10.49

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als ich das erste Mal davon gehört habe, dass die ÖVP Standortpolitik zum Thema einer Europastunde machen will, habe ich mich wirklich gefreut. Ich habe gedacht: Endlich, endlich denkt einmal irgendjemand in der ÖVP auch über Standortpolitik nach. (Abg. Pfurtscheller: Na bitte! – Abg. Sieber: Du hast den Begriff nicht gekannt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe gedacht: Was wird da jetzt kommen? Ich muss Ihnen aber sagen, es war enttäuschend. Es war wirklich enttäuschend. Es war das übliche Hickhack mit der FPÖ, also das wahlkampfbedingte Hickhack, das mit der Standortpolitikfrage vielleicht nicht so viel zu tun hat. Es war das Ausruhen auf alten Erfolgen wie zum Beispiel der For­schungsprämie – Frau Kollegin, die haben nicht Sie erfunden, die gibt es schon länger.

In Richtung Zukunft hat August Wöginger gesagt: Ja, wir schauen, dass - -! – Das, geschätzte Damen und Herren, ist nicht Standortpolitik, das ist die übliche türkise Showpolitik, die Sie hier liefern, und das ist wirklich schade in einer so wichtigen Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Sie daran erinnern: Zu Beginn dieser Pandemie hatten wir ein riesiges Problem, und das hieß Impfstoff. Das Problem war insbesondere, dass es keine Impfstoff­pro­duktion in Österreich gibt. Es war schwierig, Impfstoff zu bekommen, es hat da allerhand Probleme gegeben – wir alle wissen ja, was geschehen ist. Dann hätte es eine Chance gegeben, dass ein österreichisches Start-up Impfstoff in Österreich produziert – eine innovative Firma, die versucht hat, in Österreich zu produzieren –, nur von der Bun­desregierung hat es niemanden interessiert. Ihr wart wahrscheinlich drei Wochen lang damit beschäftigt, die Après-Ski-Lokale aufzusperren. Das ist auch wichtig, aber Impf­stoffe sind meines Erachtens wichtiger, geschätzte Damen und Herren, und das haben Sie wieder einmal versäumt. Das ist nicht Standortpolitik, das ist auf Umfragen basierte Showpolitik und nichts anderes. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir schon davon reden: Wo war die ÖVP, wo war der Bundeskanzler, als die Produktion vom ATB-Werk in Spielberg nach Polen verlagert wurde? – Da sind Hunderte Menschen arbeitslos geworden. Wo war da die Standortpolitik des Bundeskanzlers? (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Und was MAN betrifft, Frau Kollegin: Die Türkisen sind erst dann dort aufgetaucht, als klar war, dass das Werk weiter besteht. Vorher hat sich keiner hingetraut – das ist auch keine Standortpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Was die ÖVP Oberösterreich unter Standortpolitik versteht, das kann man schön nach­schauen: Wenn die ÖVP-Regierung zu Beginn der Coronakrise einem Ex-ÖVP-Wahl­kampfmanager vollkommen überteuert medizinische Schutzausrüstung abkauft, wenn Menschen Geld in den Rachen geschmissen wird, die eine Eigenschaft haben, nämlich zur türkisen Familie zu gehören, dann ist das auch keine Standortpolitik, sondern das ist Vetternwirtschaft! (Abg. Wöginger: Wie der Ludwig!) Das sage ich Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Wie der Ludwig!)

Es gibt noch ein Problem: Ich habe das Gefühl, dass während dieser industriepolitischen Zeitenwende, die jetzt passiert, niemand in der Regierung darüber nachdenkt, was die Energiewende, was beispielsweise die Elektromobilität industriepolitisch, standort­poli­tisch bedeutet. Wenn man zum Kern der österreichischen Industrie kommt, und da reden wir über Oberösterreich, da reden wir aber auch über die Obersteiermark, inzwischen das metallurgische Kompetenzzentrum Europas, wenn man also über diese beiden Standorte redet, ist derzeit eines wesentlich: die Autozulieferindustrie.

Wir wissen alle, dass sich die Autoindustrie massiv verändern wird. (Abg. Kassegger: Seid ihr auch schon draufgekommen? Wieso stimmt ihr dann mit?) Die Elektromobilität wird kommen. Wie reagieren wir darauf? Was ist eine Kerntechnologie der Elektro­mobilität? – Die Batterietechnik. Was tut diese Bundesregierung, um die Batterietechnik in Österreich zu etablieren? – Überhaupt nichts! In Deutschland werden derzeit neun Fabriken gebaut, in denen Batterien hergestellt werden, und wir schauen zu. Das ist die Standortpolitik der österreichischen Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Es ist eine Schande – das sage ich Ihnen –, wie die Menschen in Österreich, die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer und der Standort von dieser Bundesregierung im Stich gelassen werden! (Abg. Wöginger: Das ist ein Blödsinn!) Das wird uns die nächsten fünf bis 15 Jahre beschäftigen, und das wird nicht einfach, geschätzte Damen und Herren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Wer hat dir denn den Blödsinn aufgeschrieben? Unfassbar!)

10.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steger. – Bitte.