16.30
Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Grundsätzlich ist es in Ordnung, innovative Pflegekonzepte und -projekte über den Bund zu fördern. Allerdings ist diese Gesetzesnovelle bis auf vier Überbegriffe reichlich unspezifisch. Man hat den Eindruck, das Ministerium weiß nicht konkret, was es fördern will, legt aber schnell irgendetwas vor, um irgendwie Mittel aus dem EU-Recoveryfund zu bekommen. Ob das der Sinn der Sache ist, bezweifle ich.
Gerade der Gesundheitsminister, der selbst Arzt in einer Primärversorgungspraxis war, sollte wissen, dass die niedergelassene Pflege bei der Vergütung in der Luft hängt und von länderspezifischen Vereinbarungen abhängt. Daher bräuchte es für die niedergelassene Pflege – analog zu den Ärzten – dringend einen Abrechnungskatalog mit der Sozialversicherung.
Warum es für Pflegeprojekte EU-Fördermittel aus dem Recoveryfund braucht, ist mir auch schleierhaft. In England und in den skandinavischen Ländern wird die Pflege in der Primärversorgung schon längst flächendeckend eingesetzt – ganz einfach deshalb, weil es die Versorgung verbessert und die Spitäler entlastet.
Warum man in Österreich mit guten Projekten, die keiner EU-Förderung bedürfen, so lange zuwartet, bis es eine EU-Förderung gibt, ist unverständlich.
Um konkrete Vorschläge vorzulegen, bringe ich jetzt zwei Anträge ein: einen Antrag zum Abrechnungskatalog für die Pflege mit der Sozialversicherung und einen Antrag zu den Schoolnurses. Mit diesen sinnvollen Maßnahmen, die sich ganz ohne EU-Förderung von selbst rechnen, hätten wir schon längst beginnen können.
Ich bringe daher folgende Anträge ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, anhand von internationalen best-practice-Beispielen den Tätigkeitsbereich der Primärversorgungspflege zu definieren, einen Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung voranzutreiben und dafür ein Finanzierungsmodell von Bund und Ländern zu hinterlegen.“
*****
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend „School Nurses für Schulen in Österreich“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine praktikable Vorlage zur Einführung von School Nurses an Österreichs Schulen zu erarbeiten und dem Parlament umgehend zuzuleiten.“
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In Sinne der adäquaten Pflege in Österreich bitte ich um breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
16.32
Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung
eingebracht im Zuge der Debatte in der 115. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1777/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1003 d.B.) - TOP 9
Mit der Etablierung der Primärversorgungszentren und -netzwerke (Gesundheitsreform 2013) wurde die Pflege in der niedergelassenen medizinischen Versorgung deutlich aufgewertet. Was jedoch immer noch fehlt, ist ein Abrechnungskatalog mit der Krankenversicherung, wie es diesen in der ärztlichen Versorgung bereits gibt. Durch den fehlenden Abrechnungskatalog wird nicht nur die Etablierung der Pflege in der Primärversorgung erheblich erschwert, sondern auch die Verbreitung der selbständigen, niedergelassenen Pflege. Gerade in Zeiten des niedergelassenen Ärztemangels macht es deshalb Sinn, darüber nachzudenken, welche nicht klassisch pflegerischen Leistungen die niedergelassene Pflege im niedergelassenen Bereich übernehmen könnte. Die MedUni Graz hat sich diesbezüglich die Mühe gemacht, das Leistungsspektrum der Primärversorgungspflege im internationalen Umfeld zusammenzutragen. Der Umfang der durch Pflegekräfte übernommenen Tätigkeiten in der Primärversorgung ist dabei international sehr groß. Das Leistungsspektrum umfasst so einfache Leistungen bis hin zu umfassendem Management, inklusive Diagnostik, Therapie, Patient_innenschulungen und Beratungen. International spricht man hierbei von „Practice Nurses“, deren primäre Aufgabe in der Unterstützung der Allgemeinmediziner_innen liegt, und andererseits die „Advanced Nurse Practitioners“, die auf der Grundlage einer vertieften Ausbildung einen erweiterten Kompetenzbereich haben. Diese sind mitunter auch in Hausarzt substituierender Position tätig.
Die Ergebnisse aus den Übersichtsarbeiten konnten insgesamt 17 unterschiedliche Tätigkeitsbereiche der Primärversorgungspflege zuordnen:
• Management von Patient_innen mit chronischen Erkrankungen
• Management von Patient_innen mit Diabetes mellitus
• Management von Patient_innen mit Asthma bronchiale
• Inkontinenzmanagement
• Management von Patient_innen mit rheumatoider Arthritis
• Management von Patient_innen mit Parkinson-Syndrom
• Risikofaktorenmanagement von Patient_innen mit kardiovaskulären Erkrankungen
• HIV-/AIDS-Management
• Wundmanagement
• Management von Patient_innen mit Hauterkrankungen
• Management von Patient_innen mit gastrointestinalen Beschwerden
• Management von Patient_innen mit malignen Erkrankungen und Strahlentherapie
• Untersuchung und Beratung von Personen mit allgemeinen und akuten, nicht- kritischen Gesundheitsbeschwerden
• Patient_innenerstkontakt und weiterführende Betreuung
• Erstkontakt bei Personen mit dringlichem Konsultationswunsch
• Alkoholberatung
• HIV-Screening
• Koloskopie-Screening
Quelle: https://pflegewissenschaft.medunigraz.at/forschung/pflegefachkraefte-in-der-hausarztpraxis/
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, anhand von internationalen best-practice-Beispielen den Tätigkeitsbereich der Primärversorgungspflege zu definieren, einen Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung voranzutreiben und dafür ein Finanzierungsmodell von Bund und Ländern zu hinterlegen."
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
betreffend School Nurses für Schulen in Österreich
eingebracht im Zuge der Debatte in der 115. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1777/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1003 d.B.) – TOP 9
Im Kapitel Prävention und Gesundheitsförderung des türkis-grünen Regierungsprogramms findet sich auf Seite 266 u.a. der Passus „Aufwertung und Aufbau eines Systems von School und Community Nurses zur niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgung“.
Dass Schulen nicht nur Orte des Wissenserwerbs sondern ganz zentrale soziale Orte für Kinder und Jugendliche sind, die bei entsprechender Ausstattung und guten Rahmenbedingungen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der physischen als auch psychischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und dadurch auch deren Familien leisten können, hat uns nicht zuletzt die Pandemie deutlich vor Augen geführt.
Laut Österreichischer Gesundheitsbefragung 2019 (Statistik Austria) leiden von insgesamt 1,1 Millionen Schüler_innen in Österreich rund 190.000 an einer chronischen Erkrankung wie Asthma Bronchiale, Diabetes, Epilepsie, Rheuma juvenile, Mukoviszidose, das Adrenogenitale Syndrom oder auch Krebs. Diese vulnerable Gruppe hat spezielle Herausforderungen, mit denen sie zurechtkommen muss, die betroffenen Schüler_innen brauchen besondere Begleitung und Betreuung, um den Schulalltag meistern zu können.
Diese Betreuung können und sollen Pädagoginnen und Pädagogen nicht leisten, und es sollte auch nicht zu deren Aufgabe gemacht werden. Die Möglichkeit der „… Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Lehrpersonen, Verhalten im Notfall“ wie im Rundschreiben Nr. 13/2019 vom Bildungsministerium diesbezüglich kommuniziert, ist dahingehend absolut kritisch zu betrachten.
Auch das System der Schulärzt_innen in Österreich ist nicht auf durchgängige Anwesenheit an den Schulen ausgelegt, die medizinische Behandlung von Schüler_innen im Krankheitsfall zählt nicht zu ihren Aufgaben. In der Funktion der Gesundheitsvorsorge haben Schulärzt_innen die Aufgabe, den Schüler_innen bzw. deren Eltern Krankheitssymptome und potentielle Fehlentwicklungen aufzuzeigen, die Krankenbehandlung obliegt nicht mehr ihnen sondern den Haus- oder Fachärzt_innen.
Den Anspruch und Grundgedanken der Schulgesundheitspflege, den Gesundheitszustand der Schüler_innen nachhaltig zu bewahren und zu fördern, können jedoch im Gesundheitssystem verankerte School Nurses sehr gut erfüllen. School Nurses, wie es sie in anderen Ländern wie etwa den USA, Großbritannien oder auch Frankreich schon lange erfolgreich gibt. In Finnland und Schweden gibt es mindestens eine School Nurse an jeder Schule, auch in anderen skandinavischen Ländern werden School Nurses eingesetzt.
School Nurses nehmen als frühe Hilfe im Setting Schule in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Soziales Einfluss, indem sie als erste Ansprech- und Vertrauenspersonen Kindern, deren Eltern und Lehrenden in Gesundheits- und Sozialbelangen unterstützend zur Seite stehen und bei Bedarf zu anderen Berufsgruppen weitervermitteln. Sie sind für die Versorgung bei Akuterkrankungen und Erste Hilfe bei Unfällen vor Ort. Außerdem kümmern sie sich um die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern, unterstützen chronisch kranke und/oder Kinder mit Behinderungen und informieren und beraten Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer.
Sie stellen ein wertvolles Bindeglied zwischen Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, behandelnden Ärztinnen und Ärzten und Schülerinnen und Schülern bei chronischer Krankheit oder Behinderung von Schülerinnen und Schülern dar und leisten einen erhebliche Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen.
Mit der Gesundheits- und Krankenpflegenovelle 2016 wurde im Berufsbild des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege die ‚Schulgesundheitspflege‘ als neues Handlungsfeld aufgenommen. Damit folgte die damalige Regierung Empfehlungen, die schon seit Jahren auf die Notwendigkeit einer solchen Versorgung hinwies. Bereits 2011 empfahl das IHS eine derartige Maßnahme, um die Versorgung von chronisch kranken Kindern zu verbessern, zusätzliche Zielgruppen zu erreichen und die Integration von verschiedenen Gesundheits- und Sozialberufen in der Versorgung von Kindern zu verbessern.
Gerade in Zeiten der Pandemie und deren Auswirkungen vor allem auch auf Kinder und Jugendliche ist gemeinsamer politischer Wille jenseits von Zuständigkeits- und Kompetenzdiskussionen gefordert, um diese gesundheits-, bildungs- und gesellschaftspolitisch so wesentliche Maßnahme endlich auf den Weg zu bringen.
https://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/4/index.html?includePage=detailedView§ionName=Gesundheit&pubId=794
https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/rs/2019_13.html
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2016_I_75/BGBLA_2016_I_75.pdfsig
https://pflege-professionell.at/school-health-nursing-mehr-chancengleichheit-gesundheit-und-bildung-in-oesterreich
https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/3152/1/hsw11_1d.pdf
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine praktikable Vorlage zur Einführung von School Nurses an Österreichs Schulen zu erarbeiten und dem Parlament umgehend zuzuleiten."
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die beiden Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. Das Wort steht bei ihm. – Bitte, Herr Abgeordneter.