11.27

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Wirtschaftspolitik ist ein Weg, unsere Welt zu gestalten. Für uns Liberale ist das selbstverständlich, ganz im Gegenteil, wir staunen ja jedes Mal über die rituellen politischen Eiertänze, zum Beispiel rund um internationale Wirtschafts­abkommen. Es liegt bald ein Entwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz auf dem Tisch und da sieht die Sache plötzlich ein bisschen anders aus. Plötzlich sind jene begeistert, für die Wirtschaft üblicherweise Teufelszeug ist.

Worum geht es? – Die Sorgfaltspflicht soll Unternehmen in der EU dazu verpflichten, auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Menschenrechte und Klimaschutz dürfen also in Zukunft nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden. Für größere Unter­nehmen gilt das dann auch nicht nur für die eigene Organisation, sie müssen auch Part­ner und Lieferanten betrachten.

Im Klartext: Damit wird menschenunwürdigen Zuständen bei der Produktion von Roh­stoffen oder bei der Produktion in Niedriglohnländern ein Riegel vorgeschoben. Das ist zu begrüßen. Was darf aber nicht passieren? – Jede Regelung, wir haben es heute schon gehört, kann auch zum Standortnachteil werden. Auflagen, die nur für manche gelten, die von anderen umgangen werden können und die anderswo überhaupt ignoriert werden, sind zahnlos.

Ein EU-weites Sorgfaltspflichtengesetz, das auch alle Handelspartner von europäischen Unternehmen in die Pflicht nimmt, ist ein guter erster Schritt, wenn es eben auch gut und europaweit umgesetzt wird. Es ist dann auch ein ausgleichendes Mittel gegen unfairen Wettbewerb. Es gibt in einzelnen Branchen schon ähnliche Regelungen, die sich auch als ganz praktikabel erwiesen haben, aber man muss schon auch verstehen, dass bei manchen Unternehmerinnen und Unternehmern die Alarmglocken schrillen: noch mehr Regeln, noch mehr Bürokratie, noch mehr Kontrollpflichten, die in der Praxis kaum zu erfüllen sind.

Ich erinnere an dieser Stelle an die Datenschutz-Grundverordnung. Die Datenschutz-Grundverordnung ist ja ein Projekt, das politisch und sozial zu 100 Prozent unterstüt­zenswert ist, aber in der Praxis dann doch für sehr viel Ärger gesorgt hat. Deshalb ist es auch wichtig, bei der Ausgestaltung des gegenständlichen Gesetzes genau hinzusehen. Es wäre nämlich absurd, wenn zum Beispiel Kleinunternehmer oder Selbstständige dazu verpflichtet werden, die Handelswege und Produktionsprozesse ihrer Lieferanten zu kontrollieren. Das ist nicht machbar. (Beifall bei den NEOS.)

Aktuell sieht der Entwurf auch Mindestgrenzen bei Umsätzen und bei Mitarbeiterzahlen vor. Das ist vernünftig und soll auf gar keinen Fall unterlaufen werden. Große Konzerne haben eigentliche keine große Sorge damit, diese Regelungen umzusetzen und einzuhalten – das sehen wir auch in Umfragen –, und ja, auch die Kleinen profitieren davon, wenn Große ihren Sorgfaltspflichten nachkommen.

Mir ist allerdings Folgendes wichtig: Was bedeutet dieses Gesetz für KonsumentInnen, für Selbstständige, für Einpersonenunternehmen, die da eben nicht mitgestalten kön­nen? – Es kann sein, dass dieses Gesetz wie fast alle Auflagen und Regelungen gerade zu Beginn für Schwierigkeiten sorgt und auch zu Preiserhöhungen führt. Dadurch sollten jedoch in weiterer Folge auch Qualität und Produktsicherheit steigen, und damit komme ich auch wieder zum Anfang meiner Rede zurück. Regelungen wie das Sorgfalts­pflich­tengesetz können auch zu fallenden Preisen beitragen. Regelungen wie dieses Gesetz sollen es Menschen leichter machen, Handelsabkommen und Freihandel zu akzep­tieren, die sonst in internationalen Wirtschaftsfragen Teufelszeug zu sein scheinen – für Kollegen Koza zum Beispiel.

Wirtschaft, die nach diesen Leitlinien gestaltet wird, kann dazu beitragen, die Lebens­bedingungen aller Menschen zu verbessern. Das ist die liberale Hoffnung, die wir in diesen Entwurf setzen, und das soll auch unsere Leitlinie für die konkrete Ausgestaltung sein, weil gerade die Anliegen von KMUs in Brüssel einfach oft untergehen. Die Kom­mission und unsere Vertreter im Rat sollten deshalb auch besonders auf die Bedenken der kleinen Unternehmen hören. Wir wünschen uns diesbezüglich eine breite Diskus­sion, die auch auf nationaler Ebene geführt werden soll.

Ich hätte noch gern ein Wort zu Kollegin Niss verloren, weil Sie vorhin sinngemäß ge­äußert haben, dass Menschenrechte da zweitrangig betrachtet werden sollen, auch im Hinblick auf die EZA. Afrika ist ja ein Schwellenland, wie wir seit Kurzem wissen, in dem auch manche Regierungen versuchen, sich in internationale Lieferketten einzugliedern. Wenn nun manche Staaten – wie zum Beispiel allen voran China – aufgrund ihrer schlechten Menschenrechtssituation umdenken und umstrukturieren müssen, dann ist das auch eine Chance für viele afrikanische Staaten, ein Anbieter zu werden und diese Lücke schnell und effektiv zu füllen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete zum Europäischen Parlament Winzig. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.