11.11

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Schoko­lade, die auf der Zunge zerschmilzt und dabei den schalen Beigeschmack von Kin­derarbeit hinterlässt, von Fünf-, Sechs-, Siebenjährigen, die in Ghana oder in der Côte d'Ivoire auf den Kakaoplantagen schuften.

Schuhe in funky Farben, die von Arbeiterinnen und Arbeitern hergestellt werden, auf deren Händen der Gerbprozess für immer seine Spuren hinterlassen hat und die bis zum Lebensende mit diesen funky Farben auf den Händen herumlaufen und dazu noch das Wasser trinken werden, das durch den Gerbprozess vergiftet worden ist.

Elektromobilität – die Rettung für das Weltklima, staatlich gefördert! –, deren Batterie­technologie nur deswegen funktioniert, weil ganze Landstriche als tote Mondland­schaf­ten zurückbleiben und Arbeiterinnen und in dem Fall vor allem Arbeiter, die diese seltenen Erden, die man für die Batterietechnologie braucht, schürfen, unter sklavenähn­lichen Arbeitsverhältnissen ihr ganzes Leben lang ausgebeutet werden.

Die österreichischen und europäischen Konsumentinnen und Konsumenten wollen das nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Koza.)

Sie haben ein Recht darauf, sich darauf verlassen zu können, dass in den Produkten, die sie kaufen, die sie konsumieren, keine Menschenrechtsverletzungen, keine Umwelt­verschmutzungen und keine Klimazerstörung drinnen stecken. Sie haben das Recht darauf. Das wird nur durch ein verbindliches und starkes Lieferkettengesetz auch wirklich funktionieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn heute um 13 Uhr – wir haben es schon gehört – die Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie zu einem Lieferkettengesetz vorlegen wird, dann ist das der vierte Anlauf, den sie dazu macht. Verstehen Sie mich nicht falsch! Der Schritt an sich ist ein guter, weil er ein ganz, ganz wichtiger Schritt weg von dieser vollkommenen Perversität der freiwilligen Selbstverpflichtung, die noch nie funktioniert hat, hin zu wirklich verbind­lichen, rechtlich einklagbaren Regelungen ist. Das ist gut, das ist wunderbar.

Eine rechtliche Verpflichtung muss die Risiken in der gesamten Lieferkette umfassen. Sie muss Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechts-, Umwelt- und Klimarisiken zu identifizieren, zu dokumentieren, zu minimieren und auszuschalten, und den Opfern dieser Verletzungen auch wirklich einen Schadenersatz und den Zugang zu Gerichten in der Europäischen Union gewähren. Das ist wichtig und ein wirklich wichtiger, großer Schritt, aber – das Aber ist leider ein sehr großes – wir wissen aus Leaks oder von Leuten, die den Entwurf schon gelesen haben, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Ich möchte auf vier Kritikpunkte des vermeintlichen oder des wahrscheinlichen Entwurfs von heute eingehen.

Erstens zur Anwendbarkeit: Die Größe der Unternehmen, differenziert nach risiko­reichen und nicht risikoreichen Branchen, ist in einer Art und Weise gefasst, dass ungefähr 1 Prozent der europäischen Betriebe betroffen sein werden, das sind gerade einmal ein paar Dutzend in Österreich. Wir wissen, dass es viel, viel mehr Unternehmen gibt, die wirklich risikoreiche, problembehaftete Produkte und Lieferketten haben. Die werden nicht erfasst sein. Das ist wirklich nicht gut, das ist sehr problematisch.

Zum Zweiten: Der Zugang für Opfer dieser Menschenrechts-, Umwelt- und sonstigen Verletzungen zu Gerichten ist weiterhin mit unendlich vielen Hürden gepflastert. Ver­fahrensrechte bleiben so sperrig, wie sie jetzt sind, was Verjährungen, was Beweislasten und was Zuständigkeiten von Gerichten betrifft.

Zum Dritten: Die Einbindung von ganz, ganz wichtigen Stakeholdern in das Aufsetzen von betrieblichen Sorgfaltspflichten kommt quasi nicht vor, das heißt, Gewerkschaften, Betriebsräte oder lokale Organisationen, die wissen, was los ist, werden bei diesem wichtigen Schritt keine Rolle spielen.

Zum Vierten: Das Erfassen der gesamten Lieferkette, das so wichtig wäre, bleibt ein Lippenbekenntnis, weil im Vorschlag vorgesehen ist, dass nur etablierte Geschäfts­bezie­hungen darunterfallen werden. Das ist zu wenig.

Wir als SPÖ haben in nur dieser Gesetzgebungsperiode vier Anträge zu starker Unter­nehmensverantwortung eingebracht. Ein Antrag von Alois Stöger und mir liegt im Sozialausschuss, weitere von Julia Herr und mir im Umwelt- und im Justizausschuss sowie einer meiner Anträge im Finanzausschuss, in dem es auch um die Rolle des Zolls bei dieser Geschichte geht.

Frau Ministerin, ich möchte Sie wirklich ersuchen, darauf zurückzugreifen. Diese Anträge sind um einiges ambitionierter, um einiges klarer, um einiges weitgreifender, als es der europäische Entschluss offensichtlich in sich bergen wird. Dass da auch große Spiel­räume – gerade weil es eine Richtlinie ist – drinnen sind, sehen wir ja bei der Konflikt­mineralienverordnung – also einem direkt wirkenden Instrument –, in dem zum Beispiel die Strafen in Deutschland 500 000 Euro betragen und in Österreich gerade maximal 726 Euro.

Um zum Schluss zu kommen: Es ist ein Trauerspiel, zu sehen, wie sehr die Europäische Kommission am Gängelband der Konzerne hängt, wie sehr da die großen Industrie­lobbys Einfluss genommen haben, auch zum Schaden der ganz, ganz vielen kleinen KMUs, die sich sehr wohl an strenge europäische Regeln halten. Die Europäische Union muss endlich eine Union der Menschen werden und nicht die der großen Konzerne. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

11.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte sehr.