17.53

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Sterbehilfe ist ein Thema, über das extrem kontrover­siell diskutiert wurde. Beinahe jedes Argument, egal ob für oder wider, hat etwas für sich und ist grundsätzlich nachvollziehbar. Ich kann Ihnen versichern, auch wir haben es uns bei der Entscheidungsfindung nicht einfach gemacht.

Über lange Zeit wurden Menschen, die schwer krank waren und gelitten haben, vom Gesetzgeber alleingelassen, und nicht nur diese selbst, sondern auch engste Angehöri­ge und Bezugspersonen, die ob des Leidens ihrer geliebten Menschen hin- und hergeris­sen waren und schier verzweifelt sind. Nun hat der Verfassungsgerichtshof eine weitrei­chende Entscheidung getroffen, das Verbot der Beihilfe zum Selbstmord wurde als ver­fassungswidrig erklärt.

Es bestand Handlungsbedarf. Wichtig ist, dass die Anstiftung zum Selbstmord sowie die Tötung auf Verlangen weiterhin strafbar bleiben. Auch Minderjährige und psychisch Kranke sind weiterhin geschützt.

In den letzten eineinhalb Jahren durfte ich Dutzende Gespräche führen und mich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich und ganz herzlich bei meinen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern bedanken, die sich die Zeit genommen haben, ihre Sorgen, ihre Bedenken zum Ausdruck zu bringen. Auch all jenen, die uns ihre Meinung schriftlich haben zukommen lassen, möchte ich an dieser Stelle danken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Dabei hat sich eines gezeigt: Die Meinungen in Österreich zum sogenannten Sterbever­fügungsgesetz gehen sehr weit auseinander. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozial­demokraten steht eines im Mittelpunkt: Jeder Mensch soll ein selbstbestimmtes Leben in Würde führen können. Am Ende des Lebens steht das Sterben. Auch das Sterben soll in Würde und selbstbestimmt erfolgen können. Beides sind für uns ganz zentrale Ansprü­che eines jeden Menschen.

Wenn es um ein Sterben in Würde geht, steht für uns der Ausbau von Hospiz- und Pallia­tivwesen an oberster Stelle. Es gibt viele hervorragende Einrichtungen, und dort passiert tagtäglich viel Gutes. Leider steht dieses Angebot aktuell nicht allen Menschen im Land zur Verfügung, daher ist ein flächendeckender Ausbau, Frau Ministerin, ganz dringend notwendig. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Der Bund hat den Ländern jedenfalls als ersten Schritt 150 Millionen Euro für den Aus­bau der Hospiz- und Palliativversorgung zur Verfügung zu stellen.

Letztlich gibt es aber auch Fälle, in welchen sich Menschen dafür entscheiden – auch das musste ich bei den vielen Gesprächen zur Kenntnis nehmen –, dem eigenen Leben ein Ende setzen zu wollen. Das ist von uns allen zu akzeptieren.

Es gab zahlreiche Bedenken, was den möglichen Missbrauch des Gesetzes angeht, Angst, dass Druck auf ältere oder beeinträchtigte Menschen ausgeübt werden könnte. Wir nehmen diese Bedenken sehr ernst. Missbrauch, muss man an dieser Stelle auch deutlich sagen, ist leider nie hundertprozentig auszuschließen. Daher werden wir ganz genau darauf achten müssen, wie sich die Umsetzung dieses Gesetzes entwickelt. Dafür haben Sie, verehrte Justizministerin, uns über die Fallzahlen und auch über die Schwie­rigkeiten zu informieren. Uns ist bewusst: Wir beschließen einen Paradigmenwechsel in Österreich. Das verpflichtet uns dazu, ganz genau zu beobachten, was die Konsequen­zen daraus sind.

In diesem Zusammenhang kann ich mir die Kritik an der ÖVP und an den Grünen nicht verkneifen. Diese richtet sich in erster Linie gegen den Prozess, wie dieses Gesetz zu­stande gekommen ist. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war uns allen seit vielen Monaten klar, dass es eine Neuregelung braucht. Der Gesetzesvor­schlag wurde viel zu spät auf den Tisch gelegt, zu spät für eine ausführliche Begutach­tung, zu spät für eine breite, intensive gesellschaftliche Debatte zu einem so wichtigen und sensiblen Thema. (Beifall bei der SPÖ.)

Die schlussendliche Vorlage der Regierung orientiert sich jedoch am Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, und daher werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung er­teilen – für ein selbstbestimmtes Leben und Sterben in Würde! (Beifall bei der SPÖ.)

17.58

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Michaela Steinacker. – Bitte.