15.49

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Minister, Ministerinnen! Ich möchte die SPÖ schon darauf hinweisen, dass es gegen alle parlamentarischen Usancen ist, jemanden vorzu­laden, von dem man weiß, dass er nicht in Österreich ist und dass stattdessen hier der Vizekanzler erscheinen muss. Sie machen das wider besseres Wissen. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie das alles schon eine Woche wissen, wie Kollege Krainer sagt, na dann hätten Sie sie halt gestern eingebracht und nicht heute, dann hätten Sie den Bundeskanzler dagehabt und nicht den Vizekanzler. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das ist nicht nachvollziehbar und verstößt wirklich gegen jede parlamentarische Usance. Seid mir nicht böse, aber das ist wirklich kein Benehmen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch etwas – das sage ich gleich vorab: Euer Entschließungsantrag ist ja rührend, aber warum unterstützt ihr nicht unseren? (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die Bun­desregierung ist ein Kollegialorgan – ja –, aber es gibt eine Einzelbindung. Ich kann doch nicht sagen: Die sind nicht verpflichtet, nur als Kollegialorgan! – Natürlich ist der Einzelne im Kollegialorgan verpflichtet und diese Entscheidung ist bindend. Also, Herr Kollege Krainer: ein bisschen mehr Übersicht über Vorgänge, Kollegialorgane, Einzelent­schei­dungen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung: Die größte Schredderaktion – zu diesem Zeit­punkt war ich im Staatsarchiv tätig – hat unter Bundesminister Edlinger stattgefunden, als er 2000 sein Büro geräumt hat. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Dort war nämlich am Ende nicht einmal mehr ein Telefon drinnen. Es war empty, und es war geschreddert, und nur ein kleiner Teil – ein ganz kleiner Teil – ist im Staatsarchiv gelandet. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Hörl.) Die Vorwürfe der beiden Parteien – wer was mehr geschreddert hat – sind also immer gegenseitig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein Wort zur IT-Konsolidierung im Bund (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ – Prä­sident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen): Wir haben das im Regierungs­pro­gramm stehen, das ist auch gut und richtig so. Ich sage nur zwei Beispiele: IT-Konsolidierung bestehender Bundessysteme, Verankerung des Einsatzes des Elaks im E-Government-Gesetz. Ein einheitlicher IT-Arbeitsplatz: dass es nicht einheitlich ist, davon können viele Beamte und Beamtinnen im Bundesdienst ein Lied singen, die würden sich das sehr wünschen. Auch ein einheitliches E-Mail-System gibt es im Bund nicht. Ich würde das gleich zusätzlich für alle Zoom-artigen Meetings erbitten, weil auch da hat, wie wir in den letzten eineinhalb Jahren gesehen haben, jedes Ministerium ein anderes System. Sozusagen im Sinne der Übersichtlichkeit wäre da eine Koordinierung sicher sinnvoll.

Die grünen Ministerien sind natürlich auch Teil dieser IT-Konsolidierung. Es wird bei manchen, auch bei einzelnen Sektionen, schon jetzt ins BRZ migriert – Kollege Gerstl hat ein paar Ministerien angeführt –, das ist noch nicht vollständig durchgeführt. (Abg. Martin Graf: Es gibt kein grünes Ministerium, es gibt nur ...!) Dort, wo die Migration der Daten ins BRZ schon stattfindet, wird nicht gelöscht. Es gibt auch keine Anordnungen zu irgendwelchen Löschungen.

Ich darf aber schon darauf hinweisen, dass, sobald jemand aus dem Amt scheidet – und zwar egal, ob politisches Amt oder beamtetes Amt –, die E-Mail-Adresse gelöscht wird. Er hat sie am nächsten Tag nicht mehr, sie hat sie nicht mehr. Je nachdem ist in einzelnen Bundesministerien die Übergangsfrist ein Monat oder vielleicht auch zwei, aber ich habe überhaupt keinen Zugriff mehr auf die Daten, und diese – der Account und sämtliche E‑Mails – werden natürlich aus diesem Postfach – manchmal eben sofort danach, manchmal ein paar Monate später – gelöscht. In der Cloud verbleiben sie in der Regel. Das ist dann oft unterschiedlich – je nachdem, welche Skartierordnungen Dienst­stellen oder auch Ministerien haben –, aber meistens werden sie nach einem Jahr gelöscht. Sie werden dann gelöscht, wenn sie nicht, wie es so schön heißt, im Elak veraktet sind. Es sind einfach Mails, die im normalen Parteienverkehr oder auch im internen Verkehr geschrieben worden sind.

Deswegen – wie ich schon mehrfach an dieser Stelle gesagt habe – braucht es dringend eine Reform des Bundesarchivgesetzes, damit es an diese Erfordernisse genau ange­passt wird, weil wir einen Begriff des Akts haben, der etwas überkommen ist, sage ich jetzt einmal.

Zu diesem Zwecke ein kurzer Blick in die Geschichte zur Frage des Aufhebens, des Archivierens, des Schredderns oder des Skartierens: Ich rate Ihnen, schauen Sie sich das Haus-, Hof- und Staatsarchiv an – es ist momentan gesperrt, weil umgebaut wird. Es ist heute – neben dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv, dem Finanz- und Hofkam­merarchiv, dem Archiv der Republik und dem Kriegsarchiv – eines der Archive des Österreichischen Staatsarchivs, und wurde im Jahr 1749 von Kaiserin Maria Theresia gegründet. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Es ist ihrer Initiative zu verdanken, dass es das überhaupt gibt, dass das jahrhundertelange Projekt und der immer wieder gescheiterte Plan, ein zentrales Herrschaftsarchiv des Hauses Habsburg zu machen, verwirklicht werden konnten – ein Meilenstein, wie ich meine. (Abg. Silvan: Der Abgeordnete Krainer ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Maria Theresia wollte damit die Verfügbarkeit von Akten sicherstellen. Ausschlaggebend dafür waren schließlich die Schwierigkeiten, in die sie beim Ausbruch des Österreichi­schen Erbfolgekriegs 1740 bis 1748 geraten war. Der Österreichische Erbfolgekrieg brach aus, als nach dem Tod Kaiser Karls VI., und damit dem Aussterben der männ­lichen Linie des Hauses Habsburg, seine Tochter Maria Theresia den österreichischen Erzherzogthron bestieg und mehrere europäische Fürsten eigene Ansprüche auf die Habsburgischen Erblande erhoben. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Ottenschläger: Hören Sie zu, jetzt ist es einmal inter­essant!) Es haben nämlich jene alten Urkunden zum Beweis ihrer Erbfolgerechte gefehlt. Solche Malversationen wollte sie für alle Zukunft ausschließen – eine gescheite Frau, die daran interessiert war, Akten aufzuheben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sämtliche wichtigen Rechts- und Herrschaftstitel des Hauses Habsburg – in der Regel Dokumente, alles, was es gegeben hat – wurden aus den entlegensten Archiven zusam­mengetragen und in das Hausarchiv gebracht, das dann 1918 endlich zugänglich gewor­den ist. Heute regelt das Bundesarchivgesetz die Archivierung und die Nutzung von Archivgut des Bundes. Es gibt überhaupt erst seit 2000 ein Bundesarchivgesetz, das den Zugang zu den Akten und das Aufheben von Akten regelt.

Ein zweiter wichtiger Teil in diesem Gefüge ist aber die Kanzleiordnung, die – auch von Maria Theresia – vor mehr als 200 Jahren erlassen wurde. Sie ist ähnlich schön wie die Verfassung – ich würde sagen: anmutig. Diese wurde erst 2004, da es keine Kanzleien mehr gibt, durch die sogenannte Büroordnung abgelöst. In dieser Büroordnung steht in § 26, einem Paragrafen über die Vernichtung elektronischer Akten, sehr genau vermerkt, dass die „elektronische Ablage“ – und dazu gehört alles, nicht nur die Akten – „jährlich auf die Erforderlichkeit der weiteren Aufbewahrung der Akten zu überprüfen“ ist. Dies – überprüfen, ob es zu skartieren ist oder aufgehoben werden soll – tut das Staatsarchiv.

Aus der Sicht einer Historikerin kann ich immer nur sagen: Bitte, bitte, alles, alles auf­heben! Es werden alle verrückt – auch bei uns im Klub –, weil ich immer sage: Hebt alles auf, schreddert nichts! – Die IT-Menschen werden auch wahnsinnig, weil sie da Daten­mengen verwalten müssen.

Ich sage nur eines: Hätte es die Erbfolgedokumente nicht gegeben, wären wir vielleicht heute Schlesier, Bayern, Spanier – je nachdem, aus welcher Perspektive des Erbfol­gekriegs man das sieht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In diesem Sinne kann ich nur sagen, dass im Übrigen die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die historische Aufklärung war interessant, ich habe etwas gelernt.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. Er hat ein Buch mit. – Bitte.