17.27

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Regierungs­mit­glieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die beiden Reden der Kritiker Amesbauer und Loacker so hintereinander hört, dann muss man sagen: Einer der beiden ist schon gescheiter als Herr Amesbauer, das ist ganz klar. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von Grünen, SPÖ und NEOS. – Abg. Schrangl: Schauen wir uns an, wie gescheit du bist!)

Ein Thema ist bisher wenig zur Sprache gekommen, und das ist Long Covid, ein Problem und eine Krankheit, die mit Corona einhergeht und die uns noch sehr lange beschäftigen wird. Wir haben in Österreich derzeit über 100 000 Fälle. Es ist schwer, eine genaue Zahl zu nennen, weil die Symptome dieser Krankheit – es ist keine eigenständige Krank­heit, da es eine Folge von Corona ist – so unterschiedlich sind. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es gibt Leute, die so schwere Muskelkrämpfe haben, dass sie nicht gehen können und an den Rollstuhl gefesselt sind. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Es gibt Menschen, deren Lunge so kaputt ist, dass sie überhaupt keine Luft mehr bekommen und sich des­wegen nicht bewegen können. Es gibt Menschen mit neurologischen Problemen, Kon­zentrationsproblemen, Anfällen aller Art. Es gibt Menschen mit schweren Erschöpfungs­erscheinungen – zu denen gehöre auch ich. Ich habe seit vermutlich 13 Monaten dieses Problem. Ich kann an einem Tag wie heute hier halbwegs vernünftig arbeiten und Ihnen folgen. Es gibt Tage, an denen ich kaum aus dem Bett komme, und Tage, an denen ich nach einer halben Stunde Arbeit schlicht und einfach abbrechen muss und nicht mehr kann.

Das haben, und ich bin einer der milderen Fälle, derzeit 100 000 Menschen. 10 bis 15 Prozent der Coronafälle entwickeln Long Covid. Wenn in Österreich zwei Millionen Menschen ungeimpft sind und jemand fordert, dass man diese Menschen einfach so in diese Krankheit laufen lässt, dann fordert man 200 000 bis 300 000 Long-Covid-Fälle, 200 000 bis 300 000 Menschen, die vielleicht bis zu einem Jahr arbeitsunfähig sind, krank sind, ins Krankenhaus müssen. Mich interessieren in Wahrheit all die Kosten, die da ständig aufgerechnet werden, am wenigsten; aber das kann sich das System nicht leisten. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Die Forschung ist noch im Gang. Man weiß noch nicht einmal, wie lange es dauern wird und wie viel davon chronisch wird. In den Studien ist aber sehr deutlich, dass man mit einem schweren Verlauf von Corona ein wesentlich größeres Risiko hat, Long Covid oder schweres Long Covid zu entwickeln. 75 Prozent der Fälle von schwerem Long Covid hatten auch schwere Coronasymptome. Deswegen ist die Impfung so wichtig, schon alleine um das abzumildern, für das nächste, das übernächste Jahr oder wie lange das auch immer dauert. Deswegen brauchen wir (Abg. Stefan: Den Herbert Kickl oder was?) es, dass die Hunderttausenden Fälle von Corona, die trotz allem kommen werden, mild verlaufen.

Weil ich immer wieder höre, vorhin wieder: Die zweite Impfung bringt auch keine sterile Immunität, man kann die Krankheit trotzdem entwickeln. – Ja, das stimmt schon, man kann sie trotzdem entwickeln – aber wissen Sie, wenn Sie einen Motorradunfall haben, können Sie sich den Kopf aufschlagen und daran sterben. Deswegen gibt es eine Helmpflicht. Sie können mit einem Helm einen Unfall haben und sich trotzdem das Knie verletzen (Abg. Deimek: Nicht jeder dumme Vergleich passt!), das stimmt, aber zu sagen, dass der Helm nichts nutzt, wenn man sich das Knie verletzen kann, ist nicht unbedingt das allergescheiteste Argument, oder? (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS. – Abg. Stefan: Beeinträchtigt der Helm die körperliche Integrität?)

Deswegen würde ich alle Leute, die jetzt zuschauen und sich das vielleicht überlegen, ersuchen, sich impfen zu lassen. Es wird helfen.

Wissen Sie, was jetzt an all den Argumenten, die ich dagegen gehört habe – Frei­heits­beraubung und sonst etwas –, so bizarr ist? Wissen Sie, wer 1985, 1986 die Helmpflicht in Österreich eingeführt hat? – Die rot-blaue Regierung; mit der FPÖ. Bei der Helmpflicht geht es nicht um Schutz vor Ansteckung. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Sie haben den Menschen, die Motorrad fahren und dabei die Haare wehen lassen wollten, die gesagt haben: Das ist doch meine Freiheit!, die Freiheit genommen. Um sie zu schützen und ihre Gesundheit zu schützen, haben Sie eine Pflicht eingeführt und die Rechte dieser Menschen beschnitten. (Abg. Stefan: Toller Vergleich! Super Vergleich!) Das haben Sie gemacht. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Es ist auch vollkommen normal, dass der Staat Menschen schützt, eine Pflicht einführt, um Menschen zu schützen. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Das ist überhaupt keine Freiheitsberaubung und überhaupt kein diktatorischer Akt. Sie machen das sogar mit Menschen, die andere nicht gefährden, und wir machen das mit Menschen, die ein Virus verbreiten können. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS. – Ruf: Sehr gute Rede!)

17.32

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Verena Nussbaum zu Wort. – Bitte.