19.28

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Lieber Karl Schmidhofer! Ja, ich muss dir recht geben: Der Tourismusbericht 2020 hat einmal mehr aufgezeigt, wie besorgniserregend die Abhängigkeit einiger Regionen in Öster­reich vom Tourismus ist.

Das Jahr 2020 war eine große Herausforderung, und finanzielle Unterstützungen waren daher auch gerade für den Tourismus notwendig. Was wir aber vermissen: dass – an­statt dieses ewigen Eigenlobs, Frau Bundesministerin, was finanzielle Unterstützungen betrifft – wir aus der Krise lernen. Wir sollten eigentlich aus der Krise lernen und uns gemeinsam richtige Maßnahmen für die Zukunft überlegen und setzen.

Kollege Gödl – jetzt ist er leider nicht im Saal (Zwischenruf des Abg. Prinz) – hat von seinem Erlebnis mit einem Kaffeehausbesitzer gesprochen, der keine Fachkräfte be­kommt. – Da ist er! Schau, Ernst, es ist ganz einfach: Es werden dir alle Touristiker be­stätigen, dass gerade in dieser Krise viele gute Arbeitskräfte die Tourismusbranche ver­lassen haben. Diese guten Arbeitskräfte werden auch nicht wieder zurückkehren. Genau das ist das Problem, und genau deshalb muss man sich fragen: Warum haben diese guten Arbeitskräfte die Tourismusbranche verlassen?

Bitte stellt euch auch die Frage: Warum sind in den letzten vier Jahren die Lehrlingszah­len von 14 000 auf 9 000 gesunken? Warum wollen die jungen Menschen nicht in diese Lehrberufe gehen? – Ich sage es euch ganz klar: weil wir neue Rahmenbedingungen für die Beschäftigten im Tourismus und in der Gastronomie brauchen. Da geht es nicht nur um finanzielle Verbesserungen. Es ist nicht immer nur das Geld, sondern es sind insge­samt die Rahmenbedingungen, es sind die Arbeitsbedingungen, und es sind notwendige bessere Sozialstandards.

Umso mehr unterstützen wir den Vorschlag der Gewerkschaft Vida, die seit Monaten in vielen Gesprächen – auch mit der ÖVP – folgende Frage behandelt hat: Wie ist es mög­lich, die Installierung einer Tourismuskasse zu diskutieren, einzufordern und auch umzu­setzen? Die Tourismuskasse will ich nicht mit der Buak vergleichen, Kollege Hörl (Zwi­schenruf des Abg. Hörl), sondern es ist einfach eine Tourismuskasse, bei der Arbeitge­ber einen Vorteil haben, weil sie finanziell entlastet werden, weil es eine Anschubfinan­zierung von 200 Millionen Euro braucht, damit offene Urlaubsansprüche in die Urlaubs­kasse umgeschichtet werden, bei der es höhere Sozialstandards für die Beschäftigten bis hin zu überbetrieblichen Weiterbildungsangeboten gibt.

Konkret und kurz zusammengefasst: Die Betriebe sollen monatlich die Urlaubsansprü­che ihrer Mitarbeiter in eine Tourismuskasse abliefern. Parallel können sie alle Rückstel­lungen für Urlaubsansprüche auflösen und somit ihr Eigenkapital zur Verfügung haben und dementsprechend auch einsetzen. Die Arbeitnehmer im Tourismus nehmen in die­sem Rucksacksystem ihre offenen Urlaubsansprüche mit in den neuen Betrieb – das heißt, ohne dass es den neuen Betrieb einen Cent kostet.

Ich bedanke mich daher auch bei all jenen, die diese Idee unterstützen: beim Vorsitzen­den des Tourismusausschusses Gerald Hauser – recht herzlichen Dank, dass du da auch von Beginn an immer mit dabei bist –, bei unserer Tourismussprecherin Melanie Erasim für die Koordination, damit die politische Schaffung der Tourismuskasse auch weiter vorangetrieben wird.

Ich bringe daher nachstehenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Installierung einer Tourismuskasse“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert so rasch wie möglich, längstens jedoch bis Ende 2021 dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf, der unter Einbindung der zu­ständigen Sozialpartner und der Expert*innen erstellt werden soll, vorzulegen, mit dem eine Tourismuskasse errichtet wird.“

*****

Wo ein Wille, da ein Weg – auch für die Tourismusbranche. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Mag. Gerald Hauser,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend: Installierung einer Tourismuskasse

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Tourismusausschusses über den An­trag 1752/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geän­dert wird (962 d.B.) TOP 25

Die derzeitige Corona Krise stellt Tourismusbetriebe vor finanziell kaum lösbare Heraus­forderungen. Die Branche ist in ihren Betroffenheiten und Möglichkeiten aktuell sehr un­terschiedlich aufgestellt. Hotels in allen Preiskategorien mit Saison- und ganzjahresbe­trieb, Take-Away Lokale, Cateringanbieter, ländliche Wirtshäuser und Nobelrestaurants stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Ein Schicksal teilen aber alle Betriebe: im Normalfall ist die Eigenkapitalquote gering und Branchenvertreter*innen haben be­reits öffentlich kundgetan, dass Urlaubsrückstellungen krisenbedingt als belastend wahr­genommen werden. Zugleich waren und sind tausende Tourismusmitarbeiter*innen von Arbeitslosigkeit betroffen. Aktuell sind es immer noch 45.000 Menschen, die ihrer berufli­chen Existenz beraubt wurden. Dennoch wird aus der Branche ein hoher Fachkräftebe­darf medial kommuniziert. Die Branche scheint, aufgrund der instabilen Rahmenbedin­gungen und des Arbeitskräftebedarfs anderer Branchen, Schwierigkeiten zu haben Mit­arbeiter*innen zu lukrieren.

Eine Tourismuskasse (TUAK) könnte hier branchespezifische langfristige Lösungen schaffen. Sie soll einerseits ein Instrument zur Abwicklung von Urlaubs- und Abferti­gungsansprüchen sein. Anderseits kann sie – je nach Ausgestaltung- auch Modelle der Aus- und Weiterbildung und der Saisonverlängerung enthalten.

Im März 2021 befand sich die Branche bereits 12 Monate im Pandemiemodus. 12 Mona­te, die von Unsicherheit und einem starken Umsatzrückgang geprägt waren. Wie lange dieser Umstand noch anhält, ist derzeit nicht absehbar. Eine TUAK würde Geschäftsbi­lanzen sofort massiv entlasten, da Rückstellungen für offene Urlaubstage umgehend aufgelöst werden können und für die Zukunft nicht mehr gebildet werden müssten.

Beschäftigte und Arbeitgeber*innen im Tourismus haben gleichermaßen mit instabilen Beschäftigungsverhältnissen zu kämpfen. Hier kann gegengesteuert werden. Die Schaf­fung von Rahmenbedingungen, die helfen die bestehenden Probleme zu lösen, z.B. mit der Schaffung einer TUAK, müssen installiert werden. In einer ersten Phase ist die Ab­wicklung von Urlaubsansprüchen und Feiertagen (“Guttage”) angedacht.

Mittel- und langfristig bietet eine TUAK eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten.

Gerade in der Frage der Errichtung und der damit verbundenen Ausstattung eines ent­sprechenden Startkapitals, ist jetzt in der Krise der richtige Zeitpunkt dafür. Allein durch die monatlich anfallenden Urlaubsansprüche je Arbeitnehmer*in entstehen den Betrie­ben zusätzliche Kosten, welche im Augenblick in keiner Form in Förderprogrammen be­rücksichtigt sind.

Als zusätzliche betriebliche Unterstützung sollen daher die monatlich anfallenden Ur­laubsansprüche der Arbeitnehmer*innen über einen definierten Zeitraum durch die öf­fentliche Hand übernommen werden und in die Tourismuskasse transferiert werden. Dies würde den Betrieben die aktuell dringend notwendige finanzielle Entlastung bringen und ein Wiedereinstellen von Arbeitnehmer*innen erleichtern. In weiterer Folge beteili­gen sich die Betriebe schrittweise an der Abwicklung der Urlaubsansprüche und leisten schrittweise einen monatlichen Betrag zur Deckung der Urlaubsansprüche.

Neben dem Urlaubsanspruch sollen weitere Instrumente zur Branchenattraktivierung ge­setzlich ermöglicht werden (z.B. Winterfeiertagsregelung).

Mittel- und langfristig eröffnet sich für eine Tourismuskasse eine ganze Reihe von Betä­tigungsfeldern, in denen Verbesserungen für Arbeitnehmer*innen und Betriebe denkbar sind:

•           Ausbildung, Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten

•           Jahresbeschäftigung, Jahresarbeitszeitmodelle

•           Arbeitszeit, Arbeitszeitaufzeichnungen

•           Schlechtwetterregelung für ausgewählte Bereiche

•           Entgeltfortzahlung für Betriebe bei Krankenständen, die mehr als 3 Tage dauern

Voraussetzung ist allerdings, dass eine entsprechende Abwicklungseinheit mit entspre­chender Besicherung der Ansprüche geschaffen wird. Dafür ist die gesetzliche Grundla­ge zu schaffen.

Folgende Ansprüche sollten geregelt werden:

•           Die Urlaubsregelung und eine branchenspezifische Mitarbeitervorsorgekasse.

•           Eine Schlechtwetterregelung ist eine weitere Möglichkeit, müsste jedoch auf die             Branche adaptiert werden (mehrere Regentage bei großen Gastgärten, kein Ski­   hüttenbetrieb, weil wegen Sturm die Seilbahnen nicht fahren, u.v.m.).

•           Saisonverlängerungsmodelle über die TUAK verwalten und abwickeln. Ziel ist    somit Arbeitnehmer*innen länger in Beschäftigungsverhältnissen zuhalten und             damit weniger Arbeitslosenzeiten entstehen zu lassen.

•           Meldung von Überstunden an die TUAK. Sollte es zur Auszahlung der Überstun­ den kommen übernimmt die TUAK die Abwicklung. Für den Fall der Abgeltung in         Freizeit ersetzt die TUAK dem Betrieb die entsprechenden Kosten durch Rück­      überweisung.

•           Ein anderes Themenfeld ist der Bereich Aus- und Weiterbildung, der so auch     branchenthematisch organisiert werden könnte und somit z.B. Zeiten zwischen             Saisonen genutzt werden können.

•           Die TUAK könnte als Vermittler und Abwickler für Betriebe fungieren, wenn diese           in der Lehrausbildung externe Angebote nutzen möchten z.B. wegen vorge­       schriebener Verbundmaßnahmen. Es könnte durch die TUAK auch die Möglich­           keit eines dritten Bildungsortes geschaffen werden.

•           Übernahme/Refundierung der Entgeltfortzahlung bei Krankheit für Betriebe,        wenn der Krankenstand länger als 3 Tage dauert.

Vorteile einer gemeinsamen Einrichtung für Arbeitgeber:

•           In der derzeitigen Krise kann es zu einer sofortigen Entlastung der Betriebe durch          ein Transferieren von derzeit offenen Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer*in­          nen kommen.

•           Die Arbeitsstunde wird mit bestimmten, kalkulierbaren und vorhersehbaren (mo­  natlichen) Kosten belastet, keine zusätzlichen Belastungen darüber hinaus.

•           Keine permanenten Rückstellungen in den Büchern mehr notwendig, im Gegen­ teil: kurzfristige Auflösung der Rückstellungen und damit Stärkung der Eigenkapi­  talausstattung.

•           Beiträge für Urlaubsansprüche können unabhängig von 5- oder 6- Wochen- Ur­   laubsanspruch gestaltet werden.

•           Arbeitnehmer*in wird in der Zugehörigkeit zum Betrieb/zur Branche gestärkt.

•           Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Betriebe; kein Austragen des Wettbe­ werbs über niedrige Sozialstandards.

•           Saisonverlängerungsmodelle möglich machen.

•           Schaffung eines dritten Bildungsortes, um den Betrieben Ausbildungsverbünde zu erleichtern.

•           Besseres Image, Erhöhung der Attraktivität für zusätzliche Arbeitskräfte.

•           Eigene und branchenspezifische Förderabwicklung bzw. Förderanknüpfung da   in der Kasse die Arbeitgeber gebündelt sind.

Vorteile einer gemeinsamen Einrichtung für Arbeitnehmer:

•           Sicherung der Ansprüche unabhängig von einem konkreten Arbeitgeber.

•           Mitnahme von Ansprüchen in ein neues Arbeitsverhältnis bzw. einen neuen Be­  trieb.

•           Information über Ansprüche und alle wichtigen Daten kann durch überbetriebli­    che Einrichtung erfolgen.

•           Anhebung der Sozialstandards in der Branche auf ein höheres Niveau.

•           Bei Insolvenz muss der Arbeitnehmer*in unter Umständen nicht bis zu 6 Monate            auf die Auszahlung warten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert so rasch wie möglich, längstens jedoch bis Ende 2021 dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf, der unter Einbindung den zu­ständigen Sozialpartner und der Expert*innen erstellt werden soll, vorzulegen, mit dem eine Tourismuskasse errichtet wird.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Hörl: Die Muchitsch-Kassa!)