16.57

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Die Situation in den österreichischen Spitälern ist dramatisch. 415 Menschen liegen derzeit auf den Intensivstationen – ein Plus von 86 Menschen im Wochenvergleich. 2 364 Menschen liegen auf den Normalstationen – ein Plus von 468 Menschen im Wochenvergleich. Und wir haben erstmals eine Inzidenz von über 1 000 im Siebentageschnitt. Im Zeitraum Mittwoch auf Donnerstag sind in Österreich 55 Menschen an Covid-19 gestorben.

Ich bin gerade aus Tirol zurückgekommen. In dieser Woche habe ich zahlreiche Ge­spräche mit Expertinnen und Experten, aber auch mit anderen Parteien, mit dem Koali­tionspartner und mit Vertretern der Bundesländer geführt. Dabei wurden Entschei­dun­gen getroffen, die vermutlich uns allen – mir zumindest – alles andere als leichtgefallen sind. Das sind jedoch Entscheidungen, die notwendig sind und die ich als Gesund­heitsminister mit dem Blick auf die Stabilität unseres Gesundheitssystems in dieser Situation treffen muss. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die vierte Welle hat uns in Österreich voll erwischt. Die Infektionszahlen haben einen neuen Rekordwert erreicht. Das Spitalspersonal – die Ärztinnen und Ärzte, das Pflege­personal – ist am Anschlag, die können nicht mehr. Wir müssen jetzt entschieden handeln, wir müssen diese vierte Welle brechen, um unsere Spitäler zu entlasten und um Men­schenleben zu retten. Mit diesem Ziel sind wir als Bundesregierung in die Gespräche mit den Landeshauptleuten gegangen, um die notwendigen Entscheidungen zu beraten und um gemeinsam eine Entscheidung zu treffen.

Wir haben gemeinsam die schwere Entscheidung für einen dreiwöchigen Wellenbrecher­lockdown in ganz Österreich getroffen. Warum ich das Gemeinsame jetzt so betone? – Ich habe es schon vorhin in der Pressekonferenz gesagt und möchte es hier im Hohen Haus noch einmal wiederholen: Es ist enorm wichtig, dass wir in der Krise, auch wenn wir unterschiedliche Standpunkte haben, zuerst einen gemeinsamen Nenner finden und dann alle gemeinsam an einem Strang ziehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schroll.)

Ich sage es auch hier: Wenn wir als Bundesregierung in den letzten Tagen an mancher Stelle hinter dem Anspruch zurückgeblieben sind, dass wir gemeinsam handeln, dann möchte ich mich hierfür entschuldigen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abge­ordneten der NEOS.)

Es war für uns eine schwere Entscheidung für einen harten Lockdown von drei Wochen. Ich ersuche Sie jetzt auch hier, dass wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und der Verordnung im Hauptausschuss alle gemeinsam zustimmen. Die Mitarbeiter meines Hauses haben diesen Entwurf bereits an die Parlamentsfraktionen übermittelt. (Prä­sidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die Verordnung, die ab 22. November gelten soll, sieht ganztägige Ausgangsbeschrän­kungen für alle Personen in Österreich vor. Die Ausnahmegründe für das Verlassen der Wohnung sind die bereits bekannten: Abwendung von Gefahr für Leib und Leben sowie Eigentum, Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse, berufliche Zwecke und Aus­bildungszwecke, Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung und unaufschiebbare behördliche und gerichtliche Wege.

Was mir persönlich besonders wichtig ist – ich habe das auch in den letzten Monaten hier immer wieder betont –: Schulen bleiben für den Präsenzunterricht grundsätzlich geöffnet, Kindergärten ebenfalls. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wo immer möglich, soll auf Homeoffice umgestellt werden. Darüber hinaus wird die FFP2-Masken-Pflicht ausgeweitet. Sie gilt ab Montag in allen geschlossenen Räumen und am Arbeitsplatz, außer es gibt sonstige Schutzvorrichtungen.

Nach Ende dieses allgemeinen Lockdowns werden wir wieder zum Lockdown für ungeimpfte Personen zurückkehren. Die Impfung wird danach weiter das Ticket für einen möglichst normalen Alltag sein, denn auch die 2G-Regel wird uns noch sehr lange be­gleiten.

Die Einschränkungen, die es angesichts der aktuellen Situation auch für Geimpfte braucht, sind zeitlich begrenzt. Für Ungeschützte wird es auch danach weiterhin Schutz­maßnahmen brauchen. Darauf hat sich die Bundesregierung mit den Landeshauptleuten geeinigt. Diese Entscheidung war einstimmig.

Eine Einigung gab es darüber hinaus auch auf eine allgemeine Impfpflicht, denn wir brauchen einfach eine höhere Durchimpfungsrate, wenn wir die Pandemie hinter uns lassen wollen. Diese allgemeine Impfpflicht wird in den nächsten Wochen gemeinsam mit den Sozialpartnern, mit der Zivilgesellschaft und den betroffenen Gruppen erarbeitet. Auch zahlreiche Verfassungsjuristinnen und -juristen haben sich mit diesem Thema bereits auseinandergesetzt und signalisieren, dass eine allgemeine Impfpflicht im Fall der Coronaschutzimpfung verfassungsrechtlich legitim ist.

Klar ist auch – und das möchte ich hier im Hohen Haus natürlich besonders unter­streichen –, dass ein ordentliches Begutachtungsverfahren gemacht wird. Das ist hierbei extrem wichtig. (Abg. Belakowitsch: Es ist eine Schande, dass Sie das betonen müssen! Das sollte selbstverständlich sein!)

Die Impfpflicht wird uns langfristig helfen. Was wir jetzt brauchen, um die vierte Welle noch schneller brechen zu können, ist die dritte Dosis, die Boosterimpfung. Weil diese Auffrischung so enorm wichtig ist und inzwischen ausreichend Evidenz dafür vorliegt, wird das Nationale Impfgremium seine Empfehlungen wie folgt anpassen: Die dritte Dosis bei Vektorimpfstoffen ist nach vier Monaten empfohlen, die dritte Dosis bei MRNA-Impfstoffen nach vier Monaten möglich. Parallel dazu wird es diesbezüglich eine Anpassung im grünen Pass geben. Die Gültigkeitsdauer wird ab kommendem Februar auf sieben Monate verkürzt.

Eine weitere Maßnahme, um die Impfquote zu erhöhen, sind Schreiben an die Unge­impften, in denen diesen ein konkreter Termin angeboten wird. Dabei werden wir eng mit dem Dachverband der Sozialversicherungsträger zusammenarbeiten. Die heutige Gesetzesänderung macht das möglich. Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Abschließend möchte ich noch einmal dazu aufrufen: Lassen Sie uns jetzt alle gemein­sam an einem Strang ziehen! (Abg. Schroll: Die letzten Monate ...! – Zwischenruf des Abg. Drobits.) An die Menschen draußen: Halten Sie sich bitte an die Maßnahmen! Gehen Sie impfen, erneuern Sie damit Ihren Schutz! Nur gemeinsam schaffen wir den Weg aus dieser Pandemie. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da die Bestellung von Covid-Medikamenten heute schon zweimal, von Kollegin Belakowitsch und auch von Abgeordnetem Kaniak, angesprochen worden ist: Wir bestellen natürlich. (Abg. Belakowitsch: ... Medikamente?! Ich habe über Ärzteteams gesprochen!) Ich kann Ihnen auch die Mengen sagen: Von MSD wird Molnupiravir für 80 000 The­rapie­zyklen bestellt, und das Pfizer-Medikament im Umfang von 270 000 Therapiezyklen. Das ist sicherlich eine sehr interessante Option, die wir natürlich ziehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.06

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.