11.06

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! In rund 2 Stunden ist es so weit: Die Europäische Kommission legt einen Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz vor. Worum geht es? Es geht darum, festzulegen, inwiefern man Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten, also zur Einhaltung von Menschenrechten, aber auch zur Produktion nach sozial und ökologisch hochwertigen Standards verpflichten kann – nicht nur bei der eigenen Produktion, son­dern über die gesamte Lieferkette, ja sogar über die gesamte Wertschöpfungskette hin­weg. Das ist für die österreichische Wirtschaft und Industrie ein hoch relevantes Thema.

Vielleicht gleich einmal vorab: Ich bin absolut dafür, dass sich Unternehmen für Men­schenrechte und für ökologisch und sozial hochwertige Standards einsetzen. Mir ist aber auch wichtig, zu sagen, dass sie das tun, dass die österreichischen Unternehmen – national oder international tätig – ihre Sorgfaltspflichten im Bereich der Menschenrechte und der Standards sehr wohl wahrnehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Schallmeiner und Scherak.)

Was ich aber schade finde, ist, dass dieses Thema in Österreich wieder einmal nicht sachlich diskutiert wird, sondern dass es ideologisch aufgeladen ist. Wenn ich mir die Homepage www.lieferkettengesetz.at ansehe, wo ich gleich als ersten Satz lese, dass viel zu oft international agierende Konzerne ihre gigantischen Gewinne auf dem Rücken von Menschen und Umwelt erwirtschaften – und das geht in dieser Tonart auch weiter –, dann wird seitens der NGOs nicht informiert, sondern agitiert. Und das ist in einem Land, das ohnehin ein bisschen wirtschaftsskeptisch ist, nicht besonders förderlich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Künsberg Sarre und Scherak.)

Ich möchte betonen: Die Wirtschaft ist in vielen Bereichen, vor allem auch in der Umsetzung des Green Deals, nicht Teil des Problems, sondern sie ist Teil der Lösung. Daher wäre es auch angebracht, dass wir im Sinne der Nachhaltigkeit gemeinsam und nicht mit einem ideologisch geführten Kampf der NGOs daran arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist zu begrüßen, dass es europaweit einheitliche Regelungen gibt. Das ist ganz klar. Es ist aber auch wichtig, dass sie praktikabel und verhältnismäßig sind. Was meine ich? – Die Unternehmen sollen nach hohen Standards produzieren. Es ist aber die Frage, wie weit ich in der Lieferkette zurückgehe, denn es ist wichtig, dass sie pro­duzieren. Dazu sind Unternehmen da, denn das schafft auch die Arbeitsplätze. Ich glaube, es ist nicht so wichtig, dass sie sich über vier, fünf Lieferkettenschritte hinweg informieren, dokumentieren und zertifizieren (Abg. Kassegger: Aber das passiert!), denn – ganz ehrlich gesagt – davon profitieren lediglich die Zertifizierungsunternehmen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Leidtragenden sind neben den Unternehmen auch die Länder, in denen diese Men­schenrechtsverletzungen teilweise stattfinden. Denn was wird passieren? – Die Unter­neh­men schließen diese Länder ganz einfach von der Lieferkette aus.

Ich glaube, dass das für diese Entwicklungsländer nicht förderlich ist. Sie werden dort keine Niederlassungen mehr haben. Es muss uns schon bewusst sein: Die Unterneh­men produzieren auch dort vor Ort nach ökologisch und sozial hochwertigen Standards und halten dort natürlich die Menschenrechte ein. Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn sich die westlichen, die europäischen Staaten da zurückziehen. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Die Frage muss sein: Wie weit gehe ich in der Lieferkette zurück? – Ich glaube, es ist klar, dass die Sorgfaltspflicht mit allen Konsequenzen nur so weit gehen kann, wie man auch tatsächlich dafür verantwortlich ist und wie man etwas kontrollieren kann. Das sind die eigene Produktion und vielleicht noch die direkten Lieferanten.

Ich glaube auch, dass das deutsche Gesetz sowohl vom Anwendungsbereich als auch von der Größe der Unternehmen da eine Richtschnur ist (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), denn, Herr Reimon, man muss schon wissen: Es ist auch nicht jedes Unterneh­men mit 500 Mitarbeitern ein Großkonzern. Die wirklichen Großkonzerne können das leisten, aber die Kleineren nicht.

Frau Minister, ich darf Sie bitten, sich wirklich für eine praktikable Maßnahme mit Haus­verstand einzusetzen. Wir müssen uns immer wieder darauf besinnen: Europa ist längst führend im verantwortungsvollen Unternehmertum. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Wirtschaft und unsere Industrie wettbewerbsfähig bleiben, denn es ist ganz klar: Wenn wir das nicht schaffen, wenn wir sie im internationalen Wettbewerb benachteiligen, ist das zwar gut gemeint, aber für die Menschenrechte und auch für das Weltklima definitiv nicht gut gemacht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke für die Zeitdisziplin.

Als Nächste ist Frau Abgeordnete Bayr zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.