Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geschätzte Frau Minister! Wir leben in einer sehr vernetzten Wirtschaftswelt. Ich glaube, Österreich ist ein großer Profiteur dieses Umstandes. Wir verdienen durch den Export unserer hochwertigen Produkte 6 von 10 Euro im Ausland. Allerdings hat uns gerade die Covid-Krise gezeigt, dass wir teilweise – Sie haben es schon angesprochen – hinsichtlich Vormaterialien aus Asien auch vor eine Herausforderung gestellt werden. Ich glaube, Europa muss da entsprechend agieren, wir müssen unsere technologische Souveränität stärken. Meine Frage an Sie lautet daher:

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„Wie kann industrielle Produktion, insbesondere von kritischen Produkten, in Europa ge­stärkt werden?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. In Europa war man in den vergangenen Jahrzehnten durchaus anderer Meinung und auf Kommissionsebene manchmal auch ein bisschen naiv – das darf ich doch auch sagen –, wenn Übernahmen erlaubt worden sind, Fusionen verboten worden sind, auf europäischer Ebene ganze Unternehmen­schaften verschwunden sind. Ich weiß das, weil ich selbst in dieser Branche, in der IT-Branche, gearbeitet habe.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir diese Themen aufgreifen und Schwerpunktbereiche setzen: im Halbleiterbereich, im Bereich Wasserstoff, im Bereich Batterien und im Be­reich der Dekarbonisierung, zu dem natürlich auch die Automobilindustrie gehört. Wir müssen die bestehenden Instrumente nutzen: Ich sage immer, dass Ipcei, Important Projects of Common European Interest, das Mittel der Wahl ist, aber was ich von der Europäischen Kommission auch verlange, ist, dass diese sich beteiligt. Im Moment ist es ein Instrument, das ausschließlich von den Ländern finanziert wird. Wir brauchen die Zustimmung der Europäischen Kommission, aber es ist mehr nur ein Kontrollinstrument und nicht jemand, der auch einen Value-Add im Sinne von Mitfinanzierung bringt. Das würde ich mir erwarten, dafür kämpfe ich auch im Wettbewerbsrat, das ist eines der wichtigsten Instrumente.

Generell arbeiten wir an einer neuen Industriestrategie für Europa, einer zukunftsgerich­teten, mit den Schwerpunkten Digitalisierung, Innovation, Nachhaltigkeit und vor allem mit dem Ziel des Erhalts bestehender und der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Die Covid-Krise hat anfangs nicht nur die Industrie vor Herausforderungen gestellt, sondern natürlich im Laufe dieser eineinhalb Jahre teilweise die gesamte Wirtschaft in finanzielle Notstände gebracht. 20 Prozent der Unternehmen haben mittlerweile ein negatives Eigenkapital. Wie können wir nach der Covid-Krise das Eigenkapital der Unternehmen stärken?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Eigenkapitalstärkung ist auch ein wesentliches Thema. Die Eigenkapital­ausstattung ist durchaus unterschiedlich ausgeprägt. Wir haben Branchen, die über ein sehr hohes Eigenkapital verfügen. Je mehr produziert wird, umso höher ist der Eigenka­pitalanteil, und das ist unabhängig davon, ob es ein großer Leitbetrieb oder ein mittel­ständisches Unternehmen ist.

Die nächste Stufe ist dann das Gewerbe, und am wenigsten Eigenkapitalausstattung haben wir natürlich im Tourismus, in der Hotellerie und im Eventbereich. Darum müssen wir daran arbeiten, und das macht auch das Finanzministerium entsprechend. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: zum Beispiel eine eventuelle Verzinsung des Eigen­kapitals – warum soll nur Fremdkapital verzinst werden? –, eine Gleichstellung von Ei­genkapital und Fremdkapital, eine Verstärkung des Kapitalmarkts. An all diesen Punkten wird gearbeitet.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Koza. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin, weil wir ge­rade das Thema Industrie gehabt haben: In der Industrie wird ja immer wieder ein Fach­kräftemangel beklagt. Gleichzeitig stehen die Industrie, die Wirtschaft insgesamt und die Arbeitswelt vor massiven Umstrukturierungen, vor einem Strukturwandel – Stichwort Kli­mawandel, Dekarbonisierung, Digitalisierung. Dieser Strukturwandel wird auch massive Auswirkungen auf die Produktion und die Arbeitsprozesse sowie auch auf die Arbeitswelt insgesamt haben.

Welche Aktivitäten setzen Sie, setzt Ihr Ministerium im Bereich der Lehrberufsentwick­lung, um einerseits dem drohenden Facharbeitermangel tatsächlich entgegenwirken zu können und gleichzeitig auch diesen gesellschaftlichen Herausforderungen, also Klima­krise, Dekarbonisierung und Digitalisierung, gerecht zu werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sie haben einen ganz wichtigen Punkt angesprochen: das Thema Fach­kräfte und Lehre. Österreich ist bekannt für seine duale Ausbildung, aber wir müssen dort auch weitere Schritte setzen. Sie kann nicht so bleiben, wie sie in den Siebziger­jahren, in den Achtzigerjahren war. Deshalb haben wir da schon gemeinsam einige Punkte gesetzt, und ich weiß, dass da auch Einstimmigkeit herrscht – zum Beispiel dahin gehend, dass alle Lehrberufe alle fünf Jahre überarbeitet werden. Als ich zum ersten Mal Ministerin geworden bin, habe ich entdeckt, dass zum Beispiel der Beruf Dachdecker 1973 zum letzten Mal überarbeitet worden ist. Das darf nicht sein.

Es braucht also eine regelmäßige Überarbeitung der Lehrberufe, digitale Inhalte und einen neuen Ansatz: Eine Lehre nach der Matura muss in Österreich genauso selbstver­ständlich sein wie in Deutschland. Wir haben dafür die duale Akademie geschaffen, die wir jetzt auf ganz Österreich ausrollen können. Oberösterreich ist das beste Beispiel dafür. Jeder, der schauen will, wie das geht, schaut nach Oberösterreich. Wir werden uns dadurch auch mehr Fachkräfte sichern.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 102/M, stellt Abgeordnete Oberrauner. – Bitte sehr.