22.01

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass ein solcher Antrag hier im österreichischen Parlament dis­kutiert werden muss, verwundert etwas, den könnte man eher in Aserbaidschan, in Belarus, in Russland, in die Türkei oder sonst wo verorten. Dass wir ihn hier diskutieren müssen, ist leider eine traurige Wahrheit. Es ist in letzter Zeit aber sehr vieles, was eigentlich bis vor Kurzem noch undenkbar war, wahr geworden, unter anderem auch, dass es Zwischenrufe aus diesem Sektor hier (in Richtung FPÖ) in Richtung der Kollegin von der ÖVP nach dem Motto gibt: Na, das werden sie aushalten müssen, wenn sie mit Eisbrocken beworfen werden! – Nein, das müssen wir nicht aushalten, das muss kein Journalist und keine Journalistin in diesem Land aushalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Das ist nämlich ein Umgang mit Medien, der in Österreich verdammt noch einmal nichts verloren hat.

Dass man über den Schutz von Medienleuten diskutieren muss, darüber, dass sie ihre Arbeit sicher machen können, ist genauso neu wie, dass Menschen, die sich zum Judentum bekennen, davor gewarnt werden, zu gewissen Zeiten auf die Straße zu gehen, weil Parolen skandiert werden, wonach das „Weltjudentum“ einen Virus in die Welt gesetzt hat, erfunden hat, jetzt damit Geld macht, Menschen damit ausrotten will, oder anderes verrücktes Zeug, was wirklich absolut unhaltbar, untragbar ist für dieses Land, mit der Geschichte, die wir haben. Antisemitismus nimmt wirklich in einem absolut beängstigenden Ausmaß Formen an, wie ich das vor Kurzem auch noch nicht für möglich gehalten hätte. Das geht Hand in Hand mit der Relativierung des Holocaust, der Relativierung der Schoah, indem jetzt Menschen mit gelben Sternen herumlaufen und sich als die neuen Opfer bezeichnen, sich mit Jüdinnen und Juden gleichsetzen, die martialisch ermordet worden sind, die industriell vernichtet worden sind. Das kann nicht sein! Das kann in diesem Land schlicht und ergreifend nicht sein! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Parolen wie „Impfen macht frei“ oder die Gleichsetzung des Parlaments mit der Wann­seekonferenz, mit der Konferenz, auf der die industrielle Ermordung von elf Millionen Juden geplant worden ist – es waren zum Glück weniger, aber immer noch viel zu viele –, diese Gleichsetzung geht einfach nicht. Da ist ein ganz großes rotes Stoppschild (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen), da kann man nicht drüber, und da muss man wirklich allen Menschen sagen, die da – zu Recht oder zu Unrecht, egal – auf die Straße gehen und demonstrieren: Mit solchen Rattenfängern läuft man einfach nicht mit! Bei so einem absurden antisemitischen Spiel spielt man einfach nicht mit! Das ist ein absolutes No-Go in Österreich, das geht nicht. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abge­ordneten der NEOS.)

Zu verharmlosen, was vielen Millionen Menschen während der Zeit des Nationalsozialis­mus angetan worden ist, zu verharmlosen, was diese absolut menschenverachtende Ideologie zustande gebracht hat, was sie alles ausgelöscht hat, nicht nur an Men­schen­leben, sondern auch an Kultur, an Fortschritt, an allem, was uns eigentlich wichtig sein sollte, das ist etwas, was in dieser Republik keinen Platz hat, und das ist durchaus auch etwas, worüber JournalistInnen berichten können sollen und müssen, weil es wichtig ist, dass auch diese absurden Seiten von Demokratie letztendlich aufgezeigt werden können. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

22.05