9.17

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass ich heute zu Beginn des Sommers mit einem sehr optimistischen Ausblick auf die nächsten Monate und Jahre vor Ihnen stehen darf. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren eine Pandemie erlebt, die in ihrem Ausmaß historisch war, die uns alle massiv gefordert hat und die natürlich neben der gesundheitlichen Herausforderung auch eine massive Herausforderung für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt gebracht hat.

Wir alle wissen, dass Corona nicht vorbei ist. Das Virus ist nicht verschwunden, aber durch den Impffortschritt gelingt es uns, das Virus immer weiter zurückzudrängen, es gelingt uns, immer mehr Menschen zu schützen. (Abg. Belakowitsch: Das sieht man gerade in Israel!) Das sind gute Nachrichten für unser aller Gesundheit, das sind vor allem aber auch gute Nachrichten für Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf nun in den folgenden paar Minuten darauf eingehen, warum ich glaube, dass wir sehr, sehr optimistisch und positiv auf die nächs­ten Jahre blicken können, und welche Weichenstellungen wir vonseiten der Bundesre­gierung diesbezüglich für relevant erachten.

Zunächst einen kurzen Blick zurück: Wir haben in der Bundesregierung zu Beginn der Krise entschieden, dass wir alles tun wollen, um die Folgen der Krise wirtschaftlich und insbesondere für die Beschäftigten abzufedern. Es hat mich gestern jemand angespro­chen, der gesagt hat: Na ja, bei dem Satz: „Koste es, was es wolle“, habe ich mich doch irgendwie unwohl gefühlt! – Ich verstehe das, da ich immer, seitdem ich politisch tätig bin, dafür gekämpft habe, dass wir sparsam mit Steuergeld umgehen (Abg. Kickl: Ah, ah, Sie waren sehr zurückhaltend mit Werbeausgaben! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), dass wir versuchen, das Budget unter Kontrolle zu halten. Ich war auch irrsinnig stolz darauf, dass wir nach 60 Jahren Schuldenpolitik als Bundesregierung diese Schul­denpolitik beendet haben und sogar zwei Jahre lang einen Budgetüberschuss zustande gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Genauso wie sich diese Haltung niemals bei mir ändern wird, bin ich froh und halte es nach wie vor für richtig, dass wir in Zeiten der Krise ganz bewusst versucht haben, die Folgen der Krise abzufedern. Wir haben mit dem Härtefallfonds, der Kurzarbeit und vie­len anderen Tools alles getan, damit die Menschen ihre Arbeit überall dort, wo es mög­lich ist, nicht verlieren, damit sie in Beschäftigung bleiben und trotz Weltwirtschaftskrise und Pandemie ein geregeltes Einkommen haben. Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin froh, dass wir das gemacht haben, und ich bin froh, dass es gelungen ist, in dieser Zeit der Krise über eine Million Menschen durch die Kurzarbeit in Beschäftigung zu hal­ten, die sonst, ohne diese Maßnahmen, ihren Job verloren hätten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Aufschwung in der Weltwirtschaft, die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, und na­türlich darüber hinaus auch Investitionen, die das Wachstum ankurbeln, führen jetzt da­zu, dass wir eine sehr, sehr positive Prognose haben. Wir erwarten ein Wirtschafts­wachstum von 4 Prozent in diesem Jahr, vielleicht noch mehr im nächsten Jahr. Das heißt, es gibt sehr guten Grund, auch einmal positiv in die Zukunft zu blicken, sich da­rüber zu freuen. Die Arbeitslosenzahlen sinken, und die Zahlen des Wirtschaftswachs­tums steigen ständig nach oben. Wir haben eine Phase des wirtschaftlichen Booms vor uns, wir haben eine Phase des Aufschwungs vor uns, und das ist etwas Positives, das uns parteiübergreifend eigentlich zuversichtlich machen sollte. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen.)

Und jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, hat die Politik die Verantwortung, alles zu tun, um diesen Aufschwung zu unterstützen und gleichzeitig sicherzustellen, dass alle Menschen in unserem Land davon profitieren. Was bedeutet das? – Das bedeutet aus meiner Sicht, dass wir keine Steuerdebatten führen sollten, denn Steuererhöhungen, all diese Debatten: Wo kann man noch mehr Steuern einführen?, tun eines, nämlich: sie bremsen unsere Wirtschaft. Daher glaube ich, dass der Weg, dass wir versuchen, Regu­lierungen weiter zu reduzieren und die Steuerlast für arbeitende Menschen, insbeson­dere für kleine und mittlere Einkommensbezieher, auch weiter zu reduzieren, der richtige ist, weil das nicht nur gut für den Standort und für die wirtschaftliche Entwicklung ist, sondern es auch zu mehr Gerechtigkeit führt, wenn Menschen, die arbeiten gehen, mehr zum Leben haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das ist der Weg, sehr geehrte Damen und Herren, den wir schon vor Jahren einge­schlagen haben. In unserer Koalition mit der FPÖ war eine der ersten Maßnahmen, an der wir gearbeitet haben, dass wir den Familienbonus eingeführt haben: 1 500 Euro pro Kind pro Jahr für Menschen, die arbeiten gehen und Kinder haben. Wir haben darüber hinaus die Lohn- und Einkommensteuer und die Sozialversicherungsbeiträge für kleine Einkommen gesenkt, damit Menschen mit kleinem Einkommen mehr zum Leben bleibt. Und seit ich Bundeskanzler bin, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir stets auch die Mindestpensionen und die kleinen Pensionen über der Inflation angepasst – das wird Ihnen nicht gefallen, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, aber wir haben sie stärker erhöht, als das unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern der Fall war –, und auch diesen Weg werden wir fortsetzen, sehr geehrte Damen und Her­ren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Was bisher unser Weg war, wird auch nach der Krise unser Weg bleiben, nämlich: Oberstes Ziel bleibt, die Menschen, die täglich aufstehen und arbeiten gehen, zu entlas­ten, die Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und jetzt in der wohlverdien­ten Pension sind, zu unterstützen und alles zu tun, dass der, der arbeiten geht, nicht der Dumme ist.

Dazu gehört auch – und das sage ich in aller Deutlichkeit –, dass wir den Weg fortsetzen, Zuwanderung ins Sozialsystem konsequent zu bekämpfen. Es gibt bei den arbeitslosen Menschen in unserem Land eine überproportional hohe Zahl an ausländischen Staats­bürgern, wir haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder auch Zuwanderung in unser Sozialsystem erlebt – das ist etwas, das wollen wir nicht und das gehört entschlossen bekämpft, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Neben der Notwendigkeit, dass wir arbeitende Menschen entlasten, ist es auch wichtig – und das ist genauso relevant –, dass wir alles tun, dass junge Menschen in unserem Land alle Chancen haben – ganz gleich, wer ihre Eltern sind, was ihre Eltern arbeiten oder welchen Ausbildungsstand ihre Eltern haben. Wir wollen eine Aufstiegsgesellschaft sein und daher investieren wir auch ganz bewusst dahin gehend, dass wir die Kinder unterstützen, die in der Coronakrise vielleicht nicht den Bildungserfolg erzielen konnten, den sie gerne gehabt hätten. Die Krise war eine massive Belastung für Eltern, Familien, Kinder. Das Unter-einen-Hut-Bringen von Homeschooling auf der einen Seite und einem Job auf der anderen Seite war für viele Familien eine enorme Herausforderung.

Daher bin ich froh, dass wir gemeinsam mit dem Bildungsminister eine Sommerschule auf den Weg bringen konnten, in der 40 000 Schülerinnen und Schüler jetzt die Möglich­keit haben, ihre Sprachkenntnisse zu forcieren, Mathematik voranzutreiben und in ande­ren Kernkompetenzen besser zu werden. Diese Sommerschule werden wir über den Sommer hinaus auch in den nächsten Jahren fortsetzen, um gerade auch Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Familien zu unterstützen, sodass wir eine Auf­stiegsgesellschaft sind, in der jeder es schaffen kann, erfolgreich zu sein, in der jeder es schaffen kann, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und in weiterer Folge für seine eigene Familie auch zu sorgen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zum Dritten, sehr geehrte Damen und Herren, hat die Krise eines ganz deutlich gezeigt: Immer mehr Wertschöpfung findet in den großen Digitalkonzernen statt. Was bedeutet das für uns? – Das bedeutet für uns, dass wir auf der einen Seite diese Konzerne besser besteuern müssen, dass wir diese Konzerne stärker besteuern müssen. Wir sind froh über den internationalen Fortschritt, den es in diesem Bereich gibt, aber wir wollen hier in Österreich weiter vorangehen. Wir waren unter den ersten Ländern, die eine Digital­steuer eingeführt haben, um genau diese großen Tech-Konzerne zu besteuern, und wir werden diesen Weg weiter fortsetzen, um mehr Steuergerechtigkeit auch zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen in Österreich auf der einen Seite und gro­ßen Tech-Konzernen auf der anderen Seite herzustellen.

Parallel dazu ist es aber wichtig, dass wir selbst in Österreich die Digitalisierung vo­rantreiben. Wir – die zuständige Ministerin sitzt neben mir – investieren gerade 1,4 Mil­liarden Euro in den Ausbau von superschnellem Internet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Wir stellen sicher, dass in der Schule nicht nur alle Schülerinnen und Schüler mit End­geräten, also mit Tablets oder Laptops, versorgt werden, sondern dass auch im Unter­richt diese digitalen Tools mehr und mehr genutzt werden. Und wir investieren in die Digitalisierung unserer Verwaltung, weil wir wissen, dass in diesem Bereich mehr und mehr Wertschöpfung stattfinden wird und dass viele Jobs in Zukunft von diesem Bereich mehr und mehr abhängen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir können zu Recht optimistisch auf die nächsten Jahre schauen, wir können zu Recht voller Optimismus auf die Wirtschaft, auf den Ar­beitsmarkt, auf die Beschäftigung blicken, und wir werden uns als Bundesregierung be­mühen, die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um diesen Aufschwung auch stattfinden zu lassen, um ihn zu unterstützen und vor allem um sicherzustellen, dass er bei allen Menschen ankommt, die täglich aufstehen und hart arbeiten, denn das sind diejenigen, die in unserem Land nicht die Dummen sein dürfen. – Vielen Dank, sehr geehrte Damen und Herren. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeord­neten der Grünen.)

9.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Melchior. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.