13.36

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Finanz­minister! Hohes Haus! Ich habe mir heute mehrere der im letzten Budgetausschuss besprochenen TOPs vorgenommen und möchte mit dem gleichen Thema, das meine Kollegin gerade schon ausgeführt hat, beginnen, nämlich der Verlängerung der Finanz­ausgleichsperiode, die ja wieder einmal auf Zuruf der Landeshäuptlinge erfolgt ist. Wir verlängern bis 2023, und das, meine Damen und Herren, ist keine gute Nachricht – nicht nur deswegen, weil man jetzt wirklich eine Fülle von 15a-Vereinbarungen neu aufstellen muss. Im Kern geht es einfach darum, dass der Bund da etwas zahlt, was die Länder ausgeben, ohne dass die Länder Rechenschaft dafür ablegen. Das ist etwas, dem wir NEOS nie zustimmen werden, und ich erkläre Ihnen auch, warum: weil der Einzige, der da draufzahlt, der Steuerzahler, die Steuerzahlerin ist.

Es handelt sich auf der einen Seite eben um Gesetze, die erhebliche Aufstockungen vorsehen. Es geht um viel Geld, das da gerade ausgegeben wird, und da muss natürlich darauf geachtet werden, dass diese Gelder effizient eingesetzt werden. Das fehlt in diesem Konglomerat vollkommen.

Der größere Punkt, warum wir so gegen diese Verlängerung der Finanzausgleichs­pe­riode sind, ist, dass dieses System endlich eine Reform braucht. Es braucht ganz, ganz dringend eine Reform des Finanzausgleichs, weil er weder aufgaben- noch zielorientiert ist. Die Krux ist eben, dass derjenige, der das Steuergeld einnimmt, also der Bund, das Geld an die Länder gibt und die Länder damit dann wie gesagt in Wahrheit tun und lassen können, was sie wollen. Das ist ein Systemfehler, der dringend reformiert gehört. (Beifall bei den NEOS.)

Wie geht das? – Es ist gar nicht so schwierig: Es braucht einen aufgabenorientierten Finanzausgleich mit klaren Zielvorgaben und entsprechender Kontrolle; und das Wichtigste ist, dass einfach die Aufgaben-, die Ausgaben- und die Einnahmenkom­pe­tenzen zusammengeführt werden. Das ist jetzt nichts Neues, das haben nicht wir NEOS erfunden; das ist etwas, das seit 20 Jahren auf dem Tisch liegt und das keine Regierung jemals angegangen ist.

Es würde aus unserer Sicht am besten über eine Abgabenautonomie der Länder und der Gemeinden funktionieren. Dazu gibt es international viele Vorschläge. Man könnte zum Beispiel Aufschläge auf die Einkommensteuer machen. Das würde auf der einen Seite natürlich dazu führen, dass Länder und Gemeinden selber Einnahmen haben, und auf der anderen Seite dazu, dass der Bund die Einkommensteuer dementsprechend würde senken müssen. Weiters braucht es einfach mehr Transparenz bei der gesamten Finanzausgleichsreform, und es braucht generell mehr Transparenz in diesem Haus, wenn wir über Steuergelder sprechen.

Das bringt mich zum nächsten Punkt, zum zweiten Punkt, den wir auch im Budget­ausschuss diskutiert haben, das ist das Covid-19-Compliance-Gesetz, über das Herr Kollege Fuchs ja auch schon gesprochen hat.

Noch einmal ganz kurz: Im Kern geht es da darum, dass Wirtschaftshilfen zurückgezahlt wer­den müssen, wenn Leistungsempfänger die gesetzlich vorgesehenen Betretungsver­bote nicht eingehalten oder Einlasskontrollen nicht durchgeführt haben. – So weit, so gut, das ist ja auch durchaus sinnvoll. Jetzt passiert aber das eine, und zwar dass dieser Bun­des­regierung im Allgemeinen und dem Herrn Finanzminister im Speziellen das vollkommen absurde Konstrukt Cofag auf den Schädel fällt. Warum sage ich das so? – Ganz einfach deshalb, weil es jetzt so gemacht wird: Wenn die Covid-Regeln nicht eingehalten werden, dann weiß das die Behörde. Das ist ganz klar, das sind die Bezirks­verwaltungsbehörden, die wissen natürlich, wenn es Überschreitungen oder Verstöße gegeben hat.

Was die Behörde aber nicht weiß, ist, wer Covid-Hilfen bekommen hat, denn das weiß wiederum nur die Cofag. Es ist einfach vollkommen absurd, wenn man sich anschaut, wie dieses Gesetz aufgestellt worden ist. Sie müssen sich einfach anschauen, was da passiert. Herr Kollege Obernosterer hat ja schon versucht, es zu erklären, er ist an dem Ganzen auch ein bisschen gescheitert. Die Bezirksverwaltungsbehörde muss hergehen, in die Transparenzdatenbank reinschauen und sagen: Aha, das sind die Unternehmen, die Verstöße begangen haben! Okay, fein, man muss jetzt die Cofag informieren! Das heißt, man schickt der Cofag den Bescheid, dass sich diese Unternehmen sozusagen nicht wohlfeil verhalten und Verstöße begangen haben – okay. Dann hat die Cofag den Bescheid, die geht dann zum Unternehmen und fordert die Hilfen zurück. Ich meine, mehr ums Kreuz kann man in dieser Republik ja wirklich nicht mehr arbeiten, oder?

Ein besonderes Schmankerl am Schluss: Ich glaube, dass ganz vielen Unternehmern noch nicht klar ist, dass  wenn diese Hilfen aus einem Grund nicht zurückbezahlt werden können  die Cofag mit der vollen Power der Republik kommen und diese Unternehmen zivilrechtlich verklagen kann. Das ist das Konstrukt, das Sie geschaffen haben. Wir haben von Anfang an gesagt, dass das vollkommen absurd ist und dass die Finanzämter diese Aufgabe übernehmen sollen – das wäre fair, denn die haben alle Daten, die wüssten, wie das geht. Dann hätte man sich das alles sparen können. Wir alle wissen aber auch, warum die Cofag gegründet worden ist: Damit es eine Blackbox gibt, in die man nicht reinschauen kann. (Abg. Haubner: Müsst ihr in den Beirat gehen!) Ganz im Ernst, meine Damen und Herren: Viele, viele Milliarden Euro an Steuergeldern werden ohne parlamentarische Kontrolle über die Cofag abgewickelt.

Damit komme ich zu meinem nächsten Punkt, der ist mir nämlich auch ganz wichtig, das haben wir auch im Budgetausschuss diskutiert: Die Steuereinnahmen sprudeln. 2021 haben wir 5 Milliarden Euro mehr Steuern eingenommen als 2019. Das ist prinzipiell gut, man kann also prinzipiell sagen, es gibt eine Erholung, die Industrie, die Unternehmen kommen wieder gut ins Geschäft und die Menschen zahlen viele Abgaben und Steuern – also wie gesagt, prinzipiell ist das ja alles nichts Schlechtes.

Gerade wurde uns vom Herrn Finanzminister die größte Steuerreform aller Zeiten, so wurde sie zumindest genannt, präsentiert. Mit dieser hohen Inflation, die wir im Augen­blick haben, über 5 Prozent waren es im Jänner, ist das natürlich alles weg. Das heißt, diese Steuer­reform führt sich ad absurdum. Das, was wir von Anfang an gefordert haben und was na­tür­lich auch die ÖVP also die türkise ÖVP  und die Grünen im Wahlkampf ver­sprochen haben, möchte ich heute noch einmal einfordern: Helfen Sie den Menschen nachhaltig und schaffen Sie die kalte Progression ab, Herr Finanzminister! (Beifall bei den NEOS.)

Um es noch ein bisschen nachdrücklicher zu machen, bringe ich auch heute wieder meinen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kalte Progression jetzt abschaffen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Pro­gres­sion abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 jährlich an die Inflation angepasst werden.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kalte Progression JETZT abschaffen!

eingebracht im Zuge der Debatte in der 141. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 2180/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (COVID-19-Compliance-Gesetz) (1346 d.B.) - TOP 5

Die Steuereinnahmen sprudeln 2021 wie nie zuvor

Der Finanzminister konnte sich anlässlich der Zahlen aus dem Budgetvollzug 2021 freuen: Dank der guten Wirtschaftsentwicklung und der sprudelnden Steuereinnahmen im Jahr 2021 fiel das Budgetdefizit 2021 trotz Krisenkosten in Milliardenhöhe nicht ganz so schlecht aus, wie ursprünglich erwartet. Tatsächlich sind die Einnahmen aus Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer (KöSt) und Kapitalerstragssteuer (KESt) so hoch wie nie zuvor - und liegen zum Teil deutlich über den Einnahmen im Jahre 2019, also vor der Corona-Krise. Die Agenda Austria rechnet vor, dass die Steuereinnahmen insgesamt von ihrem bisherigen Rekord von knapp 90,9 Mrd. Euro im Jahr 2019 auf 95,7 Mrd. Euro 2021 um gut 5,2% anstiegen. Die Mehreinnahmen bei einzelnen Steuerkategorien im Jahr 2021 (im Vergleich zu 2019) lassen sich damit durchaus sehen: plus 5,7% bei der Lohnsteuer, plus 4,6% bei der KöSt,  plus 2% Umsatsteuer und plus 41,1% Kapitalertragssteuer. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer kletterten im Krisenjahr 2021 auf noch nie dagewesene 30,1 Mrd. EUR.(1)

Auch 2022 Rekord-Steuereinnahmen erwartet - und das trotz Steuerreform

Auch für 2022 rechnet die Bundesregierung offensichtlich mit Zuwächsen bei den Steu­er­einnahmen. Laut Bundesvoranschlag (BVA) 2022 geht man für 2022 von einem Lohn­steueraufkommen von rekordverdächtigen 31,4 Mrd. EUR, das ist eine Steigerung von +10,2% im Vergleich zu 2019 (laut BRA). Die ewarteten KöSt-Einnahmen steigen 2022 auf rd. 10 Mrd. EUR - 6% über dem Niveau von 2019. Insgesamt geht die Regierung für 2022 von einem Rekord-Abgabenaufkommen von rd. 98,3 Mrd. EUR aus.(2)

Regierung hält dennoch an Kalter Progression fest

Aber obwohl die Steuerzahlerinnen für Rekordeinnahmen beim Finanzminister sorgen, wird die Kalte Progression von der Regierung wieder nicht abgeschafft. Die Kalte Progression, also die versteckte jährliche Steuererhöhung, entsteht, weil die Einkommen zwar Jahr für Jahr steigen, die Steuerstufen aber nicht an die Inflation angepasst werden. Somit erhöhen sich jährlich der Durchschnittssteuersatz und die Steuerschuld und spült damit jährliche hunderte Millionen zusätzlich in die Kassen des Finanzministers, quasi durch die Hintertür. Die Kalte Progression betrifft ALLE Lohnsteuerpflichtigen: Wenn der Bruttolohn inflationsbedingt steigt, steigt auch der Durchschnittssteuersatz – jener Anteil des Einkommens, der an den Finanzminister geht, nimmt also zu. Sie entsteht, sobald das zu versteuernde Einkommen einer Person an die Inflation angepasst wird und in der Folge zumindest den ersten Grenzsteuersatz überschreitet.

"Inflationssteuer" Kalte Progression spült jedes Jahr zusätzliche Millionen an Steuergeldern in die Staatskassen

Nach Berechnungen von NEOS belaufen sich die Mehreinnahmen durch die Kalte Pro­gres­sion zwischen dem Jahr 2013 und 2023 auf rund 11,88 Mrd. Euro. Das Institut EcoAustria schätzt, dass die Kalte Progression ohne Steuerreform zwischen 2019 und 2025 zu einer zusätzlichen Steuerbelastung von insgesamt 19,5 Mrd. Euro führen würde.(3) Auch der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger rechnete einst überschlagsmäßig vor, dass pro Prozentpunkt Inflation jährlich rund 250 Mio. Euro ins Budget fließen.(4)

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Die Steuerreform kompensiert nur unzureichend für die Kalte Progression

In den letzten Jahren haben die Menschen in Österreich sich daher die jetzt durch die Steuerreform beschlossene Entlastung selbst finanziert. Darüber hinaus kann es ohne eine gleichzeitige Abschaffung der Kalten Progression für einzelne Gruppen trotz Steuerreform unterm Strich zu einer steuerlichen Mehrbelastung kommen. Das betrifft bei der Steuerreform 2022 vor allem Haushalte ohne Kinder, da ein wesentlicher Teil des beschlossenen steuerlichen Entlastungsvolumens auf den Familienbonus entfällt.(5)

Ein von NEOS berechnetes Beispiel zeigt, wie das in der Praxis konkret ausschaut: So gab eine kinderlose Beraterin in einer Kreativagentur mit einem Gehalt von 55.000 Jah­resbrutto  2016-2021 insgesamt unbemerkt an den Finanzminister 1527 EUR ab und bekommt dafür im Jahr 2022 eine Entlastung von 325 EUR. Von der Entlastung bleibt ihr also unterm Strich nichts übrig. Im Gegenteil: die Kalte Progression der Vorjahre hat 1202 EUR mehr gekostet, als sie bei der Steuerreform 2022 wieder zurückbekommt.

Kalte Progression JETZT abschaffen!

Auch diese Bundesregierung hält entgegen eigener Zusagen an der Kalten Progression fest. Vor der Nationalratswahl 2017 hatten sowohl ÖVP als auch FPÖ die Abschaffung der Kalten Progression angekündigt, vor der letzten Wahl 2019 versprachen dies dann alle Parteien - auch jene der Regierung - ausdrücklich. Im ausverhandelten Regierungs­programm der ÖVP und der Grünen fehlt wieder das volle Bekenntnis zum partei­über­greifenden Versprechen aus dem Wahlkampf 2019.

Damit aber nicht jede Regierung aufs Neue die "größte Steuerreform aller Zeiten" be­schließen muss, nur um den Steuerzahler_innen das zurückzugeben, was sie ihnen zuerst über die Kalte Progression abgenommen hat, sollte endlich die Kalte Progression dauerhaft abgeschafft werden. Die Steuerstufen müssen daher automatisch jährlich mit der Inflation angehoben werden. Nur so können Entlastungsmaßnahmen wie die Steuer­reform 2022 eine nachhaltige Wirkung entfalten und würden nicht bereits in kürzester Zeit durch die erwarteten höheren Inflationsraten der nächsten Jahre wieder verpuffen.

Die Abschaffung der Kalten Progression ist angesichts sprudelnder Steuereinnahmen und steigender Inflationsraten ein Gebot der Stunde - und muss JETZT zusätzlich zur bereits beschlossenen Steuerreform umgesetzt werden.

Quellen:

1.          https://www.agenda-austria.at/grafiken/steuern-trotz-pandemie-auf-allzeithoch/

2.          Budgetbericht 2022: https://www.bmf.gv.at/themen/budget/das-budget/budget-2022.html

3.          https://www.derstandard.at/story/2000130164622/worum-geht-es-bei-der-kalten-progression

4.          https://www.sn.at/politik/innenpolitik/rechenspiele-um-kalte-progression-69712411

5.          Analyse d. Budgetdienst zur Ökosozialen Steuerreform: https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/AKTUELLES/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Pro­gression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 jährlich an die Inflation angepasst werden."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nun ist Herr Bundesminister Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.