11.44

Mitglied des Europäischen Parlaments Hannes Heide (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich eine neue Erfahrung, hier in diesem Haus sprechen zu können und sprechen zu dürfen, es ist aber im Besonderen eine neue Erfahrung, dass es offensichtlich nicht um das geht, was schon in dem Wort Europastunde steckt, sondern darum, Wahlempfehlungen für Landtagswahlen abzugeben – obwohl man über Europa spricht. Ich glaube, die euro­päische Einigungsidee hat sich mehr verdient, als dass man auf dieser Ebene darüber redet, was die Europäische Union zu leisten imstande ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Gerade diese Krise hat gezeigt, wie notwendig die Europäische Union ist. Freie Grenzen, der Binnenmarkt – die Vorteile der Europäischen Union zeigen sich in der europäischen Regionalpolitik.

Was auch ganz klar geworden ist: Es braucht ein Mehr an europäischer Kompetenz, es braucht ein Mehr an europäischer Einigkeit und es braucht auch ein Durchsetzungs­vermögen der Europäischen Union, denn die beste Standortpolitik für Österreich ist die gemeinsame europäische Politik, um sich miteinander zu entwickeln und nachhaltig wachsen zu können. Gerade jetzt nach der Covid-Krise brauchen wir dieses Mehr an Europa, weil wir nach wie vor nicht wissen, ob und inwieweit diese Krise überhaupt vorbei ist. Je mehr Investitionen, je mehr Projekte in der Europäischen Union starten können, etwa dank Next Generation EU oder der Fonds und Förderprogramme der europäischen Regionalförderung, desto mehr profitieren wir alle und damit auch wir selbst in Österreich durch Exporte und unser Know-how.

Kohäsionspolitik ist eine der Kernideen der Europäischen Union und beruht auf dem Prinzip, schwache Regionen zu fördern. Ja, das ist eine Frage der Solidarität, aber vor allem der Vernunft, weil der Nutzen und der Mehrwert für alle Österreicherinnen und Österreicher klar erkennbar sind. Die Bundespolitik hat die Verantwortung, den Bürge­rinnen und Bürgern klarzumachen, warum sie auch von einem Nettozahlerprinzip pro­fitieren. Erhöhen wir die Akzeptanz der Europäischen Union, anstatt regelmäßig EU-Bashing zu betreiben! (Beifall bei der SPÖ.)

Machen wir den Menschen in Österreich auch klar: Es sind nicht Bürokratinnen und Bürokraten in Brüssel, die die Förderungen vergeben, sondern es sind wir in Österreich, die darüber entscheiden, wie Mittel verwendet werden! Und in Österreich – föderaler Staat – sind es vor allem die Bundesländer, die entscheiden. Ich bin immer überrascht, wenn ich durch Österreich fahre, wie wenig die Menschen darüber wissen. Selbst dort, wo europäische Fördermittel vergeben werden, wissen die Bürgerinnen und Bürger oft gar nicht, dass das dort geschehen ist. Machen wir auch darauf aufmerksam, dass es keine Entscheidungen der Europäischen Union gibt, an denen nicht zumindest eine Österreicherin oder ein Österreicher beteiligt ist!

Die großen Themenstellungen unserer Zeit sind nur gemeinsam auf europäischer Ebene zu lösen – seien es die Migrationspolitik, der Grenzschutz, der Klimawandel oder die Reaktion auf die Gesundheitskrise –, sie machen vor unserer Grenze nicht halt.

Gute Standortpolitik ist Infrastrukturpolitik. Dazu gehören zeitgemäße Verkehrswege, gute Schienenanbindungen, aber vor allem auch exzellente digitale Infrastruktur. Der flächendeckende Ausbau von Breitbandverbindungen stärkt den ländlichen Raum. Mit digitaler Infrastruktur werden auch Standorte abseits urbaner Zentren attraktiv. Ein findiger Kopf kann auf diese Weise sogar Bahnlinien von seinem Wohnzimmer aus pla­nen, wie es in meinem Heimatort Bad Ischl passiert.

Leider ist Österreich aber europaweit noch immer Schlusslicht beim Glasfaseran­schluss – und das obwohl laut einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes eine Zunahme der Breitbandverbindungen in einem Land um 10 Prozent einen Anstieg des jährlichen BIPs pro Kopf um 1 Prozent bewirken kann und sich die Arbeitsproduktivität in den darauffolgenden fünf Jahren um 1,5 Prozent erhöht. So können auch hochwertige Bildungsangebote bereitgestellt und die soziale Inklusion gefördert werden.

Die Attraktivität des Standorts Österreich ist vor allem den überdurchschnittlich qua­lifizierten Beschäftigten zu verdanken. Ein europäischer Mindestlohn und Mindest­steu­ern vermögen die Beschäftigung in Österreich zu sichern, Lohn- und Sozialdumping zu verhindern und Abwanderungen von österreichischen Betrieben ins europäische Aus­land entgegenzuwirken.

1 Milliarde Euro fließt bis 2027 über die europäische Regionalpolitik nach Österreich. Klimaschutz und der Übergang in eine CO2-freie Wirtschaft bringen tatsächlich soziale Herausforderungen mit sich. Das hat die EU erkannt und daher den Fonds für den gerechten Übergang geschaffen. 17,5 Milliarden Euro europaweit, 124 Millionen Euro für die Regionen in Österreich – ich möchte wissen: Wo wird dieses Geld in unserem Land eingesetzt werden?

Als Salzkammergutler ist mir noch wichtig: Vergessen wir nicht auf die Touris­mus­wirtschaft und auf den Kultur- und Kreativsektor! Kulturhauptstadt Europas 2024 ist im Übrigen auch eine große Chance für den Standort. Kultur und Kreativwirtschaft, Touris­muswirtschaft sind von den Auswirkungen der Covid-Krise am härtesten betroffen, sie sind es aber auch, die Österreich ausmachen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.