17.31

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier wieder mehrere The­men zu debattieren, und ich möchte mit den Änderungen im COVID-19-Zweckzuschuss­gesetz beginnen. Dazu hat die Bundesregierung den Vorschlag gemacht, dass die Kos­tenübernahme für die offiziellen Teststraßen, die Antigentestungen beziehungsweise die PCR-Tests bis Ende Oktober verlängert werden soll.

Grundsätzlich sind wir auch der Meinung, dass, wenn sich jemand in Österreich testen lassen möchte, dies im Rahmen der Pandemie auf jeden Fall kostenlos erfolgen sollte. Allerdings, Herr Bundesminister, müssen Sie mir erklären, warum Sie diese Befristung nun bis Ende Oktober gesetzt haben. Wenn man sich den epidemischen Verlauf im letzten Herbst anschaut, dann sieht man: Der 31. Oktober war ziemlich exakt der Zeit­punkt, als die Infektionswelle begonnen hat und das Testen Sinn gemacht hätte – und jetzt laufen die kostenlosen Testmöglichkeiten genau mit diesem Datum aus. Wie Sie zu dieser Erkenntnis kommen, erschließt sich mir nicht, aber vielleicht überdenken Sie das ja auch noch einmal.

Generell muss man sagen, dass die Massentestungen, die noch immer stattfinden, bar jeder Evidenz sind, denn bei der niedrigen Inzidenz, die wir momentan in Österreich haben, finden Sie praktisch nur mehr falsch positive Ergebnisse und einzelne Zufallstref­fer, die epidemiologisch aber überhaupt keine Konsequenz haben. Ich habe mir die Zah­len gut angesehen: Wir haben Tage, da müssen die Länder 100 Prozent ihrer gemelde­ten Positivfälle revidieren und wieder auf null setzen. Von acht auf null – ich glaube, Kärnten hat das letzte Woche einmal machen müssen, auch die Steiermark einmal. Alle gemeldeten Fälle, die in der Tagesstatistik auftauchten, mussten nachträglich auf null korrigiert werden.

Jetzt sagen Sie mir bitte, wozu wir in dieser Situation 600 000 Testungen pro Tag be­nötigen! Das erschließt sich mir nicht. Aus meiner Sicht ist das rausgeschmissenes Geld. Und wenn Sie sagen, dass die PCR-Testungen, diese Gurgeltestungen, ausgebaut wer­den müssen, dann würde mich interessieren, wie valide denn diese gepoolten Gurgel­tests sind. Ich kenne keine einzige wissenschaftliche Arbeit, die nachweist, dass sie auch nur ansatzweise so effizient sind wie von Fachpersonal durchgeführte Antigentestungen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Diese Poolungen von bis zu 50 verschiedenen Proben ist einfach höchst ineffektiv, und wenn dann die CT-Werte auf weit jenseits der 40 raufgehen, um irgendetwas nachzuwei­sen, ist die Zuverlässigkeit schlicht und ergreifend nicht mehr gegeben. Wenn Sie das für Screeningzwecke einsetzen wollen, um zu entdecken, ob zum Beispiel neue Muta­tionen in Österreich unterwegs sind, dann kann ich das nachvollziehen, nur gibt es da eine viel kostengünstigere Variante, die in Österreich bereits etabliert ist, und zwar das Screening der Abwässer.

98 Prozent der österreichischen Bevölkerung können über das Abwasser gescreent werden. Es finden regelmäßig Wasseruntersuchungen statt, bei denen die Virenbelas­tung überprüft wird, bei denen auch Sequenzierungen durchgeführt werden können, und das kostet, Ihrer letzten Anfragebeantwortung nach, für ein ganzes Jahr gerade einmal 1,2 Millionen Euro – in dieser Größenordnung. Das ist ein Bruchteil dessen, was wir mo­mentan pro Tag für Tests – ohne wesentlichen Erkenntnisgewinn – ausgeben.

Nun zu den Änderungen im Epidemiegesetz und im Covid-19-Maßnahmengesetz: Ich finde es ja allerhand, dass Kollege Schallmeiner die verlängerte Gültigkeit der Einschrän­kungen der Versammlungsfreiheit als Planungssicherheit für die Veranstaltungsbranche oder für die Bürger in diesem Land verkauft. (Abg. Schallmeiner: Die Versammlungs­freiheit ist nicht eingeschränkt!) Dass eine Verordnung, die die Versammlungsfreiheit einschränkt, nun bis zu zwölf Wochen statt wie bisher nur vier Wochen gelten soll, also dreimal so lange wie bisher vorgesehen, wird als Planungssicherheit verkauft. (Neuerli­cher Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) – Herr Kollege Schallmeiner, für mich ist das keine Planungssicherheit, für mich ist das eine langfristige Einschränkung ohne weitere politische Debatte, die inakzeptabel ist.

Über die Reparaturen zum grünen Pass, die stattgefunden haben, müssen wir auch ein­gehender diskutieren, denn wie meine Vorrednerin schon richtigerweise gesagt hat, hat die Bundesregierung nicht daran gedacht, dass es ja Genesene gibt, die dann vielleicht auch eine Impfung bekommen, und dass für diesen grünen Pass eine einmalige Impfung nach einem Genesenenstatus nicht reicht.

Die Reparatur, die Sie hier vorgelegt haben und heute beschließen werden, greift das Problem nicht einmal ansatzweise bei der Wurzel an, sondern setzt eigentlich nur fort, was Sie in der Vergangenheit schon falsch bewertet oder falsch gemacht haben, denn Sie haben jegliche objektive Basis für einen Genesenenstatus oder auch für einen Impf­status negiert. Man bekommt in Österreich ein Genesungszertifikat, wenn man vonseiten der Behörde abgesondert war, selbst wenn man nie getestet worden ist. Na ja, welche medizinische Aussagekraft hat das denn? (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Man ist ein­mal am Röntgen vorbeigegangen und gilt dann als geröntgt? – So ähnlich schaut das aus.

Ganz ähnlich schaut das auch bei den Impfungen aus. Wir wissen aus den Studien, dass die Zuverlässigkeit der Impfungen in der Schutzwirkung gegen schwere Verläufe je nach Impfstoff zwischen 70 und 85 Prozent liegt. Es ist in den klinischen Studien nicht eva­luiert worden, aber man kann daraus schließen, dass es eben etwa in der Größenord­nung zwischen 15 und 30 Prozent auch Impfversager gibt, sprich dass ungefähr bei 15 bis 30 Prozent der Bevölkerung die Impfung keinen ausreichenden Schutz ausbildet. Das kann man aber ganz einfach nachweisen, Herr Bundesminister, Sie als Mediziner wissen das. Da macht man eine Titerbestimmung, und dann weiß man, ob eine Impfung gewirkt hat oder nicht. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mückstein.) Das wis­sen Sie, oder? (Bundesminister Mückstein nickt.) – Ja, sehr schön.

Bei anderen Impfungen macht man das, ich habe schon das Beispiel Hepatitis B ge­nannt. Bei Covid-Impfungen macht man das nicht, obwohl es von der WHO eine Vorgabe gibt, dass man bei gut 30 BAU – das ist die internationale bindende Einheit pro Milliliter – von einer Immunisierung ausgehen kann. Herr Bundesminister, wenn man diese Immu­nisierung, diesen Titerspiegel hat, dann spielt es gar keine Rolle, ob dieser durch eine Genesung, also durch eine durchgemachte Erkrankung, oder durch eine Impfung aus­gelöst ist. Man hat entsprechende Antikörper, man ist entsprechend immunisiert – na­türlich oder über eine Impfung –, und man muss sich vor einer weiteren Erkrankung, zumindest vor einem schweren Verlauf, nicht fürchten. Man wird mit Sicherheit auch eine gewisse Kreuzimmunität haben, denn es gibt auch sehr gute Studien dazu – auch zu älteren Coronavarianten, die vor mehreren Jahren grassiert sind –, dass da eine lang­fristig anhaltende Kreuzimmunität besteht.

Das heißt, objektivieren wir doch bitte die Definitionen von genesen und geimpft! Wenn Sie den Menschen schon Sicherheit geben wollen, dann bringen Sie das auf eine nach­vollziehbare Basis, dann erweitern Sie die Antikörpertestungen, machen Sie diese für die Menschen kostenlos. Aus medizinischer Sicht gehören sie sowieso vor jeder Impfung gemacht, um festzustellen, ob eine Impfung überhaupt notwendig ist, ob eine oder zwei notwendig sind oder ob die Impfung gar nicht funktioniert.

Wenn wir schon bei dem Thema Impfungen sind, dann möchte ich noch einen Schritt weitergehen: Wir haben kürzlich 840 Millionen Euro für die Anschaffung von zusätzli­chen Impfstoffen in den nächsten zwei Jahren beschlossen. Jetzt liegt ein Abänderungs­antrag vor – ich habe ihn kürzlich gelesen –, durch den dieses Budget noch weiter aufge­stockt werden soll, weil die EU noch zusätzliche Rahmenverträge geschlossen hat. Aber, sehr geehrter Herr Bundesminister, was ist denn mit den 15 bis 30 Prozent der Perso­nen, bei denen die Schutzimpfung keine ausreichende Schutzwirkung hat, die nicht ge­schützt sind oder bei denen man schon vorab aufgrund ihrer chronischen Erkrankung oder Immunsuppression weiß, dass sie die Impfung nicht vertragen? Wie viel Geld ha­ben Sie denn da vorgesehen, um entsprechende Medikamente zu kaufen? Wo ist die Bevorratung mit Budesonid, oder wo ist das Budget für neue monoklonale Antikörper?

Ich habe aktuell gelesen, dass ein neuer monoklonaler Antikörper, Sotrovimab, von der FDA eine Notfallzulassung bekommen hat. Er hat in den Zulassungsstudien eine Wirk­samkeit von 85 Prozent bei mildem bis schwerem Verlauf erreicht, das ist dasselbe Wir­kungsniveau wie die Schutzimpfung. Was ist dafür budgetär vorgesehen? Es soll nicht so sein, dass wir wieder genau in dieselbe Situation wie im Winter hineinschlittern, in der wir dann auf einmal wieder Fälle auf den Stationen haben, und bis die notwendigen Me­dikamente dafür da sind, ist die Infektionswelle schon wieder vorbei und die Patienten sind traurigerweise entweder gestorben oder von selber wieder genesen.

Das ist nicht die Art von vorausschauender Arbeit, die ich mir von Ihnen erwarten würde. Ich bin mir sicher, in ihrer privaten Ordination arbeiten Sie ähnlich vorausschauend wie das, was ich fordere; also ersuche ich Sie, sich auch auf Bundesebene dafür einzuset­zen, dass die entsprechende Vorkehrung getroffen wird. Vielleicht können Sie einen Teil von diesen 840 Millionen Euro, die es mittlerweile für Impfstoffbeschaffung gibt, auch für Akuttherapeutika vorsehen, damit wir rechtzeitig vorsorgen und, wenn im Winter wieder eine Welle kommen wird, auch im stationären und ambulanten Bereich entsprechende Behandlungsmaßnahmen sofort umsetzen können, denn da zählt jedes Leben.

Ich könnte noch sehr viel mehr erzählen, meine Redezeit ist aber zu Ende. Ich stehe Ihnen gerne für weitere Anregungen zur Verfügung. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

17.40

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.