17.39

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Werter Herr Kollege Fürlinger, also jetzt haben Sie mich echt geärgert. Jetzt haben Sie mich echt geärgert! (Abg. Fürlinger: Das wollte ich tunlichst vermeiden!) Sie stellen sich hierher, stellen hier alternative Fakten auf! Wissen Sie, was das war? – Der Immunitätsausschuss, Herr Abgeordneter Fürlinger, ist der Ausschuss mit den routiniertesten, unkompliziertesten Sitzungen, die ich in den vier Jahren, seit ich im Nationalrat sitze, kenne. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist passiert, als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft das Ersuchen um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Sebastian Kurz an den Nationalrat gestellt hat? – Herr Abgeordneter Fürlinger, Sie sind Rechtsanwalt und Ab­geordneter, hören Sie jetzt bitte zu, gehen Sie nicht aus dem Saal! (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da die ÖVP eine rasche Aufklärung wollte, weil Sie ja alle zu Recht und hoffentlich auch aufrichtig an einer Aufklärung interessiert sind, habe ich in meiner Verantwortung als Vorsitzende dieses Immunitätsausschusses den ersten Termin, nämlich den 16. No­vem­ber, 8 Uhr, vorgeschlagen, eine Stunde vor Beginn der Plenarsitzung. Das wäre eine volle Stunde für eine Sitzung, die im Grunde genommen – das wissen die Zuseherinnen und Zuseher nicht – eine Formalie ist, weil ja im Vorfeld schon alles diskutiert wird, und es eine Abstimmung ist, die in der Regel 10 bis 15 Minuten dauert. Ich gestehe aber zu, das öffentliche Interesse an Ihnen Herr Abgeordneter Kurz, ist sehr groß, deshalb habe ich eine Stunde zugestanden.

Medial war die erste Reaktion der ÖVP: Na selbstverständlich, der 16.11., das ist ja das, was wir eigentlich kennen, dem stimmen wir zu. Hinter den Kulissen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, hat sich ein derartiges Tauziehen ergeben, dass ich mir gedacht habe: Wo bin ich denn?!, zwei Wochen lang. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Sie fragen, welches Tauziehen, Herr Abgeordneter Wöginger? (Abg. Wöginger: ..., was?) Lesen Sie denn die Korrespondenz nicht? Sind Sie nicht im Gespräch mit Ihren An­gestellten?

Das Erste war: Nein, wir wollen das am 16. nach der Sitzung! (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. Bitte, nach 16 Stunden Sitzung hätten wir am Dienstag um 23 Uhr über diese Causa debattieren sollen, weil Sie gesagt haben, die Zeit von 8 bis 9 Uhr ist Ihnen zu kurz, die Stunde ist Ihnen zu kurz. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe es schriftlich, Sie bekommen das alles gerne schriftlich. – So.

Das Zweite ist – weil Sie mich geärgert haben, da ist das Problem, Herr Wöginger (Abg. Wöginger: Genau, ...!), und das sage ich Ihnen jetzt (weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), und jetzt hören Sie mir auch zu; Sie können sich ja dann zu Wort melden, hören Sie einmal mit den Zwischenrufen auf! –, der zweite Termin wäre am 17. November nach Sitzungsende gewesen.

Der dritte Termin, den die ÖVP vorgeschlagen hat, wäre heute, gerade jetzt wollten Sie darüber reden. Na bitte, wann war denn das klar, dass morgen der Reservetag in An­spruch genommen wird, Herr Wöginger? (Abg. Wöginger: ...vorletzten Präsidiale!) Wann wurde das denn klar?  Erst am 11., in der letzten Präsidiale. So, und jetzt soll ich mir als Vorsitzende den Vorwurf machen lassen, ich würde Ihnen nicht genug Zeit geben?! Sie hatten die Möglichkeit, so viel Zeit zu haben, Sie hatten die Möglichkeit, sich einen Wunschtermin auszusuchen, das haben Sie aber nicht gemacht.

Damit verkürze ich es, weil ich gerne kurz auf den Inhalt eingehen möchte. Letztendlich hatten wir vorgestern diese Sitzung, sehr geehrte Damen und Herren, und es ist Einstim­migkeit da, ja, aber dafür hat es diesen Zirkus gebraucht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Es liegen in der ÖVP-Inseratenaffäre schwerwiegende Vorwürfe gegen den Abgeord­neten Sebastian Kurz und sein Umfeld vor. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Da werden wirklich schwerwiegende Vorwürfe erhoben. Es geht um nicht weniger als um den Verdacht der Bestechung, Verdacht der Bestechlichkeit, Verdacht der Untreue, und es sollen geschönte Meinungsumfragen und entsprechende Berichterstattung in Boule­vard­medien gekauft worden sein – und das alles von unser aller Steuergeld. Das ist zum Aufklären, das muss aufgeklärt werden!

Wir brauchen eine möglichst rasche Aufklärung (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Gerstl), aber dafür ist die Justiz zuständig, und auf parlamentarischer Ebene der Untersuchungsausschuss, den Sie hoffentlich nicht weiterhin verzögern, sondern mit forcieren werden.

Wie Sie alle wissen, darf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft seit dem 14. Oktober nicht ermitteln, weil ja Sie, Herr Abgeordneter Kurz, angelobt worden sind und parlamentarische Immunität genießen. Das ist ja auch wichtig, es hat ja seinen Sinn und Zweck, dass es diese Immunität gibt. Allerdings ist inzwischen wertvolle Zeit ver­strichen. Es durfte ja weder gegen Sie noch gegen all die anderen, die in diesem Komplex geführt wurden, ermittelt werden (Zwischenrufe bei der ÖVP) – durfte nicht, so.

Wenn heute die Einstimmigkeit weiterhin gegeben ist, wird das so sein, weil wir keinen Zusammenhang zwischen Ihrer Tätigkeit als Abgeordneter und diesen Korruptionsvor­würfen sehen, dem, was da von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgeworfen wird.

Niemand, sehr geehrte Damen und Herren, kann sich in diesem Parlament hinter der parlamentarischen Immunität verstecken, darüber sind wir uns alle einig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist nicht Teil der politischen Arbeit, Grenzen zu überschreiten. Noch einmal: Das soll die Justiz untersuchen und die politische Geschichte soll der Unter­suchungsausschuss des Parlaments erörtern. (Ruf bei der ÖVP: Muss!)

Ich möchte Ihnen nur eines sagen: Abgesehen von der strafrechtlichen Dimension, mit der sich die Justiz beschäftigen muss, und das hoffentlich ungestört  mit den rechtlichen Vorwürfen beschäftigt sich die Strafjustiz , hat mich eines an dem ganzen Vorfall erschüttert: Was durch die Chats an die Öffentlichkeit gekommen ist, diese innere Ein­stellung zu anderen Menschen, diese unglaubliche Gier zur Macht und die dafür verwendeten Mittel, das, was an die Öffentlichkeit gekommen ist, das ist wirklich be­schämend, und das schadet unser aller Ansehen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Andere haben dafür die Verantwortung bereits übernommen. Herr Kurz, ich erinnere daran, was Sie nach der Ibizavideoaffäre zu H.-C. Strache gesagt haben. Sie haben es gesagt, und unter anderem ist H.-C. Strache auch sofort zurückgetreten, ich glaube sogar, von allen seinen politischen Funktionen. Diese politische Dimension ist es, die mich beziehungsweise uns hier interessiert.

Dass Sie sich eine Selbstverteidigung aufbauen, Herr Kurz, sei Ihnen auch unbenom­men. Dass Sie aber ein Privatgutachten erstellen lassen, in dem missbräuchlich ein Uni­versitätslogo verwendet wird (Zwischenrufe bei der ÖVP) und von dem sich die Universität Wien distanziert, finde ich befremdlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz abgesehen davon, dass so manche Juristen auch inhaltlich den dortigen Aussagen nichts abgewinnen können: Wenn man dann noch weiß, in welchem Umfeld der Ver­fasser des Gutachtens als Rechtsanwalt tätig ist, könnten wohlberechtigte Zweifel an der Objektivität entstehen.

Befremdlich ist aber auch, dass zum ich weiß wirklich nicht mehr wievielten Male von der ÖVP auf die Justiz eingeschlagen wird und der Anschein erweckt werden soll, dass die WKStA politisch motiviert und überschießend agiert.

Herr Kurz, Sie machen der Justiz Vorwürfe, greifen sie an und schaden damit unserem Rechtsstaat. Jede Verteidigungsstrategie ist legitim, aber greifen Sie doch nicht den Rechtsstaat an! Greifen Sie doch nicht diese Institutionen der Demokratie an! (Zwi­schenruf des Abg. Gerstl.) Sie legen der Aufklärung in Wahrheit damit Steine in den Weg, Sie verunsichern, die Leute fühlen sich eingeschüchtert. Das sind doch weisungs­gebundene Staatsanwältinnen und Staatsanwälte! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gehen Sie doch endlich aus dieser Opferrolle heraus! Sie sind kein Opfer einer politi­schen Kampagne durch die Justiz, eher ist es umgekehrt. Also lassen Sie die Justiz endlich in Ruhe und ohne politische Zurufe arbeiten! Das ist angesichts der knappen Ressourcen ohnehin schon sehr schwer.

Österreich hat, meine sehr geehrten Damen und Herren – und damit werde ich meine Rede schließen –, ganz offensichtlich ein Problem mit Korruption (Abg. Michael Hammer: Frau Präsidentin, die Zeit ist ja schon um!), und das verstärkt in den vergangenen Jahren. Gerade die ÖVP hat sich wiederholt Maßnahmen zur Verbesserung der Korru­ptionsbekämpfung in den Weg gestellt. Wir müssen aber Maßnahmen gegen Korruption auf den Weg bringen, das haben all diese Vorfälle wieder einmal sehr deutlich gemacht.

Ich darf an das von einer breiten Zivilgesellschaft getragene Antikorruptions­volks­be­gehren erinnern (Abg. Michael Hammer: Frau Präsidentin, wie lang ...?) und alle ein­laden, dieses zu unterschreiben, sollten Sie das noch nicht getan haben. Wir können Korruption bekämpfen, sehr geehrte Damen und Herren! Bitte glauben Sie daran, dass wir sie bekämpfen können und unterstützen Sie dieses Volksbegehren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte.