zumeist dominant auftritt – in Städten und Siedlungen zu den wesentlichsten Gestaltungselementen zur Schaffung höherer Lebensqualität zählt. Durch die Ausbildung besonderer Stützgewebe und einen verholzenden Stamm sind Bäume nicht nur zu einer hohen Lebensdauer, sondern auch zu hoher Strukturvielfalt und besonderem Größenwachstum befähigt. Ein außergewöhnlich großes Genom ist wohl der Grund für das hohe Regenerationsvermögen von Bäumen gegenüber Umweltstressoren, welches es Bäumen ermöglicht, die langlebigsten und größten Organismen der Erde hervorzubringen (Matyssek, R.; Fromm, J.; Rennenberg, H.; Roloff, A.: Biologie der Bäume – von der Zelle zur globalen Ebene. Eugen Ulmer KG 2010, S. 350). Diese für die Lebensform Baum kennzeichnenden Merkmale haben ein reiches Spektrum an Ökosystemdienstleistungen von Einzelbäumen (und in erweitertem Ausmaß auch von Wäldern) zur Folge. Von großer Bedeutung für den Menschen und das Gemeinwohl sind die ausgleichenden und stabilisierenden Wirkungen von Bäumen auf das globale, regionale und lokale Klima. Im Besonderen gilt das für Städte, wo die Wohlfahrtswirkung von Bäumen den negativen Effekten des Siedlungsraums auf das Klima entgegensteht (Schauberger, R.: Ökologische Wirkungen von Bäumen im Stadtgebiet – ÖKO.L Zeitschrift für Ökologie, Natur- und Umweltschutz 2000/4 S. 35). Bäume können aufgrund ihrer Verdunstungsleistung und durch Beschattung lokal zu einer Temperaturabsenkung führen und regional eine wichtige temperaturausgleichende Rolle einnehmen. Aufgrund ihres hohen Anteils an gespeichertem Kohlenstoff in lebender Biomasse wirken Bäume einer Verstärkung des Treibhauseffekts entgegen und stellen im Verlauf des Klimawandels einen bestimmenden Faktor dar, auf den der Mensch Einfluss nehmen kann (Matyssek et al. 2010). Von ebenso großer Bedeutung sind stabilisierende und reinigende Wirkungen auf den Wasserhaushalt, luftverbessernde Wirkungen durch Sauerstoffanreicherung und Filterung von Schadstoffen, Feinstaub und Gasen sowie der Schutz des Bodens vor Erosion (Matyssek et al. 2010; Bartsch, N.; Röhrig, E.: Waldökologie. Einführung für Mitteleuropa. Springer Verlag Berlin Heidelberg 2016, S. 416).

2. Die strukturreiche und langlebige Lebensform der Bäume bietet überdies einer Vielzahl von Organismen wichtigen Lebensraum und Nahrung. Der Wert des Baumes für die Artenvielfalt steigt mit zunehmender Anzahl und Vielfalt an ökologischen Nischen und Kleinstlebensräumen, in der Regel daher mit steigendem Baumalter und Stammdurchmesser. Weitere einflussreiche Faktoren sind die Baumart und der Standort des Baumes (Gloor, S.; Hofbauer, M., G.: Der ökologische Wert von Stadtbäumen bezüglich der Biodiversität. Jahrbuch der Baumpflege, Haymarket Media 2018, S. 33 – 48; Bütler, R.; Lachat, T.; Krumm, F.; Kraus, D.; Larrieu, L.: Habitatbäume kennen, schützen und fördern. Merkblatt für die Praxis, 2020/64, S. 12). Habitatstrukturen wie etwa Höhlen, Risse, Kronentotholz oder Wucherungen erfüllen spezifische Ansprüche zahlreicher Arten in unterschiedlichen Lebensphasen. Die hohe Qualität der Bäume für das Angebot an ökologischen Nischen liegt – neben der Vielgestaltigkeit der Baumorgane vom Wurzelraum bis in die Krone – auch besonders in ihrer Langlebigkeit. So bieten Bäume über Jahre hinweg Brutplätze, Unterschlupf und Nahrung sowie physikalische Stütze. Dies ist besonders wichtig für jene Lebewesen, die mehrjährige Larvenstadien durchlaufen oder selbst gänzlich immobil sind (Matyssek et al. 2010). Bäume der späten Entwicklungs- und Zerfallsphasen sind in der vornehmlich wirtschaftlich genutzten Fläche nur in sehr geringem Maß vertreten oder fehlen dort gänzlich. Ein Mangel an solchen Bäumen bedroht freilich den Fortbestand von Organismen, die an die spezifischen Strukturen dieser Altersklassen und an Totholz gebunden sind. Besonders in Städten stellen Altbäume deshalb wichtige Refugialräume dar (Gloor et al. 2018). Die Erhaltung von Altbäumen als letzte Rückzugsorte dieser Arten ist daher von wesentlicher Bedeutung für die Biodiversität und den Artenschutz.

Bäume können also durch ihre charakteristischen Merkmale und ihre Lebensform vielfältige ökologische Funktionen für Umwelt und Gesellschaft erfüllen. Es besteht daher ein hohes Allgemeininteresse an der Erhaltung besonders von alten und großen Bäumen, welches bei der Beurteilung von Sicherungserfordernissen gegenüber etwaigen Baumrisiken abwägend mitzuberücksichtigen ist. Diese abwägende Mitberücksichtigung steht im Einklang mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl. I Nr. 111/2013, mit welchem sich die Republik Österreich zum Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen, um auch zukünftigen Generationen bestmögliche Lebensqualität zu gewährleisten, und insbesondere zum umfassenden Umweltschutz bekannt hat.

E. Die Diskussion über die Baumhaftung und der bisherige Weg der Gesetzwerdung

1. Schon seit einigen Jahren ist eine öffentliche Diskussion über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Bäume im Gang. Ausgangspunkt dafür war zunächst die Aussage, dass sich die Rechtsprechung zur Haftung des Baumhalters oder Waldeigentümers gravierend verschärft habe, wogegen nur durch Gesetzesänderungen im ABGB und im Forstgesetz Abhilfe geschaffen werden könne. Diese Meinung fand bei den für Bäume Verantwortlichen bald einige Verbreitung. Eine genauere Analyse der Judikatur lässt einen Trend zu einer immer strengeren Haftung zwar nicht erkennen; gerade im Gegenteil haben die Gerichte in jüngerer Zeit eine allzu strenge Haftung von Baum- und Waldeigentümern immer abgelehnt. Freilich wurde in der angesprochenen Diskussion von Baumverantwortlichen davon berichtet, dass es ungeachtet dieser Judikaturentwicklung in der jüngeren Vergangenheit bei einschlägigen Schadensfällen vermehrt zu Anspruchstellungen und in der Folge auch zu außergerichtlichen Schadensregulierungen gekommen sei, sodass sich das reale Geschehen im Zusammenhang mit der Haftung für Bäume in der veröffentlichten Rechtsprechung nicht hinreichend abbilde. Jedenfalls wird in den betroffenen Verkehrskreisen davon ausgegangen, dass umfassende Prüf- und Sicherungspflichten bestehen. Dies hat Unsicherheiten und Haftungsängste zur Folge, die häufig zu einem unnötigen Zurückschneiden oder Fällen von Bäumen führen. Um diesen Ängsten zu begegnen, trat das Bundesministerium für Justiz in einen systematischen Diskussionsprozess mit den verschiedenen Proponenten der Baumsicherung, insbesondere mit der Plattform Österreichische Baumkonvention, ein. Ein herausragendes Ereignis in diesem Diskussionsgeschehen war das im Oktober 2019 in Hainburg durchgeführte interdisziplinäre Symposium zur Haftung für Bäume, bei dem im Dialog zwischen Baumfachleuten, Rechtswissenschafter:innen und Vertreter:innen der Gerichtsbarkeit allgemeine Standards und Kriterien für die Baumsicherung und die Baumhaftung erarbeitet wurden (vgl. zu dieser Tagung Stabentheiner/Büchl-Krammerstätter [Hrsg.], Kriterien für eine differenzierte Baumhaftung [2020]; Kathrein/Stabentheiner, Die Hainburger Thesen zur Baumhaftung, ZVR 2020, 47; Stabentheiner, Die Hainburger Thesen zur Baumsicherung, Der Sachverständige 2020, 2; vgl auch die Studie von Jandl/E. Wagner, Umweltrelevante Haftungsfragen bei Bäumen, Pflanzen und Wegen [2016], die einen wesentlichen Impuls für die Beratungen in Hainburg bildete).

2. Im Regierungsprogramm 2020 – 2024 wurde die Evaluierung der haftungsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen bei der Kontrolle und Pflege von Bäumen und Wäldern angekündigt, und zwar mit dem Ziel, Österreichs Bäume und Wälder zu erhalten und ein unnötiges Zurückschneiden oder Fällen von Bäumen zu verhindern. Unter Berufung auf diese Passage des Regierungsprogramms wurde von unterschiedlichen Seiten der Wunsch an das Bundesministerium für Justiz herangetragen, neben dem oben beschriebenen Diskussionsgeschehen, diesen Arbeiten an Standards und Leitlinien und weiteren spezifischen Projekten auch klarstellende Änderungen im Gesetzesrecht vorzubereiten und durchzuführen. Dabei sollte es nicht um Schäden im Wald gehen, zumal dafür – wie in Punkt C bereits erwähnt – ja die besonderen Regelungen des Forstgesetzes 1975 gelten.

3. Um diesem Wunsch Rechnung zu tragen, erstellte das Bundesministerium für Justiz im Winter 2021 den Entwurf eines Haftungsrechts-Änderungsgesetzes 2023, dessen zentraler Inhalt die Einfügung einer neuen Haftungsbestimmung zu Schäden durch einen Baum, nämlich eines neuen § 1319b, in das Schadenersatzrecht des ABGB sein sollte. Denn der systematisch passende Ort für eine Regelung über die Baumhalterhaftung im ABGB liegt wohl unmittelbar nach der Bestimmung des § 1319a ABGB über die Haftung des Wegehalters. Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Justiz wurde sodann im Frühjahr und Sommer 2021 in einer ministeriellen Arbeitsgruppe, die aus Vertreter:innen der inhaltlich berührten Ressorts, des Gemeindebundes, der Plattform „Baumkonvention“, der betroffenen Interessengruppen, der Kammern und der Rechtsberufe sowie aus Exponent:innen der Zivilrechtslehre zusammengesetzt war, sehr eingehend besprochen und diskutiert. Im November 2021 fand in Traunkirchen ein weiteres Symposium zur Sicherung von Bäumen statt, das unter anderem auch für dieses Gesetzesprojekt wertvolle Impulse erbrachte (vgl. zu dieser Tagung Stabentheiner/Wieser/Borkowski, Das zweite Symposium zur Baumsicherung und die Traunkirchener Thesen, ZVR 2022, 23). Aufgrund der Beratungen der Arbeitsgruppe sowie der beim Symposium in Traunkirchen erzielten Diskussionsergebnisse wurde der Entwurf noch in einigen Punkten verändert und weiterentwickelt und sodann mit ausführlichen Erläuterungen versehen. Dieser Gesetzentwurf wurde sodann dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zugeführt.

F. Hauptgesichtspunkte des Entwurfs

1. Gegenstand der neuen Bestimmung sind Schäden, die – außerhalb von Wäldern – durch einen Baum verursacht werden. Das wird bereits durch die Überschrift der Gesetzesbestimmung zum Ausdruck gebracht. Doch erfasst die Bestimmung – wie ebenfalls bereits in Punkt C ausgeführt – nicht alle denkbaren Schadensereignisse im Zusammenhang mit einem Baum, sondern beschränkt sich auf den Kernbereich der sogenannten „Baumhaftung“, nämlich auf Schädigungen durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen (Näheres zu dieser Eingrenzung sodann bei den Erläuterungen zu Abs. 1).

2. Die Schaffung einer eigenen Bestimmung über die Baumhalterhaftung verfolgt zwei Zielrichtungen: Erstens geht es darum, in einer solchen Bestimmung die speziellen haftungsrechtlichen Gegebenheiten und Fragen, die in solchen Konstellationen von Bedeutung sind, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zu unterziehen. Zweitens – und im Lichte der bisher zur Baumhaftung geführten Diskussion nicht weniger wichtig – ist es das Anliegen einer solchen Neuregelung, eine analoge Anwendung der haftungsrechtlichen Vorgaben für Bauwerke in § 1319 ABGB entbehrlich zu machen. Denn von den Proponenten der Baumsicherung wurde die analoge Anwendung des § 1319 ABGB auf das Umstürzen von Bäumen und das Abbrechen von Ästen, zu der sich die Rechtsprechung verstanden hat (1 Ob 50/70 EvBl 1970/294; 7 Ob 757/82 MietSlg 35.260; 5 Ob 564/85 SZ 59/121; 1 Ob 93/00h ZVR 2002/21; 2 Ob 203/11h MietSlg 63.205; u.a.), als zu weitreichend abgelehnt. Im Einzelnen wurde die damit zum Tragen kommende Beweislastumkehr hinsichtlich der Anwendung der zur Gefahrenabwendung erforderlichen Sorgfalt kritisiert. Es wurde argumentiert, dass die damit den Baumhalter treffende Beweislast dafür, alles Gebotene zur Schadensabwendung getan zu haben, in der Praxis zu großflächigen Fällungen zwecks Haftungsvermeidung führe. Zum anderen wurde aber auch beanstandet, dass der bei der Bauwerkehaftung im Gesetz verwendete Begriff der „mangelhaften Beschaffenheit“ bei der haftungsrechtlichen Beurteilung von Bäumen nicht sachgerecht sei, weil ein Baum als Gebilde der Natur keinen Mangel in diesem Sinn aufweisen könne. Durch die Schaffung einer eigenen Bestimmung über die Haftung des Baumhalters wird diesen Einwänden Rechnung getragen, indem einer analogen Anwendung der Bauwerkehaftung auf Bäume damit die Grundlage entzogen wird. Zur Frage der Beweislast wird überdies in Abs. 3 des neuen § 1319b ABGB die klarstellende Anordnung getroffen, dass auf einen Schadenersatzanspruch nach dieser Bestimmung die allgemeinen Regelungen über die Beweislast anzuwenden sind.

3. Rechtsdogmatisch handelt es sich bei der im neuen § 1319b ABGB geregelten Schadenersatzpflicht um eine Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Demgemäß werden in dieser Bestimmung die von Lehre und Rechtsprechung für solche Verkehrssicherungspflichten entwickelten Grundsätze gleichsam positiviert, dies allerdings bezogen auf die spezifischen Kriterien, die für das bei Bäumen relevante Risiko und für die Sorgfaltsanforderungen des Baumhalters von Bedeutung sind. Doch wird dabei unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen auch ein Abwägungselement angesprochen, das in dieser expliziten Ausformung erstmals beim Symposium in Hainburg – als These 7 – umschrieben und dann im Lichte der weiteren Diskussionen verallgemeinert wurde, nämlich ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes. Wenn ein Baum wegen seines besonderen Werts für die Lebensqualität von Menschen oder wegen seiner besonderen ökologischen Bedeutung erhaltungswürdig ist (vgl. dazu die Ausführungen in Punkt D), sollten sowohl seine Fällung als auch sonstige gravierende Eingriffe, wie etwa funktionsbeeinträchtigende Schnittmaßnahmen, so weit wie möglich vermieden werden. Freilich kann das besondere Interesse am naturbelassenen Zustand kein absolut zu stellender, sondern nur ein Aspekt unter mehreren sein, weil der Schutz von Leib und Leben selbstverständlich einen eminenten Stellenwert hat und auch die Vermeidung von Sachschäden angestrebt werden muss. Doch wird von der normativen Ausformung dieser Überlegung der Erhaltungswürdigkeit in der neuen Gesetzesbestimmung gewiss ein nicht zu unterschätzender Effekt für die Praxis ausgehen.

G. Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen).

H. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.


 

Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 1319b ABGB)

Zu Abs. 1

1. Wie bereits im Allgemeinen Teil (Punkte C und F.1) erwähnt, erfasst § 1319b ABGB nicht jeden denkbaren Schadensfall im Zusammenhang mit Bäumen, sondern knüpft nur an die typischen Schadensereignisse an, nämlich an das Umstürzen eines Baumes und an das Abbrechen und Herabfallen von Ästen. Es bleiben also durchaus Schadensgeschehnisse offen, die nicht unter diese Haftungsregelung zu subsumieren sind und für die daher die allgemeinen Regeln der Verschuldenshaftung gelten, etwa eine Verletzung, die ein Erntehelfer erleidet, wenn er auf einen Baum klettert und mit einem abbrechenden Ast abstürzt. Auch Schädigungen durch herabtropfendes Harz oder Organismen in Bäumen fallen nicht unter § 1319b ABGB. Gleiches gilt für Schäden, die durch herabfallende Früchte verursacht werden oder die auf Bodenunebenheiten aufgrund von Baumwurzeln zurückzuführen sind. Siehe weitere Beispiele nicht erfasster Schadensfälle in Punkt C des Allgemeinen Teils.

Eine Legaldefinition des Begriffs „Baum“ ist hier – ebenso wie bei den Bestimmungen der §§ 421 und 422 ABGB – nicht erforderlich. Denn das Begriffsverständnis des § 1319b ABGB korreliert mit der allgemeinen Vorstellung davon, was ein „Baum“ ist. Dazu kann auf enzyklopädische Nachschlagewerke verwiesen werden. Darin wird etwa davon gesprochen, dass unter einem Baum ein „ausdauerndes Holzgewächs mit ausgeprägtem Stamm und einer Krone aus beblätterten Zweigen oder aus großen Blättern“ zu verstehen sei (Der Brockhaus in fünfzehn Bänden, Band 1, 471 [1997]). Inhaltlich damit übereinstimmend wird im heute gängigsten elektronischen Wissensportal ausgeführt, dass es sich bei einem Baum – nach allgemeinem Sprachgebrauch – um eine „verholzte Pflanze“ handle, „die aus einer Wurzel, einem daraus emporsteigenden, hochgewachsenen Stamm und einer belaubten Krone besteht“ (Wikipedia; https://de.wikipedia.org/wiki/Baum, abgerufen am 1.12.2022). Freilich dürfen aus der Bezugnahme auf eine „belaubte Krone“ keine Fehlschlüsse gezogen werden: Selbstverständlich fallen auch Nadelbäume unter den Baumbegriff; und ein Laubbaum, der seine Blätter jahreszeitlich oder aufgrund seines Alters oder einer Krankheit verloren hat, verliert dadurch nicht seine Baumeigenschaft.

2. In § 1319b ABGB werden lediglich die allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts für die typischen Schäden durch Bäume konkretisiert. Es handelt sich dabei also um eine „klassische“ Verschuldenshaftung ohne Beweislastumkehr. Wie bei der Wegehalterhaftung des § 1319a ABGB (oder auch wie in der Haftungsregelung des § 176 Abs. 3 ForstG 1975) werden als ersatzfähige Schäden die Tötung eines Menschen, die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung sowie die Beschädigung einer Sache genannt. Träger der Haftung ist der „Halter“ des Baumes; auch mit dem Halterbegriff wird eine gängige Kategorie des Schadenersatzrechts herangezogen (vgl. §§ 1319a, 1320 ABGB). Baumhalter wird in der Regel der Eigentümer oder auch der Pächter des Grundstücks sein, auf dem sich der Baum befindet. Die Haftung anderer Personen im Zusammenhang mit Bäumen wird durch § 1319b ABGB nicht erfasst; so richtet sich etwa die Haftung eines Baumpflege- oder Baumschnittunternehmens, das bei der Baumpflege oder bei der Fällung eines Baumes einen Schaden verursacht, nicht nach dieser Bestimmung, sondern nach den allgemeinen Regeln der Verschuldenshaftung.

3. Wenn sich der Baum im Nahebereich eines Weges befindet, besteht die Haftung nach § 1319b ABGB parallel zur Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB. Das gilt auch, wenn der Baumhalter und der Wegehalter identisch sind; in diesem Fall haftet der Halter für die Baumgefahr nach § 1319b und für die Gefahr des Weges nach § 1319a ABGB.

Abgrenzungsfragen können sich ergeben, wenn der Wegehalter und der für Bäume im angrenzenden Gelände Verantwortliche verschiedene Personen sind. Für die Lösung solcher Abgrenzungsfragen ist – weiterhin – der bisherige Meinungsstand zu beachten, wonach der „mangelhafte Zustand eines Weges“ auch daraus resultieren kann, dass ein Baum im Nahebereich des Weges umzustürzen oder dort ein Ast herabzubrechen droht, wenn dadurch die Verkehrssicherheit des Weges nicht länger gegeben ist. Die Sicherungspflicht des Wegehalters endet räumlich also nicht genau an den Randlinien des Weges; vielmehr hat der Wegehalter in solchen Fällen auch Sicherungsmaßnahmen außerhalb der eigenen Verkehrsfläche zu setzen, und zwar in dem durch die Sorgfaltspflichten gebotenen Umfang (wie etwa das Aufstellen von Gefahrenzeichen oder die Prüfung der neben dem Weg oder oberhalb des Weges befindlichen Bäume auf ihre Stand- und Bruchsicherheit). Welche Maßnahmen ein Wegehalter demnach zu ergreifen hat, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, seiner Widmung, seiner geographischen Situierung in der Natur und der daraus vernünftigerweise zu erwartenden Benutzung angemessen und zumutbar ist (Karner, Kriterien für eine differenzierte Baumhaftung, in Stabentheiner/Büchl-Krammerstätter, Baumhaftung 103 [104 f. m.w.N.]; 6 Ob 21/01h SZ 74/78; 1 Ob 260/05z ZVR 2006/198; vgl auch F. Bydlinski, Verkehrssicherungspflichten des Wegehalters im Bergland, ZVR 1998, 326); dies ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Es kann daher in dieser Konstellation einer Personenverschiedenheit bei einer Schadenszufügung etwa durch einen auf einen Weg stürzenden Baum zu einer Kumulation der Schadenszurechnung kommen, wenn dem Schadenseintritt eine Verletzung der Sorgfaltspflicht sowohl des Baumhalters als auch des Wegehalters zugrunde lag; diesfalls haftet jeder der beiden nach den für seine Haftung geltenden Grundsätzen.

Zu betonen ist allerdings, dass sich an all dem durch die Schaffung des § 1319b ABGB nichts ändert; die nunmehr vorgesehene Einführung einer eigenen Gesetzesbestimmung für die Schädigung durch einen Baum hat auf die mögliche Parallelität von Wegehalter- und Baumhalterhaftung und die dabei zu lösenden Abgrenzungsfragen keinen Einfluss.

4. Wie schon im Allgemeinen Teil (Punkt F.3) erwähnt, handelt es sich bei der im neuen § 1319b ABGB geregelten Schadenersatzpflicht um eine Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Haftungsgrund ist dabei die Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes. Diese Sorgfaltspflichten werden im Abs. 2 der Bestimmung näher konkretisiert.

5. Ganz allgemein sei darauf hingewiesen, dass aus den Regelungen dieser neuen Bestimmung keine Gegenschlüsse hinsichtlich der allgemeinen Haftungsgegebenheiten gezogen werden dürfen. Es ist keinesfalls die Intention der spezifischen Regelung über die Haftung für Schäden durch einen Baum, irgendwelche Wirkungen für das Verständnis der sonstigen Bestimmungen des Schadenersatzrechts zu erzeugen.

Zu Abs. 2

1. Im ersten Satz des Abs. 2 werden zunächst Kriterien für die Art und das Ausmaß der Sorgfaltspflichten des Baumhalters genannt. Es handelt sich dabei – arg. „insbesondere“ – um eine bloß demonstrative Auflistung. Die hier angeführten Elemente knüpfen an die beim Symposium vom Oktober 2019 in Hainburg entwickelten Thesen zur Baumhaftung an (vgl. zu diesen Thesen Kathrein/Stabentheiner, Die Hainburger Thesen zur Baumhaftung, ZVR 2020, 47).

Ein sehr maßgebliches Kriterium ist der Standort des Baumes und die mit diesem Standort verbundene Gefahr. Es ist evident, dass etwa ein auf einem Kinderspielplatz oder im unmittelbaren Nahebereich eines stark frequentierten Verkehrswegs stehender Baum hinsichtlich des möglichen Schadensausmaßes eine größere Gefahrenquelle ist als etwa ein Baum in einem kaum begangenen und genützten Hinterhof. Diese Abstufung gilt umso mehr für Bäume außerhalb des Siedlungsraums oder in der freien Landschaft, insbesondere abseits von Wegen. Weitere wichtige Beurteilungsmomente sind die Größe, der Wuchs und der Zustand des Baumes. Unter dem Kriterium der Größe sind die vertikalen und die horizontalen Ausmaße des Baumes, also die Höhe des Baumes und der Umfang seiner Krone und seiner Äste zu verstehen. Beim Kriterium des Baumwuchses sind vor allem solche Entwicklungen des Baumes von Bedeutung, die einen Einfluss auf die Stand- und Bruchfestigkeit des Baumes haben. Mit dem Tatbestandsmerkmal des Baumzustandes sind in erster Linie das Alter des Baumes und sein Gesundheitszustand gemeint. Weitere diesem Kriterium zuzurechnende Einflussfaktoren sind denkbar, etwa die Frage, ob der Baum aufgrund von Veränderungen in seinem Umfeld mit einem Mal topographisch exponierter steht als zuvor und verstärkt dem Wind ausgesetzt ist. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei aber darauf hingewiesen, dass es für die erforderlichen Maßnahmen letztlich immer auf den konkreten Baum ankommt; allein der Umstand, dass bei einer bestimmten Baumart gehäuft eine Krankheit (man denke beispielsweise an das Eschentriebsterben) oder ein Schädlingsbefall auftritt, führt für sich genommen noch nicht zur Notwendigkeit etwa von Schnittmaßnahmen. Ein dritter Pfeiler für die Beurteilung der konkreten Sorgfaltsanforderungen liegt im Element der Zumutbarkeit: Welche Maßnahmen zur Schadensvorkehrung in welcher Intensität und in welcher Frequenz vom Baumhalter verlangt werden können, hängt sehr wesentlich auch von der Zumutbarkeit der Maßnahmen ab, insbesondere von dem mit ihnen verbundenen Aufwand. Hier ist allenfalls ein Ansatzpunkt dafür zu erblicken, zwischen der öffentlichen Hand als Baumhalter und privaten Baumeigentümern zu differenzieren. Auch ist es je nach den Gegebenheiten denkbar, beim Aspekt der Zumutbarkeit etwa zwischen großen Gemeinden mit entsprechenden Ressourcen und kleinen, wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Landgemeinden zu differenzieren, wie dies in der Rechtsprechung beispielsweise beim Umfang der Streupflicht auf Straßen (OGH 8 Ob 150/78 ZVR 1979/316), andeutungsweise aber selbst auch bei der Haftung für Bäume geschehen ist (OGH 5 Ob 564/85 EvBl 1987/192).

2. Als mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden aus dem Umstürzen von Bäumen und dem Herabfallen von Ästen werden „Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen“ genannt.

Die Baumprüfung besteht in erster Linie in der optischen Kontrolle des Baumes vom Boden aus (Augenscheinskontrolle); je nach den Gegebenheiten des Falles können aber auch weitergehende Untersuchungen erforderlich sein. Zur Kontrollfrequenz und zur Art der Kontrolle wurden im Expertenkreis bereits anwendungsorientierte Handlungsanleitungen in Gestalt eines Leitfadens ausgearbeitet, auf die man in der Praxis zur Lösung dieser Fragen zurückgreifen kann. Denn die Frage, welche Prüfungsmaßnahmen in der jeweiligen Konstellation zu verlangen sind, ist ja primär aus fachlicher Sicht zu beantworten; es ist nicht Aufgabe des Schadenersatzrechts, dafür konkrete Vorgaben zu statuieren. Aus haftungsrechtlicher Sicht kann allerdings gesagt werden, dass jedenfalls solche Prüfungen, die ihrerseits zu einer Beschädigung des Baumes mit potentiell negativen Auswirkungen auf dessen Standfestigkeit führen, unverhältnismäßig wären, weil dadurch das präventive Ziel des Schadenersatzrechts (nämlich die Schadensvermeidung) konterkariert würde.

Die Sicherung eines Baumes kann einerseits in geeigneten Baum- oder Astschnitten, andererseits aber auch in technischen Stabilisierungsmaßnahmen bestehen. Doch sind Sicherungsmaßnahmen nicht auf Vorkehrungen am Baum selbst beschränkt. Sie können etwa auch in Absperrungen bestehen, die verhindern sollen, dass Menschen einen durch Baumsturz oder Astbruch gefährdeten Bereich betreten. Das wird besonders in Fallkonstellationen in Betracht kommen, wie sie im zweiten Satz des Abs. 2 angesprochen werden. Die Anerkennung eines Interesses an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes bedeutet ja nicht, dass jedenfalls jegliche Sicherung unterlassen werden könnte, auch wenn vom Baum tatsächlich schon eine beträchtliche Gefahr für Menschen in seinem Nahebereich ausgeht. Gerade in solchen Fällen kann eine – dauerhafte oder temporäre – Absperrung oder auch die Verlegung eines bislang unter dem Baum verlaufenden Weges das Sicherungsmittel der Wahl sein. Außerhalb einer akuten Gefährdungslage kann es bei einem solchen Interesse (nämlich an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes) zur Gefahrenabwehr auch ausreichen, die Passanten durch plastische Hinweise zu einem möglichst kurzen Verweilen im Gefahrenbereich – also zu einem raschen Passieren – aufzufordern (vgl zu all dem die Thesen 2 und 3 des Traunkirchener Symposiums und dazu wiederum Stabentheiner/Wieser/Borkowski, ZVR 2022, 23). 

3. Von der Aufnahme einer generellen Aussage über die regelhaft ausreichende Frequenz von Baumkontrollen des Inhalts, dass es im Allgemeinen genüge, wenn ein Baum einmal im Jahr auf mögliche Gefahrenquellen geprüft werde, wurde im Lichte der dazu geführten Diskussion in der einberufenen Arbeitsgruppe letztlich Abstand genommen. Eine generelle Aussage in diese Richtung entspräche zwar der einschlägigen Expertise unter Baumfachleuten (und deshalb wurde sie in der ersten Entwurffassung zunächst auch noch aufgegriffen), doch könnte sie in Einzelfällen zu Fehlschlüssen führen. So wird eine Kontrollfrequenz von einem Jahr etwa dann nicht ausreichend sein, wenn aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten mit einer erhöhten Gefahr zu rechnen ist, zum Beispiel bei Bäumen in sehr hohem Alter und schon bedenklichem Zustand. Umgekehrt sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen eine Kontrollfrequenz von einem Jahr nicht erforderlich ist oder eine Kontrolle über eine längere Zeit auch gänzlich entfallen kann, wie etwa bei noch kleinen Bäumen oder einem nicht unmittelbar an einem Weg gelegenen Einzelbaum.

4. Der zweite Satz des Abs. 2 knüpft an eine Überlegung an, die bereits bei den Symposien in Hainburg und Traunkirchen ein wichtiges Thema war und zur Hainburger These 7 über Nationalparks und „naturbelassene Wege“ sowie zur Traunkirchener These 2 geführt hat. Es geht darum, dass in bestimmten Konstellationen ein besonderes, über das allgemeine Bestreben nach Erhaltung von Bäumen noch hinausgehendes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes (oder mehrerer Bäume) besteht. Typische Beispiele dafür wären etwa Nationalparks oder vergleichbare Schutzgebiete oder aber auch ein Baum, der als Naturdenkmal unter Schutz steht. Doch ist ein solches Belassungs- bzw. Erhaltungsinteresse nicht notwendigerweise auf Bäume beschränkt, die eine naturschutzrechtliche Kategorisierung erfahren haben, sondern kann auch bei sogenannten Habitatbäumen oder sonstigen ökologisch wertvollen Bäume bestehen, auch wenn diese nicht in einer rechtsförmigen Weise als schützenswert ausgewiesen wurden. In solchen Fällen wäre es mit dem spezifischen Belassungs- bzw. Erhaltungsinteresse kaum in Einklang zu bringen, etwa durch einen intensiven Baumschnitt für die gesicherte Beseitigung jedweder Gefahrenquelle zu sorgen, wenn damit das Erscheinungsbild oder die Wesenheit des Baumes schwer gestört oder gar zerstört würde. Daher ordnet der zweite Satz an, dass in solchen Sonderfällen das spezielle Interesse am naturbelassenen Zustand unter dem Aspekt der Zumutbarkeit angemessen zu berücksichtigen ist. Das bedeutet zweierlei: Zum einen werden – wie oben bereits erwähnt – in solchen Fällen zur Sicherung eher Absperrungen oder sonstige Zutrittsbeschränkungen an Stelle von Schnittmaßnahmen in Betracht kommen. Zum anderen ist es denkbar, sich hier nur auf die Abwendung von Akutgefahren zu beschränken und zum Ausgleich dafür deutliche Hinweise anzubringen, durch die in den Nahebereich des Baumes kommende Personen auf die mit dem Betreten des jeweiligen Bereichs verbundenen Gefahrenelemente aufmerksam gemacht und vor diesen gewarnt werden. Solche Gefahrenhinweise sollten auch eine Warnung dahin enthalten, dass bei zusätzlichen Gefährdungsmomenten, wie Sturm, Starkwind oder Schneedruck, der jeweilige Bereich keinesfalls betreten werden sollte (vgl. zu all dem den Punkt 7 der Hainburger Thesen, Kathrein/Stabentheiner, ZVR 2020, 47 [52 ff.], sowie den Punkt 2 der Traunkirchener Thesen, in dem besonders Konstellationen außerhalb des geschlossenen Siedlungsraums in den Blick genommen werden, Stabentheiner/Wieser/Borkowski, ZVR 2022, 23 [24 f]).

5. Das eben Gesagte führt gedanklich zu einem wesentlichen Element auf Seiten des potenziell Geschädigten, nämlich zum Element der Eigenverantwortung. Unter diesem Aspekt kann nämlich vom Einzelnen erwartet werden, dass er sich bei erkennbaren Gefährdungssituationen, wie zum Beispiel Starkwind, Sturm oder Schneedruck, von hohen Bäumen fernhält. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung der Rechtsfigur der „Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten“ (wie sie im Übrigen auch in der Mitverschuldensregelung des § 1304 ABGB zum Ausdruck kommt). Die Reflexwirkung dieser Eigenverantwortung auf den Baumhalter liegt darin, dass dieser im Rahmen seiner Pflicht zur Baumsicherung nicht auch solche Sicherungsmaßnahmen ergreifen muss, die auch in diesen Situationen erhöhten Risikos einen Schutz vor Schäden aus Baumstürzen oder Astbrüchen böten. Eine solche Sorgfaltsanforderung würde nämlich die Grenzen der Zumutbarkeit überschreiten (vgl. dazu den Punkt 5 der Hainburger Thesen, Kathrein/Stabentheiner, ZVR 2020, 47 [51 f.]).

Zu Abs. 3

Hier wird angeordnet, dass auf einen Schadenersatzanspruch nach dieser Bestimmung die allgemeinen Regelungen über die Beweislast anzuwenden sind. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei Erhebung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Baumhalter den Beweis dafür zu erbringen hat, dass der Baumhalter die erforderliche Sorgfalt im Sinn der beiden vorangegangenen Absätze vernachlässigt hat. Das wird hier nur deshalb ausdrücklich vorgesehen, um gleichsam einen gesetzgeberischen Kontrapunkt zu der bisher aus der Analogie zu § 1319 ABGB angenommenen Beweislastumkehr zu setzen.

Zu Abs. 4

Die Bestimmung des § 1319b bezieht sich auf Bäume außerhalb von Wäldern, zumal für Wälder die Sonderhaftungsregelung des § 176 ForstG gilt. Dies wird durch den Verweis des Abs. 4 auf die genannte Bestimmung explizit klargestellt. Gesetzliche Regelungen über den Schutz oder die Erhaltung von Bäumen bleiben ebenfalls unberührt.

 

Zu Z 2 (§ 1503 ABGB)

In Abs. 25 des § 1503 ABGB wird die Inkrafttretens- und Übergangsregelung zur Einführung des neuen § 1319b ABGB getroffen. Die neue Rechtslage ist nur auf solche Schadensfälle anzuwenden, die sich nach ihrem Inkrafttreten ereignen.