11.05

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das ist heute wirklich eine lustige Themenwahl, wenn ausgerechnet die ÖVP das Thema Standortpolitik in die Aktuelle Europastunde holt. Ausgerechnet die ÖVP holt ein Thema hier heraus, das in Österreich von einem geprägt ist, nämlich von Stillstand. (Abg. Kassegger: Die traut sich was!) Also das ist wirklich originell, dazu sagt man ja sonst paradoxe Intervention. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Im Wirtschaftswachstum zum Beispiel, da hinken wir hinter Deutschland hinterher, und zwar schon seit einigen Jahren. Und wenn man internationale Rankings hernimmt, zum Beispiel den Global Competitiveness Report, dann sieht man, dass Österreich etwa hinsichtlich der Belastung durch Regulierung da auf Platz 56 liegt, bei der Zeitdauer für eine Unternehmensgründung liegen wir schon auf Platz 105, und bei der Steuerbelas­tung auf Löhne und Gehälter sind wir auf Platz 108!

Wir haben immer tolle Pressekonferenzen mit Frau Schramböck – versprochen wird viel, geliefert wird nichts. Und dieses Aushängeschild der ÖVP-Wirtschaftspolitik, Ministerin Schramböck, kann heute leider nicht bei uns sein. Sehr gerne hätte ich von ihr selbst gehört, wo sie ihre Erfolge zu sehen glaubt; aber vielleicht schaut sie uns zu oder sie schaut es sich später auf Video an. Ich empfehle ihr beim regierungseigenen Austrian Council, beim Rat für Forschung und Technologieentwicklung einmal nachzuschauen, was der eigene Rat der Regierung für Empfehlungen gibt. Da wird nämlich ausgewiesen, dass Sie – im internationalen Vergleich – viel Geld hineinschütten, aber mit ganz schlechten Ergebnissen. Es kommt am Schluss nichts heraus! Da kann man tolle Pressekonferenzen machen, aber wenn die Wirtschaft nichts davon hat, ist das verbratenes Steuergeld. Das ist Ihre Standortpolitik!

Beispielsweise auch die Digitalisierung: Leider ist Frau Schramböck nicht da, sonst könnte sie uns erklären, wie das mit der Digitalisierung beim Megaflop Kaufhaus Öster­reich oder bei ihrem Digitalen Amt funktioniert – ich erinnere an die Wohnsitzmeldung im Wirtschaftsministerium. Den vielversprochenen One-Stop-Shop für Gründer gibt es nicht, es gibt irgendwo auf einer Seite eine Linksammlung. Start-up-Offensiven, Grün­derland Österreich, Pressekonferenzen, Marketingsprech – wirklich großartig, aber ge­liefert wird nichts.

Derzeit vermarktet Frau Schramböck auf einer schönen Tour durch das Land eine Stand­ortstrategie. Ich habe in einer parlamentarischen Anfrage von ihr wissen wollen, was eigentlich der Inhalt dieser Standortstrategie ist, die sie da hat entwickeln lassen. – Das einzig Konkrete, das in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage drin ist, sind die Kosten, die bisher angefallen sind. Also: Wir haben ein bisschen Geld für McKinsey ausgegeben, wir haben ein bisschen Geld für Ernst & Young ausgegeben. Sie hatte auch eine schöne Eröffnungsveranstaltung und sie durfte beim Forum Alpbach etwas präsentieren. – Ich gönne Frau Schramböck, dass sie auch einmal in ihr Heimatland Tirol reisen darf, aber davon hat der Wähler nichts! (Beifall bei den NEOS.)

Wenn Klubobmann Wöginger hier heraußen steht und sagt: Wir haben so viele offene Stellen in Oberösterreich und wir haben mehr offene Stellen als Arbeitslose!, dann muss ich schon einmal fragen: Was sind denn das für offene Stellen und wo war die Bil­dungspolitik, die die Leute so qualifiziert, dass sie für diese offenen Stellen geeignet sind? Wo ist die Wirtschaftspolitik, wo ist die Zuwanderungspolitik, die uns so viel qualifizierte Zuwanderung bringt, dass Leute, die diese Qualifikation mitbringen, die die Unterneh­men brauchen, schnell eine Rot-Weiß-Rot-Karte bekommen? (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Wenn Sie in Österreich eine Rot-Weiß-Rot-Karte für eine Schlüsselkraft brauchen, müssen Sie mit 15 Wochen Verfahrensdauer rechnen, wenn es schnell geht. In dieser Zeit arbeitet die qualifizierte Kraft schon lange in Schweden, in Kanada oder in Australien. (Beifall bei den NEOS.)

Kommen wir zu einem weiteren Punkt, zur Unternehmensfinanzierung: Das ist wieder so ein unbeackertes Feld in den naturbelassenen Latifundien der ÖVP-Standortpolitik. Restriktive Regelungen – alle erinnern sich an Heini Staudinger –: Crowdfunding kann man in Österreich eigentlich nicht machen, es sind alle von den Banken abhängig; Investitionsförderung gibt es nur für Investitionen im eigenen Betrieb; man kann sich nicht an einem anderen Unternehmen beteiligen und das gefördert bekommen, denn (beide Hände mit den Handflächen Richtung Plenum in die Höhe hebend) – wuh! – Unternehmensbeteiligungen wollen wir nicht; Gesellschaftsformen, die Risikokapital­ge­sellschaften ermöglichen, gibt es nicht; Mitarbeiterbeteiligung für Aktiengesellschaften, für alle anderen nicht wirklich; die Gewerbeordnung ist von vorgestern.

Frau Ministerin, Sie haben Frau von der Leyens Rede zur Lage Europas kommentiert mit: Die „Wettbewerbsfähigkeit muss gestärkt werden und darf nicht durch Überregulie­rungen gehemmt werden“.

Jetzt frage ich Sie: Welche Regierung hat ein Investitionskontrollgesetz auf die Bahn geworfen, das Gold Plating galore ist und das eine extrem lange Verfahrensdauer zur Folge hat? Welche Regierung hält an einer überkommenen Gewerbeordnung fest, wobei alle internationalen Berater sagen, die gehört weg? In welchem Land der EU gelten die strengsten Vorschriften für Ladenöffnungszeiten? – Sie schimpfen über die Überregulie­rung, die Sie selbst fabrizieren! (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Zum Glück gibt es bei uns gute Unternehmer und gute Mitarbeiter, denn auf die Re­gierung ist es nicht zurückzuführen, dass wir dort sind, wo wir heute stehen. (Beifall bei den NEOS.)

11.10

Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger zu Wort gemeldet. – Bitte.