9.17

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Die Arbeitsmarktlage ist glücklicherweise tatsächlich insgesamt relativ gut – sehr gut, wenn man die generelle Situation betrachtet. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit in einem Februar seit 2011. Im Vergleich zu den Jahren davor ist die Arbeitslosigkeit im Februar um Zehntausende Menschen geringer – auch im Vergleich zu Jahren, in denen die Pandemie noch keine Rolle gespielt hat, auch im Vergleich zu Jahren, in denen es keine Rezession gab. (Abg. Yılmaz: Das klingt schon wieder ein bisschen anders!) Vielleicht als kleiner Vergleich: 2015, 2016 – da gab es keine Pandemie, es gab auch keine Rezession – war die Arbeitslosigkeit im Februar um 90 000 bis 100 000 Menschen höher als jetzt. Das zeigt, dass sich der Arbeitsmarkt glücklicherweise von der Pandemie erholt hat – im Generellen, natürlich nicht in allen seinen Bereichen. Es zeigt sich auch, wenn man auf die offenen Stellen schaut, dass wir eine extreme Dynamik am Arbeits­markt erleben.

Es geht aber – das ist mir wichtig zu sagen – nicht nur um diese Vergleiche und um die Statistik. Kein Arbeitsloser, keine Arbeitslose, keiner oder keine, der oder die jetzt arbeitslos ist, hat etwas davon, wenn wir generell eine gute Arbeitsmarktlage haben. Entscheidend ist – und es ist, glaube ich, auch wichtig, das noch einmal hervorzuheben –, dass wir für dieses Jahr das größte Budget aller Zeiten für die aktive Arbeitsmarktpolitik haben. Das betrifft Qualifizierungsmittel in der Coronajoboffensive, das betrifft aber auch das Pro­gramm Sprungbrett und andere Programme zur Wiedereingliederung von Langzeit­arbeits­losen, um eben die Menschen, die es am Arbeitsmarkt besonders schwer haben, wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir unternehmen große Anstrengungen, um die gute Zeit, die wir jetzt haben, dafür zu nutzen, die Arbeitslosigkeit weiter zu senken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich erwarte tatsächlich, dass wir in den nächsten Monaten, wenn nichts Unvorher­ge­sehenes passiert, wieder sinkende Arbeitslosenzahlen haben. Ich erwarte auch, dass die Programme in dieser aktuellen Lage noch besser wirken, aber ich appelliere in dieser Situation auch an alle Unternehmen, gerade Menschen, die länger arbeitslos waren – viele von ihnen sind unverschuldet zu Beginn der Pandemie, im März, April 2020, arbeitslos geworden –, eine Chance zu geben und sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ich glaube, das ist jetzt die Aufgabe, die vor uns liegt.

Die Kurzarbeit war unser wichtiges Kriseninstrument am Arbeitsmarkt. Derzeit sind ungefähr 185 000 Menschen für Kurzarbeit vorangemeldet. Es hat sich etwas verändert bei der Kurzarbeit, ich glaube, es ist wichtig, das einmal dazuzusagen – es gibt Men­schen, die rechnen die Kurzarbeit einfach zur Arbeitslosigkeit dazu; das ist falsch, das ist grundfalsch –: Die Kurzarbeit wird jetzt von Betrieben vor allem genutzt, um sich gegen die Unsicherheit, die es noch im Jänner und Februar betreffend die Entwicklung der Omikronwelle gegeben hat, abzusichern. Viele von diesen Voranmeldungen werden nicht abgerechnet werden. Wir haben schon im Dezember gesehen, als noch tatsächlich ein Lockdown verhängt war, dass nur die Hälfte oder knapp über die Hälfte der Vor­anmeldungen tatsächlich abgerechnet wurde. Ich rechne auch jetzt damit, dass ein Großteil dieser Voranmeldungen nicht abgerechnet wird und dass die meisten Men­schen, die in Kurzarbeit sind, mehr als 50, 60 Prozent ihrer Arbeitszeit im Durchschnitt auch tatsächlich geleistet haben werden.

Das heißt, die Kurzarbeit ist wichtig, aber sie ist in ihrer Wichtigkeit glücklicherweise bei Weitem nicht mehr so ausgeprägt wie vor einem Jahr. 2021 sind die Kurzarbeitszahlen um 360 000 Menschen zurückgegangen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Erfolg. Die Kurzarbeit wird in gewissen Branchen gebraucht, in anderen Bereichen ist sie glücklicherweise nicht mehr notwendig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nachdem jetzt Schritt für Schritt auch die Einschränkungen durch die Coronamaß­nah­men zurückgenommen werden konnten und in den nächsten Wochen zurückgenommen werden und wir auch Schritt für Schritt andere Maßnahmen, die die Krisenbewältigung mit sich gebracht hat, wie Unternehmensunterstützungen und Kurzarbeit zurückfahren können, bin ich froh, dass die Coronakurzarbeit Ende März wie geplant auslaufen kann.

Um den Betrieben Planungssicherheit zu geben, haben wir aber beschlossen, dass ein Wechsel in die reguläre Kurzarbeit, die ja – wie auch vor der Coronakrise – weiter bestehen bleibt, möglich sein wird. Das ist heute im Ministerrat beschlossen worden. Wir haben die maximale Inanspruchnahme leicht erhöht, also eine technische Anpassung vorgenommen, um den Betrieben, die durch die Pandemie besonders stark betroffen sind, noch eine gewisse Zeit zu geben, alles gut zu regeln und wieder auf Vorkrisen­niveau zu kommen. Das sind zweieinhalb zusätzliche Monate, das betrifft knapp 4 000 Betriebe in Österreich potenziell und ungefähr 13 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die seit Beginn der Pandemie, seit März, April 2020, in Kurzarbeit sind – immer noch eine große Zahl, aber im Vergleich zu den Gesamtkurzarbeitszahlen und zur Zahl der Beschäftigten glücklicherweise nur mehr eine kleine Zahl.

Die Herausforderungen am Arbeitsmarkt sind strukturell; ich glaube, es ist ganz wichtig, darauf hinzuweisen. Wir haben auf der einen Seite Betriebe, die noch Schwierigkeiten haben, wo es noch Einschränkungen gibt, die auch am liebsten voll arbeiten würden, für die es aber noch nicht volle Planungssicherheit gibt – im Eventbereich, in der Stadt­hotellerie, in Kunst und Kultur, im Sportbereich, natürlich auch in anderen Bereichen der Wirtschaft –, auf der anderen Seite Betriebe, die einen extremen Fachkräfte- und Ar­beitskräftemangel haben, und wir sehen, dass dieses strukturelle Ungleichgewicht, das entstanden ist, gar nicht so leicht aufzulösen ist.

Es ist überraschend, dass gerade im Kultur- und Kunstbereich oder auch im Bereich des Veranstaltungswesens besonders viele offene Stellen gemeldet sind. Woran liegt das? – Das liegt daran, dass viele Beschäftigte diese Bereiche aufgrund der Unsicherheit, die sich in dieser Pandemie ergeben hat, verlassen haben. Es gab über die Monate hinweg Lockdowns, es gab Einschränkungen, die nicht vorherzusehen waren, und deswegen haben viele Beschäftigte gerade diesen Bereich – auch den Tourismus – verlassen. Es wird also unsere große Aufgabe sein, mittels sinnvoller und kluger Maßnahmen da wieder ein Gleichgewicht herzustellen.

Gleichzeitig geht es darum, strukturelle Herausforderungen zu beseitigen. Es ist schon angesprochen worden: Der sogenannte qualifikatorische Mismatch, die Tatsache, dass fast 50 Prozent der arbeitslosen Menschen keine formale Qualifikation über dem Pflicht­schulabschluss haben und damit die offenen Stellen nicht besetzen können, fordert uns heraus und zwingt uns, weitere Maßnahmen im Bereich der Qualifizierung zu setzen. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, allen Menschen eine Chance zu geben, ein Angebot machen zu können für eine Aufqualifizierung, eine Umqualifizierung für jene Bereiche, in denen besonders viele Arbeitskräfte gesucht werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der zweite große strukturelle Problemfaktor, der schon angesprochen wurde, ist ein regionaler Mismatch. Wir erleben natürlich gewisse Regionen, wo die Arbeitslosigkeit höher ist, aber auch Regionen, wo die Arbeitslosigkeit zum Beispiel im Sommer schon bei unter 4 Prozent lag – da sprechen alle Expertinnen und Experten von Vollbeschäfti­gung. Das heißt, wir erleben am Arbeitsmarkt unterschiedliche Realitäten für unter­schiedliche Personen und unterschiedliche Unternehmen: auf der einen Seite durchaus noch eine Arbeitslosigkeit, die relativ hoch ist, auf der anderen Seite aber eine sehr, sehr große Schwierigkeit für Unternehmen, Arbeitskräfte zu finden.

Wir versuchen über Förderung, über positive Anreize die regionale Mobilität in Österreich zu stärken, und wir versuchen vor allem, eine bessere Planbarkeit für Betriebe und auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer herzustellen. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Statistik Austria das Projekt Fachkräftebarometer angestoßen. Es geht aber auch um andere Maßnahmen. Es geht um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das wurde auch angesprochen. Es geht um die gesundheitliche Förderung von älteren Arbeit­neh­merinnen und Arbeitnehmern, damit sie lange gesund im Betrieb arbeiten können. Da haben wir sicher auch noch Nachholbedarf.

All das wird dazu führen, dass der Fachkräftemangel, der Arbeitskräftemangel, den wir erleben, gelindert werden kann. Ich sage aber auch dazu: Das ist eine gemeinschaftliche Aufgabe. Es gibt eine Verantwortung der Unternehmen, genauso wie es eine Verant­wortung der Politik gibt, alles zu tun, um den Fachkräftebedarf, der sich in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung verstärken wird, so gut es geht abzu­sichern – über Ausbildung, über Vereinbarkeit von Beruf und Familie, über Gesundheits­maßnahmen und natürlich auch über alle anderen regulatorischen Maßnahmen, die dem Arbeitsrecht und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Wir werden weiter daran arbeiten, dass sich die Arbeitsmarktlage verbessert, wir werden weiter daran arbeiten, dass möglichst viele offene Stellen möglichst rasch besetzt werden können und Menschen möglichst kurz in Arbeitslosigkeit sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kaufmann. Ab nun beträgt die Redezeit 5 Minuten. – Bitte sehr.