11.22

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Abgeordnete! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh darüber, dass dieses Thema heute für die Europastunde gewählt wurde. Die Kommission präsentiert heute Mittag – man muss sagen, mit monatelanger Ver­spätung – endlich ihren Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz, und ich be­danke mich ausdrücklich bei der Frau Bundesministerin für ihr Engagement und ihre klaren Worte in dieser immens wichtigen Sache. (Beifall bei den Grünen.)

Zu meinem Vorredner von der FPÖ möchte ich (Heiterkeit der Rednerin) gar nicht viel sagen. Es ist sehr schade, dass die FPÖ wieder einmal niemanden aus dem Europa­parlament hierher entsandt hat, um über dieses so wichtige Thema zu sprechen, zumal ja die FPÖ im Europaparlament dem Lieferkettengesetz zugestimmt hat. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Diese Ablenkungsmanöver der FPÖ hier zeugen also offenbar von einem blinden Fleck für dieses Thema im FPÖ-Parlamentsklub. (Beifall bei den Grünen.)

Ein effektives – ich betone: ein effektives – europäisches Lieferkettengesetz ist eine langjährige, sehr breite Forderung, mitgetragen auch von uns Grünen, von NGOs und vom Europaparlament, und es hat auch die überwältigende Unterstützung der Bevöl­kerung. Menschenrechtsverletzungen, Umwelt- und Klimaverbrechen (Zwischenruf des Abg. Hörl), Kinderarbeit, Hungerlöhne, Ausbeutung von Frauen dürfen nicht mehr länger als Schokolade, als T-Shirt, als Jeans oder Mobiltelefone auf den europäischen und damit auf den österreichischen Markt kommen.

Warum ist ein europäischer Rechtsrahmen so wichtig? – Es wurde heute schon gesagt: Nur ein einheitliches, europäisches Vorgehen kann sicherstellen, dass Unternehmen für die Missachtung von Menschenrechten und Umweltzerstörungen zur Verantwortung gezogen werden, und dass jene Unternehmen, die ihre Lieferketten auch jetzt schon freiwillig nachhaltig und fair gestalten, keine Wettbewerbsnachteile haben.

Das Europaparlament hat bereits im März des vorigen Jahres mit großer, fraktions­übergreifender Mehrheit einen legislativen Initiativbericht mit ganz konkreten Gesetzes­vorschlägen verabschiedet. Unternehmen sollen in die Pflicht genommen werden, Men­schenrechte, Umwelt und gute Unternehmensführung nicht nur in der gesamten Wert­schöpfungskette zu respektieren, sondern auch ihre negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu bewerten, zu veröffentlichen und Maßnahmen da­gegen zu setzen.

Sie sollen auch einer zivilrechtlichen Haftung unterliegen – das ist ganz, ganz wichtig! –, wenn sie dieser Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, und Entschädigungen für dabei ent­standene Schäden – die Frau Bundesminister hat dieses Problem der fehlenden Ent­schädigungen angesprochen – an Menschen und Natur leisten müssen. Uns Grünen waren in den Verhandlungen ein Importstopp für Produkte, die nachweisbar aus soge­nannter moderner Sklavenarbeit stammen, und natürlich auch die Genderdimension des Berichtes besonders wichtig. (Beifall bei den Grünen.)

Heute um die Mittagszeit, mit monatelanger Verspätung, kommt die Kommission der Forderung des Europaparlaments endlich nach und legt einen Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz vor. Das ist zu begrüßen. Allerdings, wie wir leider schon gehört haben und wie wir aus dem Leak des Vorschlages wissen, fällt dieser Vorschlag anscheinend deutlich hinter die Position des Europaparlaments zurück. Die Beschränkung auf etablierte Geschäftsbeziehungen ist ein Schlupfloch. Die pauschale Befreiung aller kleinen und mittleren Unternehmen ist mehr als enttäuschend – das Europaparlament geht da weitaus weiter –, zumal wir genau diesen Punkt, nämlich praxisnahe und ausgewogene Lösungen für Klein- und Mittelbetriebe, für diesen Europa­parlamentsreport lange verhandelt haben.

Auch dass die Kommission entgegen ihren eigenen Zusagen ihre ursprüngliche Ver­pflich­tung – ein Einfuhrverbot für Produkte, die nachweislich mit schweren Menschen­rechtsverletzungen wie Zwangsarbeit oder Kinderarbeit zusammenhängen – zurück­zieht, ist eine vertane Chance, denn gerade das wäre ein wichtiges Signal der Kom­mission gewesen, dass es die EU mit dem Lieferkettengesetz ernst meint.

Deshalb werden wir als Grüne nun natürlich sehr genau prüfen, was es mit diesem Vorschlag – er wird ja um 13 Uhr präsentiert – inhaltlich auf sich hat, und in den nächsten Monaten den Raum für Verbesserungen nützen. (Beifall bei den Grünen.) Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als die bedingungslose Verteidigung von Menschen­rechten, Arbeitsrechten und Umweltstandards und um klare Grenzen für Konzerne. Ich danke auch der Frau Bundesministerin für ihre klaren Worte in dieser Sache. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Abgeordnete Brandstötter zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.